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Nur so ist es möglich, wie Rendtorff sehr richtig sagt, „die Auslieferung der kirchlichen Ange legenheiten an eine unkirchliche Masse und da mit die Entstehung einer „pübelkirche" zu ver hindern", die das diametrale Gegenstück einer volkskicche sein würde. Aber diese durch den Parlamentarismus dem kirchlichen Leben drohende Gefahr kann, wenn sie auch für den kirchlich*» Parlamen tarismus, wie oben nachgewiesen wurde, durch eine weise Gesetzgebung auf dem Gebiete unsrer jetzigen Airchenverfassung vermieden ist, trotzdem von anderer Leite her unsrer Airche verhäng nisvoll werden. Denn da unsere Airche auch jetzt noch vom Staate abhängt, kann also auch die Zusammensetzung der staatlichen Parlamente auf ihre Gestaltung und vor allem auf ihren Einfluß auf das öffentliche Leben von großer und auch von verhängnisvoller Bedeutung werden. Zum Beispiel dafür sei angeführt, daß schon sechs Zähre nach Linführuag der Staats- verfassung, also im Jahre s83L von einigen Abgeordneten die Abschaffung der Superinten- denturen gefordert wurde; damals hielt einer der in evLNAclicis beauftragten Staatsminister, der Minister v. Lindenau, eine glänzende Rede zur Verteidigung dieser von jenen Abgeordneten fälschlicherweise als „veraltet" bezeichneten In stitution der Airche. Auch dies ein Hall, wo ein Staatsbeamter warm für die ihm unterstellte Landeskirche eintrat! Aber viel Schlimmeres als damals gefordert wurde, kann jederzeit ge fordert werden, denn cs ist immerhin möglich, daß einmal die staatliche Parlamentsmajorität kirchenfeindlich wird und dann nach langen Aämpfen den Staat zwingt, das Band, das ihn mit der Airche verbindet, zu lösen, oder mit an deren Worten - , Airche und Staat völlig von einander zu trennen. Dafür zu sorgen, daß unsre Landeskirche dann innerlich stark und > kräftig genug ist, diese Trennung zu überstehen, ! ist das Hauptsächlichste, was wir für die Zu- I kunft von unsrer Landeskirche und ihrem Regi ment erwarten. Ehe wir damit zum II. Teile gelangen, lassen Sie mich das durch die historische Be trachtung Gefundene kurz zusammenfassen. Wir müssen da zwar mit Hauck sagen, daß in unsrer Landeskirche die Einrichtung, die sie bei ihrem Entstehen im Zeitalter der Refor mation erhielt, nirgends unverändert geblie ben ist. Sie ist keine eigentliche Kaudeskirche mehr, denn infolge der vom Staate jetzt gewähr leisteten Religionsfreiheit bestehen auch in un serem Lachsenvolke verschiedene Airchen mit gleichem Rechte neben einander. Auch die landesherrliche Airchengewalt ist gegen früher anders geworden. Sie wird nicht mehr vom Regenten, sondern von den in eoau Zelicm beauftragten Staatsministern ausgeübt, und neben das Landeskonsistorium ist die Synode als gesetzgebender Haktor getreten. Die Linzelgcmeinde hat durch die Airchen- vorstandsordnung mehr Rechte als früher er halten, wozu ich vor allem das Recht der Pfarrerwahl rechne. Endlich haben die sämtlichen Landeskirchen Deutschlands, — was nachträglich noch erwähnt sei, — zur Lösung gemeinsamer Aufgaben sich zusammengetan und damit die anfängliche Tren nung unter einander sehr zum Segen der ge samten evangelischen Airche beseitigt. Aber trotz alledem ist aus der Zeit der Gründung das Hauptsächlichste — die Verbin dung zwischen Staat und Airche — geblieben: Das Airchenregiment wird von landesfürstlichen l Behörden gehandhabt, und andererseits hat die Airche einen weitgehenden Einfluß auf staatliche Einrichtungen erhalten. Unter Berücksichtigung alles dessen können wir nun die Hrage: „Was haben wir an un serer Landeskirche?" — beantworten: I. Die auch nach Luthers Auffassung zweck mäßigste Drganisation, um nach dem Zusammen bruche der katholischen Airchenverfafsung unserm Volke die Errungenschaften der Reformation zu erhalten. II. Eine kirchliche Drganisation, die durch die Treue und Gewissenhaftigkeit ihrer staatlich kirchlichen Beamten und vor allem durch ihren Einfluß als Kaadeskirche auf das gesamte Volk unser evangelisches Sachsenvolk zu treu evangelischer Gesinnung und protestantischer Ge wissenhaftigkeit erzogen hat, so daß sie den An sturm der röm.-kath. Propaganda und ebenso die durch die Aufklärung und den Rationalis mus drohenden Gefahren in schweren Zeiten des Aampfes siegreich abgeschlagen hat. III. Eine kirchliche Drganisation, die bei allem treuen Hesthalten an den Grundlagen un serer evang. Airche, dennoch auch mit der Zeit fortgeschritten ist, deshalb auch je nach den An sichten und Erfordernissen der jeweiligen Zeit lage sich weiter entwickelte, beziehentlich ander weitig organisierte. >V. Eine Drganisation, die, obwohl sie von oben nach unten gegangen ist, dennoch Anregun gen zur Aräftigung kirchlichen Lebens oder gar Neugestaltung kirchlicher Einrichtungen, die von unten kamen, nicht herrschsüchtig unterdrückte, sondern diese, sowie sie von ihrem segensvollen Einflüsse auf das kirchliche Leben sich überzeugt hatte, dankbar durch ihre Gesetzgebung der All gemeinheit nutzbar machte. (Hortsetzung folgt.) Ueber obiges Thema hat Herr Pastor Ende- Lichtenstein in einem von der „Hortschrittlichen Volksparrei zu Gersdorf veranstalteten Vortrag gesprochen. Natürlich ist der Liberalismus, be sonders in seiner Stellung zu Lhristentum und Religion keine einheitliche Größe. Die Horde- rungen des Vortragenden entsprechen z. B. nicht dem Programm der Aationalliberalen, wohl ab.r dem der Hortschrittlichen Volkspartei, von der der Vortrag veranstaltet war und der der Vor tragende auch nahe steht. Um der Alarheit, aber auch um der Wahrheit willen ist es nölig, zu bemerken, daß der Vortragende vor allem den Liberalismus im Auge hatte, wie er in der Hortschrittlichen Volkspartei seinen Ausdruck findet. Nur als Horderung dieses Liberalismus konnte Herr Pastor Ende in jenem vorirage Sätze aufstellen wie: Die Airche muß aus einer Bekennt- nisgemeinschast eine Wirtschaftsgemeinschaft wer den. Dder: „Der Linzelgcmeinde ist in Lehre und Aultus vollständige Hreiheit zu gewähren". Gerade bei den Hreunden und den eifrigen Be suchern der Airche müssen solche Hordcrungcn die größten Bedenken Hervorrufen. Sie wissen es zumeist, daß gerade Thristus so, wie ihn die Schrift vor Augen stellt und das Bekenntnis ihn auf Grund der Bibel fcsthalten will, sich als Gotteskraft in Herz und Leben offenbart. Und weil die Airche Hüterin und Bekennerin der großen Erlösungstaten Gottes sein will, deshalb halten sie sich treu zu den Gottesdiensten der Airche. Der Airche das Bekenntnis nehmen, heißt ihr das Herz, das Leben, ja Lhristum selber nehmen, eine solche Horderung muß an gesehen werden als ein Angriff auf das biblische Thristentum überhaupt. Die, welche den lieben Sonntag nicht ohne Gottesdienst verleben möch ten, die also wirklich kirchliches Leben betätigen, sollen in der Airche nicht mehr haben, was sie suchen, Lhristum den Gekreuzigten und Auf- erftandenen, sondern die, die zwar zum großen Liberalismus nnö Airche. Teil noch im Airchenbuche stehen, sich aber im Gotteshaus selten oder nie sehen lassen, denen das biblische Lhristentum zumeist ein Dorn im Auge ist und die dessen Beseitigung lieber heute als morgen sehen würden, die sollen in Zukunft bestimmen, was in Airche und Gemeinde ver kündigt werden soll. Nicht was die tatsächlichen Airchenbesucher wünschen, sondern was die Masse der Verächter des biblischen Thristenlums will, das soll Geltung in der Airche haben. Tenn diese letzteren sind die Gegner des Bekenntnisses, nicht die ersteren, wenigstens nicht in ihrer über wiegenden Mehrzahl. Die Airche soll also den Gleichgültigen und Verächtern, also auch den Atheisten und Monisten usw ausgeliefert werden, ob und in welcher Weise man auch den Gläu bigen zu der biblischen Verkündigung verhelfen will, darüber wird leider in den vom Vortragen den ausgestellten Sätzen nichts gesagt. Auf Grund der bisherigen Erfahrung muß billig be zweifelt werden, ob denselben überhaupt Lri- stenzrecht in der Zukunstsgemeindc zugcsprochcn werden wird. Aus diese aus seinen Horderungen erwachsenen Bedenken hat sich Herr Pastor Ende am 9. Mai d. Z geäußert. In dieser seiner Entgegnung bestreitet er nicht, daß seine Meinung dahin geht, daß das Bekenntnis der Airchc, das doch der Gemeinde und dem Einzelnen den tzcilsgrund zeigt, auf dem sie sich erbauen müssen, wenn anders sic Zesu Jünger und Gottes Ainder werden wollen, aber auch das Ziel vorhält, zu dem sie gelangen sollen: zum Glauben, zur lebendigen, seligen Gemeinschaft mit Gott, - abgeschafft werden soll. Er bestreitet auch nicht, daß es seine Mei nung ist, daß die Airche Wirtschaftsgemeinschaft werden soll. Welche Hormen eine solche auch annehmen mag, immer wird sie Wirtschaftliches, also Zeitliches, vergängliches, aber nichts Ewiges, Göttliches zum Inhalt und Ziel haben, wie die Bekenntniskirche. Das ist der große Unterschied zwischen beiden. — Leider jschweigt sich Herr Pastor Ende auch in seiner Erwiderung über einen sehr wichtigen Punkt — ob nämlich der Libe ralismus auch den positiven, d. h. denen, die an den auferstandenen, lebendigen, wiederkom menden Lhristus glauben, Lxistenzrecht einräumen will in der Zukunftsgemeinde — aus. Line klare Antwort war umso nötiger, weil, wie die angeführten Beispiele zeigen, der Liberalismus jetzt die Positiven vollständig zu verdrängen sucht. „Die Gefahr, daß Israeliten, Muhamedaner, Atheisten als christliche Prediger wirken" in der geforderten Zukunstsgemeinde, nennt Herr Pastor Ende einen „abgeschmackten Lcherz". Sonder- bar kurz zuvor erwähnt er „den Monisten Aalt- hoff - der in Bremen als Pastor wirkte — und den „Atheisten" Ltern, der jetzt in der Lchweiz wieder als Pfarrer wirkt". Aach Herrn Endes eigenen Worten giebt es schon jetzt Mo nisten und Atheisten, die als Prediger tätig sind, wenn das aber auch von der Zukunftsgemcinde gefürchtet wird, soll es ein „abgeschmackter Lcherz" sein Lodann nennt Herr Ende in dem angeführten Latz die Prediger der geforderten Zukunstsgemeinde .christliche". Erst wird in der Airche das Bekenntnis zur christlichen Re ligion abgeschafft, dann wird noch besonders ausgesprochen, daß jede Gemeinde volle Hreiheit in Lehre und Aultus haben soll, alio durchaus nicht an die christliche Lehre gebunden sein, und trotzdem werden die Prediger dieser Gemeinden „christliche' sein, sie werden sich also zur christ lichen Religion beke««e« Dann wäre aber das abgeschaffte Bekenntnis in irgend einer Horm wieder eingesührt und die Hreiheit der Prediger oder die der Gemeinde oder auch die beider wäre aufgehoben. Nan denke an die Widersprüche und Schwierigkeiten, die die Aus sagen Endes enthalten und dann urteile man, wer Scherze macht. — Herr Ende begründet seine Horderungen damit, daß die Airche jetzt