Volltext Seite (XML)
Redigiert von Pfarrer B. Albrecht in Hoheufteiu-Ernstthal, an den alle diesbezüglichen Sendungen zu richten sind. Nr. 8. August-Ausgabe 1913. 21. Jahrgang. Sie haben mich verfolgt, gepeinigt, Kür alle Wohltat mich gesteinigt, Ich trug das bittre Kreuzesjoch, Und sieh, ich lebe doch! Nicht sterben. Ich geh auf Gttern und auf Schlangen, Der Leiden Gluten mich umfangen. Ich sterb der Sünde täglich noch, Und sieh, ich lebe doch! Und brechen bald im letzten Sterben Entzwei des alten Leibes Scherben, So steh ich auf zum ewgen Licht, Das Sterben tötet nicht. pfr. cm. G. Wüller. was haben wir an unsrer Landeskirche) und was erwarten wir von ihr? (Vortrag, gehalten auf der Diözesanversammlung der Lphorie Glauchau am 26. Kebruar l(d(3 von Pfarrer AnerSWald-Thurm). Gewiß, unsere Kirche kennt den Ausschluß geistig toter Mitglieder nicht mehr, aber ich meine, sie soll auch den freiwilligen Austritt solcher Glieder nicht allzu sehr fürchten. So wenig er zu wünschen ist, trägt er doch zur in neren Kräftigung der wirklich lebendigen Ge meindeglieder mit bei. Als Beweis dafür führe ich an, daß diejenigen Gemeinden, in denen viel Austritte — nicht nur zu den Sekten, sondern auch zu den religionslosen Dissidenten vorkom men, durchaus nicht zu den kirchlich schwachen, oder gar toten Gemeinden gehören, — nein, in ihnen pulsiert oft, sehr oft viel mehr kirchliches Leben, als anderswo, wo Austritte nie vor kommen. Daß neben dem furchtlosen Auftreten gegen den König Demos, also neben dem — durch seine Drohungen sich nicht einschnchtern lassen — noch eine Belehrung der kirchlich gesinnten Gemeindeglieder in Predigt, Seelsorge und in öffentlichen, nicht von gegnerischer Seite, son dern von der Kirche aus einberufenen Versamm lungen Hand in Hand zu gehen hat, ist selbst verständlich. — Außer diesem Gegner, der wegen seiner durchaus andersgearteten, nur auf das Diesseits gerichteten, christentumsfeindlichen Weltanschau ung die Trennung der Kirche vom Staate for dert, gibt es noch andere Gegner, die zwar nicht christentumsfeindlich sind, aber doch in bezug auf die kirchliche Lehre einen noch freieren Standpunkt einnehmen, als seinerzeit die Kreunde der Aufklärung und des Rationalismus. Lie wollen eine allgemeine Religion, in der zwar noch christliche Ideen nachklingen, die aber von allen konfessionellen Kragen sich frei halten soll, also ein Ghristentum ohne Kirche. Ich gehe wohl nicht zu weit, wenn ich sage, daß es der Wunsch wenigstens des radikal gerichteten Teiles von Sachsens Lehrerschaft war, daß diese Anschauung den Inhalt und Tang des Religionsunterrichts durch das neue sächsische Volksschulgesetz bestinimcn sollte. — Meine Herren, unser Volk liebt es, in kon kreten Ausdrücken zu reden Ich muß hier zwei Aussprüche erwähnen, die ich von einem durch und durch kirchlich gesinnten Gliede meiner Ge meinde in bezug auf diese Angelegenheit Härte. — wir sprachen über die Gründung des evan gelisch-lutherischen Schulvereins. Da sagte nur jener Mann: „Herr Pfarrer, wenn der Herr (Schluß.) des Hauses den Einbrecher nicht verscheuchen kann, muß ein Kettenhund herzu.' Damit drückte er aus, daß das damalige Schweigen unserer kirchlichen Behörden gegen diese radikalen Be strebungen die Entstehung des evangelisch-luthe rischen Schulvereius aus der Mitte der um das kirchliche Wohl besorgten Gemeindeglieder ver anlaßt habe. Lin anderes Mal sagte mir der selbe Mann in ähnlich konkreter weise: „Jetzt könnte die Kirche noch reden, aber wenn das Gesetz wirklich so durchgeht, dann wird sie an die Wand gequetscht, daß ihr der Vdem aus geht, und sie dann nicht mehr reden kann." Ls steht uns nicht zu, nach den Gründen zu fragen, warum unsere kirchlichen Behörden in jener großen Bewegung der Geister anfangs so lange geschwiegen haben, und nur die Synode sich dazu äußerte. Za, ich habe das gute Zu trauen, daß nur reiflich und ernst erwogene Gründe unser Kirchenregiment zu seinem anfäng lichen Schweigen veranlaßten, aber — ich meine — aus solchen Aeußerungen schlichter, fromm gesinnter Männer geht doch hervor, daß — Gott Lob und Dank! — auch in den einfachsten und schlichtesten volkskreisen trotz alles Wütens gegen die Kirche noch viel kirchliches Interesse und viel kirchlicher Sinn besteht, — welches beides auch aus der Gründung des evangelisch-lutheri schen Schulvereins (man stehe sonst zu ihm, wie man wolle) unzweifelhaft hervorgeht. Und ich meine weiterhin, wir Kirchenvor steher als Vertreter unsrer Kirchgemeinden kön nen uns nur von ganzem Herzen freuen, daß mitten aus den Kirchgemeinden des ganzen Landes heraus sich Stimmen erheben, die in echt evangelischer Treue und mit protestanti schem Nute gegen einen Religionsunterricht pro testieren, für den, wie Hauck sagt, Lhristus nur eine Parallele zu Rübezahl ist und für den Gott der Vater aus keiner andern Linie steht als Wotan. Aber wir wollen es bei dieser Kreude allein nicht bewenden lassen, sondern nun auch von uns aus, so viel wir können, mit dazu tun, daß unser evangelisch-lutherisches Bekenntnis in der Predigt unsrer Kirche und im Religionsunter richt unsrer Schule voll und ungeschmälert be stehen bleibt — denn nur eine bekenntnistreue Kirche könnte eine eventuelle Trennung des Staates von der Kirche aushalten. Am aus diese Eventualität nun die Kirche vorzubereiten, erwarten wir endlich von unsrer jetzigen Landeskirche, daß sie die Machtmittel, die sie zur Zeit noch besitzt, ausnützt, um die Grundsteine ihrer autzere« kirchlichen Vrgani- sation, und das sind die Kirchgemeinden — innerlich und äußerlich zu kräftigen. Dies kann geschehen durch die Erfüllung eines zunächst paradox, also widersinnig klingen den Satzes, nämlich dadurch, daß unser Kirchen regiment liberaler und zugleich despotischer wird, indem es die durch die Entwicklung des kirch lichen Lebens seit Ltnführung des Parlamen tarismus in die Kirchenverfassung gegebene Mitwirkung der Einzelgemeinde an der Gestal tung der Tesamtkirche volkstümlicher, das heißt sozialer gestaltet und doch dabei durch feste, die Allgemeinheit bindende Gesetze für die Stär kung des äußeren und inneren kirchlichen Le bens sorgt. Der erste Wunsch, die Mitwirkung der Ein zelgemeinde an der Gestaltung der Gesamtkirche volkstümlicher, das heißt sozialer zu gestalten, klingt überaus deutlich aus einem Vortrag her vor, den Pastor Bemmann in Ruppersdorf bei Herrnhut auf der geistlichen Bezirkskonserenz in Löbau syjl über „soziale Mängel in der Volkskirche" gehalten hat. Wenn ich mit ihm auch bei weitem nicht in allen Punkten überein stimme, so muß ich ihm doch darin recht geben, daß die durch den König Demos und seinen Atheismus am meisten bedrohten kreise unseres Volkes, also die Arbeiter und Handwerker, viel zu wenig in den Vertretungen kirchlicher Kör perschaften, also in den Kirchenvorständen zu finden sind, und daß sie deshalb in der Synode gar nicht vorhanden sind, wie überhaupt die Synode nach seiner Ansicht noch nicht das ist, was sie eigentlich sein sollte, nämlich eine kirch liche Volkskammer, — da sie sowohl in ihren geistlichen als in ihren weltlichen Vertretern ein viel zu aristokratisches und hochkirchlich-amtliches Gepräge trage. Soviel ist sicher: Wir haben doch — Gott Lob und Dank! — noch in unsern Gemeinden viele Arbeiter und Handwerker, die sich treu zu Gottes Wort halten, die Sakramente achten und schätzen und viel kirchliche Gesinnung und Treue an den Tag legen. Nun wohlan, wenn wir diesen vom Atheis mus am meisten bedrohten Volkskreisen mehr Gelegenheit geben, sich auch an der Leitung