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brachten den Gläubigerstaaten zum Bewußtsein, daß es auf diesem Wege nicht weiter ging. Nach fünf Jahren palitisch-finanzieller Diktate, Ulti maten und Wirren stellten der Dawes-Plan und die Londoner Vereinbarungen im Jahre 1924 den ersten Versuch einer wirtschaftlichen Lösung des Reparationsproblems unter Berücksichtigung der Lebensnotwendigkeiten des deutschen Volkes dar. Aber um wieviel liegt dieser Versuch noch hinter einer Lösung zurück, die man für uns als befriedigend und auf die Dauer tragbar ansehen konnte. Zwar war erreicht worden, daß die phantastisch hohen Jahreszahlungen des Londoner Ultimatums beseitigt wurden. Aber der Dawes-Plan brachte nach Ablauf der Uebergangszeit eine feste I a h r e s z a h l u n g von 2,5 Mil liarden, zu der noch ein jährlicher Zu satzbetrag auf Grund eines Wohlstands index trat. Dieser Index war so bemessen, daß er nicht nur bei einem wirklichen Anwachsen des Wohl standes, sondern auch bei einer bloßen Ausdehnung der deutschen Wirtschaft arbeitete, und daß NUS ihm auf alle Fälle mit einer Mehrbelastung von mehreren Hundert Millionen jährlich zu rechnen war. Daneben hatte der Dawes-Plan den ihm bei seinem Inkrafttreten von vielen mit Recht vorgeworfenen Fehler, daß er lediglich eine Zwischen lösung enthielt, es aber unterließ, die von Deutsch land wirklich geschuldete Endsum m e anzugeben und auch für einen großen Teil seiner Zahlungen eine zeit liche Begrenzung nicht angab. Diese Mängel hatten ihre Ursache darin, daß im Jahre 1924 nach der ganzen politischen Lage der Welt und nach der Stimmung der Völker nicht mehr zu erreichen war. Ferner brachte der Dawes-Plan zwar eine Erleichterung in der Höhe der Jahresleistungen gegen über dem früheren Zustande; diese war aber erlauft durch Einräumung weitgehender Rechte und Kontrollmöglichkeiten an die Elänbigermächte. Ein großer Teil der deutschen Steuereinkllnfte wurde an die Gläubiger verpfändet und durch einen beson deren Kommissar verwaltet. Die deutsche Reichsbahn und die deutsche Reichsbank hatten in ihren Verwal tungsräten vom Ausland ernannte Mitglieder, die größtenteils selbst Ausländer waren, und deren Einfluß >n diesen Stellen dem Eläubigerinteresse mehr als dem der deutschen Wirtschaft zu dienen bestimmt war. Die deutschen industriellen und gewerblichen Unternehmun gen oberhalb einer gewissen Größe waren mit einer Sonderlast beschwert, deren Verwaltung einer wiederum international zusammengesetzten Bank übertragen war. Alle aus der deutschen Wirtschaft herausgezogenen Gelder wurden von dem Reparationsagenten verwaltet, der in dieser Stellung und als Vorsitzender des Trans fer-Komitees eine ständige Beobachtung der deutschen Finanz- und Wirtschaftspolitik vornahm und seine Beurteilung regelmäßig jedes Halbjahr, manchmal auch dazwischen, und zwar gelegentlich einer für ein großes Volk schwer erträglichen Form in die Oeffent- lichkeit gab. Es ist richtig, daß dieser geminderten Freiheit in der Betätigung auch eine geminderte Ver antwortung für die Uebertragung^der aufgebrachten Summen ins Ausland, der sog- Transfer, entsprach. Aber die Entscheidung, ob Maßnahmen zum Schutze der deutschen Währung zu ergreifen waren, lag ausschließ lich in den Händen der Gläubiger, und deren Interessen drängten so stark auf einen laufenden Empfang der Reparationsbeträge, daß man aller Voraussicht nach, ehe man sich zu einer Einstellung des Transfers ent schlossen haben würde, der deutschen Wirtschaft die schwersten und schädlichsten Krisen nicht erspart hätte. Jedenfalls war es für jeden Unbefangenen klar, daß man die Regelung des Dawes-Plans, die seinerzeit bei der Lage nach Abbruch des Nuhrkampfes und bei einer eben erst wieder sich festigenden Währung als das kleinere Uebel erschien, nicht als eine Dauerlösung ansehen konnte. Man hatte den Dawes-Plan angenommen, um wieder zu stabilen Ver hältnissen zu gelangen und um die Franzosen aus der Ruhr herauszubringen. Nachdem er diese Aufgabe erfüllt hatte, mußte eine andere, Deutschlands würdigere Lösung angestrebt werden. Als die gegenwärtige Regierung im Sommer 1928 ihr Amt anirat, stellte sie sich die Aufgabe, die Be freiung Deutschlands von der Besatzung zu erreichen und gleichzeitig eine Herabsetzung der Neparationssummen, eine Begren zung der deutschen Verpflichtung und eine Befreiung von ausländischen Kontrol len und Einmischungsmöglichkeiten her- beizuführen. Aus der Tagung der Völkerbundsver sammlung in Genf im September des vorigen Jahres wurde ein Programm, das diese Ziele enthält, mit den hauptsächlichsten Gläubigergruppen zusammen, ent worfen. Seine Ausführung ist seitdem in ununter brochener zähester Arbeit betrieben worden. Dabei war in dem Programm von Genf die Aufnahme eines uns höchst widerwärtigen Punktes auf Betreiben der anderen Seite unvermeidbar geworden, nämlich die Erörterung der Einsetzung einer Feststellungs- und Vergleichs kommission. Zu den jüngsten Verhandlungen abschließend Stel lung zu nehmen, ist noch verfrüht: Um wichtige Fragen, insbesondere um die Rückgliederung des Saarlandes, wird noch weiter gerungen werden müssen; die Schluß- Verhandlungen im Haag werden erst im Laufe des Oktober stattfinden. In allen drei Punkten des Pro gramms der Reichsregierung: Räumung des be setzten Gebiets, Beseitigung der Kon trollen und Herabsetzung und Erleich terung der Reparationslasten sind schon jetzt grundlegende Ergebnisse erzielt worden. So können wir im jetzigen Entwicklungsstadium sagen, und man muß es angesichts der Irreführung der Öffentlichkeit durch ununterrichtete Kritik offen aussprechen: Die großen Ziele der Reichsregierung sind in den Fragen, welche im bisherigen Verhandlungs abschnitt zur Entscheidung gekommen sind, in allen wesentlichen Punkten erreicht worden. Wenn ich zunächst über finanzielle Einzel heiten der Haager Regelung spreche, so müssen Sie sich vor Augen halten, daß wir Deutsche nach dem Haag gingen mit der politischen Forderung auf eine zeitlich fest bestimmte Räumung des Rheinlandes, auf die Beseitigung der von uns als unerträglich empfundenen Kontrollen und Garantien und auf die Einführung des Young-Plans, der zwar unseren letzten Wünschen nicht entspricht, aber doch neben dem Fortfall der Kontrollen und Garantien und der Herabsetzung der Leistungen den großen Vorteil hat, daß die in ihm vorgesehenen Schutzmaßnahmen nicht von der Entscheidung eines Ausschusses der Gläubiger möchte abhängen, sondern von uns