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Nr. 298 Pulsnitzer Tageblatt. — Dienstag, den 24. Dezember 1929. Seite 6 lichen und privaten Lebens, der Industrie und der Beruse, das ganze große Gebiet moderner Sportbetätigung, Landwirtschaft und Städtebau, alles hat Zusammenhänge mit dem Begriff moderner Hygiene. So wird z B. auf dem Platz des bisherigen Vergnü gungsecks ein Mufterbauernhos als Mittelpunkt der Gruppe »Land wirtschaft' errichtet, nach dem Modell eines alten sächsischen Bau erngutes, mit Vieh- und Geflügelzucht, mit Milchwirtschaft und Verwertung aller ländlichen Produkte nach den Errungenschaften neuzeitlicher Technik Und daß auch Fröhlichkeit und Genuß da bei nicht zu kurz kommen, wird an derselben Stelle eine ländliche Gastwirtschaft zu Rast und Tanz einladen. Als Reichskommissar sür diese weitgrrisende und großzügige Ausstellung ist Reichsminister a. D. Dr. Külz bestellt worden. Dieser Mann der durch umfangreiche praktische Erfahrungen und weitreichende Beziehungen für solchen Posten wohl der geeignetste ist, hat es verstanden, über die ganze Erde hin Anknüpfungen zu finden, jo daß von weither bereits Kongresse und Versammlungen nach der Aurstcllungsstadt angemeldet find. Hoffen wir also, daß diese Ausstellung der Stadt und da durch ihren Bewohnern Ehre und Nutzen bringen wird! Freuen wir uns des Ausstiegs! Denn in schlimmer Zeil den Kops hängen lasten, ist unrecht. Weiter arbeiten, unentwegt streben, das soll unsre Losung sein, und das bekundet unsre liebe Heimatstadt mit der unendlichen Arbeit der neuen Hygiene Ausstellung! kegin» Sertbolä Dresdner Brief Ausblick auf die neue Iahresscha« Neunzehn Jahre find vergangen, seit die große Hygiene ausstellung unsere Heimatstadt zum Mittelpunkt wichtiger Neue rungen, zum Bahnbrecher eines viel zu wenig beachteten Begriffe, den der öffentlichen und privaten Gesundheitspflege gemacht hat. Was haben wir in diesen neunzehn Jahren nicht alles erlebt, ge sehen, erfahren! Fortschritt und Rückschritt, Erfindungen, neue Begriffe. Aus den ersten Ansängen hat sich die Lustschiffahrt zu bedeutender Höhe emporgearbeitet. Der Verkehr ist in ganz neue, nicht vorherzusehende Bahnen gelenkt worden, neue Lebensbedin gungen, neue Gesetze, neue« Wissen, reichere Ersahrungen! Neun- zehn Jahre, eine kurze Zeit in der Entwicklung der Menschheit, und doch so eingreifend sür unser Leben. Die neue Hygieneausstellung, die schon seit mehreren Jahren vorbereitet wird und seit Schluß der letzten Iahresschau fichtbarlich ganz bedeutend in Erscheinung tritt, wird dann auch sür Dresden wieder eine Sensation bedeuten, die nicht nur der Stadt selbst viel zu bieten hat, sondern weit über die Grenzen unseres Vaterlandes hinaus den Ruhm Dresdens befestigen, auswärtige Gäste nach Dresden bringen soll. Gewiß wird sich in der neuen Hygieneausstelluag ein ganz anderes Bild entwickeln, als dieses vordem möglich war. Fort schritt, rapider Fortschritt ist das Zeichen unserer Zeit, und da di« Gesundheitspflege in alle Berufe und alle Leben,stufen hineinspirlt, wird sie ein lebendiges Zeichen unserer Zeit fein und sollte bei jedem Dresdner das lebhafteste Interesse erregen. Diel zu eng sür all das zu Bietende find die weiten Hallen, die schönen Plätze unserer bisherigen Iahrerschau. Und es wurde notwendig, ganz bedeutenden Raum mit dazu zu nehmen. Vom neuen Hygienemuseum an über die Sportplätze der Dresdenfia und anderer Sportvereine, überall erheben sich neue Hallen. Da« Arnold-Bad, die Station, ja sogar der Raum rechts der Herkules Allee, überall find geschäftige Hände tätig, um der Ausstellung Räume zu gewinnen. Und die Mißvergnügten, die immer so gern an allem herumnörgeln und um kleiner Interessen die großen Er sordernisse der Zeit nur zu gern hintansetzen, raisonnieren, daß die Ausstellung bi» in den Großen Garten hinein ihre Arme streckt. Und doch, wer könnte sich nicht über solche Großzügigkeit freuen, wenn man erwägt, welche enorme Anziehungrkrast diese Ausstellung sür Nah und Fern sein wird? Welche Menge In teressenten au« allen Ländern nach Dresden kommen und den früheren Ruhm einer Fremdenstadt wieder aufleben lassen werden? Nur nicht kleinlich, lieb« Dresdner! Stolz können wir sein, daß sich solch eia Werk in den Mauern unserer Stadt entwickeln kann. E« ist nicht möglich, alle« im »oraus herzuzählen, was unser« großartige Iahresschau bieten wird. Sogar viele Zweig« drs öffent Wie in Sachsen Weihnacht gefeiert wird. Von allen Erdenvölkern feiert das deutsche das Weihnachtsfest am tiefinnerlichsten. Und von allen deutschen Stämmen ist es der Erzgebirgler, der sein Weihnachten am seligsten ausschmückt mit althergebrachten heimeligen Bräuchen. Daß man auch sonst in Sachse« weiß, Weihnachten zu feiern, ist ja nicht gerade ein Wunder, wo in Pulsnitz das ganze Jahr über süßer Weihnachtspfefferkuchen ge backen wird, im Vogtland die vielen Musikinstrumente gebaut werden, die auf keinem Gabentisch fehlen, und das Erzgebirge eine große Knecht-Ruprecht-Werkstatt ist, wo in Dörfern und Hütten jahraus, jahrein die^bunt- seligen Holzspielwaren geschnitzt werden, ohne die es überhaupt kein richtiges Weihnachten gäbe. All die Schäfe reien mit Pferd, Schaf, Kuh, Hund und Hirt, die Spiel schachtelstädte mit Haus, Kirche, Holzwollbäumen und steifhölzernen Leuten, die Nußknacker und Räuchermänner, Pferde und Waaen und noch vieles andere mehr kommen Ausfahrt der englischen Walfisch-Forschungs- Expedition. In London verließ dieser Tage ein für die Antarktis bestimm- tes Spezialschiff „Discovery II' rniL sine« Arotzen AnzaHl von Sachverständigen an Bord die Docks von Samt Catherine, um in den südlichen Eisregio- nen in dreijähriger Studien zeit die Gefahr der Ausrottung der Walfische und die Sicher- stellung der Walfangindustrie zu untersuchen. Um gegen den Druck des Eises gewapp- net zu sein, ist das Schiff nach einer besonderen Konstruktion und ganz aus Stahl erbaut. aus den schwarz-weißen Erzgebirgshütten, wo die ganze Familie fleißig um den Tisch sitzt und bastelt und malt für geringen Verdienst, um den vielen Kindern der weiten Welt auch Weihnachtsfreude zu bereiten. In den meisten Sachsenstädten, wo ja Volkstum, Sitte und Gebrauch am ehesten verflachen und aussterben, sind auch die althergebrachten Weihnachtsgebräuche fast völlig verschwunden. Allein die Christ Vespern sind geblieben in den Kirchen ums Heiligabenddämmern, wo beim Glanz bunter Tannenbaumkerzen, bei Orgel-, Violin- und Flötenspiel die alten schönen Weihnachts lieder gesungen werden. In Leipzig beschert in der Thomaskirche die traditionelle Weihnachtsmotette ein feierlich Halbstündchen am Heiligabend. Trotzdem sind auch Klein- und Großstädte in der Adventszeit nicht arm an Weihnachtsstimmung. Da klingen Kinder weihnachtslieder innig auf, Melodien, wie Schkit- tenglöckchengeklingel so fein, in denen Christengel schweben und Knecht Ruprecht trappt. Pfefferkuchcngeruch und Stollenduft schwingen süß vom Bäcker her und jeder weißbärtige Alte wird zum leibhaftigen Weihnachtsmann in diesen Tagen, furchtbang bestaunt mit märchcnfrohen Kinderaugen. Dann kommt der Wald in die Stadt, Plätze und Winkel in verschneite Gebirgswaldpracht verwandelnd. Und ein Bäumchen nach dem anderen wird über die Straße getragen, mit Engelhaar und Watteschnee, glitzer buntem Glas und Zuckerzeug behangen und in ein wunderselig Christbäumchen verzaubert. Dann werden die Zeltbudengassen des Christmarktes aufgebaut, wo alles zu kaufen ist, Was zu einer richtigen Weihnacht gehört. Jedermann hastet eilfertig, mit Paketen bchängt, durch die märchenhaft erleuchteten Schaufensterstraßen, wo sich jung und alt vor den Auslagen staut. Das ist die Vorweihnachtsstimmuna aroßer und auch kleiner Städte. In der Lesfingstadt Kamenz hat sich als eigentüm licher Weihnachtsbrauch der »Fackel zug' erhalten, der am Heiligabend um sechs Uhr, wenn von allen Türmen der Stadt das Christfest mit vollen Glocken eingeläutet wird, vom Lessingdenkmal im Klosterhof ausgeht. Eine Musikkapelle an der Spitze, werden Schulkinder und Er wachsene als Sänger unter Führung des Kantors, zu beiden Setten begleitet von fackeltragenden Feuerwehr leuten, durch die Stadt geführt bis zum Markt, wobei unter Glockengeläut und Musikbegleitung frohe Weth nachtslieder gesungen werden. Auf dem Markt löst sich der Zug nach gemeinsamem Gesang von »Run danket alle Gott' auf. Ähnlichen Brauch übt man in Pegau, wo die Weiynachtslieder singenden Kinder, Lampions tragend, durch die Gassen des alten Städtchens ziehen. In althergebrachten Sitten und Gebräuchen fest wurzelnd, feiert der liederfrohe Erzgebirgler das Weihnachtsfest. Da kommen schon in den Adventswoche« Männer und Frauen in den Hutzenstuben zusammen, wo bei Pfeifenqualm gebastelt und geschnitzt wird, während die Frauen die alten erzgebirgischen Lieder singen, denen ein besonders trauter Zauber eigen ist. Da werden nun die oft von Generation auf Generation vererbten Weth- nachtsbergfiguren wieder vorgerichtet, neu bemalt, neu aeichnitzt. Diese W-ihnachtsbera« finden sich Ul jedem Haus. Keine richtige erzgebirgrsche Weihnacht ohne »Permätt'. Mittelpunkt dieser Pyramiden ist die heilige Famile: Maria mit dem Kinde und Joseph, der Zimmermann, dann die anbetenden Heiligen Drei Könige, Hirten mit großen Herden und die Weihnachtsengel. Dazu kommen aber noch die erzgebirgischen »Bornkinnek* und Nußknacker, Räuchermänner und Bergleute, Spitzeu- klöpperinnen, Rußbuttenmänner, Holzweibel, Waldleute, Schnitter und Pflüger, Rastelbinder und Botenleute, kurz, das ganze erzgebirgische Volk in ost schon längst aus gestorbenen Typen. Und auch der Stülpner-Karl fehlt nicht. Das alles wird zwischen erzgebirgische Hütte« gestellt, Bergkirchen, Burgen, Dorfbrücken aus WurzelhokZ, mit viel Moos ausstaffiert. Neben den Hauspyramtden, die sich überm Wärmehauch der Kerzen drehen, hat jedes der ErzLebirgsstädtchen seinen großen Weihnachtsberg, Der neue Inspektor von fiOUMI EON l23 Der Tag war heiß, und der Schweiß des Vergnügens lief den Leuten über die strahlenden Gesichter. Staub wir belte auf; dazu lautes Lärmen und das Lachen und Krei schen der Weiber, wenn der Galan in heißem Liebesdrang gar zu zudringlich wurde. Dem »Herrn' hatten sie mit Ehrentanz, Erntekrone, Ansprache und Lebehochs alle Ehre angetan, die sie zu vergeben hatten. Aber dem Inspektor, der sich ihre Herzen gewonnen, ihm jauchzten sie zu. Die Mädchen drängten sich an ihn heran; alle wollten sie mit ihm tanzen, und sie kicherten errötend über seine, der Umgebung und Situation angepaßten Scherze. Die Männer tranken ihm zu und riefen »Hoch!» und „Hurra!', als er eine kleine Ansprache hielt und auf seine Kosten Zigarren verteilen ließ. Der Oekonomierat sah und hörte das alles und ärgerte sich. Es war ihm nicht ganz klar, weshalb er sich ärgerte; denn diese Leute waren in seinen, Augen nur lebende Maschinen, deren persönliche Meinung und Sympathien ihm höchst gleichgültig waren, sobald sie seine Interessen nicht verletzten. Aber mit diesem Herrn Inspektor hatten sie sich doch gar zu sehr - förmlich, als ob er hier der Herr und Ge bieter sei, und der Oekonomierat selbst nur der Inspektor. Und das war doch ärgerlich. Draußen im Garten, vor der Laube, stand die Tafel für die Gäste. Roloff mutzte sich nach langer Zeit wieder ein mal für manche Jagdeinladung, für manches Frühstück bei einem Ges^äftsabschlutz oder beim Kreistag revanchieren — und so wollte er das „in einem Aufwaschen' ab machen. Freilich, er hatte sich gedreht und gewunden, als ihm Platen diese Notwendigkeit klarmachte; er rechnete auch in dieser Zett, wo noch nicht jeder mit der Ernte'zu Ende" war, auf manche Absage, was denn auch glücklich eintraf. Aber siebzehn Herren waren es doch geworden. Der Alte fluchte innerlich, ließ sich jedoch nicht lumpen, da er das Gespött des Kreises wie Feuer fürchtete. Auch hatte Lisbeth, weit über seine Anordnungen hinaus, ein furcht bares Gemetzel unter dem Geflügel angerichtet, für Wild und Fisch gesorgt, den Gemüse- und Obstgarten ge plündert. Sie wollte nicht wieder versteckte, spöttische Bemer kungen hören, wenn sie in Klützow mit den Damen der Nachbarschaft zusammenkam, Bemerkungen, die sie oft schamrot gemacht hatten. Es war wie eine stumme und geheime Verschwörung zwischen ihr und Platen — denn sie hatten kaum einige Worte deswegen gewechselt —, die Ehre des Hauses zu wahren, dem Geiz und der Schäbigkeit des Hausherrn zum Trotz alles so reich und so schön wie nur möglich zu machen. Das Essen siel auch vorzüglich aus; und der Oekonomie rat schluckte manches Kompliment, manches freilich, das etwas spöttisch klang. Ein alter Agrarier, der durch seinen Witz und seine ungenierte Offenheit berühmt war — übrigens ein Duzbruder des Oekonomierats —, ries mit schlauem Augenblinzeln: „Prost, Roloff — deine Köchin soll leben! Ich habe lange nicht so gut bei dir gespeist.' Ein verständnisvolles Grinsen ging rings um die Tisch runde, das zu diskretem Kichern anschwoll, als der witzige Nachbar hinzusügte: „Und dein Roter ist immer noch besser als dein Weißer!' Da alle diese Nachbarn sich wie eine große Familie seit einem Menschenalter kannten, so war auch diese Anspie lung verstanden worden. Mit dem Weinkeller auf Tressin hatte es nämlich seine eigene Bewandtnis. Er zerfiel in zwei sehr ungleiche Hälften. Die ekne^ bessere — vorzüglicher Burgunder, Mer Rheinwein und französischer Sekt erster Marke — stammte aus Geschenken und dem Nachlaß von Roloffs seligem Schwiegervater her, einem Kenner und Liebhaber eines edlen Tropfens. Nur ganz selten rührte der Alte an diesen Schatz. Die andere Hälfte aber, seinen berüchtigten Mosel, sollte der Gutsbesitzer auf einer Auktion in Berlin erstanden haben. Andere behaupteten, für Wein hätte der Geizhals überhaupt noch nie einen Pfennig auSgegeben. Dieser ckk- rüchige Mosel, den man aus Grüneberger unter falschem Etikett taxierte, sei ihm für eine Schuldforderung an Men durchgegangenen Weinhändler zugefallen, der Mne besseren Marken schon vorher zu Geld gemacht hatte. Der Alte hatte ursprünglich diesen Krätzer allein auf die Tafel bringen wollen... das sei früher auch imnker so gewesen. „Aber Herr Oekonomierat, viele Herren, gerade bet uns in Norddeutschland, trinken Mosel Überhaupt nicht gern«, meinte Platen lächelnd. „Und offen gesägt — der Mosel wäre auch nicht mein Geschmack.' „Ach was — meine Nachbarn sind nicht solche Shbariten wie Sie.« „Na, wie ich die Herren kennengelernt habe, verstehen sie sich allesamt aus einen guten T-opsen. Ueberhäupt, auf eine anständige Tafel gehört roter und weißer Wein — zwei Sorten ist das allermindeste — und nachher auch noch Sekt.' „I, was Ihnen nicht einfällt! - Bei uns auf dem Lande... Ich bin kein Berliner Bankier.' „Bet Baron Maltenitz gab es neulich vier Sorten, eine immer feiner und besser als die andere — zum Schluß Roederer carte blanche.' Der Alte hohnlachte grimmig bei dem Gedanken, daß man ihm eine ähnliche Verschwendung zumuten wolle. „Der Baron ist ein Aristokrät — schwerreicher Majo ratsherr ... Ich bin ein armer Landwirt, der schwer zu kämpfen hat? — - - —