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selbst in Wirksamkeit zu setzen sind. Bei dieser Sach lage, bei der wir wenigstens nach außen als die For dernden erschienen, bestand die Gefahr, daß in den jenigen Punkten, die der Poung-Plan für eine Einigung der Regierungen offen gelassen hat, man ein Nachgeben unsererseits zur Voraussetzung für die Erfüllung un serer Forderungen machen würde. Diese Gefahr ver schärfte sich, als England unter anderen Forderungen anmeldete, daß es sich mit den ihm aus dem Boung- Plan zufließenden Beträgen nicht begnügte und eine Erhöhung seiner Jahresquote um 48 Millionen bean-" spruchte. Die deutsche Delegation hat sich mit größtem Nachdruck dagegen gewehrt, daß die Befriedigung dieser Forderung auf Kosten Deutschlands erfolgte. Sie hat das an sie herangetretene Ansinnen, durch eine auch nur geringfügige Erhöhung der Annuität die Einigung zwischen den Eläubigermächten zu erleichtern, als un möglich und mit dem Grundgedanken des Poung-Plaus unvereinbar zurück gewiesen. Sie hat aber, um die Befreiung des Rheinlandes und die Minderung und Begrenzung der Reparationslast nicht an Punkten von geringfügiger Bedeutung scheitern zu lassen, nach schwerem Ringen für die im Poung-Plan offen gelassene Regelung der U e b e r g a n g s z e i t Zugeständ nisse gemacht, die gewiß die Möglichkeit der Entlastung für die Zeit bis zum 1. April 1930 etwas herabsetzen, aber in ihrer Bedeutung im Verhältnis zu dem Rah men, in dem die Eesamtlösung liegt, keine Rolle spielen. Das einzige Zugeständnis, das eine gewisse Abweichung vom Po ung-Plan enthält, die Veränderung in der Staf felung der ungeschützten Annuität, d. h. derjenigen Summe, die auch im Falle des Moratoriums gezahlt werden muß, erhöht, wie gegenüber irreführenden Darstellungen in der O e f f e n t I i ch k e i t ausdrücklich hervorgehoben werden soll, weder unsere jährlichen Leistungen auch nur um 1 Pfennig, noch setzt es den Durch- s ch n i t t s b e t r a g der ungeschützten An nuität herauf. Soviel von den finanziellen Einzel heiten. Wichtiger und größer ist das, was sich a u f politischem Gebiet abgespielt hat, was von uns angebahnt und erreicht worden ist. Mit der Inkraftsetzung des Sfoung-Planes werden die zurzeit bestehenden Kontrollen endgültig be seitigt. Die Bindungen für die Reichsbahn und die Reichs bank werden sich darauf beschränken, diesen Einrich tungen eine gewisse Selbständigkeit zu wahren. Die ausländischen Kommissare für die ver pfändeten Einnahmen, für die Reichs bahn und die Reichsbank, der ausländische Treu händer für die deutschen Jndustrieobligatio- nen, der ausländische N o t e n k o m m i s s a r sowie sämtliche ausländische Mitglieder in dem Verwaltungsrat der Reichsbahn und dem Eeneralrat der Reichsbank werden verschwinden. Die international be setzte Bank für Jndustrieobligationen wird aufgelöst werden. Die Reparationskommission, die in der Vergangenheit eine häufig so verhängnisvolle politische Rolle gegenüber Deutschland gespielt hat, wird endgültig ihrer Rechte über Deutschland enthoben. Deutschland wird also, nach voller Wiederher stellung seiner Souveränität und unter voller eigener Verantwortung für seine Wirtschaft, seine Währung und seine Finanzen, wieder in den Kreis der voll berechtigten Großmächte einrücken, wird seine durch den Poung-Plan festgesetzten inter nationalen Verpflichtungen in einem Abkommen auf sich nehmen, dessen Form sich in keinem wesentlichen Punkte von den großen internationalen Schuldcn- tilgungsabkommen unterscheidet, die andere Staaten unter sich geschlossen haben. Die Summen, die Deutschland jährlich zu leisten haben wird, werden, selbst wenn man die im Dawes- Plan vorgesehene Erhöhung durch den Wohlstandsindex noch so niedrig einschätzt, um Milliarde und darüber, in den ersten fünf Jahren um 700 Millionen durchschnittlich herab gesetzt. Diese Beträge werden, wie dies auch die Pariser Sachverständigen für erforderlich erachtet haben, in erheblichem Maße zur allgemeinen Erleichterung der Wirtschaft dienen. Daneben wird es voraussichtlich möglich sein, die Landwirtschaft von der ihr durch den Dawes-Plan auferlegten be sonderen Last der Tilgung der Renten markscheine zu befreien. Die wirtschaftliche Befreiung des deutschen Volkes wird gekrönt durch die spätestens Ende Juni 1930 durchzuführende völ lige und endgültige Erlösung des Rheinlandes von fremder Besatzung, durch die Beseitigung eines Zustandes, der in den ver flossenen 10 Jahren nicht nur der von ihm betroffenen Bevölkerung der besetzten Gebiete schwere Lasten finan zieller und seelischer Art auferlegt hat, sondern vom ganzen deutschen Volke als entwürdigende Form der Betätigung des Siegerwillens empfunden wurde. Das deutsche Volk und der deutsche Rhein werden mit dem Inkrafttreten des Boung - Plans wieder frei werden. Diese Freiheit erleidet keine Einschränkung durch die im Haag getroffenen Vereinbarungen. Es ist gelungen, eine dauernde Rheinlandkontrolle, die von einzelnen natio nalistischen Kreisen der Siegerländer gefordert wurde, unter welcher Form sie sich auch immer versteckte, abzu mehren und keinerlei Verpflichtung, die über den Locarno-Vertrag hinausgeht, zu übernehmen. Ver handlungen über eine zeitigere Rückgliederung des Saargebiets sind mit Frankreich vereinbart und werden mit Beschleunigung ausgenommen werden. Die Grundlagen für eine solche Vereinbarung, die cs der deutschen Regierung wieder ermöglichen wird, mit freiem Volk auf freiem Grund zu stehen, sind im Haag gelegt worden. Ihre Vollendung werden sie im Oktober bei der Fort führung der Konferenz erfahren. Der deutsche Reichs tag wird dann darüber zu befinden haben, ob er durch Uebernahme der von der deutschen Regierung geschlos senen Verträge dem deutschen Volke den Weg in eine freie Zukunft eröffnen will. Zentral-Verlag G. m. b. H., Berlin W35, Potsdamer Straße 41. Druck: Blücher-Druckerei G. m. b. H., Berlin SW 61.