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Sine stürmische Werbung. , - c (Nachdruck verboten.) ' Wilhelm — der später den Namen »der Eroberer- führte— saß als junger, wegen seiner Tapferkeit gefürchteter Graf von der Normandie aus dem Erbe seiner Vater-, Robert- de- LeusvlS. Da lernte er, so erzählt ein alter Chronist, seine Ver wandte Mathilde, die Tochter Balduin- von Flandern, kennen und lieben und schickte Abgesandte an ihren Vater, um sie zur Ehe zu begehren. Gräfin Mathilde muß, aus zeitgenössischen Schilderungen -u schließen, ein Musterbild von Schönheit, Geist und Geschick lichkeit gewesen sein. Sie wurde gefeiert ob ihrer Gelehrsam keit mW Schönheit und war berühmt wegen ihrer Geschicklich keit in Handarbeiten. Da außerdem Mathilde- Vater, der Graf von Flandern, mit den meisten Königshäusern Europa- ver wandt, dabet reich, mächtig, klug und mutig war, bildete die Gräfin eine sehr „gute Partie". Der Graf von Flandern gab mit Freuden seine Einwilli^ tzung zu der Heirat urw versprach Wilhelm sogar eine reiche Mitgift. Aber er stand allein mit seiner Zustimmung. Dis Höfe» von Frankreich und Burgund widersetzten sich, und die Kirche verbot die Heirat wegen zu naher Verwandtschaft. Der heftigste Widerstand aber ging von der Dame selbst aus, die, wie der Chronist meint, damals in den Banden einer anderen, unerwiderten Liebe lag. Mit Hohn und Verachtung wies sie den Antrag zurück. »Sie wollte keinen Bastard zum Manne haben," gab sie ihrem Vater zur Antwort. In der Tat war Wilhelm der Eroberer ein natürlicher Sohn Roberts des Teu fel- und eurer Kürschnertochter. Natürlich milderte Graf Bal duin ihre Worte den Abgesandten gegenüber und entschuldigte seine Tochter nach Möglichkeit. Aber die Tatsache blieb doch bestehen, daß Wilhelms Abgesandte ihrem Herrn einen regel rechten Korb überbringen »rußten. - Schon dies erbitterte den Grafen ungemein, aber seine Wut Wurde ohne Grenzen, als ihm später die Worte hinterbracht wurden, die die Gräfin in Wirklichkeit in bezug auf ihn ge braucht hatte. Denn betreffs seiner Geburt war Graf Wilhelm äußerst empfindlich, und keiner durste je eine Anspielung aus sie wagen. In Heller Wut bestieg er sein Stoß und ritt mit klei nem Gefolge nach Lille, wo der Graf von Flandern damals Hof hielt. Am Palafte angelangt, drang er allein und unge hindert bis in die inneren Gemächer vor, in deren einem er die alt» Gräfin mit ihre» Töchtern und Damen, bei ihrer Stickerei sitzend, antraf. Ohne Rücksicht ergriff er Mathilde bei ihrem langen, schönen Haar, schleifte sie Lurch das Zimmer, schlug sie und schleuderte sie zu Füßen ihrer Mutter. Die Damen waren über den plötzlichen Angriff so erschrocken, daß keine daran dachte, Alarm zu schlagen. Graf Wilhelm gelangte ungehindert hinaus, sprang in den Sattel und ritt eiligst heim. Diesen Schimpf konnte Graf Balduin nicht ungerächt hin- «ehmriu Er fiel in die Normandie ein und tat durch Ver heerungen und Plünderung dem Lande schweren Schaden. Graf Wilhelm fetzte sich zur Wehr, und nun folgte eine lange erbitterte Feindschaft, unter der beide Teile schwer zu leiden hatten. Endlich dachten beide, der langen Kämpfe müde, an Frieden, und man einigte sich aus einen Waffenstillstand, wäh rend besten die Bedingungen für einen Vertrag beraten wer den sollten. Zur größten Überraschung erneuerte Graf Wilhelm seine Anfrage um die Hand Mathildes. Der Graf von Flan dern sah schon im Geiste seine ganze Hoffnung auf Frieden in den Staub sinken; aber als man der Gräfin von der erneuten Werbung Wilhelms Mitteilung machte, beugte sie zu allgemei nem Erstaunen ihr stolzes Haupt und erwiderte, daß sie ihr sehr genehm wäre. Graf Balduin war erfreut, daß die Sache so freundschaftlich beizulegen war; er gab feiner Tochter eine prächtige Mitgift an Land, Geld, Juwelen und reicher Klei dung. Die Hochzeit wurde 1051 im Schlosse Augi mit großem Pomp gefeiert. So endete dis stürmische und eigenartige Werbung, und alle Hindernisse waren auf einmal beseitigt. Bei dem aus die Hoch zeit folgenden Bankett fragt« Gras Balduin seine Tochter, wie sie dazu käme, in einen Eheünnd zu willigen» den sie zuerst mit Hohn von sich gewiesen hätte. Mathilde erwiderte stolz: „Da mals kannte ich Graf Wilhelm noch nicht so wie heute; nur ein Mann von großem Mute und Hoyer Kühnheit konnte e- wagen, mich in meine- eigenen Vaters Palast zu schlagen." Die Antwort der jungen Frau hatte den vollen Beifall ihres Gatten und ihrer neuen Untertanen. Denn Wilhelm er sah darariS, daß «r auch ihr stolze- Herz durch di» Kraft seiner Leidenschaft und sein, Willensstärke gE»n»n hatte, «nd dsß seiü wWe- Vörgeheck von selüer v?aiü e-A bewundert, atz ihm nachgelragen wurde. Und Mathilde von Flandern hatte nie Grund, ihre Kapitulation zu bereuen. Denn ihr Gemahls behandelte sie ihr Leben lang mit zartester A^merrsamket^ H-AaHmn- Liebe. " Oer Oorfgeiger. " * ... Lrzähümg von A. Gaber. << , (Schluß.) (Nachdruck verböten.) 2 „Vater — da liegt einer im Sterben. Der Dorf- geiger —" stammelte Karl atemlos. „Du hast doch den Medizinschrank erst kürzlich neu gefüllt und verstehst dich auf alle Krankheiten wie der beste Doktor. Komm doch mit zu dem Alten . . ." Der Krugwirt, der früher als Krankenpfleger im Kriege viel Gutes getan hatte, ging schweigend ins HauS und folgte bald darauf seinem Sohne. Er trug im Arm ein Päckchen, das allerhand stärkende und belebende Mittel enthielt. Nach wenigen Minuten hatten sie das Häus chen erreicht. Mit weitoffenen Augen starrte der alte Riedel dem Ankommenden entgegen. Seine Brust keuchte. „Gut, daß Ihr kommt, Krugwirt. Ich habe Euch ein Geständnis abzulegen, ehe ich von hinnen gehe. — Er machte eine Pause und fuhr dann leiser fort: „Entsinnt Ihr Euch Eures Vaters noch?"' Flammendes Not zog über das Gesicht des ManneS. „Ob ich mich noch seiner entsinne?" fragte er grollend. „Meint Ihr, ich würde den Mann jemals vergessen, der meiner Mutter so herbes Leid zufügte? Der sie verließ und in die Welt hinausging, seine Geige im Arm, um, wie er sagte, ein großer Künstler zu werden und Geld und Reichtum heimzubringen? — Er hat nicht Wort gehalten. Er kam nimmer wieder. Mein« Mutter sank vor Gram darüber ins Grab — und der Krugwirt nahm mich, die ! Waise, zu sich und erzog mich als seinen Sohn. WaS i wollt Ihr also von mir?" Dec Alte ächzte. Angstschweiß trat ihm auf die Stirn. „Ich keime Euren Vater —" kam es klanglos von seinen trockenen Lippen. „Er hat schwer gelitten-. Seine Hoff- s nungen haben sich nicht erfüllt. Erst in späteren Jahren begann ihm das Glück zu blühen. Da schrieb er an seins Frau, aber der Brief kam an ihn zurück. Da machte er sich auf den Weg nach dem Heimatdorfs und mußte hören, daß seine Frau gestorben, sein Kind von fremden Leuten als eigenes angenommen sei. Zu spät . . . Die Reue fraß in ihm und raubte ihm die Freude an den erzielten Er folgen. Er entsagte seiner KiinstlerlaufvahNi siedelte sich in seinem Heimatdorfe au und wurde ein — armer Dorf- gciger . . Seine Gestalt richtete sich empor. „Ich bin Euer Vater, Krugwirt. — Michael ... du bist mein Sohn." „Ich . . ." stammelte der Mann, aschfahl im Gesicht. Uikv dann plötzlich ein markerschütternder Schrei: „Vater!" Und der große, kräftige Mann sank in die Knie und barg das Antlitz in den Händen. Der Alt« sprach mit erlöschender Stimme weiter: „Ich muß sterben. Aber vorher will ich versuchen, mein himmelschreiendes Unrecht wieder gut zu machen. — Dort drüben in dem verschlossenen Kasten liegt meine Barschast. Es ist viel Geld, sehr viel Geld . . . Davon soll Karls Ausbildung bezahlt werden. Er soll das er reichen, was sein Großvater verschmähte — er soll ein Künstler werden. Mit meiner Geige im Arm soll er die Menschenherzen bezwingen, ihnen alles Gute und Edle entlocken, sie froh und glücklich machen ... Er kann eS. Er ist em Begnadeter. — Und nun spiele mir nochmal das Lied vor, Junge, das ich immer so gern gehört Haber „Aus der Jugendzeit .. .* Karls Hände bebten. Aber gehorsam ergriff er die Geige, drückte sie ans Kinn und setzte den Bogen an. Süße, weihevolle Klänge zogen durch den kleinen Raum. „Verzeih mir, Michael . . hauchte der Alte. „Gib mir deine Hand . . Da erhob sich der Kronenkvirl von feinen Knien, wankte zum Sterbelager des Greises und faßte mit seine« lebenswarmen Fingern der Sterbenden Hände. „Leb wohl, Vater ..flüsterte er. Und während das schlichte Liev durch da- «tk-Hyr ! hallt», hgWhto -ex Alto seine Seels , - -—- ! -