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It3Trg8raut, fv Latz eS ein lebhafte- Hin- und Herreden »»geben hatte. Und zum Schluß war der Herr Lokal- Schültuspektor gekommen und hatte eine Ansprache ge- Kalte», worin er sich an die Elterngemeide gewandt und Lb« die Erziehung zu» Einfachheit und Bescheidenheit geredet hatte. , Nachdem er wenige Sätze gesprochen, sahen sich die Versammelten untereinander bedeutungsvoll an. Ein- -eln» lächelten, manche flüsterten heimlich dem Nachbarn rin Wort zu oder stießen die Nachbarin an. Karoline Hessen aber, die heute in einem ganz einsachen, dunkel blauen Kleid» in der ersten Reihe saß, wurde brennend rot vor Scham; und dann stiegen ihr die Tränen in die Augen. Denn sie verstand ebenso gut wie die ganze Ge meind», daß dies» Red» auf sie selbst und ihren Mann gemünzt war, auch wenn kein Name genannt wurde. Aber st» mußt» auf ihrem Platz» aushalten und manchen schadenfrohen Blick ertragen. In peinlichem Schweigen gstrg die Versammlung auseinander. Sdrch ins Herrenhaus von Poggenhagen war die Kund» vow diesen Dingen gedrungen. Frau Pastor M»rgenthien hatte dem Stiftsfräulein einen Besuch ge macht und ihr alles berichtet. Der Pastor aber hatte den Baron auf dem Bahnhofe von Ratzebnrg getroffen und sich bitter über den neuen Lehrer beschwert, der ihm den guten Geist in der Gemeinde verderbe. Bei nächster Ge- wgenheit nahm sich der Baron »seinen" Lehrer vor. Aber al- Jessen ihm ruhig und sachlich auseinauder- fehte, wa- vorgefallen war, lachte der Baron: »Das HLtt» ich mir denken können! Ihr hübsches Frauchen muß ich mir doch mal näher anseheu, Jessen. Sie müssen ja »in heilloser Schwerenöter sein, daß Sie sich so eine Schönheit in- Schulbaus nehmen, die dem ganzen Dorfe bi» Köpf» verdreht. Habe schon gehört, der junge Stahmer macht fleißig Fensterpromenaden Vorm Schulhause. Also fshen Eie sich vor!" Al- Jessen aber nach vier Wochen zu einem zweite,» Elternabend «inlud, bei dem er über dis Pflege des L»lkSkiede- in der Familie sprechen wollte, bot sich Alice von Bählow an, durch ihren Gesang mitzuwirkeu. Und «tt Andacht hörte die Versammlung im Schulhause den sihllichten schönen Weisen deutscher Volkslieder zu, die das L»l»« Freifräulein, das mitten unter ihnen gesessen hatte, s» tief und imlig sang, wie sie sie nie vernommen. So war der Winter dahingegangen. Aufs neue zog der Lon» in- Land, und auf den Feldern regten sich fleißige Hände, den Acke» zu bereiten, auf daß der Herbst die Scheuern fülle. ...... - Achtzehnte- Kapitel. ' Der Baron von Bählow war wieder einmal in der schlechtesten Laun« von der Welt aus Berlin znrückge- Ammen. überall, wo er versucht hatte, Geld aufzutreiben, -«tt» man ihn mit Achselzucken ausgenommen. Das Gut Poggenhagen hatte der Baron schon hochverschuldet über nommen, und sein Erstes war damals gewesen, eine neue Hypothek darauf eintragen zu lassen, die er nur zu den ungünstigsten Bedingungen bekommen hatte, weil sie sehr unsicher stand. Dazu waren die persönlichen Schulden an- der Offizierszeit gekommen, deren dringendste immer nur dadurch hatten befriedigt werden können, daß neue Schulden auf Wechsel gemacht wurden. Jetzt war es so weit, daß er znr Frühjahrsbestellung kaum da» allernötigste bare Geld im Hause hatte. Und mm kam dazu, daß nicht nur zwei Wechsel über zusammen «wanztgtausend Mark am nächsten Ersten fällig waren, sondern auch ein» Hypothek an dritter Stelle gekündigt war, für di» der Baron keinen Ersatz hatt» bekommen können. Man wußte, daß da- Gut so stark hernnterge- wirtschaftet war, und daß man nur die ersten Hypotheken al- sicher gedeckt betrachten könnt«. ES fehlten dem Baron zur notdürftigsten Regelung seiner Lage rund hundert tausend Mark, und er sah keinen Weg, um sie zu beschaffen. An feinen Neffen Franz von Gudow hatte er zuerst gedacht. Aber der war schon vor zwei Jahren für ihn «t»gofl>rung«n und halt» von den großen Summen, die er dem Baron von Bählow vorgeschossen, noch nicht ein mal di» Zinse» zu sehen bekommen. Und da- Versprechen, dB- der Baron ihm gegeben, bet Alic, zugunsten der Be- wer-rmade- Vetter- einzutret«, hatte zu keinem Ergeb- »A -Whrt. -ich«n wußt« her Aaron, baß Uranz v»q GuLo^v selbst große Verluste beim Rennen gehabt Hafts? Also das war nichts. Ja, wenn es ihm gelänge, Alic- umzustimmen, daß sie sich bereiterklärte, ihren Vetter zu heiraten, dann würde Franz von Gudow seinen Schwieger vater sicher nicht in der Klemme sitzen lassen. 1 So sprach denn der Varon mit seiner Tochter. MU einem wehen Lächeln hörte sie, wie er am End» seiner Auseinandersetzungen über ihre Vermögenslage da- Opfer von ihr verlange, daS die Rettung bringen sollte. Nicht mehr wie damals, heftig und aufgebracht, drang er auf sie ein. Der arme Vater war ein anderer geworden in der kurzen Zeit. Die Sorgen hatten ihn aufgerieben. Müde und hoffnungslos sprach er mit ihr. Das macht» einen viel tieferen Eindruck auf sie, als es damals sein aufbrausender Zorn vermocht. Er hatte ihr alles klargelegt. Wenn e» jetzt -um Äußersten kam, so war das Gut nicht zu halten. Di» ersten Hypothekengläubiger würden befriedigt werden. Aber es wär nicht anzunehmen, daß sich ein Liebhaber fand, der das Gut zum vollen Wert übernahm. ES würde wahrscheinlich tief unter dem Preise losgeschlageu werden und kaum die letzte Hypothek decken. DaS Wirt- schaftsinventar und die Hauseiurichtung würden nicht ausreicheu, die übrigen Schulden zu bezahlen. ES war der volle Zusammenbruch, der bevorstand. Sie hatte das alles kommen sehen. Seit einem Jahre, — seit sie den Vater oft in der Wirtschaft vertreten hatte, ahnte sie, wie schlimm es stand. Und nun verlangte de» Vater von ihr das Opfer, den Mann zu heiraten, der di» Rettung bringen sollte. War es denn zu viel verlangt? Im stillen sagte fi« sich, daß Hunderte von Vätern dieses Opfer forderten, Hunderte von Töchtern es brachten. Und sie? Sollt» sie nein sagen? Den alten Vater aus Haus und Hof ziehen lassen, arm und hofsnungsleer, — den Bruder, den sie zärtlich liebte, seines Erbes berauben? Und das nur, weil sie selbstsüchng allein an sich dachte? Sie war ausgestanden und neben den Stuhl getreten, auf dem ihr Vater saß — ein kranker, gebrochener Mann, den die letzte Spannkraft verlassen, seit er seine Last vott seiner Seele heruntergesprochen hatte. Leise legte si chre Arme um seinen Hals und ihre kalte Wang« an sein Gesicht. »Laß mir biS morgen Zeit," sagte sie. »Wenn unS bis dahin kein anderes Mittel einfällt, dann magst du zu dem Vetter gehen und ihm sagen, daß ich feine Frau werden will!* Keir» anderes Mittel! Ruhelos ging sie in ihrem Zimmer auf und ab und sann und sann. Warum wollt» sie den» das Opfer nicht bringen, das man ihr zumutetetz Sie dachte an jenen Pfingsttag, an dem sie neben Franz von Gudow an der Chaussee dahingegangen war und er ihr seinen Anttag gemacht hatte. Damals hatte sie ihn abgewiesen, und nun sollte sie ihn rufen lassen und ihm sagen: „Hier bin ich. Nimm mich, wenn du mich heut» noch willst." Wenn er dann fragte, was ihren Sinn ge wandelt, dann mußte sie sagen: »Du sollst mich nicht unr- soust haben. Ich fordere einen festen Preis für meine Hand." Und er? Würde er sich nicht voll Verachtung abwenden von der Braut, dis sich ihm verkaufen wollte? Alice von Bählow lächelte bitter. Nein. ES wav nicht wahrscheinlich, daß er so empsindlich würde. Er würde höchstens sagen: „Siehst du, Kufinchen, ich Habs gleich gesagt, daß du doch noch meine Frau wirst." Und dann würden sie heiraten, und ihr Mann würde ihres VaterS Schulden bezahlen. War das so furchtbar? ES war im Grunde genommen etwas ganz Alltägliche-. Oder doch nickst? Da war noch das eine. Franz von Gudow wußte, daß sie damals einen anderen geliebt hatte. Er hatte ihr damals seinen Namen genannt. Und nun sollte sie zu ihm gehen und ihm sagen: „Jener andere ist längst verheiratet; jetzt bist du gut genug sür mich." Wenn der Vetter sie dann aber fragte: „Du liebst den Schulmeister also nicht mehr?" Sollte sie lügen? Nein, dann würde sie ihm sagen müssen: „Ich habe nie auf- gehört, ihn lieb zu haben, auch da er für mich verloren ist; und ich werde auch ni« aufhören, ihn zu lirben un^ au ihn zu -enftn.* . .. - . Aortfetzung folgt.)