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tschechische Elemente, besonder« Studenten und junge Burschen, in mehrtausendköpfiger Anzahl angrsammelt. Al« deutsche Studenten er schienen, wurden sie von der johlknden Menge sosoit umringt und auf die Fahrbahn gestoben. Manche konnten nur durch Wachleute aus ihrer gefähr lichen Lage befreit werden. Da dir Situation für die deutschen Studenten immer bedrohlicher wurde, besah! man die Räumung de« Gra ben«. Eine Kompagnie Gendarmen rückte mit aufgepflanztem Bajonett vor, räumte und sperrte den Graben. Am Abend sanden vor dem Deutschen Hause Ansammlung großer Menschenmofsen statt, die alle Deutschen mit Schmähungen überschütteten. Erst abend« um 8 Uhr herrschte Ruhe. Im Ver- laufe des Tage« wurden25 Verhaftungen vorgenommen, Reiche eiift»«g des «umberlLnderS. Der Herzog von Cumberland, welcher im kommenden Monat sein dreißigjähriges Jubiläum als Inhaber des 42. österreichischen Jnfanteriercgi- ments feiern wird, hat aus diesem Anlaß eine Stiftung von 100000 Kronen für die Unter- offiziere des Regiments errichtet. 3« de« Balkanwtrre«. Der Korrespondent der „Frankf. Ztg." in Kon stantinopel meldet, daß das Boykottkomitee eine längere Sitzung abgehalten hat, in der beschlossen wurde, den Boykott gegen die österreichisch ungarische Schiffahrt sowie gegen die österreichisch ungarischen Waren abzubrechen, da die Wiener Regierung der Türkei volle Genugtuung gegeben habe. Bon heute Montag ab, werden alle öfter- reichischen Dampfer wie zu gewöhnlichen Zeiten gelöscht werden. Der österreichisch-ungarische Gesandte in Belgrad hat Vorstellungen bei der serbischen Regie- rung erhoben, weil die serbische KriegSoerwaltung die auf der serbischen Seite stehenden Brückenpfeiler und Brückenbogen der Save-Brücke mit großen Sprengstoffladungen von Dynamit und Schneiderrit versehen hat, was den internationalen Bestimmungen des Völkerrechts wiederspricht. In serbischen Regie- rungSkreisen sucht man diesen Bruch des Völker- rechts damit zu entschuldigen, daß man von legitimierten Vertretern zweier Großmächte vor einem unmittelbar bevorstehenden Ueberfall österreichisch- ungarischer Truppen gewarnt worden sei. Die Lage i« Montenegro. Die von Wien aus verbreiteten Gerüchle, daß Montenegro am Vorabende eines Thronwechselt stehr, erweisen sich als falsch. Ueber die Borge- schichte der einen Thronwechsel in Montene- gro betreffenden Gerüchte verlautet, datz neuerdings in Montenegro sehr ernste Verstimmungen entstanden seien, und daß die revolutionäre montenegrinische Kolonie in Belgrad ihre gegen daS Fürstentum ge- richtete Propaganda wieder ausgenommen habe Der Zankapfel zwischen dem Fürsten und den AuS- gewanderten wäre die die Nichtbegnadigung der im Celinjer Bombenprrz°ß verurteilten nationalistischen Po'ititer. Die montenegrinischen AuS- wa nder er drohen seit rintger Zeit mit gemalt sam?r Beseitigung Danilos. Die vor eini gen Tagen lanzierteu Meldungen über die bevor stehende Abdankung des Fürsten N.kita stamme aus den montenegrinischen VerschmärungLkleisen in Bel grad. DaS neue Wiener Tageblatt will w ssen, daß in Montenegro die Gegner des Fürsten Nikita unter dem Eindruck der östereichisch- ungarischen Verstän digung mit der Türkei neuerdings wieder die Ober- haud gewonnen haben. Die antidynastische Bewe- gung, die durch den KriegSlärm abgelenkt worden war, trat bcdekltch zutage. Die Situation sei unge- klärt, Ueberraschungen könnten über Nacht eintreten. Die Popularität deS Fürsten als obersten Kriegsherrn ist in dem Momont geschwunden, da man hier enttäusLt wird. Der Fürst erkennt auch seine Lage und hat gewisse Vorsichtsmaßregeln getroffen, die natürlich hier nicht verborgen bleiben konnten und die Situation verschärften. DerfranzöstfcheMarineministerverzweifelt. Wie eine Pariser Meldung besagt, erklärte der Martneminister Picquard dem Ministerpräsidenten Clemenceau, daß er bei seinem Alter nicht mehr die nötige Kraft fühle, um die ihm als Marineminister übertragene Aufgabe durchführen zu können. Er sei deshalb entschlossen, vom Amte zurückzu - treten. Clemenceau soll darauf den Minister gebeten haben, wenigsten« so lange im Amte zu bleiben, bis ein geeigneter Nachfolger für ihn ge funden sei. Diesem eindringlichen Ersuchen gab Picquard nach, ohne jedoch seinen grundsätzlichen Entschluß zum Rücktritt aufzugeben, so daß sein demnächsttgeS Ausscheiden auS dem Amt beschlossen, Sache ist. Von glaubwürdiger Seite wird erklärt, daß die Entdeckung von immer neuen technischen und tief eingewurzelten administrativen Mißständen in der Marine Picquard zu seinem Entschluß bestimmt habe, weil er sich diesen Miß- ständen gegenüber ohnmächtig fühle. Bo» de» Trümmerstätten Süd-Italiens. Nachdem in den letzten Tagen Sturm ur Regen die Arbeiten in Messina sehr gestört hatten, ist jetzt alles wieder in regster Tätigkeit. Der Regen hat viele Häuser, die noch aufrecht standen, unterwaschen, so daß neuerdings viele Gebäude einstürzten und die Arbeitsmannschafte» sehr gefährdeten. Vorläufige Schätzungen ergaben daß mehrere hu,ndert Häuser be wohnbar bleiben oder nur Ausbesserungen nötig haben, darunter sind merkwürdigerweise zahl reiche ganz alte Häuser, die schon vielen Erdbeben getrotzt haben. Es werden jetzt täglich Aemter und Verkaufsstellen eröffnet, so gibt es bereits wieder eine Post, eine Tabaktrafik, eine Apotheke, sogar ein Kaffeehaus, Wein- und Schnapsbuden. Man verkauft als Andenken an das Erdbeben angebranntes Holz, Steine usw. In folge des schlechten Wetters litt natürlich auch die Gesundheit der bei Messina nur notdürftig unter gebrachten Personen. Namentlich viele Kinder sind dadurch erkrankt, mehrere von ihnen starben. Neue Erdbeben machen sich in Mes sina immer wieder bemerkbar. Nachdem in der vorhergehenden Nacht leichtere Erdstöße verspürt wurden, erfolgte an Sonnabend morgen gegen 8 Uhr eine ziemlich starke Erderschüiterung, die den E i n st u r z mehrerer beschädigter Mauern zur Folge hatte. Tie Nachforschungen nach Ueber- lebcnden dauern fort. Auf die Auffindung von Verschütteten sind Geldpreise ausgesetzt. An Le bensmitteln werden jetzt täglich 64 000 Rationen verteilt. Eine Abteilung Soldaten fand unter den Trümmern eines Hauses eine siebzig Jahre alte Frau, die noch am Leben, aber so erschöpft war, daß sie nicht sprechen konnte. Die Frau wurde in ein Krankenhaus gebracht, wo die Aerzte hoffen, sie retten zu können. Kaiser Franz Josef hat der König in von Italien in Würdigung ihres aufopfernden Wirkens im Erdbcbengebiet auf Sizilien das Groß kreuz des Elisabethordens verliehen. Der Orden wird der Königin mit einem Handschreiben des Kaisers übermittelt werden. Aus Anlaß des Erdbebenunglücks in Südita- licn erließ, wie bekannt, der König von Italien einen Tagesbefehl, in dem er auch der Hilfs- tätigkeit der fremden Schiffe dank bare Anerkennung zollte. Der italienische Marine minister, Vizeadmiral Mirabello, hat nun bei Uebersendung dieses Tagesbefehls an den deu t- schen Botschafter in Rom die Tätigkeit S. M. S. „H e r t h a" und des Lloyddampsers „B r e - m e n" rühmend hervorgehoben und die „ersehnte Gelegenheit ergriffen, um als Seemann seine per sönliche Bewunderung für den Mut und die pie tätvolle Oesinnung zum Ausdruck zu bringen, von denen die tapferen Kameraden der deutschen Ma rine so hohe Proben abgelegt haben". Der zurzeit in Korfu liegende Kreuzer „V i k- toria Luise" hat Befehl erhalten, nach P a- l er m o zu gehen, um bei der Aufstellung der vom Kaiser gestifteten Baracken behilflich zu sein. Zum Tode Erust v. Wilvenbruchs. DaS Leben eine« Kämpfers hat ein stilles 8 gefunden. Wenn auch Ernst o. Wildenbruch schon seit mehreren Jahren herzletdend war und mitunter von argen Schmerzen gequält wurde, so fühlte e doch bis in die letzten Tage frischen Lebensmut und unermüdlichen Schaffensdrang. Freilich, mben den körperlichen Schmerzen, deren er immer wieder Herr zu werden wußte, drückte ihn tiefer Kummer über das nieder, was Deutschland im oer- floflenen Jahre widerfahren war. ES war da» Schmerzensbekenntnis eines tiesbetrübten Herzens, wenn er an deS Jahres Wende schrieb: Eine Stunde, unsre» Lebens schlimme Stunde, Geht mit dir zu Grabe, altes Jahr. Aber wann verheilt in uns die böse Wunde, Die du unS geschlagen? Nimmerdarl Die „böse Wunde* ist bei ihm, der ganz in deS Vaterlandes Größe und Ruhm aufging, nie ver- heilt. Sie hat an seinem Herzen stets gemrgt und vielleicht weit mehr zur Erschütterung seines Gesund heitszustandes beigetragen, als man selbst im engsten Freundeskreise ahnte. Trotzdem verließ ihn nicht der Lebensmut, wenn ihn auch mitunter TodeSah- nungen umwehten; so manchen weitschaueuden Plan faßte er und so viel wollte er noch schreiben, waS ihm am Herzen lag. Noch in den Weihnachttfeier- tagen las er im vertrauten Kreise ein Kindergedicht „Marie Lene" vor, voll zarter kindlicher Empfin- düng, eine Erinnerung aus den eigenen KindheitS- tagen. Bis in die letzten Tage lebte seine Umge bung der festen Hoffnung, daß er bald wieder ge- riesen werde. Doch sein geschwächtes Herz, daS auch oon tiefem Schmerz um daS Vaterland gep-inigt wurde, vermochten di- Bronchitis nicht zu über winden. Von seinen zahlreichen Wirken seien her vor gehoben: „Die Karolinger", Trauerspiel 1882, „Harold", „Der Mennonit", Trauerspiel 1882, „Väter und Söhne", Schauspiel 1882, „DaS neue Gebot", Schauspiel 1886, „Die QuitzowS", Schauspiel 1888, „Die Haubenlerche", Schauspiel 1891, „Meister Balzer", Schauspiel 1893, „Heinrich und Heinrichs Geschlecht", Trauerspiel 1896, „Die Tochter des LraSmuS", Schauspiel 1900, „Neid", Erzählung 900, „Unter der Gcißel", Erzählung 1901, „Vize- Mama", Erzählung 1902, „König Laurin", Trauer- ipiel 1902, „Ein Wort über Weimar" 1903, „Der unsterbliche Felix", Hautkom. 1904. AuS Weimar wird zu dem Tode deS großen er» gemeldet: Bei Beginn der lrtzten Sitzung der städtischen ündebehörden gab der Vorsitzende den Gefühlen der tiefsten Trauer der S t a d t W e i m a i über den Verlust Ausdruck, hob die Verdienste des Heimgegangenen um die Allgemeinheit, vor allem aber um die Statt Weimar, die ihm zur zweiten Heimat geworden war, hervor. Die Bersammluvg hörte die Ansprache stehend an. Die städtischen Be Hörden werden sich in corpore an der B e is e tz u n g beteiligen. Die von Wittenbruch schon seit langer Zeit für sich und seine Gemahlin erworbene Be- gräbnisstätte befindet sich oberhalb der Fürstengruft bezw. der russischen Kapelle, in der die Großfürstin Marie Paulowna ruht. Frau v. Wildenbruch, welche den Wunsch ihre« Gatten, seinen Wohnsitz ständig wieder nach Berlin zu verlegen, stets bekämpfte, wird ihren Aufenthalt in Weimar nehmen. Der Kaiser ehrte den entschlafenen Dichter durch folgendes Telegramm an dessen Witwe: „Die Meldung von dem Hinscheiden Ihres Gatten hat mich mit herzlicher Teilnahme erfüllt, und spreche ich Ihnen mein wärmste» Beileid au». Mit dem deutschen Volk beklage ich den Verlust de» trefflichen Manne» und gottbegnadeten Dichter», dessen Leben»» werk der Mit- und Nachwelt unvergängliche Schätze geschaffen und geschenkt hat. Wilhelm I. K." WahlrechtS-emonftrationen und Stratzenkrawalle tn Dresden. Die „Genossen" in Dresden hat es wieder ein mal danach gelüstet, ein Demonstratiönchen zu ver anstalten. Man hat jedenfalls der traurigen Er fahrungen noch nicht genug gesammelt. Oder waren ihnen die bisherigen polizeiliche» Maßnahmen zu zahin? Glaubten die roten Herren, sie könnten dem Staate und der Bürgerschaft doch einmal beweisen, daß sie es fertig bringen, mit dem Kopfe durch die Wand zu rennen? Die Dresdner Sozialdemokraten be nutzten am gestrigen Sonniagmittag die Anwesen heit des Königs im Saale des Gewerbehauses an läßlich des Vortrages Dernburgs zu sehr erregten Kundgebungen auf den Straßen und Plätzen der inneren Stadt. Um diese Wahlrechtsdemonstra tionen „imposanter" zu gestalten, hatte man vier Säle der Altstadt zur Abhaltung von Versammlun gen gewählt. Die Demonstranten glaubten, von diesen Versammlungslokalen schnell und ungehin dert nach dem Residenzschloß, bezw. nach dem Gewerbehause im Massentritt ziehen und vor dem König bei der Rückkehr nach dem Schlosse d e m o n st r i e r e n zu können. Doch hatten sie die Rechnung ohne die Polizei gemacht, die von 12 Uhr ab sämtliche Straßen nach dem Schlosse, )em Gewerbehause und auch die Augustusbrücke durch starke Gendarmeriepostenketten abgespcrrt hatte. Die Versammlungen waren überfüllt und nur von kurzer Dauer. In ihnen gelangten gleichlau' tende Resolutionen gegen die neuesten Wahlrechts vorschläge zur Annahme. Sie endeten mit Hochs auf das allgemeine, gleiche, direkte und geheime Wahlrecht. Die Demonstranten zogen nun unter Gesang und fortgesetzten Rufen auf das gleiche Vahlrccht von vier Seiten aus nach dem Post- Katz und dem Altmarkt, fanden dort aber alle Straßen nach dem Schloß, der Ostra-Allee usw. abgesperrt. Der Tumult wuchs immer mehr an. Die nach vielen Tausenden zählende erregte Menge versuchte die Postenketten zu sprengen und sich an der Schloßstraße mit Gewalt Bahn zu machen. Die Posten gingen unter dem gewaltigen An- drange zurück, bis sie Befehl erhielten, blank zu ziehen. Nun gelang cs ihnen, unter Ge brauch der Waffe die johlende Menge bis zum lttnarkt zurückzudrängen. Hierbei ging es freilich nicht ohne blutige Szenen ab. Zwei der am Kopfe heftig blutenden Blessierten wurden von 'ozialdcmokratischen Heilgehilfen aufgehoben und mitten durch die Menge nach dem Krankenhaufe getragen. Bei dem Anblick der Verwundeten ließen die Demonstranten die schlimmsten Ver- vünschungen aus. Die Zivilgendarmen nahmen viele Verhaftungen vor. Als gegen 1 Uhr di« Versammlung im Gewerbchause zu Ende ging, trömien die Demonstranten nach dem Postplatz. Berittene Gendarmen drängten sie aber auch hier zurück. Als der König !m offenen Wagen in einer Entfernung von 80 Meiern auf der Ostra- Allee der Menge sichtbar wurde, brach diese in brausende Hochs aus. Der König richtete ein Augenmerk aus die aus dem Postplatze wo gende Menschenmenge und grüßte durch Handan- Sturmflut. Ei» Roman au« geweihten Lande». Von Erich Friesen. 19. Fortsetzung. (Nachdruck verboten.) Noch eine Biegung — der Wagen hält vor einem niedrigen Tor, hinter dem ein Wethes, ein stöckiges Haus erschimmert. Ein zierliches Arabermädchen eilt herbei und stellt sich Frau Mirjam als Dienerin vor. Dann trägt sie mit Hilfe des Kutschers das wenige Gepäck hinein ins Haus. Frau Mirjam lohnt den Kutscher ab und schließt das Tor hinter ihm. Jetzt blickcn Irmgard und Gerhilde um sich. Der Unterschied zwischen dem grauen Stein häuschen in der schmalen, dunklen Via dolorosa in Jerusalem und diesem inmitten eines blühenden Orangenwaldes hervorschimmernden Weißen Hause mit seiner luftigen Terrasse und seinem duftenden Blütenraufch ringsum ist so groß, daß die Mäd chen sich in ein Märchenland versetzt glauben. Siumm vor Verwunderung folgen sie der vor- anschreiienden kleinen Dienerin. Dabei ist ihnen, als spähen die Augen der Mutter erwarlungsvoll nach allen Seiten. Für einige Sekunden wird hinter einer Kak tushecke ein Männerkopf sichtbar, der jedoch sofort wieder verschwindet. Jetzt nähern sich die drei Frauen, gefolgt von der kleinen Dienerin, dem Hause. „Bitte, Madame! Dort ist Herr Erik Land," sagt die Dienerin, auf einen Seitenweg deutend, in dem eine auffallend hohe, kräftige Männerge stalt auftaucht. Tiefe Blässe überhaucht Frau Mirjams Wan gen. Ihre Hand greift nach dem Herzen. Nun ist der Mann dicht neben ihnen. Er zieht den Hut. Frau Mirjam aber blickt ihn an mit einem Blick — einem Blick — --- Jrmgard ist's, als stehe ihr das Herz still. Erik Land ist — ihr Vater! 13. Kapitel. Alle Rätsel in dem Wesen der Mutier scheinen Irmgard aus einmal gelöst: der Mangel an wah rer Herzcnstrauer bei Empfang der Nachricht vom Tode des Vaters, der Irmgards Empfinden so oft verletzte; die beiden mystischen „Geschäftsreisen" der Mutter, über die sie tiefstes Stillschweigen be wahrte; ihre fieberhafte Erregung während der ganzen Fahrt nach ihrem neuen Aufenthaltsort. Der Vater ist nicht iot. Er will nur tot scheinen — für die Welt. Und immer fester wurzelt die Gewißheit in Irmgards Herzen, daß der Vater vor Jahren etwas Unrechtes begangen habe, und nun unter fremdem Namen, als ein anderer Mensch wieder kehrt. Still, in tiefes Sinnen verloren, folgt sie der Mutter und Schwester ins Haus. Ein Ausruf freudigster Ueberraschung von drei Paar Lippen .... Das ganze kleine Haus ist in orientalischem Stil eingerichtet. Von der mosaikgetäfelten Halle an, in der ein kleiner Springbrunnen plätschert, bis zu dem kuppelartigen Minialursalon mit sei nen goldgestickten Gobelins, seinen seidenen Di Wans und dicken Teppichen, seinen farbigen Am- icln und ziselierten Gold- und Silberschalen . . . Besonders Gerhilde ist ganz starr vor Stau nen. Doch die kleine Dienerin läßt ihr kaum Zeit zum Wundern. „Wenn die Damen eine Tasse Mokka nehmen möchten . . . oder vielleicht Tee —" wendet sie sich sogleich an Frau Mirjam — „Fatime wird glück- Mit einem tiefen Aufatmen löst Frau Mirjam lich sein, ihre Herrin zu bedienen." die Hände- von dem Gesicht. Ding mit den kohlschwarzen Augen und dem sofort an dem verklärten Vater der Märchenprinz ist, der uns ins Zauber- ob sie mit diesem Luxus einverstanden sei land einführi, sondern — —' sa- (Fortsetzung folgt ) der uni Fatime. Herr Erik Land ihn einen Augenblick em- ich mitgehen?" schmeichelt Gerhilde. Frau Mirjam bedeutet mit sanfter Re- ihren Töchtern, daß sie das erste Mal „Bist Du Fatime?" fragt Irmgard, mit einem neugierigen Blick auf das behende, kleine braune und die Fräulein Töchter bestimmt ist. Herr Land selbst wohnt hinten im Orangcnhain in einem kleinen Gartenhaus. Während Fatime auf der tuberosenumrankten Terrasse den Tee nebst einem kleinen Imbiß ser- piert, herrscht tiefes Schweigen. Keine der Frauen bringt ein gleichgültiges Wort über die Lippen. Das sehen ihre Töchter Ausdruck der Züge. Da naht sich wieder lasse fragen, ob Madame pfangcn wolle. Frau Mirjam nickt. Ja, Fatime. Im Salon. In wenigen Mi dunklen Krauskopf. „Ja, Mademoiselle. „Und wer ist Herr „Der Besitzer dieses Vater zu erinnern! Auch Frau Mirjam scheint dies schmerzlich zu! empfinden. Sie hat sich in den Diwan zurückge- lchnt und hält das Taschentuch vor die Augen. ! „Mütterchen, verzeihe mir!" ruft Gerhilde be- chämt. „Immer muß ich etwas Unpassendes gen. Ich bin so schlecht, so schlecht —" Und wie so ost, sinkt sie auch jetzt neben geliebten Mutter nieder und schlingt die Arme ihre Knie. Ich bin Fatime." Erik Land?" Hauses, das für Madame In ihren Augen erglänzen Tränen. Aber nicht Schmerzenstränen sind es. Nein, FreuLen- tränen, die ihr diese Stunde des Glücks erpreßt. schönes Haus besitzt . . , Irmgard läßt den ganzen Wortschwall ge duldig über sich ergehen. Erst als das Plappermündchen von selber schweigt, sagt sie ernst: „Vielleicht hat die Mutter eine Erbschaft ge macht, Hilde!" Verblüfft reißt Gerhilde die großen Augen auf. nuten." „Darf Doch ! stimmtheit land einführi, sondern — —" , . , wovon sie das alles bezahlen wolle ... ob Sie bricht plötzlich ab und blickt beschämt ans sie hier auch noch Blumenkartons anfertigen wür- die Mutier. Wie konnte sie nur so wenig zart- dcn . . . und wer dieser Erik Land sei, der hier fühlend sein, in diesem Moment an den toten mitten zwischen schmutzigen Fellahhütten ein solch "... Herrn Erik Land allein sprechen müsse. < Erst als die Dienerin sich mit über der Brust Und schon ist sie auf dem Wege nach dem lgekreuzten Armen zurückgezogen hat, kommt Leben Salon. ,in Frau Mirjam und ihre Töchter. Kaum sind die Schwestern allein, da beginnt „Gerade wie in einem Märchen!" ruft Ger-j Gerhildes Plaudermündchen sich in Bewegung zu Hilde, mil glänzenden Augen Umschau haltend, setzen .... „So wie ich cs nur ersehnte in meinen Kinder-! Wie schön das hier alles sei . . . wie die träumen in Jerusalem! . . . Nur daß nicht der Mutter Wohl gerade auf Jericho gekommen wäre