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PAPIER-ZEITUNG 415 Nr. 12 von vielen grafischen Erzeugnissen unserer Zeit, z. B. denen der Chromolithografie, bei welchen durch die vielen Farbentöne oft ein allzu bunter, verzettelter Gesammteindruck erzeugt wird. Im Gegensatz hierzu sucht die moderne Plakatkunst mit Ein fachheit und wenigen kräftigen, sich gegenseitig ergänzenden Farben grosse Wirkungen zu erzielen. Die echte Kunst ist gerade darin zu suchen, dass mit wenigen Mitteln grosse künstlerische Wirkung erzielt wird. Auch hierin können wir die grosse Kunst zum Muster nehmen. Wie ein Architekt an einem Kolossalbau nicht ungezählte kleine Verzierungen anbringt, wenn die Mittel nicht ausreichen um die ganze Fläche in wirksamer Weise zu schmücken, sondern alle Kraft auf eine Stelle in grossartiger Weise anwendet, um einen Giebel oder ein Portal vollkommen schön zu gestalten, und damit eine grosse Wirkung hervorbringt, so ist auch in der grafischen Kunst ein Zuviel an kleinen Verzierungen und Schmuckstücken zu ver meiden. Ein wichtiges Hauptmoment im Kunstgewerbe bildet die Farbe, und nichts ist von den Buchdruckern so sehr ver nachlässigt worden, wie der Sinn für Farbenschönheit. Wir sind mit der Zeit soweit gekommen, dass wir nur noch an verblassten, gebrochenen Farben Geschmack finden. Die moderne Bewegung im Kunstgewerbe aber verlangt frische, kräftige Farben; es ist erforderlich, dass wir unser Auge an die An wendung lebhafter Farben, die harmonisch zu einander stimmen, wieder zu gewöhnen suchen. Die Farbe ist ein wichtiges Element der Schönheit. Wir werden beim Betreten eines Raumes oftmals mehr von der schönen Farbenwirkung eingenommen als von den künstlerischen Formen. Man gewöhne sich daran, erst über die Farbe zu entscheiden, dann über die anderen Einzelheiten. Es ist nicht nöthig, schreiende Farben zu ver wenden, aber leuchtende, lebendige und vom richtigen Gefühl korrigirte Farbentöne können sehr wohl das Hauptmotiv einer Komposition bilden. Um sich nun für alle diese genannten Forderungen zu bilden, bedarf es des Anschlusses an die grosse Kunst; nicht das Lesen kunstgeschichtlicher Abhandlungen, sondern die Anschauung der Werke der grossen Kunst, der Besuch von Bilder-Galerien, Museen, überhaupt selbständige Prüfung aller Kunsterzeugnisse übt das Auge und befähigt es im gleichen Sinne selbst zu arbeiten. Schon die Schaufenster der kunstgewerblichen Handlungen bieten Gelegenheit, das Auge künstlerisch zu bilden; an den grossen Bauwerken aber lernen wir Proportion und richtigen Maassstab. Darum ist es auch wünschenswerth, dass diejenigen Kreise des Kunstgewerbes, welche sich die künstlerische Weiterbildung angelegen sein lassen, über das engbegrenzte Fachmässige hinausgehen und sich mit solchen Fragen beschäfligen, welche die Kunst im Allgemeinen bewegen. Das gilt auch von der Typographischen Gesellschaft und den Stoffen ihrer Vorträge und Verhandlungen. Der Vortragende erntete reichen Beifall für seine Aus führungen. Er fand durch einen aus der Mitte der Gesellschaft gemachten Einwand, dass der Buchdruck im Allgemeinen nicht selbständig arbeite, sondern vom Auftraggeber abhängig sei, Gelegenheit, noch darauf hinzuweisen, wie bedauerlich es sei, dass in Berlin weitere Kreise kein grösseres Interesse an der Bewegung, die auch durch das Buchdruckgewerbe geht, nehmen. In Leipzig z. B. habe man in den Kreisen der Buchdruckerei- besitzer und der Verleger ein grösseres Interesse dafür bekundet. Der Vortrag gab Veranlassung zu einer lebhaften Dis kussion, an welcher sich besonders die Herren Smalian, Taubei und der Vorsitzende Herr Könitzer betheiligten. Schluss der Sitzung 121. Uhr. Zu dem Bericht über die Generalversammlung der Gesell schaft ist nachzutragen, dass zum Kassirer Herr A. Stadthagen ungeachtet seiner anfänglichen Ablehnung einstimmig wieder gewählt wurde und sich schliesslich zur Annahme des Amtes bereit erklärte. Kalenderschau Der Wandkalender von Stähle & Friedel in Stuttgart trägt einen Wochen-Abreissblock. Der Schmuck der Rückwand be schränkt sich auf allegorische Darstellungen der Kunst und der Technik, die in modernem Entwurf mit guter Farbenwahl vom Stein gedruckt sind. C. L. Lasch & Co. in Leipzig-Reudnitz versenden einen Ab reisskalender, der eine bunte allegorische Darstellung des Jahr hundert-Anfanges trägt. Der mit »Walhalla« bezeichnete Abreiss block zeigt auf jedem Tageszettel das Bild einer am gleichen Tage geborenen berühmten Persönlichkeit. Die Bilder sind grösstentheils nach Fotografien angefertigt und verhältniss- mässig gut gedruckt. Johs. Lillmanns, Lithografische Kunstanstalt in Barmen- Wupperfeld haben mit der Rückwand ihres Abreisskalenders eine sehr hübsche Probe ihres Könnens geliefert. Fein abge stimmte graue Farben bilden ein Ornament, welches sich über dem Abreissblock zu einem Rahmen erweitert, in dem ein Kopf, die Kunst darstellend, angebracht ist. Leider passt die Decke des Blockes nicht zu der Rückwand, und die Schrift der Firma ist so stark verziert, dass man genau hinsehen muss, um richtig zu lesen. Max Lichtwitz, Buch- und Steindruckerei, Berlin C., Haus voigtei-Platz 3/4. Der Wandkalender hat 54 cm Höhe und 38 cm Breite. Nur die untere Hälfte dieser Fläche trägt das Kalendarium und den Abreissblock, die obere wird durch eine wirkungsvolle Reklame der Firma gefüllt. Der Grund dieser letzteren ist hellgrün, davor wird eine weibliche Figur in an tikem Gewände bis zum Ellenbogen sichtbar. Sie hält ein be drucktes Blatt prüfend vor sich. Zeichnung und Farben sind gleich wirkungsvoll. Die Aktien-Gesellschaft für Kunstdruck in Bresden-Niedersedlitz giebt mit ihrem Kalender eine Probe ihrer Leistungsfähigkeit im künstlerischen Steindruck. Auf dem 44X58 cm grossen Blatte ist der Kalender Nebensache. An den Rändern und in den Ecken sind die Monatstafeln zusammengedrängt, um einem grossen Stillleben aus Blumen und Früchten Platz zu machen. Dies letztere ist dafür um so sorgfältiger und schöner ausge führt. Weintrauben und Aepfel in einer Glasschale mit einem Busch von Rosa-Rosen, alles in natürlicher Grösse dargestellt, sehen ganz vorzüglich aus. Fabrik oder Handwerk? Die Innung Leipziger Buchdruckereibesitzer (Zwangsinnung) hat die Inhaber der Firma F. A. Brockhaus, Buchhandlung und Buehdruckerei in Leipzig, benachrichtigt, dass sie letztere auf Grund von § 4 des Innungsstatuts, nach welchem alle Diejenigen Mitglieder der Innung sind, welche innerhalb der Stadt Leipzig ein stehendes Gewerbe selbständig betreiben, als Mitglieder der Innung betrachtet. Auf erhobene Beschwerde der Firma hat der Rath, einem Gutachten der Gewerbe-Inspektion gemäss (wonach der Brockhaus’sche Betrieb alle Merkmale eines Fabrik betriebs an sich trage) entschieden, dass die Firma nicht der Innung anzugehören habe. Hiergegen ist die Leipziger Buch drucker-Innung bei der Königl. Kreishauptmannschaft vor stellig geworden, die zunächst ein Gutachten der Gewerbekammer eingefordert hat. Dieses ist auf Antrag des Ausschusses für gewerbliche Angelegenheiten einstimmig dahin abgegeben worden, dass der Buchdruckereibetrieb der Firma F. A. Brock haus als handwerksmässig anzusehen sei, und die Firma deshalb der Innung Leipziger Buchdruckereibesitzer anzugehören habe. 9- Lohnbewegung in Rheinland und Westfalen Die Lohnbewegung im Wupperthale hat bereits zu ver einzelter Arbeitseinstellung geführt. In Elberfeld sind bei den Firmen J. H. Born 12 Buchdrucker und bei Tilly & Thiele 7 Buchdrucker und 3 Hilfsarbeiterinnen ausständig; auch in Barmen haben bei Dicke & Messthaler 28 Personen die Arbeit niedergelegt. Von diesen sind: 12 Lithografen und Steindrucker, 3 Buchdrucker und 13 Hilfsarbeiter und -Arbeiterinnen. In Bochum ist ein Konflikt in der Buchdruckerei der ultra montanen »Westfälischen Volks-Zeitung« ausgebrochen. Mehrere kurz hintereinander erfolgte Kündigungen sowie Anzeigen in Fachblättern veranlassten am 29. Januar das gesammte Personal die Kündigung einzureichen. In einem am 2. Februar aus gegebenen Flugblatte sucht das entlassene und in Kündigung stehende Personal der »Westfälischen Volks-Zeitung« sein Vor gehen zu rechtfertigen. Am 4. d. Mts. fand in dieser Angelegen heit in Bochum eine Volksversammlung statt, die das Vorgehen des Druckerei-Personals billigte. M. Der Vertrauensmann des Verbandes deutscher Lithografen (Senefelder-Bund), M. Godenschweger in Leiteishain bei Crim mitschau, ist seit einigen Tagen verschwunden. G. hat die von ihm verwaltete Kasse mit etwa 300 M. an sich genommen, ausserdem aber sehr viele Schulden hinterlassen, sodass das Konkursverfahren über sein Vermögen eröffnet wurde, g. ,