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Nr. 167. Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 21. Juli 1931. Sette 6. Reichsireffen der AngGellien-Zugend MS-LES 5000 Jungen und Mädel aus den AngesteUrenberufen als Abgesandte aller deutschen Gaue vereinigten sich in Hirsch - berg im Riesengebirge zum 6. Reichsjugendtag des Gewerkschaftsbund es der Angestellten. — Hirschberg steht in diesen Tagen ganz im Zeichen dieser frischen Scharen. Mberall durchstreifen Trupps in farben frohen Trachten die Stadt und ihre Umgebung. Sie finden sich zusammen in Massenzügen, als Sinnbild der Ein heit und Einigkeit in Beruf und Volk, und geben sich er bebende Feierstunden zur Stärkung von Geist und Kör per für das Ringen des Alltags. Und nicht nur das — sie ge währen auch einen starken Einblick in ihr Berufs- und Kulturstreben. — Dieser läßt uns hoffen, daß unser Volk, reich an emvorstrebenden neuen Kräften, bald wieder unauf haltsam aufwärts gehen wird- Führer und Gefolgschaft beweisen durch ihren Aufbruch- und Tatwillen Zuversicht und Bereitschaft zu nationaler und beruflicher Pflichter füllung, die ihresgleichen suchen. Aber nicht in politischen und wirtschaftlichen Ketten wollen die Angestellten „fronen" — sondern ihre Forderung geht nach Schaffen in Frei heit, nach Entwicklungs- und Geltnngsmöglichkeit in Deutschland und in aller Welt. — Befreiung von außen- und innerpolitischem, von Wirtschafts- und sozialpolitischem Druck, darauf war der Geist dieses Gemeinschaftstreffens ab gestellt. „Schaffen, aber nicht fronen" — war der Tenor bei den Feierabendstunden „Jenseits der Politik", in den kirchlichen Morgenstunden und bei der Bundestagsfeier am Fuße des Kynast. Erster Tag: Eröffnet wurde die Reichstagung der GDA-Jugend durch Wettkämpfe von 1800 Sportlern. Prächtige Jungen- und Mädelgestalten schafften sich durch Leibesübungen Ausgleich für die geistige Betätigung im Werktag. Die Bestleistungen im Kugelstoßen der Jungen erzielten: Poprot, Gau Bran denburg (Jüngere bis 16 Jahre) und Zimmermann, Gau Mitteldeutschland (16 — 21 Jahre): im 100-Mtr.-Lauf der Jungen: Barthel-Biebrich, Gau Hessen (Jüngere) und Leh ens-Duisburg, Gau Rheinland-Wests-, Neunstiehl-Philipps- tal, Gau Hessen und Reiß-Kassel, Gau Hessen (Aeltere). Das Weitspringen der Mädel gewannen Pleitner, Hansegau, Ritter-Hannober, Gau Niedersachsen-Ostfriesland und Pfeif fer-Dresden, Gau Freistaat Sachsen: den 75-Mtr.-Lauf der Mädel: Höflein-Emmendingen, Gau Baden-Pfalz-Saar, und Ritter-Hannover, Gau Niedersachsen-Ostfriesland. Im Anschluß an die sportlichen Wettkämpfe eröffnete Bun desvorstandsmitglied Georg Borchardt, Berlin, die Ar ¬ beitsschau der Scheinfirmen. Sie zeigte im neu eröffneten Gymnasium Beweise der im GDA an mehr als 200 Orten des Reiches und sogar des Auslandes geübten Berufsertüchtigung. In diesen Schein- bezw. fin gierten Firmen werden die Jugendlichen in ihren Abend freistunden in Arbeitsgemeinschaften Praktisch zu Vollkauf leuten usw. herangebildet, und Unternehmereigenschaften in ihnen göweckt und gepflegt. Am Tage Lehrling — abends Ge neraldirektor! 700 solcher Scheinfirmen stellten in Kojen und Wandelgängen ihre Geschöftserzeugnisse ans, gaben Einblick in ihre Betriebe und formten in diesen Tagen das Gymnasium zu einem Meßpalast um, wie ihn jeder Kaufmann von der Leipziger Weltmesse her kennt. Um den Geist der GDA-Bewegung an die Bevölkerung heranzutragen, brachte der Spätnachmittag Feierabend- stunden: „Jenseits der Politik" auf sechs Erholungsplätzen der Stadt. — Ostmärker, Danziger, Hanseaten, Niedersachsen, Ostfriesen, Brandenburger, Badener, Pfälzer und Saarländer. Hessen, Westfalen und Rheinländer mischten sich in herzlicher Weise zwischen alt und jung und erfreuten sie durch lands mannschaftliche Darbietungen. Am Abend erfolgte der Aufmarsch des Bundes in Sternform auf dem Marktplatz. Stundenlang wogte der Wimpelwald über einem bewegten Jugendbild. — Den Gruß des Ostens entboten die Oberschlesier. Reichsjugendführer Fritz Mewes-Berlin, Jugendvater Georg Borchardt- Berlin und Reichsmädelführerin Margarete Rüdiger -Ber lin nahmen den Treueschwur der Jugend entgegen und rich teten ihre Ansprachen an Gefolgschaft und Hirschberger Bür ger. Aufsichtsratsvorsitzender des GDA, Stadtverordneter Hugo Sommer-Berlin, widmete aus warmem Herzen aü- feuernde Worte den Versammelten und rief sie auf zu leiden schaftlicher Hingabe an ihr Werk und für das deutsche Vater land. Tausendfache Heil-Rufe dankten diesem Ewig-Jungen! Als Vertreter des Oberpräsidenten fand Frau Regierungs rat Dr. Mießner anerkennende und packende Worte. Begrü ßungen der Vertreter des Landeshauptmanns und des Ma gistrats schlossen sich an. Der Präsident der Industrie- und Handelskammer Hirschberg, Siegert, überbrachte persönlich seinen Willkommensgrutz. Als Sprecher der schlesischen An gestellten grüßte Gauvorsteher und Mitglied des Aufsichts rates Pohl-Breslau die jugendlichen Gäste. — Eine Funk reportage aus dem Riesenzeltlager von 2500 Jungen am Boberfluß vor Hirschberg bot noch in später Nachtstunde ein Hörbild eindrucksvoller Art. — Ei» Zeltlager am Boberslutz vor Hirschberg ist das Quartier für 2 SO« Jungen. Zweiter Tag: Den Höhepunkt der sonntäglichen Bundestagsfeier auf der Waldwiese am Kynast, gestaltet vom Gau Schlesien, mit Unter stützung der Waldenburger Bergmannskapelle, erklomm Max Rössiger, stellvertretender Bundesvorsteher des GDA, mit seinem Weckruf unter den Leikworten „Schaffen, aber nicht fronen". Klopfenden Herzens folgte die GDA-Jugend diesem Bekenntnis und dieser Zielsetzung. Fronen sei Untertan sein einer Gewalt, die nicht nach der menschlichen Verbunden heit mit der Arbeit frage. Jugendwille und Gemeinschafts geist seien von dem Drang beseelt, mitzubauen an einem großen Werk, mitzuschaffen und immer wieder zu schaffen. Freie deutsche Angestellte wollen an Deutschlands Zukunft mitgestalten und eine soziale Ordnung er wirken, die das Menschtum in uns zur Entfaltung kommen läßt. Nur ein Deutschland, das auch dem schaffenden Menschen Raum und Entwicklungsmöglichkeiten gibt, könne bestehen.— Diesem Leitgedanken entsprachen auch die kirchlichen Morgen feiern und die Abschlußfeier, gestaltet durch die Hanseaten. Ein Jugendfest, die Stunde der Mütter und ein Fackelzug umrahmten diesen Feiertag der Angestelltenjugend. Max Rössiger, stcllvertr. Bundesvorsteher des GDA, spricht zu den Tausenden am Bergeshang zur Bundestagsfcier „Schaffen, aber nicht fronen". Die Scheinfirmen stellen aus. 6u1s Dnuekssoksn I.. ^önslsns ^ndsn Kamps um Rosenburg Roman aus Oberschlesleu von Johannes Hollstein „Wie kommst du darauf?" .„Weil sie eine Polin ist!" „Unsinn, die Waslewskis sind gute Deutsche!" „Daran zweifle ich nicht. Aber . . . Polenblut fließt in ihren Adern. Katja... der vollendete Typ der Polin. Du, die habe ich übrigens in der Reichshauptstadt auf der Bühne gesehen. Eine . . . Lulu ... ach ... da gibts keine Worte dafür. Hinreißend ... ein richtiges Luderchen, wie man so sagt, stellte sie auf die Bühne." „Ich habe schon von ihr gelesen! Die Kritik schätzt sie sehr." „Also der Sohn des Kommerzienrats will . . . vielleicht. die Tochter Waslewskis, die bekannte Schauspielerin Wera d'Orma, heiraten." „Ja . . . kann ich denn anders? Ich liebe Katja!" „Will . . . nicht so rasch wie die jungen Pferde. Be sonders nicht in der Liebe. Da geht das Gefühl meist mit dem Verstand durch und das ist nicht gut." „Gefällt dir Katja nicht?" „Doch! Sie ist eine Schönheit, und wenn sie einen Mann liebt, warum soll sie ihn nicht beglücken können?" „Du red'st nicht, was du denkst, Hellmer! Waren wir nicht immer gute Freunde?" „Mein Lieber," sagte Hellmer wieder mit warmer Stimme, „das werden wir immer sein. Nur einen Freundes rat ... halte deine Augen offen! Katja gehört zu den Frauen, denen man schwer auf den Grund der Seele blicken kann. Lerne sie erst richtig kennen, ehe du dich bindest, ehe du heiratest. Das empfehle ich dir! Frauen wie Katja sind eigentlich nicht die Frauen, die die Gewähr für ein ganzes Leben voll Liebe geben. Ich sage ... im all gemeinen. Vielleicht liebt sie dich so stark, daß du sie formen kannst durch deine Liebe. Genügt das?" „Ja, Hellmer! Ich verstehe dich und ... du hast nur zu recht. Gut, ich will . Katja lieben und ... ich will mich mühen, klar zu bleiben." Den Seufzer, der jetzt Hellmers Brust entfloh, hörte Willfried nicht. * Di« Ernte hatte begonnen. Die Soldaten schafften wacker, und als der Abend kam, da wehte der Wind schon über ein gewaltiges Stoppelfeld. Als Willfried am Abend mit Schäffranz, Heldner und dem Feldwebel Lehmann, der ein lieber Gesellschafter war, auf dem Altan aß, da fühlte er sich frohbewegt. Es war ein so beglückendes Gefühl in ihm, darüber, daß alles so ruhig und rasch seinen Gang ging. Sie waren über den Berg. Brucks war beschämt. „Morgen bin ich wieder im Amt!" sagte Schaffranz bestimmt. „Nein, Herr von Kamerlingk, das dürfen Sie mir s nicht antun. Mir fehlt ja nichts. Das bißchen Blutverlust. ! Ich schaffe zunächst wieder in der Meierei und kümmere , mich um das Melkgeschäft. Ich will mich gar nicht bei den direkten Erntearbeiten strapazieren." „Meinetwegen, wenn der Doktor kommt, dann wird er schimpfen." „Mit dem braven Knappe werde ich schon fertig! Ein lieber alter Herr." Willfried wandte sich an Hellmer. „Wie ist es, wann reiten wir einmal hinüber nach der Försterei?" „Da mußt du schon ein paar Tage Geduld haben, Will. Jetzt müssen wir mit der Ernte erst weiter sein. Der Roggen muß zumindest abgeerntet sein." „Gut." „Und dann . . ." flüsterte ihm Hellmer zu. „Bist doch die nächste Zeit abends öfter beschäftigt! Denk' an Katja! Wann willst du wieder zu ihr?" „Morgen abend, auf ein Stündchen. Kommst du mit?" „Nee, nee, am Ende musiziert ihr wieder. Und der Waslewski trinkt mir zu starke Liköre. Die treiben mir immer das Wasser in die Augen, und ich bin nicht fürs Weinen." „Dann werde ich mir Schafsranz mitnehmen." „Ja, allein reitest du nicht! Das bitt' ich mir als dein Vormund aus." Willfried wandte sich zu Schaffranz. „Morgen abend reite ich auf ein Stündchen hinüber zu Waslewski. Wollen Sie mich begleiten, Schaffranz?" „Selbstverständlich, Herr von Kamerlingk." * Der brave Reichswehrsoldat Max Stulprich war verliebt. Er hatte es verschämt einem Kameraden gestanden und dieser lieblose Mensch — Stulprich war platt — bekam dabei einen Lachkrampf. Ja, noch mehr als das, er sorgte dafür, daß im Nu die ganze Schar es erfuhr. Das war eine Sache! Der biedere Sachse mußte herhalten, man stichelte ihn, man zog ihn mit seiner Liebe auf. Als man dazu noch erfuhr, daß sich seine Sympathie Fräulein Else zuwandte, da war es gar aus. (Fortsetzung folgt,)