Volltext Seite (XML)
Beilage nun Pulsnitzer Wochen b latt Donnerstag —4- Ar. SS. 4— 12. Mai 1910. vertNcdes unv SScbslscbes. — Für den Monat April 1910 sind behusS Ver- gütung des von den Gemeinden resp. Quartierwirten innerhalb der t etreffenden LteferungSoerbände im Monat Mai 1910 an Militärpferde zur Verabreichung gelan genden Pferdefutters in den Hauptmarktorten der Liefe rungsverbände des Regierungsbezirks Bautzen folgende Durchschnitte der höchsten Preise für Pferdefutter mit einem Aufschläge von fünf vom Hundert festgesetzt worden: Hafer 100 Kilo. Heu 100 Kilo. Stroh 100 Kilo. Zittau: 16 M 76 Pf. 9 M 97 Pk. 5 M 41 Pf. Bautzen: 16 „ 49 „ 10 „ 40 „ 5 „ 51 „ Kamenz: 16 „ 22 „ 9 „ 97 „ 5 „ 43 „ Löbau: 15 „ 96 „ 10 „ 42 „ 4 „ 53 „ — (17. Völkerschlacht-Denkmallotterie.) Am ersten ZtehungStage wurden an größeren Gewinnen gezogen: Nr. 31215 mit 200 M., Nr. 98209 mit 100 M., Nr, 174649 mit 100 M., Nr. 157725 mit 300 M., Nr. 13449 mit 300 M., Nr. 13207 mit 300 M., Nr. 136956 mit 200 M, Nr. 113826 mit 100 M., Nr. 133136 mit 200 M. (Ohne Gewähr.) — Am 9. dieses Monats und folgende Tage hat eine abermalige Auslosung Königlich Sächsischer Staats« papiere stattgefunden, von welcher die auf 3'/, "/„ herab gesetzten, vormals 4 °/o Staatrschulden-Kassenscheine von den Jahren 1862/55/58/59/62/66 und /68 und die durch Abstempelung in 3'/, °/, und 4 «/» StaatSpapiere umge wandelten Löbau-Zittauer Eisenbahnaktien l-ii und 8 betroffen worden sind. Die Inhaber der genannten StaatSpapiere werden hierauf noch besonders mit dem Hinzufügen aufmerksam gemacht, daß die Listen der ge zogenen Nummern in der Leipziger Zeitung, dem Dresd ner Journal und dem Dresdner Anzeiger veröffentlicht, auch bet sämtlichen Beztrkssteuereinnahmen, sowie bei allen Stadträten, Bürgermeistern und Gemeindevorstän- den des Landes zu jedermanns Einsicht ausgelegt werden. Dresden, 9. Mai. (Selbstmord eines Semina risten) Heute früh gegen 4 Uhr stürzte sich der 15 Jahre alte Schüler des kgl. Seminar zu Dresden-Strehlen Kurt Heide vom hohen Turm des SewinargebäudeS auf das Pflaster hinab und wurde mit furchtbaren Verstümme lungen tot aufgefunden. Der Lebensmüde hatte sich Roosevelts MM in Berlin. Der Erpräsident der Bereinig ten Staaten ist am Morgen des 10. Mai von Stockholm in Berlin eingetroffen. Da durch den Tod des Königs von.England die vorher ge troffenen Dispositionen des Hofes um gestoßen worden waren, gestaltet sich der Empfang des Staatsmannes auf dem Stettiner Bahnhof im wesent lichen zu einer Feier der amerikani schen Kolonie, die fast vollzählig auf dem Bahnsteig erschienen war. Vor dem Bahnsteig harrte trotz des elen den Wetters eine nach vielen Tau senden zählende Menschenmenge der Ankunft des berühmten Gastes Als der Zug trotz einer Verspätung, die er bei der Ueberfahrt nach Saßnitz erhalten hate, pünktlich in die Halle einlief, wurden Roosevelt und die Seinen zunächst von Staatssekretär v. Schoen, dem Kommandierenden General v. Löwenfeld und den Her- ren von der amerikanischen Botschaft begrüßt. An ihrer Spitze fehlte üb rigens der Botschafter Hill, der eine erhebliche Verspätung vorausgesetzt hatte und nun selbst verspätet ein traf. Nachdem der Erpräsident und die Seinen fast jeden einzelnen der zum Empfang Versammelten per sönlich begrüßt hatten, fuhren sie im Auto zur amerikanischen Botschaft. Die Menschenmenge, die draußen ihrer harrte, empfing sie mit enthsi- astischem Jubel, der sich durch alle Straßen bis zur Botschaft fortsetzte. Roosevelt bei seiner Ankunft in Berlin. nachts nach dem Uhrenboden begeben, um von dort aus den Sprung in die Tiefe zu tun. WaS dem jungen Mann in den Tod getrieben hat, ist bisher noch unauf geklärt. Säckslscber Landtag. Dresden, 10. Mai. (1. Kammer.) Das Haus genehmigt zunächst einige Etatskapitel rc., worauf die Beratung über den Antrag Brodaus und Gen. betr. die Aenderung der Bestimmungen über die Ruhe an Sonn- und Feiertagen und über die geschlossenen Zeiten folgt. Die 2. Kammer hat beschlossen, daß als geschlossene Zeiten zu gelteu haben die Tage vom Sonnabend vor Palmarum bis zum 1. Osterfeiertag und die Tage vom 22. bis 25. Dezember. Diesem Beschluß stimmt die Deputation der 1. Kammer zu, ver sagt jedoch dem weiteren Beschlusse der 2. Kammer die Zustim mung, daß in der Karwoche Familienfestlichkeiten mit Tanz, nicht Privatfestlichkeiten schlechthin, bis einschließlich Mittwoch vor Ostern erlaubt seien, sowie daß die Schlußzeit für Lustbarkeiten in der Nacht zum Sonntag um 6 Uhr beginnen solle. Die Deputation der 1. Kammer beantragt vielmehr, daß diese Schlußzeit bereits um 2 Uhr morgens beginne. Es entspinnt sich über diese Frage eine außerordentlich lange und lebhafte Debatte, in deren Ver- laufe Staatsminister Dr. Beck erklärt, daß die Regierung die ge schlossene Zeit von Sonntag Judica ab genehmigen würde, den Deputationsanträgen aber nicht zustimmen könne. Staatsminister Graf Vitzthum v. Eckstädt tritt den Ausführungen des Kultus ministers namentlich mit Rücksicht auf die am Sonntag Judica stattfindenden Konfirmationen bei. Schließlich wird ein Antrag des Oberhofpredigers vi. Ackermann, daß der Sonntag Judica als der erste Tag der geschlossenen Zeit zu gelten habe, abgelehnt. Die Deputationsanträge werden daraus, teils einstimmig, teils gegen wenige Stimmen angenommen. Genehmigt wird ferner in Uebereinstimmung mit der 2. Kammer Kapitel 60 des Etats, landwirtschaftliche, gewerbliche und Handelsschulen sowie allge meine Ausgaben für Landwirtschaft und Gewerbe betr. Der Antrag Schanz-Nitzschke, die Regierung zu ermächtigen, einen Be trag von 20000 M zur Errichtung einer Submissionszentrale zu gunsten des Handwerks und des gewerblichen Mittelstandes zu verwenden, wird einstimmig angenommen Dresden, 10. Mai. (2. Kammer.) Es werden zunächst 21 Pe titionen und zwar nach dem Vorschlags des Präsidenten ohne Be- richterstattung und ohne Debatte einstimmig nach den Anträgen der Deputation erledigt. Bei Kapitel 16 des ordentlichen Etats, Eisenbahnen, beschließt das Haus, die Einnahmen in Titel 1 bis 6 mit 169 725 750 M nach der Vorlage zu genehmigen und die Aus gaben im Titel 7 bis 16 mit 129291750 M, darunter 639725 M künftig wegfallend, zu bewilligen, und den Antrag Friedrich betr. das Abrufen der Eisenbahnzüge auf allen Stationen auf sich be ruhen zu lassen. Zu den: gleichzeitig zur Beratung stehenden An träge Niethammer u. Gen. betr. die Vereinfachung der Verwaltung der sächsischen Staatseisenbahnen durch Verminderung der In stanzen und Erhöhung der Verantwortung beantragt die Finanz deputation -i, die Regierung zu ersuchen, den Antrag Niethammer mit einem Ausschüsse, welcher analog dem auf Grund des An trages Opitz-Hettner einzusetzenden Ausschüsse zu berufen ist, zu beraten und dem nächsten Landtage über diese Beratung eine Denkschrift vorzulegen. Abg. Merkel (Natl.) geht ausführlich aus den Eisenbahnetat ein, verlangt kaufmännische Buchführung in den Staatsbetrieben und bemängelt die Höhe der persönlichen Ausgaben. Die Staatsschulden seien eigentlich nichts anderes als Eisenbahn prioritäten. Die Eisenbahnen brächten höhere Neberschüsse, als zur Verzinsung der Staatsschuld nötig sei. Er bitte den Finanzmini ster, mit der Schuldentilgung etwas nachzulassen, uni nicht die jetzige Generation zugunsten der kommenden zu überlasten. An der weiteren Debatte beteiligen sich noch die Abgeordneten Gün ther, Bichtcr, Hähnel, Dürr, Bauer, Biener, Wirth und Niet- hannner, sowie Ministerialdirektor Geheimrat Dr. Seydewitz und Staatsminister Dr. v. Bäger. Dieser sagt zu, daß die Regierung den gegebenen Anregungen nachgehen werde. Dem Anträge Niet hammer stehe er durchaus nicht ablehnend gegenüber, nur müsse die Negierung erst abwarten, wie sich die am 1. Januar ds. I. eingeführte Neuorganisation bewähren werde, bevor man grund legende Aenderungen an ihr vornehme. Schließlich nimmt die Kammer den Antrag der Deputation zu dem Antrag Niethammer einstimmig an. Nächste Sitzung morgen vormittag 11 Uhr. Dresden, 11. Mai. (2. Kammer.) Die Kammer beschäftigte sich zunächst nochmals mit der Wahl des Abg. Schmidt-Chemnitz (Soz.), 14. ländl. Wahlkreis Freiberg, da die letzte Abstimmung hierüber Stimmengleichheit ergeben hatte. Auf Antrag Hettner (Natl.) wird die Wahl zur nochmaligen, eingehenden Prüfung an die betreffende Abteilung zurückverwiesen. Es folgt die Schluß beratung über die mittels Dekrets vorgelegte Ergänzung des ordentlichen und außerordentlichen Staatshaushaltsetats sowie SckLoß Schönfeld. Roman von Franz Treller. 6. Nachdruck verboten. »Der Schmuck ist verschwunden, und der plötzliche Tod de« alten Herrn machte jede sofortig« Nachforschung unmöglich. Al« die Gerichttdiener kamen, um die Siegel anzulegen und ihn von Hau« und Hof zu vertreiben, bäumte sich da« stolze Blut der Godtberg« noch einmal auf und der Baron brach zusammen. Er soll, wie von Blitz getroffen, tot niedergefallen sein, al« ihm die furchtbar« Eachlag« klar wurde." Der junge Mann stützte den Kopf in die Hand und blickte trübe vor sich hin. „E« ist rin Ende mit Schrecken, Herr Justizrat. Ich er» trage di« Folg«» al« Mann, d«nn mrin« Jugend war so trübe und rntbehrung«reich, daß ich kaum einen Unterschied zwischen meine, ehemaligen und jetzigen Lage empfinde. Aber meine arme Mathilde." »Ich freue mich, Ei« so gefaßt zu finden, Herr Varon. Jawohl e» war ein Ende mit Schreck«». Doch Sie find jung, begabt, Si« w«rd«n den Kampf mit dem Leben aufnehmen und ihn siegreich zu Ende führen, und Fräulein Mathilde, der ich ja di« innigste Teilnahme widme, wird den Beschützer in einem Satten finden, der sich durch ihre Hand geehrt fühlen wird." »Die Stickerin God«berg, die für Kaufleute arbeitet, um ihr Brot zu verdienen, Herr Justizrat?" fragte der Baron mit tiefer Bitterkeit. »Et stellt die« Fräulein von Godtberg in de« Augen jede» ehrenwerten Menschen nur um so höher." Er machte eine Paus« und fuhr fort: »Haben Sie den Kammerdiener Ihre» Vater« schon gesprochen? Er wird über alle«, wa« in den letzten Jahren in Schönfeld geschehen ist, am besten «ulkunft geben können." »Ich hab« ihn noch nicht gesprochen, aber ich werd, ihn aussuchen; wie ich höre, lebt er hier in der Stadt. Ich erfreute mich niimal« der Gunst dr« würdigen Herrn, der sein Wohl« wollen weit mehr meinem Bruder Cuno zuwandte, und außerdem spricht der alte Auch« nur, wenn er sprechen will, aber auf suche» werde ich ihn dennoch. Meinen alten, treuen Gottfried habe ich bereit« gesehen." Und Godtberg erzählte seine Erleb, nifl« im Park zu Schönfeld und schloß mit der Bemerkung: »Der jetzige würdige Besitzer unsere» einstmaligen Eigentum» hat mir den denkbar ungünstigen Eindruck hinterlassen." «Sie tun Unrecht, Herr Baron, Herrn Mehlburger nach diesem Eindruck zu beurteilen. Der Mann hat sich durch seinen Fl«iß und Intelligenz vom armen Bauernjungen zum Groß, industriellen hinaufgearbeitet und ist ein höchst «hrenwerter Charakter, wenn auch mitunter der Stolz auf da» Errungene in plebejischer Weis« zutag« tritt." „Nun, e» frrut mich, di«» zu hör«n; ich werde aber wohl kaum Gelegenheit haben, sein« persönlich«» Vorzüge durch eigene Wahrnehmung schätzen zu lernen." Auf ein l«ise» Klopse» an der Tür rief der Justizrat: „Verein!"; sein erster Schreiber erschien und meldete, e» sei ein Paket mit einem Briefe von Schönfeld eingetroffen." .Her damit. Nun werden wir ja erfahren, wie Herr Mehlburger gesonnen ist." Der Justizrat überflog den Brief und überreichte ihn schmunzelnd God«berg. Mehlburger sandte die Orden de» Verstorbenen und fügte in sehr höflicher Weis« hinzu, daß d«n Erben sowohl die Familien bilder, wie andere» au» dem Nachlaß de» Baron» von God«berg an Büchern, Möbeln usw, wa» ihnen persönlich wertvoll dünken möchte, ohne weitere» zu Gebote stehe. Da» Mobiliar an- langrnd, bitte er die Wünsche rasch zu äußer», da er im Begriff stehe, «» an ein« Frau Lehmann zu verkaufen; doch bleibe auch hier den Erben, da der Verkauf noch nicht definitiv abg«schlvffen sei, da» Vorrecht." „Nun, wa» sag«» Sie nun, Herr Baron, der dicke Bier brauer ist so Übel nicht, wa»? Ja, man muß den Mensche" nicht nach dem ersten Eindruck beurteilen." „Da» ist freilich ein mehr al« liebeniwürdige« Entgegen kommen de« j'tzigen Herrn vom Schloß Schönfeld, da« über rascht mich. Wert haben für mich freilich nur di« Bilder meiner Ahnen, und ich weiß noch nicht einmal, wo ich mit ihnen hin soll." „Haben Sie denn über Ihre Zukunft etwa« beschlossen, Herr von Godlberg?" „Meine Aufgabe für die Zukunft besteht wesentlich darin, die Lage meiner Schwester zu sichern. Nach Serbien kann ich nicht zurückkehren; der Friedenkschluß steht vor der Tür. da« Heer wird reduziert, und alle fremden O fiziere werden entlassen. Wa» ich beg-nne, weiß ich noch nicht." »Ich hoffe. Herr Baron, daß Sie mich, wenn ich Ihnen nützlich sein kann, al» Freund Ihrer Fam li« betrachten", sagt« herzlich der sonst so zugeknöpfte Justizrat. „Herzlichen Dank für Ihr« Teilnahme, Herr Justizrat, ich werde um Ihren Beistand bitten, wenn ich der Hrlfe be darf." Er erhob sich, um sich zu verabschieden. .Wa» meine« Vater« Orden betrifft, so will ich sofort um Audienz beim Herzog nachsuchen, um sie zurück,ugrben, und", fügte er zögernd hinzu — „dem Herrn Mehlburger werde ich so nach dem Briefe wohl meinen Besuch machen müssen?" „Ich denke auch. Und wenn Sie zu dem alten Kauz kommen, dann lassen Sie den Edelmann mit den virrundsech,ig Ahnen mal zu Hause und nehmen Sie den derben Bü-aer«- mann, wie er ist, eine im Grunde de« Herzen« bieder« Haut" „Ich werde dieser Tage zu ihm hinautfahren." Schon im Begriffe zu gehen, wandte er sich noch einmal um und fragte mit finsterem Gesicht: „Von meinem Bruder Cuno haben Sie kein« Kunde, Herr Justizrat?"