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V-»t-K»-rfa«»lv«g »ege« die vra«ff-«-r. Ja Frankfurt a. M. fand am Sonntag- Nachmittag eine Protestoersammlung gegen die ge- plante »rausteuer statt, au der über 7000 Personen ttilnahmen. Für dea vraueretoerband sprach Dr. Waübnrg-Berlin, für die Wirte Jarkowskt-Gießen und für die Arbeiterschaft Witttch-Arankfurt a. M. Die RetchStagSabgeordneten der umliegenden Kreis« waren erschienen, ebenso die beiden Landtagt- abgeordneten von Frankfurt a. M. SS wurde eine Resolution angenommen, die in scharfen Worten gegen jede neue Belastung de« Brauerei- und Gastwirtgewerbe« protestiert und die Erwartung au«sprtcht, daß der Reichstag der Brau- steuererhöhung dir Zustimmung versagen werde. »«tch-tagSersatzwahl t» Echrimm-Schrsda. Bei der am Sounabeud stattgefundenen Reich«- tagLersatzwahl für deu Wahlkreis Schrimm-Schroda wurden im ganzen 17 936 Stimmen abgegeben. Hiervon erhielt v. NiegolewSkt (Pole) 13919, v Günther (RetchSpartei) 4009 Stimmen, zersplittert waren 8 Stimmen. Ersterer ist somit gewühlt. Der Wahlkreis ist stet« durch einen Polen vertreten worden. Bei der Wahl im Jahre 1S07 erhielt der bisherige Abgeordnete, Rittergutsbesitzer v. Thlapowo 14 668, der Kandidat der RetchSpartet 4187 Stimmen «eiftlichr-tt »«V Lehrerschaft. Unter dieser Ueberschrtft brachten wir in Nr. 28 einen der „N. Vogtl. Ztg." entnommenen Bericht über eine in Annaberg am 31. Januar oer- anstaltete Versammlung, die sich mit dem Religions unterricht in der Volksschule beschäftigt hat. Herr Pfarrer Gräfe- ArnSfeld sendet uns hierzu folgende Richtigstellung: .Dieser Bericht entspricht nicht den Tatsachen. Denn 1., die Frage der OrtSschulaufstcht hat überhaupt nicht zur Diskussion gestanden; 2. davon, daß die Lehrer „als Sieger heroorgegangen" und „die Sympathien der nach Hunderten zählenden Zu hörerschaft auf Setten der Lehrer- gewesen seien, kann gar keine Rede sein. Richtig ist nur, daß — ganz so, wie am 23. Januar in Dresden — von etlichen Teilnehmern «in ungeheurer Lärm verursacht worden ist, welchen solche Lehrer, die Mrklich ernstlich gewillt sind, „die Gesinnung Jesu ttv Kind« lebendig zu machen-, wie e» iw zweiten der „Zwickauer Leitsätze- heißt, gewiß ebenso oer- urteilen werden, wie wir Geistliche und viele andere Teilnehmer dies getan. Tine Resolution ist überhaupt nicht eingebracht worden, sodaß ein Stimmenverhältnis gar nicht festgestellt werden konnte. Tatsache aber ist, daß gegen mein ^MndigeS Schlußwort Widerspruch nicht laut geworden ist, diese« vielmehr sehr starken Beifall ge- kmrden hat. Pfarrer G rae fe - ArnSfeld.- Di- ruffisch- Etaudalaffüre und der d-«tsch- Reichstag. DaS Pariser „Journal" teilt mit, daß die An gelegenheit deLSptonS Az ew auch den deuts chen Reichstag beschäftigen werde. Die Sozialisten wollen in einer „ebenso genauen, wie heftigen Interpellation"feststellen,daßzwischender deu tschen Polizei und den Angestellten der russischen politischen Polizei nahe Beziehungen bestehen. Da« „Journal" gibt einige Einzelheiten sn, die nach seiner Meinung nicht berichtigt werden Wunen. Azew habe sich, wie eS heißt, al« er ohne Wissen der revolutionären Partei nach Petersburg fuhr, um Luposchtn aufzusucheu, in Berlin bet einem Ztmmeroermieter namens Tschernomortik aufgehalten, Ler nicht« andere« sei, als ein Beamter der preußischen Polizei. Er wird angenommen, daß dieser Besuch, außer dem Zweck, ein Alibi zur Verheimlichung der Petersburger Reise zu schaffen, noch andere Zwecke hatte. Die Sozialisten des Reichstag« sehen in Liesen Tatsachen einen wichtigen Zusammenhang. Sie wollen beweisen, daß die russische und die deutsche politische Polizei beständig Verbindungen unterhalten. Die deutsche Polizei hätte den Lockspitzel Azew schützen wollen. DaS genannte Blatt glaubt, ek sei nicht unmöglich, daß die Dokumente, Lie in der Duma nicht verlesen werden können, im Deutschen Reichstag besprochen werden. Krt-g-rv-e-t»- gegen GoziatheMotratie. Wie di« Korrespondenz „Heer und Politik- mit- teilt, wurden tu d«r Sitzung des SesamtoorstandeS de« Deutschen Kriegerbunde» am 21. Januar 1909 schärsere Maßnahmen gegen die Sozialdemokratie beschlossen, die dem dir«, jährigen Abgeorduetentage vom Bundesvorstände zur Stellungnahme unterbreitet werden. Die Anträge gehen dahin, daß die KrtegeroeretnSmitglieder in deu Verbands- und BrreinSversammlungeu über die So- zialdemokratie aufzuklären und an ihre Pflicht zur Bekämpfung der Sozialdemokratie bet geeigneter Gelegenheit zu erinnern sind. Zweitens ist «S den Mitgliedern der Krtegervereine nicht gestattet, gleichzeitig freien Gewerkschaften anzu gehören, solange diese sozialdemokratische Organisatio nen find oder die sozialdemokratische Partei direkt unterstützen. Die beruflichen Interessen der Arbeiter, die einem Krteg«rveretn angehören, sind dafür von ihren Kameraden zu fördern. Diese Hauptsätze sollen von dem Abgeordnetentag al« verbindlich für olle Lande-kriegerverbände erklärt werden. Ein Zuwider- handeln ist unoeretnbar mit der Zugehörigkeit zum „Deutschen Kriegerbunde" und hat die Ausschließung zur Folge. Unfav -t«-S deutsch-« r»rp-d«boOt<». AuS Stettin, 6. Februar, wird gemeldet Bet einer nächtlichen Gelchwadrrübung vor Saß ätz wurde da« Torpedoboot 3. 76 gerammt' und erhielt am Vorderschiff einen zwei Meter langen Riß. Drei Matrosen konnten aus dem mit Wasser gefüllten MaunschaftSraum nur durch Sufreißen des Deck« gerettet werden. Da« Boot wurde zur Re- paratur nach Kiel gebracht. Di- deutsch- Hilf-attt-n für Statt-«. „Popolo Romano" veröffentlicht einen langen Artikel über die deutsche Hilfsaktion ür da« Grdbebengebiet. Da« Blatt erinnert au die vom Deutschen Kaiser gespendeten Baracken und erwähnt die Tatsache, daß die deutschen Sa mm- lungen acht Millionen Lire ergeben haben. Er nennt darauf die einzelnen deutschen Sammelftellen und die BerteilungSzentren in Italien und schließt mit dem Ausdruck aufrichtigen und unver gänglichen Dankes an Deutschland. Aus unsere« Kolonie«. Land-Sau-ft-llnug für Deutsch- Güdwestafrika. In Erinnerung an das 25jährige Bestehen de« südwestafrikanischen Schutzgebiete« wird tu W t n d- h u k in der Zeit vom 29. bi« 31. Mat d. I. eine Landesausstellung für Deutsch-Süd westafrika unter dem Protektorat de« Kaiser- lichen Gouverneurs Exz. v. Schuckmann veranstaltet. Sie soll ein Bild geben von dem Stande der Ent- Wicklung deS Schutzgebiete« und zugleich zeigen, au welcher Grundlage sich der wirtschaftliche Aufbau vollziehen wird. ES ist daS erste Mal, daß sämtlichen südwestafrikanischen Produkttonkquellen, etnschl Bergbau, Gelegenheit geboten wird, ihre Er- zeugntffe vorzuführen. Wie da« Kolonialkomttre der Ständigen AuSstellungSkommtsston für die Deutsche Industrie mttteilt, würde eS für etwaige Aussteller au« dem Mutterland am zweckmäßigsten sein, ihre Ver tretung einer der großen deutschen Firmen des Schutz, gebiete« zu übertragen, wie sie von der Ständigen AuSstellungSkommtsston für die Deutsche Industrie (Geschäftsstelle Berlin IV., Linkstraße 25) namhaft gemacht weiden können, dort können auch die „All gemeinen Bestimmungen" eingesehen oder auf kurze Zeit zur Verfügung gestellt werden. A«s dem A«sla«de. Zur Schließung de» österreichischen Retchsrale» wird auS Wien g-schri-den: Ist auch da» öster reichische Abgeordnetenhaus nicht aufgelöst, sondern nur eine Schließung der Session erfolgt, so sind doch die Folgen dieser Maßregel sehr weit- greifende. Zunächst verlieren sowohl dar Präsidium de« Hause«, wie auch alle AuSschüffe ihr Mandat. Sollte daS Ubgeordusttuhau«, wa« durch- au« r och nicht sicher ist, zu «wer oeue« Session einberufen werden, so müffen Präsidium und sämt liche Au«schüffe neu gewGhlt w«rdea. Ferner er- lischt mit der Schließung d«r Session die Immunität der Abgeordneten, wa« insbesondere denPragerHetzern L l» Klofac sehr fühlbar werden könnte. Die Hauptsache ist ober, da- daS ganze in den beiden Häusern des RetchSratS in Vorarbeit befindliche Gesetzmatertal, soweit nicht bereits übereinstimmende Beschlüsse bei- der Häuser über ein Gesetz odrr über einen Antrag vorliegeu, vollständig wertlos wird. Regierungs vorlagen, Initiativanträge, DringlichkettSanträge, Interpellationen, Entwürfe und AuSschußberichtr fallen in gleicher Weise in den Papterkorb. JnSbe- sondere müssen sämtliche Regierungsvorlagen, wenn sie wieder zur Verhandlung kommen sollen, in der nächsten Session neu eingebracht werden. Aber der Tisch deS Hause« ist auch frei geworden von dem Ballast der zahllosen DringlichkettSanträge, welche besonder« von den Tschechen lediglich zu Obstruktion«- zwecken eingebracht waren. Und e» würde in der neuen Session mög ich sein, unmittelbar nach Wieder- etnberufung de« RetchSratS auch die neu «inzu- reichenden Regitrung«oorlagen im Wege von Dring- lichkeit-anträgen etnznbringen und ihnen so die Priorität zu sichern. Sehr wichtige Gegenstände sind durch den vorzeitigen SesstonSschluß unerledigt ge- blieben, so dieRekrutenvorlage, da« boSntscheAnnezion«- gesetz, da« Gesetz über die Sozialversicherung, di, Sisenbahnverstaatlichung, die Handelsverträge mit den Balkanstaaten, da- böhmische Sprachengesetz, da« Gesetz über dte Schaffung von KreiLregiernngen in Böhmen und andere mehr. Et« österreichische» Beamtenkabtnett. Au« Wien kommt die Mitteilung, daß Ministerpräsident Btenerth sich um die Bildung eines definitiven BeamtenkabtnettS bemüht. In Aussicht genommen sind Graf Stuergkh für Unterricht, Sekttontchef Roehler für Handel, Hofrat Lammasch für Justiz, Spitzmüller für Finanzen, Sekttontchef Exner für öffentliche Arbeiten. Man spricht auch von dem Bankgouoerneur Bilintk, für Finanzen. Bilintkt und dte HerrenhauSmit- glieder Lammasch und Etuergkh sollen dem Kabinett doch einen gewissen parlamentarischen Eharakter geben. Man sogt, Bienerth habe vom Kaiser acht Tage Zeit für die Kabinettsbildung bekommen. Der E»««tag t« Prag. Trotz der Warnungen der tschechischen Abgeord neten erneuerten sich auch gestern hier Au«, schrettungen, wenn auch in mäßigen Grenzen. Die Studenten hielten ihren Bummel wie sonst ab; wegen zu großen An- drangeS wurde aber der Graben geräumt. Am Nachmittag wurden 5 deutsche Studenten von einer ungefähr hundertköpfigen Truppe umzingelt und mißhandelt. Die Wache schritt ein und verhaftete drei Personen. Uuflösung der ttatte»ifche» Kammer. Au« Rom wird gemeldet: Ein Ministerrat beschloß, dem Könige da« Dekret zur Auflösung der Kammer und zur Betrauung de« Minister präsidenten mit der Ausschreibung der Neu- wählen zu unterbreiten. Da« Ministerium ist mmit einem Verlangen der öffentlichen Meinung nachgekommen, da« in der letzten Zeit mit jedem Tage stärker wurde. Der Abgeordnete Ttrment erklärte in der „Stampa", eS sei notwendig, daß dte Neuwahlen so schnell wie möglich, da« heißt, ehe der Balkanschnee schmilzt, abgehalten werden. Auch ein lokalisierter Balkankonflikt, wie ein Handstreich Montenegro« und Serbien« gegen Oesterreich-Ungarn, könnte auf die nervöse, empfindliche öffentliche Meinung Italien« einen er- nemen Rückschlag auSüben. In der gleichen Sitzung hat der Ministerrat die Aufhebung de« Be lagerungszustandes in den Bezirken Messina und Reggio di Calabria beschlossen. Z«m ttirktsch-dul-^rische« Ksssstttt. Zu dem ftnanzirlleuBermtttluugS. vorschto^ Rußland« im lürkrsch-ö uigurischen Streitfall schreibt dte Berliner offiziöse „Südd. RetchSkorr.": In Berlin war dte russische Er- öffnung an sich nicht unwillkommen. Sie konnte mit der Erklärung beantwortet werden, daß Deutsch land keinem Verfahren widerstrebt, da« »ine befrie digend« Lösung der türkisch - bulgarische» Schwierig, ketten verspricht. Zur besrtedigenden Lösung gehört allerdings, daß dte Pforte ihr Einverständnis erklärt, und daß dte Interessenten der Orteutbahn für ihre berechtigten Ansprüche ausreichende Deckung staden, lieber diese beiden Punkte ist noch nicht« Sichere« festgestellt. Dte Konstantinopeler „Jeni Gazetta" sagt, der türkische Ministerrat habe einen sehr richtigen Beschluß gefaßt, dank dem dte Türket von der Schuld, dte sie an Rußland innerhalb 74 Jahren bezahlen müsse, befreit werde, und die al« Annuität von 350000 Pfund im Staat«schatz bleiben und für da« Wohl de« Lande« verwendet werden könne. Der Minister de« Innern sagte: Wir haben den Vorschlag im Prinzip angenommen, weil wir dadurch der Möglichkeit eine« Kriege« au« dem Wege gehen. Wir hielten r« für unsere patriotische Pflicht, ohne Bedenken ein Opfer zu bringen. Wenn wir die 74 Annuitäten der Kriegsentschädigung kapitali sieren, werden wir diese durch Zuzahlung von 800 000 Pfund vollständig liquidieren. Unser Gegen vorschlag an Rußland geht dahin, ihm 800 000 Pfund zu zahlen und ihm dte Summe zu über- lassen, dte e« sich verpflichtet, unS unter dem Titel der finanziellen Kompensation Bulgarien« zu geben. Dieser Betrag umfaßt auch dte für die Orientbahu zu zahlende Summe. Inzwischen gehen hüben wie drüben die Rüstungen flott weiter: Da« türkische Marine- Ministerium ordnet« Vorkehrungen zum Einberufen von Res e rv« t r u pp e n au, di« beim Eintreffen de« ersten Beseh!« marschfertig sein sollen. Amtlichen Berichten zufolge, dte tu Kon stantinopel eingtngen, setzt Bulgarien seine militärischen Vorkehrungen an der türkischen Grenze in verstärktem Maße fort. Auch erhätt die bulgarische Grenzoeoölkerung Waffen und Munition au« Bulgarien. Da« serbische KriegSministerium ordnete die Einberufung weiterer Reservistenkategorten zu 14- tägigen Waffenübungen an. D-r Kampf am Tschads--. Wir haben kürzlich über Kolonialkämpfe französischer Truppen in der Gegend um den Tschadsee berichtet. Nu« Libreville wird jetzt hierzu weiter gemeldet, daß bei dem Kampfe am Tschadsee auf französischer Seite 12 Schützen getötet worden seien. Dte Folgen dieser Schlappe eien um so ernster, al« unter den Mohammedanern n Zentralafrika eine religiös-fanatische Bewegung ausgebrochen sei. Sächsisches. *»»!«»«>, S. F-bl. IMS. Wettervora«»s«ge der Köntgl. SSchs. Lander. Wetterwarte zu Dresden. ^ür Di-«-1agr Schwache Luftbewegung, geringe zunächst noch wechselnde Bewölkung, kälter, keine erheblichen Niederschläge. P.Ff-bNtar r Tage«mittel—0,5°, Maximum -j-1,4« Minimum —3,6 °. — Gin ausgesucht schöner Wintert ag war der gestrige Sonntag, und gar viele machten sich den Umstand zunutze und unternahmen einen Spaziergang tnS Freie. Dte Natur hatte wieder ihr herrlich im Sonnenschein glitzernde« Gewand angelegt, die Temperatur war nicht allzu winterlich, und so wurde ein Marsch im Freien für den, den de« All- tag« Hasten im Zimmer festhält, zu einer Wohltat für den Körper. Auch auf den Rodelbahnen, zumal im Goldbachgrunde, entfaltete sich ein solch rege« Leben, wie noch nie zuvor. Fleißig wurde von Jung und Alt dem anregenden gesunden Sport bis zum Sri« einziges Gut. Roman von B. C o r o n y. 2) (Nachdruck verboten.) Diese Worte, weit entfernt, seinen Jammer zu mildern, machten ihn nur noch heftiger und wilder. Rainer gehörte zu jenen Menschen, bi« niemals sagen können: „Herr, Dein Wille geschehe!" Sein rasender Schmerz mußte austoben, mußte sich durch die eigene Gewalt erschöpfen. >,Hans", sagte dte Sterbende endlich, als er etwas ruhiger geworden war, „willst Du mir einen großen, unendlichen Beweis Deiner Liebe geben? Rillst Du mir ein recht, recht schweres Opfer brin gen?" Er ließ dte Hände von seinem Gesicht sinken. „Alles, alles soll geschehen! Sprich nur! Es gibt ja nichts, was ich Dir verweigern könnte." „Einmal noch — möchte ich Gisbert von Ho- denfels sehen." Rainer sprang enipor. „Was verlangst Du?" rief er mit zorntgein Blick. „Nun und nimmer mehr!" Hildegard schwieg. Nur ein schwacher Seufzer entfloh den halbgeöffneten Lippen. Sie schloß müde die Augen und neigte den Kopf etwas zur Sette. Ihr blasses Gesicht zeigte denselben Aus druck klaglosen Leidens, der ihn so oft tief er^ griffen und mit Reue erfüllt hatte. Heftig wogte die Brust des starken Mannes, im furchtbarsten Kampfe rang er mit sich selbst. Warum mußte sie das — gerade das verlangen? Das Einzige, was er ihr nicht gewähren konnte! Und doch — sie sterben lassen, ohne ihren letzten Kunsch zu erfüllen? Es müßte ihn ja waynsinnig machen, zu denken, daß er — er, der sie so un aussprechlich liebte, ihr das letzte, bittere Weh be seitete. Er würde immer das blasse, schwermütige Gesichtchen mit dem zuckenden Mund und den seuchtglänzenden Wimpern sehen. Immer — selbst durch die Grabesdecke hindurch. Einige bange Minuten vergingen. Dann stieß er saft rauh hervor: „Es sei! Ich habe oft gefehlt gegen Dich, aber dieser Augenblick sühnt die Schuld eines ganzen Lebens." Die Hände faltend sah sie zu ihm aus, mit dem frohen, dankbaren Lächeln eines Kindes. Er rief dte Mutter. Sie schlief nicht, sondern saß völlig angekleidet an der Enkelin Bett. Aber selbst in dieser Nacht vermochte sic ihre fleißigen Hände nicht ruhen zu lassen; das Spinnrad stand vor ihr, und bei dem leisen Schnurren war die Kleine eingeschlafcn. „Geh zu Hildegard. Ich muß noch fort", sagte er kurz. „Wohin?" fragte die alte Frau, sich erhebend. Er antwortete nicht. Mit fest zusammcngebtssenen Zähnen schritt er aus dem Zimmer hinab in den Hof, sattelte selbst sein bestes Pferd und sprengte in die Nacht hinaus. Er wußte, daß der Frei herr gegenwärtig nicht in Hohenfels weilte, son dern auf seiner kleinen, ungefähr eine Stunde weit entfernten Besitzung Schönborn, wohin er sich stets zurückzog, wenn er allein sein wollte. Rainer schlug den kürzesten Weg durch den Wald ein.- Er spornte das feurige Tier an, das in wilden Sätzen dahinflog. Das schwach glimmende Lebensflämmchen konnte ja verlöschen, ehe er sein Wort eingelöst hatte. Nun war endlich das Gittertor des Gartens er reicht. Er klingelte wiederholt. Eine filbergraue Dogge sprang laut bellend über den Rasen, dann öffnete einer der Diener und sah den zu später Stunde Kommenden erstaunt und zweifelnd an. Rainer oeftangle Herrn von Hohenfels zu sprechen, und seine Stimme klang so gebieterisch, daß man ihn Wohl -als den Ueberbrtnger wich ¬ tiger Nachrichten betrachten mutzte und sofort mel dete. Nun standen sie sich wieder Aug in Auge gegenüber, die beiden Todfeinde. „Hildegard stirbt, und ihr letzter Gedanke gilt Ihnen. Kommen Sie!" Bet diesen mtl rauhem Ton hervorgestotzenen Worten erbleichte das stolze Gesicht des Freiherr«. Obgleich das Gerücht, die junge Frau sei dem Tode nahe, auch zu ihm gedrungen war, hatte er doch das Ende nicht so nahe geglaubt,. Jetzt machte die Mitteilung einen tiefschmerzlichcn Ein druck auf ihn. Wie ein süßes Märchen aus längst vergangenen Tagen zog die Erinnerung an seine erste Begegnung mit dem elsengleichen Wesen wie der an ihm vorüber, und ein dumpfes, nagendes Weh krampfte sein Herz zusammen. Es wäre alles anders gekommen, »venn er damals Mut gehabt hätte, mit angeborenen und anerzogenen Vorurtei len zu brechen. Nun war es zu spät — nun konnte er nichts mehr tun, als dem letzten Rufe der Geliebten folgen, und das sollte denn auch ohne Ausschub geschehen. Er ließ sein Pferd vor führen, befahl jedoch dem Reitknecht, zurückzublei- ben, und beide Männer sprengten in den Wald hinein, sich nur widerwillig dem Zwange dieses Beisammenseins fügend. Der Weg verengerte sich bald. Gisbert ritt voratis Wilde, gefährliche Gedanken jagten durch Rainer's Kopf. Nun war er allein mit dem Ver haßten — allein im dunkeln Forst. Seine Schläg en begannen zu hämmern. Der Manke Reiter da vorn hatte immer zwischen ihm dem Glück gestan den, und jetzt sollte er ihn zu der noch im Tode über alles geliebten Frau bringen und gestatten, ,aß er ihren letzten Blick und Atemzug empfange. Er ritz den Hut ab und ließ den Nachtwind über eine Stirn streichen, aber das Blut schien zu einem vollenden Feuerstrom geworden, es wollte sich nicht beruhigen. Ein aufgescheuchicr Raubvogel flog mit hetsereni Geschrei in das Dickicht. Es klantz fast wie das Hohngelächter eines Satans. Der leidenschaftlich erregte Mann schlug sich mit der Hand vor die Stirn. Mußte ihn nicht auch die Hölle verspotten ob seiner zahmen, erbärm lichen Gutmütigkeit? Es gab eine Zeit, da schwur er: den Edelhof «her ntederzubrennen, als dem Freiherrn zu gestatten, daß er ihn betrete, und jetzt hatte er selbst den gnädigen Herrn geholt — weil Hildegard sonst nicht in Frieden sterben könne — und so hatte er dem stolzen eingebildeten Ari stokraten damit das ganze Elend dieser sechs Jahre enthüllt. Fast hörbar knirschten seine Zähne aus einander. „Er weiß zu viels Er weiß zu diel!" flüsterte er mit farblosen Lippen und es war ihm, als hallten diese mehr gedachten als ausgesproche nen Worte von allen Felsenwänden wieder, als vernähme er sie in dem Rauschen der finsteren Tannen. „Er weiß zuviel! Er weiß, daß das holde, heißbcgehrte Weib immer nur fühlloser Marmor für mich war, daß ich, sie mein nennend, sie tn meine Arme schließend, doch über alle Beschreib ung elend blieb — so elend wie ein vom Dämon des Geizes Besessener, der neben seinen Schätzen verhungert. Er weih das alles — und vielleicht erzählt er es einmal bet Gläsergekltrr seinen übe» mittigen Freunden, und sie lachen über Hildegard, die mit ihrem Liebestraum dahinwelkte, und über den einfältigen Mann, den gutmütigen Narren, der seinen Nebenbuhler selbst durch den schweigen den, einsamen Wald leitete und zu dem sehnsüch tig harrenden Weibe führte." Ach, wie diese Gedanken ihn um den letzten Rest der Besinnung zu bringen drohten! Wie ft« alle Leidenschaften seiner Seele aufwirbelten. (Fortsetzung folgt.) !