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Nr. 55. Pulsnitzer Wochenblatt. — Donnerstag, den 1S. Mai 1909. Seite 6. über den Antrag des Abg. Biener (Resp.), die Erhöhung des Fonds für Darlehen an gewerbliche Genossenschaften rc. betr., und über den Antrag des Abg. Merkel (Natl), eine weitere Erhöhung der Einstellung in Kapitel 60 für Unterstützung der Handels- und Gewerbeschulen sowie gewerblichen Fachschulen betr. Es liegen zu zahlreichen Kapiteln des Etats veränderte Einstellungen vor, die die Deputation sämtlich zu bewilligen beantragt. Abg. Merkel (Natl.) begründet seinen Antrag und fordert, daß Handel, Industrie und Landwirtschaft inbezug auf staatliche Zuschüsse zu den Fach schulen mindestens paritätisch behandelt würden. Ministerial direktor Geheimrat vr Roscher erwidert, die Negierung und beide Kammern seien sich stets einig gewesen, im Interesse der Fürsorge für die Fachschulen aller Berufszweige. An der ferneren Debatte über diesen Gegenstand beteiligen, sich noch die Abg. Fleißner, Bär, Hähnel, Biener, Uhlig, Langhammer und Gpitz sowie Ministerialdirektor v. Seydewitz. Die Kammer be willigt sodann die bei einzelnen Kapiteln als Ergänzung einge stellten Summen nach den Anträgen der Deputation zum Teil gegen die Stimmen der Sozialdemokraten. Der Antrag Merkel wird mit 44 gegen 17 Stimmen abgelehnt. Hierauf wird der Entwurf eines Gesetzes über die Aufnahme einer Staatsanleihe von 100 Millionen M einstimmig nach der Vorlage angenommen. Mehrere Petitionen werden antraggemäß in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der 1. Kammer erledigt. Weiter steht zur Be ratung der Antrag Fräßdorf und Gen. (Soz ) betr. die Vergebung von staatlichen Arbeiten. Die Deputation beantragt, die Regierung zu ersuchen, eine Ergänzung der allgemeinen Bestimmungen über die Vergebung von Leistungen und Lieferungen durch die staat lichen Verwaltungen im Königreich Sachsen unter tunlichster Be rücksichtigung des Antrages Fräßdorf im Sinne des Deputations berichtes in Erwägung zu ziehen. Es entspinnt sich über diesen Gegenstand eine ausgedehnte Debatte. Abg. Fräßdorf (Soz.) erklärt zum Schlüsse, daß seine Parteifreunde dem Anträge der Deputation zustimmen würden, obwohl nur der geringste Teil ihrer Wünsche dadurch erfüllt werde. Geheimer Oberfinanzrat Mettig kennzeichnet den Standpunkt der Regierung, der durchaus nicht, wie der Vorredner behauptete, gegen die guten Sitten ver stoße. Der Forderung, daß nur solche Unternehmer berücksichtigt werden, die ihren Arbeitern die durch Tarifvertrag vereinbarten Löhne oder wenigstens den ortsüblichen Tagelohn gewährten, stehe die Regierung sympathisch gegenüber. Bezüglich des Koalitions rechtes beobachte die Regierung die Vorschrift, daß Unternehmer, von denen bekannt sei, daß sie das Koalitionsrecht in gesetzwidriger Weise beeinträchtigen, von der Berücksichtigung ausgeschlossen würden. Nach weiterer Debatte wird der Antrag der Deputation gegen wenige Stimmen angenommen. Es folgt als letzter Gegen stand der Tagesordnung die Interpellation Fräßdorf und Gen. (Soz.), betr. die Vauarbeiteraussperrung. Abg. Aastan (Soz.) begründet die Interpellation und kennzeichnet die Aussperrung als eine Maßnahme, die in Deutschland beispielslos dastehe. Staats minister Graf Vitzthum v. Eckstädt erwidert: Der Gebrauch des durch die Reichsgewerbeordnung gewährleisteten Koalitionsrechtes biete der Regierung nur in bestimmten Fällen Anlaß zum Ein schreiten. Der Wunsch nach Vermittelung anläßlich der gegen wärtigen Bauarbeiteraussperrung sei der Regierung noch von keinem der beiden Teile geäußert worden. Sollte ein solcher Wunsch an die Regierung herantreten, so würde sie zuerst prüfen, ob eine Vermittelung auch Erfolg verspreche. Neuerdings schwebten Vorbesprechungen darüber, ob und auf welchem Wege in Einigungs verhandlungen einzutreten sei. In Arbeiterkreisen besteht die Neigung, sich auf solche Verhandlungen einzulassen. Von den Arbeitgebern sei aber eine solche Neigung bisher nicht bekundet worden. Es sei jedoch im Laufe der nächsten Woche eine Ent schließung hierüber zu erwarten. Wenn die Regierung den Wunsch ausspreche, daß auch die Arbeitgeber eine entgegenkommende Hal tung beweisen und diese Verhandlungen nicht ablehnen möchten, so hoffe sie, daß die Verhandlungen von einem versönlichen Geiste getragen und daß der Friede wieder hergestellt werde. Bei den staatlichen Bauten seien die Lieferungsfristen bisher immer einge halten worden. Gesuche um Verlängerung der Frist seien nicht eingegangen. Ob angefangene Bauten unter der Aussperrung leiden würden, sei noch nicht festgestellt. Es erscheine aber nicht ausgeschlossen, daß noch zu vergebende Arbeiten eine Verzögerung erleiden würden. Dieser Möglichkeit vorzubeugen, sei das Mini sterium nicht in der Lage, da ihm kein Zwang auf die Unternehmer zustehe. Es folgt Besprechung der Interpellation. Abg. Göpfert (Natl.) äußert seine Freude darüber, daß die Interpellanten auch die Arbeitgeber mit eingeschlossen hätten, von denen besonders die kleineren durch die Aussperrung sehr gefährdet würden. Erfreulich sei, daß die Regierung die Parität wahren wolle. Streik und Aussperrung seien gleichberechtigte Waffen im wirtschaftlichen Kampfe. Hoffentlich würden baldige Verhandlungen zu einem Ende des Kampfes führen. Abg. Günther (Freis.) will von einer Beurteilung der ultima ratio, der Aussperrung absehen, um kein weiteres Oel ins Feuer zu gießen. Seine Freunde würden stets für den paritätischen Arbeitsnachweis eintreten, wenn es sich wirk- lich um einen solchen handle. Abg. Fräßdorf (Soz) vertritt noch mals den Standpunkt seiner Partei und meint, er könne nicht sagen, daß er sich durch die Stellungnahme der Regierung nicht befriedigt fühle, denn er habe nichts anderes erwarten können. Nach den Ausführungen des Abg. Böhme (Kons.), der die Arbeit geber energisch in Schutz nimmt, daß sie sich in einer Notlage be funden hätten, wird die Debatte geschlossen. Es folgt eine längere Reihe persönlicher Richtigstellungen. Damit ist die Interpellation erledigt und die Tagesordnung erschöpft. Nächste Sitzung morgen vormittag 10 Uhr. Um 3 Uhr beginnt das Vereinigungsverfahren beider Kammern, an die sich eine weitere Sitzung der 2. Kammer anschließt. Nerckstags-SttmmungsbNd. Berlin, 10. Mai. Schon um 11 Uhr hatte man sich heute im Reichstag versammelt, um möglichst bald in die Heimat dampfen zu können, aber man sah bereits viele, die nicht da waren, die es vorgezogen hatten, schon vorher ihre Koffer zu packen und den heimatlichen Penaten zuzusteuern. Und je länger die Sitzung dauerte, desto länger wurden die Gesichter der Anwesenden, denn mit einer schnellen Erledigung war es nichts, und in der General debatte glaubte jeder Fraktionsredner sein Sprüchlein hersagen zu müssen, um damit gleichsam anzudeuten, daß man sich keineswegs überstürzen wolle, sondern daß es sich um tief durchdachte und sorg fältige Arbeit handele. Wie es zuweilen Gesetzentwürfen der Re gierung ergeht, hatte die Vorlage in der Kommission ein völlig anderes Gesicht angenommen, aber der Regierung blieb nichts an deres übrig, als in den sauren Apfel beißen zu müßen, zumal ja die Kommisstonsbeschlüsse dasselbe Resultat im Grunde genommen herbeiführen sollten, wie dies in den Absichten der Regierung lag, nur daß man andere Wege einschlagen wollte, und schließlich ist selbst einem Minister der Sperling in der Hand lieber als die Taube auf dem Dach. Mit alleiniger Ausnahme des freisinnigen Redners Dove äußern sich die Redner aller Parteien im großen und ganzen zustimmend, wenn vielfach auch schwere Bedenken vor handen sind und von einigen Fraktionen mehrere Mitglieder bei der Abstimmung abbröckeln, weil sie anderen Sinnes sind. Sehr scharfe Worte fielen in der Debatte gegen das Kalisyndikat, dessen Verhalten in der ganzen Angelegenheit mit nicht gerade schmeichel haften Ausdrücken belegt wurde. In der Generaldebatte hatte auch der sozialdemokratische Redner keine prinzipiellen Einwendungen gegen das Gesetz, wenn auch die Bedingung gestellt wurde, daß die arbeiterfreundlichen Bestimmungen nicht verschlechtert würden. Nachdem auch noch einige Redner der zweiten Garnitur das Wort ergriffen, kam man endlich zur Einzelberatung. Bei den ersten Paragraphen hielt man sich nicht lange auf, erst bei 8 6, der die Kontingentierung betrifft, glaubte der freisinnige Parteiführer Wiemer nochmals die ablehnende Haltung seiner Partei begründen zu müssen. Die Sitzung dauert in der neunten Stunde noch fort. Die zweite Lesung soll heute noch zu Ende geführt werden und nach Einschiebung einer Pause die dritte Lesung des Gesetzes erfolgen. Sodann soll die Vertagung des Hauses bis zum 8. November erfolgen. ^««1 ALÄ1L«»', Lrük6r^..LürZ6r Xsmnrsi'8ti'. M. 4. öfksnMcke Stadtverordneten Sitzung Dienstag, am 10. Mai 1910, abends ^8 Uhr — — im Sitzungssaals des Rathauses. Anwesend sind 11 Mitglieder, 4 entschuldigt. Sitzungsleiter: Herr Vorsteher Hedrich. Vom Rate anwesend: Herr Bürgermeister vr. Michael. Zur Beratung bezw. Beschlußfassung gelangten folgende Punkte: Punkt 1. Eingegangen sind: 1 Dankschreiben des Wachtmeisters Junker sür die ihm von den städtischen Kollegien bewil ligte Anrechnung der anderwärts verbrachten Dienstjahre auf Gehalt und Pension. — 1 Dankschreiben des hiesi gen Gebirgs- und Verschönerungsvereins für die ihm aus städtischen Mitteln gewährte Unterstützung. Man nimmt Kenntnis. Punkt 2. Der Sparkassenreingewinn 1909, welcher 40482 M 86 Pf. beträgt, soll dem Ratsbeschlusse gemäß wie folgt zur Ver teilung kommen: 28302,86 M Reservefonds, 18808,00 M zur Stadtkasse zur Bestreitung gemeinnütziger Ausgaben, 1000,00 M zur Beschaffung eines Sprengwagens und 380,00 M zum Fonds für Unterstützung Schwindsüchtiger. Punkt 3. Die von Herrn Münckner-Bautzen der hiesigen Stadt zum Kaufe angebotenen Parzellen sollen zu dem vereinbarten Preise erworben werden. Wegen Verpachtung bezw. Wiederverkauf einiger dieser Parzellen soll dem Wunsche des Herrn Münckner entsprochen werden. Punkt 4. Der Vorschlag des Schulausschusses, wonach vom Jahre 1911 ab die vollen Zinsen von 60 M jährlich aus dem Gräfe'schen Legat wieder zur Verteilung kommen sollen, wird genehmigt und zwar aus dem Grunde, weil das seinerzeit von der Stadt an die Gemeinde Pulsnitz M. S. und Vollung gezahlte Abstandskapital von 9000 M getilgt ist und die Entnahme eines Teiles der Legat insen zur Verzinsung und Tilgung dieses Kapitals nicht mehr ge rechtfertigt erscheint. Punkt 8. Der Haushaltplan der Schulkasse sür 1910 wird in Ein nahme und Ausgabe allenthalben genehmigt und hat sol- genden Abschluß: Bedarf: 87000 M Deckungsmittel: 19800 M Fehlbetrag: 37200 M, welcher zu decken ist mit 1398 M vom Rittergute nach 3»/4°/o des Fehlbetrages. 85808 M müssen durch Anlagen erhoben werden. Hierauf nichtöffentliche Sitzung. VMsMlWK Pulsnitz LL'r geöffnet Sonntags von 11—12 — s Band 2 Pfg. pro Woche. Neue Romane: Au heiligen Wassern von Heer. Der Vruchhof von Rich. Skowronek. Ratsmädelgeschichten von Helene Böhlau. Der Katzenfang von Sudermann. Littauische Geschichten von Ernst Wichert. Das Moordorf von Mar Geißler. Rudolf v. Vargula von Joh. Re natus. Der Büttnerbauer von Wilh. v. Polenz. Wettervorhersage der KvvigUch Sächsische« Kaud-eswett^rWarte M Dresden. Freitag, den 13. Mai. Veränderliche Winde, wolkig, noch zeitweise Regen, Gewitternei- gung. Magdeburger Wettervorhersage. Trocken, ziemlich heiter, etwas wärmer. MrckNcds NackrkÄdistt. Pulsnitz. Sonnabend, 14. Mai, 1 Uhr Betstunde. Pastor Resch. Sonntag, den 15. Mai, 1. Pfingstfeiertag: 8 Uhr Beichte > - r '/,9 „ Predigt (Ephes. 2, 19-22) j M°rrer Schulze. V-2 „ Gottesdienst. Pastor Resch. Montag, den 16. Mai, 2 Pfingstfeiertag: v,s Uhr Predigt (Ephes. 1, 15—19). Pastor Resch. Vs 2 „ Gottesdienst. Pfarrer Schulze. An beiden Feiertagen wird eine Kollekte für den allge meinen Kirchenfonds gesammelt werden. Amtswoche: Pastor Resch. .Er soll sich im Winter in Berlin, im Sommer an den Spielbänken herumtreiben; weiter weiß ich nicht« von ihm.* Hierauf ging Heinreich von Godlberg, nachdem er dem alten Freunde seine» Hause» herzlich die Hand geschüttelt hatte. — 4. Kapitel. — Vor dem Tore der Stadt in einem kleinen Gartenhause wohnte die verwitwete Oberst von Meerheim. Di« ältliche Dame, welche von ihrer kärglichen Pension lebte, hatte da» Obergeschoß inne, während im Parterre der Wirt, ein kleiner Rentier, mit seiner Familie hauste. Zu Frau von Meerheim hatte sich Mathilde von Godtberg geflüchtet, al» ihr der Aufenthalt auf Scbönfelv unmöglich wurde. Die würdige Dam« hatte da» jung« verlaßene Mädchen mit mütterlicher Zärtlichkeit ausge nommen. Da Mathilde gänzlich mittello» war, denn von Schönfeld au» wurde ihr jede Unterstützung verweigert, machte sie sich die Geschicklichkeit ihrer zarten Finger dienstbar und arbeitete für einige größer« Geschäft« d«r R«fid«nz. Mäßig nur wurden ihre wertvollen Arbeiten bezahlt, aber bei der Bedürfni»losigk«it der beiden Damen genügt« d«r Erlö» nicht nur, da« junge Mädchen zu erhalten, ja Mathilde hatte sogar Ersparnisse gemacht, und sie war aus diesen Erfolg nicht wenig stolz. Di« Ereignisse auf Schönfeld, der gänzlche Ruin ihre« Hause« hatten sie tief er« schüttert. Die Ankunft de« Bruder«, den sie mit Zärtlichkeit liebt«, war s«it lang«, Z«it d«r «rste Lichtstrahl in ihr«m so befchei- den«» und so kummervoll«« Das«in g«wesen. Frau von M«erh«im war in die Stadt gegangen, und Mathilde saß, an einem Fenster nach dem Garten zu, am Stick rahmen. Sie bemerkt« nicht, wi« «ine Droschke vor der Garten pforte hielt, eine alte Dame au«stieg, die von einem Diener in da» Hau« geleitet wurde. Sie hörte die Klingel der Vortür« anschlagrn, und gleich darauf kam di« alte Magd und brachte «in« Karte. .Frau Otto Lehmann", la» da» Mädchen. .Da» gilt wohl Frau von Merheim? Hast du nicht ge« sagt, daß sie «»»gefahren ist?« „Die Dame fragt nach Ihnen gnädige» Fräulein.« .Nach mir? Wa» mag sie wollen? Führe die Dame in» Besuchtzimmer, ich komme sofort.« Während die Magd hinaulging, erhob sie sich vom Stick rahmen, ordnete ein wenig Haar und Anzug und trat in» Neben zimmer, welcher al» Empfang»salon diente. Am Tische, der Tür, durch welche sie eintrat, gerade gegen über, stand eine kleine, alte Dame mit scharfen Gesichttzügen, in denen sich, al» sie Mathilde erblickte, eine so lebhafte Bewe gung zeigte — war e» Erstaunen, Schreck oder beide» zugleich, wa» sich darin »»«drückte? — daß da« Mädchen sich verwunderte. Mathilde von Godlberg war von schlanker, anmutiger Gestalt, die durch da« einfache, aber gutsitzende Hau«kleid hervorgehoben wurde. Da« sanfte, hübsche Gesicht, au« dem dunkle Augen hervorleuchteten war von braunem Haar eingefaßt, hierin un ähnlich den meisten Mitgliedern ihrer Familie. Aeltere Leute, welche ihre Großmutter gekannt hatten, be hauptet«», sie sähe dieser auffallend ähnlich, wa« auch durch da« wohlerhaltene Bild ihrer Ahnenfrau bestätigt wurde. Sie bemerkte nicht ohne Erstaunen, di« Bewegung in den Gesichttzügen der fremden Frau, al« diese die Augen auf sie richtete, lud sie aber durch eine höfliche Gebärde ein, sich nieder zusetzen, wa« Frau Leymann auch sofort tat, oder vielmehr von einer Anwandlung von Schwäche ergriffen, sank sie in den Stuhl. Al« die Besucherin nicht sprach und nur den Blick mit seltsamem Au»druck auf da« Gesicht de« jungen Mädchen« ge richtet hielt, nahm Mathilde da« Wort. .Wa« verschafft mir da« Vergnügen, Frau Lehmann bei mir zu sehen, vorausgesetzt, daß Ihr Besuch mir auch wirk lich gilt?« Die Angrredete strich leicht mit der Hand über ihre Augen und sagte dann mit ruhiger Artigkeit, jede Bewegung war au« ihren Gesichttzügen verschwunden: „Mein Besuch gilt Fräulein Mathilde von God«berg." Eine Gebärde de» jungen Mädchen deutete an, daß sie be reit sei, zu hören. „Ich will rasch zur Sache kommen«, fuhr die Greisin fort. „Ich habe in Erfahrung gebracht, daß Fräulein von God»berg ungemein geschmackvolle Stickereien anfertigt, und die» führt mich hierher.« In Mathilden» Angesicht erschien ein Helle» Rot bei diesen Worten. „Ich beschäftige mich in der Tat damit«, entgegnete sie, „doch bin ich überrascht zu finden, daß man in größeren Kreisen Kenntni» von meiner Tätigkeit hat.« „Und darum schämen Sie sich jetzt, nicht wahr?« Die in scharfem Ton gestellte Frage verstärkte da» Rot in dem hübschen Gesichte noch, aber sie erwiderte in sanftem Tone: „Nein ich schäme mich meiner Arbeit nicht, habe aber auch keine Veranlassung, öffentlich anzukünden, wie ich in der Stille schaffe.« „Natürlich, die Stande»ehre, begreife. Redliche Arbeit, mein gnädige» Fräulein, adelt auch«, klang e» ihr in in gleicher Weise wie vorher entgegen. Mathilde von Godlberg wußte nicht, wa« sie au» diesem seltsamen Besuche und seiner befremdenden Art und Weise machen sollte, und sie war schon im Begriff sich zu erheben, al» Frau Lehmann in einem Tone, der sehr von dem bi»her an geschlagenen abstach, hinzusetzte: , „Arbeit adelt auch, Kind, ich weiß e», denn ich habe ge arbeitet, arbeite auch noch und bin stolz darauf, wie Sie vielleicht auf Ihre Ahnenreihe.« (Fortsetzung folgt.)