Volltext Seite (XML)
Nr. 246. Pulsnitzer Tageblatt. — Montag, den 21. Oktober 1929. Seite 6. eren amtlichen Notierungen lauten für prompte frachtfrei Leipzig. — Alles bezahlt uno Brief. Ware Parität veren AMenmajorttät im vorigen Jcchre allf die Opel-Werke »bergegangen war, nicht mehr zu beteiligen. Berliner Börse vom Sonnabend. Die Börse wies ein« wesentlich« Beruhigung auf. Trotzdem ließen sich vereinzelt Kursrückgänge nicht vermeiden, denen aber auch eine Anzahl von beträchtlichen Kursbesserungen gegenüber- stanid. Man wird diesen Erfolg der Banken nicht zu gering an schlagen dürfen, da doch infolge des Deckungsschwundes durch di« Kursrückgänge vom Freitag in großem Umfange Zwangsver käufe vorgenommen wurden. Die Sonnabend-Beratungen der zum Stützungskonfortlum gehörenden Danken haben die Bereit willigkeit zu einer verstärkten Interventionstütigkeit ergeben. Effektenmarkt. Heimische Renten wenig verändert. Schiffahrts werte im allgemeinen ziemlich widerstandsfähig. Banken uneinheitlich, Handelsgesellschaft sogar ziemlich schwach. Mon ta naktien überwiegend stärker erholt, die Besserungen betru gen bis zu 2 Prozent. Kaliaktien konnten sich um 3 Prozent erholen. Farbenmarkt wenig verändert. Elektro- aktien: Ehade wieder schwächer, und zwar um etwa 8 Rm. Auch Accumulatoren waren angeboten (minus 3 Prozer ). Sonst tag der Markt aber freundlicher. Berliner Produktenbörse: Still. Weizen 2 Mark, Roggen 1 Mark billiger umqesetzt, da schwache Auslandsmeldungen den ohnehin geringen Kaufbedarf weiter verminderten. Hafer stetig, Gerste ruhig, Mehl lustlos. Amtlich« Notierung der Mittagsbörse ab Station Mehl und Kleie brutto einschl. Sack frei Berlin. vereiste und verschneite Grate abwärts zu klettern, kann» nur der ver stehen, der schon selbst im Gebirge solche Tour mit Gepäck gemacht hat. Der Goldschopf Pinguin trägt auf dem Scheitel eine Anzahl goldgelber Schopfsedern, die ihm ein ungemein kecke« Aussehen verleihen. Er brütet an anderen Orten als die Adelle-, Elsen» und Königspinguine, und muß auf besonderen Fahrten gefangen werden. So geht es denn nochmals hinaus zu den fern verschwiegenen Stellen der großen Inseln, von denen einem ein Summen, ähnlich dem eines fliegenden Bienen» schwarms, entgegentönt: das Geräusch der vielen brütenden Bögel. Langsam nähert sich die Barkasse der Bucht; an Ankern ist nicht zu denken, da das Wasser zu tief ist. In der Bucht sieht man Massen von Pinguinenbälgen schwimmen — das Werk des See Leoparden. Von den Tausenden und Abertausenden von Pinguinen, die hier ihr Dasein fristen, fällt eine sehr beträchtliche Anzahl den unter dem Wasser lauernden Leoparden zum Opfer. Blitzschnell tauchen die Bögel unter Wasser, sie benutzen den Auftrieb, um etwa 2 bis 3 Meter weit in flachem Bogen über die Wasseroberfläche dahinzuschießen und erneut unterzutauchcn; so streben sie in wellenförmigen Bewegungungen, teils unter, teils über dem Wasser, dem Ufer zu. Doch der unter dem Wasserspiegel lauernde Mörder erhascht manchen der harmlosen Vögel als Beute. Ein Tierfänger Hagenbeck« hat beobachtet, wie ein See- Leopard mit seinem furchtbaren Gebiß einen Pinguin festhielt, zur Seite schleuderte und wieder auffing, um dann mit ihm in die Tiefe zu tauchen. Er hatte dem Vogel aus dem Rückrn den Balg aufgebissen und hielt einen Teil desselben mit den Zähnen fest, so daß der zap pelnde, vor Schmerzen sich windende Pinguin buchstäblich aus seinem eigenen Balg herausschälte. Der Fang geht in ähnlicher Weise vor sich bei den Köngspinguinen. Die Arbeit wird vielfach durch die glatten, von glitschigen Wasserpflanzen überwucherten Felsen erschwert. Die Mannschaft muß mit Händen und Füßen klettern. Die Transportkisten werden meist bis in die Nähe der Vögel gebracht, damit man die Tiere nicht einen so langen Weq in Fangsäcken zu tragen braucht. Endlich setzt sich daS Transportschiff in Bewegung. Neue Aufgaben harren des FänaerS und Pflegers. Die für die Pinguine gefangenen Fische müssen 24 Stunden vor dem Verfüttern aufgeweicht werden. Jeder Pinguin erhält täglich zweimal eine Ration von etwa fünf Pfund; sie aber nicht von selbst, sondern müssen systematisch gestopft werden, was bei etwa 100 Exemplaren allein eine ganze Tagesarbeit ausmacht. Bevor die Tropen — die große Klippe der Transporthaltung anatarktischer Tiere — erreicht sind, hat man aus Balten und Persenings «in geräumiges Bassin gebaut, in dem die Pinguine während der Fahrt durch die heißen Gegenden Kühlung erhalten. Die See-Elesanten werden dann täglich mehrmals mit Wisser übergossen. Sie fressen während der ganzen Reise keinen Bissen und brechen ihren Hungerstreik erst einige Wochen nach der Ankunft in Stellingen. Noch länger dauert eS, bis Pinguine sich zu selbständiger Nahrungsaufnahme bewegen lassen; noch lange nach ihrer Ankunft kann der Besucher des Tierparks das Bild der „Pin- guinenstopsung" bewundern. *) Ludwig Zukowsky, seit 16 Jahren wissenschaftlicher Leiter des Hagenbeckschen Tierparkes, veröffentlicht erstmalig für den „Bolks- verband der Bücherfreunde. Wegweiser-Verlag G. m. b. H., Berlin-Charlottenburg 2, Berliner Straße 42-43" in seinem farbenprächtig geschriebenen Buche: „Carl Hagenbecks Reich" die reichen Erlebnisse und Erfahrungen seiner langen Schaffenszeit. Vor liegender Abschnitt ist diesem reich illustrierten, vornehm ausgestatteten Werk (in Halbleder gebunden 4,60 RM) entnommen. Zahlungseinstellung -er Me-Dlamantumle A.-G. Die Elite-Diamantwerke A.-G., Siegmar i. Sa. und Brand-Erbisdorf (Kapital 6 Millionen Mark), haben ihre Zahlungen eingestellt. Die Zahlungseinstellung dürfte ver mutlich darauf zurückzuführen sein, daß die Adam Opel A.-G. im Einvernehmen mit der General-Motors Corporation be schlossen haben soll, sich an der Produktion der Elitewerke, Berliner Butterpreise. Amtliche Notierung ab Erzeuger station, Fracht und Gebinde gehen zu Käufers Lasten: 1. Qualität 185, 2. Qualität 168, abfallend« Sorten 152 Rm. Tendenz: Stetig. (Ohne Gewähr.) Wild- und Geflügelpreise. Wild und Wildge flügel. Rehböcke, la, 24 Kilogramm 1,45—1,54, do. Ila 1,10 bis 1^5; Rotwild, schwer 0,65—0,73, do. leicht 0,73—0,76; Dam wild, männlich, schwer 0,68—0,70; Wildschweine, la 0,65—0,75, do. Ila 0^55—0,60; Wildenten, la, Stück 2,00—2,20; Krickenten, la 0,75—1,00; Fasanenhähne, jung«, la 3,75—4,25, do. alte 3,00 bis 3^0; Fasanenhennen, la 2,50; Schnepfen 4,00—4,25; Ka ninchen, wilde, große 2^0—2,40, do. schwache 1,00—1,25. — Geschlachtetes Geflügel: Hühner, hiesige, Suppen, la, Kilogramm 1,05—1,20, do. Ila 0,80—1,05, do. junge, hiesige, la 1,20—1P0, do. Ila 1,00—1^0; Poulets, ung., la 1,30—1,40; Hähne, alte 0,80—1,00; Tauben, hiesige, jung«, la, Stück 1,00 bis 1,10, do. Ha 0,65—0,75; Gänse, la, Kilogramm 1,10 bis 1,15, do. Ha 0,90—1,05, do. ung. Stopf-, la 1,15—1,20; Enten, la 1P0—1,40, do. Ila 1M—1,20, do. Hamburger, junge, la 1,40. Die Preise sind die amtlichen Berliner Martthallen- preise, einschließlich Fracht, Spesen und Provision. (Ohne Gewähr.) Spiel-Plan der Dresdner Theater Die Komödie. Montag, 21. Oktober, 7,45 „Weekend im Paradies", VB. 1301-1350; BBB. 1 5851-6000. Dienstag, 22., 7,45 dto., 1351-1400; 1 1801—1950, 2 501-520. Mittwoch, 23., 7,45 dto., 1401—1450; 1 8001—8150, 2 521—540. Donnerslag, 24., 7,45 dto., 1451-1500; 1 8151-8300, 2 541-560. Freitag, 25, 7,45 Eröffnung der Winterspiclzeit, Erstaufführung „Hannibal ante Portas", 1501-1550; 1 2501—2550. Sonnabend, 26., 7,45 dto., 1551-1600; 1 2551-2600 u. 2901-3000, 2 561—580. Sonntag, 27., 11,30 Tanzgruppe Kratina; 7,45 „Hannibal ante Portas", 1601 bis 1650; 1 7201—7350. Montag, 28., 7,45 dto., 1651—1700; 1 7351—7500, 2 581-600. Eentral-Theater. Montag, 21. Oktober, 8,00 Gastspiel Ilse Muth und Kammersänger Adolf Lußmann „DreimäderlhauS". Dienstag, 22, 8,00 Gastspiel Kammersänger Adolf Lußmann „Drei mäderlhauS". Mittwoch, 23., 8,00 dto. Donnerstag, 24., 8,00 dto. Freitag, 25., 8,00 dto. Sonnabend, 25., 8,00 dto. Sonntag, 27., 4,00 dto. (kleine Preise); 8,00 dto. Montag, 28., 8,00 dto. Refide«,»Theater. Montag, 21. Oktober, 8,00 „Friederike". DieuStag, 22., 8,00 Gastspiel Ilse Muth und Kammersänger Carl Jöken „Marietta" (Marietta Fleury). Mittwoch, 23., 4,00 „Schnee wittchen"; 8,00 „Marietta" (Marietta Fleury). Donnerstag, 24., 8,00 dto. Freitag, 25., 8,00 dto. Sonnabend, 2ö., 4,00 „Schneewittchen"; 8,00 „Marietta" (Marietta Fleury). Sonntag, 27., 2,00 „Schnee wittchen"; 4,30 „Friederike" (kleine Preise); 8,00 „Marietta" (Marietta Fleury). Montag, 28., 8,00 dto. Chemnitz. Auch die heutige Börse verlief in stAvacher und unsicherer Haltung. Es kam zu weiteren Kursverlusten, die in Maschinenwerten bis zu 2 Prozent gingen. Tertilaktien waren verhältnismäßig gut gehalten. Bankaktien büßten bis zu 5 Prozent ein, die sonstigen Jndustriewerte bis zu 3 Pro- zent. Leipziger Produktenbörse. Preise: Weizen, inl., 74,5 Kg. 230-236; Roggen, hies., 70 Kg. 186—190; Sanbroaaen 71 Ku 187—191; Sommergerste, tnl. 215—220; Wintergerste iso bis WO; Hafer 172—182; Mais, amerik. 211—213; Mais Cin- quantin 228—233; Raps 345—355; Erbsen 340-360. Die Leipzig. Gegen die gestrige schwache Frankfurter Abend börse eröffnete die Leipziger Börse wesentlich beruhigter, ob wohl rein kursmäßig die Notierungen von S' ' ' schwächer lagen. So büßten Norddeutsche Woll^ u. Salzer 8,5, Polyphon sogar 18,5 Prozent ein. Die übrige« Märkte waren vernachlässigt und ohne wesentliche Ver änderung. Börse und Handel Amtliche sächsische Notierungen vom 19. Okober. Dresden. Die Börse verkehrte auch heute in ausgesprochen schwacher Haltung. Die Abwärtsbewegung der Kurse macht« auf allen Marktgebieten weitere Fortschritte. Da selbst kleinste Posten kaum unterzubringen waren. Es verloren Polyphon 13, Reichelbräu 7, Vereinigte Strohstoff und Elektra je 6,50 Berliner Kindl und Bergmann je 5, Dittersdorfer Filztuch 4,50, Schubert u. Salzer 4, Reichsbanl 3,50, Aschaffenburg 3, Gobler und Zeiß Ikon je 2,50, Krause und Baumann, Dr.- Kurz-Aktien, Trapp und Münsch, Schöfferhof, Dortmunder Ritterbräu, Residenzbaubank, Paradiesbetten, Hotel Belevue, Plauener Gardinen, Aktienfärberei Münchberg und Veilsdorf je 2 Prozent. Nur Deutsche Bank lagen 2 Prozent höher. Die übrigen Kursveränderungen hielten sich unter 2 Prozent. Sechsprozentige Sächsische Staatsanleihe und verschiedene Goldh^othekenpfandbriefe verzeichneten Abstriche von 0,Ä Kunstleben inDresden Residenz-Theater Von LeharS „Friederike" finden Sonnabend, Sonntag und Montag die letzten Vorstellungen statt. Am Sonntag, nachm. */,4 Uhr geht „Friederike" als Fremdenvorstellung bei kleinen Preisen in Szene. Die Kindermärchenvorstellungen von „Schneewittchen und die sieben Zwerge" werden am Sonnabend, nachm. 4 Uhr und Sonntag, mittag- 2 Uhr zur Wiederholung gebracht. Am Dienstag, 22. Oktober gelangt zum ersten Male „Marietta" (ö-arl-Na kl-mx) Operette in 5 Bildern von Sasch Guitry, Musik von Oskar Strauß, zur Aufführung. Die Operette, die seit einem halben Jahr den Spielplan von Paris und London und jetzt ebenfalls in Berlin beherrscht, geht in der Original- Inszenierung und Ausstattung deS Berliner Metropol-Theater- in Szene. Für die Rolle des LouiS Napoleon ist Kammersänger Carl Jöken von der StaatSoper Berlin verpflichtet worden. Die Titelrolle singt Ilse Muth. MUH W-iz. 19. 10. 29 18 10. 29 100 kg M-HI 70°/„ 19 10 29 18 10 29 mark. 229.0--30 0 235.0-236.0 Weizen 27.7-33.2 27.7-33.2 Okt — —— Roggen 23.2-26.1 23S.-L6 2 De,. 251.00 251.5-253.0 Weizenkleie 11.2-11.7 >1.2-11.7 März 262.00 2625-264.5 Roggenkleie 9.70-10.2 97.0-10.2 Nogg. Weizenkleie- märk. 1730-177.0 174.0-178.0 melasse — — Okt. 187.50 188.0-188.1 Raps (1000 kg) —- Dez. 194.2-195 0 194.5-196.0 Leinsaat (do.) —- März Gerstr Brau Wint. Futt. 266 5 207.0 1065-208.0 Erbsen, Viktoria 35.0-42.0 35.0 42.0 Kl. Speiseerbsen .7.0-33.0 27.0-33.0 196.0-216.0 172.0-188.0 196.0-216.0 172.0-188.6 Futtererbsen Peluschken Ackerbohnen Wicken 21.0 33 0 21.0-23.0 Haier märk. Lupinen, blau — 169.0-179 0 „ gelb — — >69.0-179.0 Seradella, neue — Okt. — 176.0 Rapskuchen 18.5-19.0 I8.5-I9.0 Dez. 185 00 187.0 Leinkuchen 24.1-24.4 24.1-24.4 März 200 00 —— Trockenschnitze 11.3-11.5 11.3-115 MaiS Soya-Lxtrak« 19.7-20.1 Berlin — — Schrot 19.7-20.1 Plata — — Kartoffelflocken 15 6-16.2 15.6-16.2 Fall!" unei Nachdruck verboten , Wundervoll — ganz wundervoll ist das geworden, Herr Rose-Maria sagte es in ehrlicher Begeisterung, und man konnte sehen, wie ihr Lob auf ihn wirkte. „Das war leine leichte Sache hier. Ich mußte ein Bade zimmer schaffen und hatte eigentlich nichts weiter, als die vier Wände zur Verfügung." „Die alte Sache, lieber Fall, Angstprodukte werden immer das beste. Sehen Sie mich an, ich bin auch ein Angstprodukt meiner Eltern. Na — und wie bin ich geworden?!" „Bezaubernd," rief Rose-Maria aus, aber es galt wohl nicht für Willis Worte, sondern für das Arrangement des Bett himmels." „Na — bezaubernd finde ich mich ja gerade nicht, aber lieb bin ich, das muß mir der Neid lasten." „Was müssen Sie lasten?" fragte Frau von Schlicht, die wohl auch mcht ganz zugehört hatte, denn sie betrachtete sich die reizend gesteckten Gardinchen an den Fenstern. Willi fand sür solche Unaufmerksamkeiten keine Worte und setzte sich in einen der Sessel, aber gerade fünf Zentimeter vor der Sitzfläche packte ihn Lutz am Kragen. „Natürlich — möglichst mitten auf die -neuen Kisten! Als unerklärliches Etwas wird so ein Ding dann wieder unter Ihnen hervorgehen, was?" „Uff — die neue Kusine geht mir auf die Nerven! Nicht nial auf ihre Kisten darf ich mich setzen. Wozu ist dann die Göre überhaupt da?!" „Um Ihrer Galle die unbedingt nötige Emution zu ver schaffen." Rose-Maria sagte es mit einem reizenden Lächeln und zupfte hier und da noch an Puppe Aurora herum. „Ach richtig — Aurora! Wie ist es denn, Frau von Schlicht, wir haben Vollmond gehabt und Aurora hat mich nicht besucht?" „Vielleicht sind Sie nicht ihr Typ." „Lieber Baumeister, wenn Ihnen schon keine Wände ein fallen, dann lasten Sie sich doch wenigstens etwas witzigere Be merkungen einfallen. Ich und nicht Auroras Typ?! Fliegen würde die Dame auf mich, fliegen. Ich bin schon immer der Typ von sensitiven Damen gewesen." Oop^m'xcht 1929 b? Karl Köhler L Co., Berlin-Zehlendorf. „Nun, was das anbelangt, so sensitiv war Fürstin'Aurora gar nicht, denn sie soll kalten Blutes ihr Kind ermordet haben," warf Frau von Schlicht ein. „Dafür mußte sie aber auch drüben im Turm elendiglich verhungern." In dem Augenblick rutschte Puppe Aurora aus unerklärlichen Gründen von ihrem Sessel herab und ihr eines Aermchen stand steif in die Höhe, als wollte sie sich zum Wort melden. Die vier erwachsenen, modernen Menschen standen einen Augenblick erstarrt da und sahen auf das kleine Wesen, bis Lutz als erster die merkwürdige Stimmung abschüttelte und die Puppe wieder an ihren Platz setzte. „Schien das nicht fast wie ein Protest gegen meine Worte?" Frau von Schlicht war ganz blaß geworden und verlangte nun schnell danach, das Zimmer zu verlasten. Willi und Rose- Maria folgten ihr, während Lutz noch einen Moment stehen blieb und der kleinen Puppe Aurora einen richtigen Kuß gab, denn im Moment, da sie herabgefallen war, hatte Rose-Maria sich für einen Augenblick an Lutz angeklammert, sicher ohne es selbst bemerkt zu haben. Und dafür war Lutz der kleinen Puppe dankbar. Am letzten Abend, den Rose-Maria noch in Hochheim schlief, hatte sie sich als Lektüre schnell noch die Historie der Hochheims geholt und las nun nach, was sie über Aurora, Fürstin Hoch heim, fand. Und da las sie folgendes: „Trotz des Verbotes des Fürsten spielte die Fürstin oft mit dem kleinen Prinzen in der alten Halle und benutzte die großen Truhen als Versteck, wenn sie der Kleine im Spiel suchen sollte. Eines Nachts, als der Fürst von einer Reise zurückkam, fand man die Fürstin nirgends, und erst langes Suchen hatte Erfolg. Sie war wieder in der Halle, wo sie mit dem Prinzen zu spielen pflegte, und saß dort aus einer der Truhen, ihr Kind im Schoß. Aber das Kind war tot — erstickt, wie sich dann herausstellte. In furchtbarer Wut beschuldigte der Fürst seine Gemahlin, daß sie das Kind erwürgt habe. Und die Fürstin gab kein Wort »u ihrer Verteidigung, sah den Gemahl nur groß an und schüttelte immer wieder den Kopf. Noch mehr erhärtete dies Schweigen den Zorn des Fürsten, der schon lange seine Gemahlin nicht mehr liebte, und er ließ sie in den Hungerturm werfen. Kein Mensch sah sie je wieder, nur einmal, kurz vor ihrem Tode, war der Pfarrer des Dorfes H. bei ihr, um ihr die letzte Oelung zu geben. Ohne ein Wort gesprochen zu haben, ist sie gestorben und begra ben worden. Bald nach ihrem Tode verstarb auch der alte Pfarrer von H., und er soll zu seinem Amtsbruder geäußert haben, daß die Fürstin unschuldig gestorben sei. Da aber seiner zeit Krieg und Not ins Land kamen, hat nie ein Mensch der Sache uachgeforfcht. Fürst Udo hat bald wieder geheiratet und für Nachkommen gesorgt." Rose-Maria legte das alte Buch, was wohl aus dem nach folgenden Jahrhundert war, zur Seite und sah nachdenklich vor sich hin. Sollte man damals die Fürstin nicht doch unschuldig verurteilt haben. Welche Mutter, die sonst heiter mit ihrem Kinde spielte, würde ihr Kind umbringen? Psychiatiker waren die Leute der vergangenen Jahrhunderte nicht gewesen. Aber interessant mußte es sein, einmal in der alten Kirche von H. in den Kirchenbüchern und Hinterlassen schaften der verschiedenen amtierenden Geistlichen nachzulefen, ob man da nicht irgendeinen Anhalt fand für die Unschuld der Fürstin Aurora. Aber ehe Rose-Maria diesen Gedanken so richtig fertig ge dacht hatte, war sie sanft eingeschlafen, und das erstemal, so lange sie auf Hochheim war, träumte sie. Und zwar erschien ihr die Fürstin Aurora, welche die Puppe in der Hand halt? und Rose- Maria winkte, daß sie ihr folgen solle. Und es war für Rose- Maria im Traum ein qualvoller Moment, daß sie ihr nicht-folgen konnte, sah ihr aber nach durch viele Türen und sah sie in weiter Ferne, wie sie in einer Halle an einer Truhe stand und den Deckel zu öffnen versuchte. Wieder und wieder winkte sie Rose- Maria, aber diese hatte das Gefühl, schwere Ketten an den Hän den und Füßen zu haben. — Mit einem Ruck, der sie von den Ketten befreien sollte, erwachte sie — und schalt sich töricht, solche Dinge zu träumen. „Ich habe sicher zuviel von der herrlichen Speise gegessen und habe demzufolge schwer geträumt " Am Morgen wußte sie von dem Traum nichts mehr und dachte auch nicht mehr in all ihrem Abreisetrubel an Fürstin Aurora. Während sie sich in der Nacht mit der Fürstin beschäftigte, hatte die künftige Erbin von Hochheim ihre qualvolle Schlaf wagennacht zu durchleben. Rose-Maria sah auf dem Bahnhof die reizende Erscheinung der neuen Prinzeffin und malte sich mit amüsantem Lächeln aus, wie es wohl in Hochheim einschlagen würde, wenn anstatt des „kleinen Dings" da solch nettes, frisches, junges Mädchen ankam. Besonders Graf Willi würde die Augen aufmachen. Da sie so interessiert auf Lilli sah, hatte sie nicht bemerkt, daß Herzog Ernst, den sie schon mit leisem Herzklopfen beim Aussteigen beobachtet hatte, sie still beobachtete. Aber ihr ganzes Interesse galt in diesen Minuten Lilli, welche mit reizender Sorgfalt Papa stützte. Hinter der Mauer stehend, sah Rose-Maria dann, wie es für Herzog Ernst beschwerlich war, einzusteigen in den Wagen, und sie fiihlle saft selbst den Schmerz, den er wohl in seinem Bein empfand. (Aortf^Mng ßolgt.)