Volltext Seite (XML)
2372 PAPIER-ZEITUNG Nr. 67 für guten Rohstoff und lässt in der Regel sofort erkennen, ob man echten Zellstoffschleim oder dessen Surrogat vor sich hat. 3. Herstellung fibrillenreichen Papiers Nachdem wir nun gesehen haben, dass der Zellstoffschleim im Halb- und Ganzzeugholländer durch den Schlag und die Reibung der Walzenmesser auf dem Grundwerk entsteht, er übrigt nur noch die Beantwortung der Frage, wie wir mög lichst viel und guten Zellstoffschleim in unsere Papiere bringen können. Hierauf kommt es vor allem an, weil eben die guten Eigenschaften der Fibrillen von wesentlichem Einfluss auf die Güte derjenigen Papiere sind, welche Festigkeit und Dauer haftigkeit besitzen sollen. Es ist jedem Fachmann bekannt, dass tierische Wolle und Seide zur Papierfabrikation ungeeignet sind. Untersuchung dieser Faserarten unter dem Mikroskop zeigt, dass die tierische Wolle aus mit Schuppen bedeckten, festgefügten Röhren be steht, Seide dagegen aus feineren aber ebenfalls festgefügten Fasern. Sowohl Wolle als Seide lassen sich durch mechanische Bearbeitung weder in der Längsrichtung der Faser spalten noch teilen, noch in eine andere Form bringen, also auch nicht quetschen und plaitdrücken und hierdurch geschmeidiger machen. Diese Wahrnehmungen weisen von selbst darauf hin, wie wir bei Auswahl unserer Rohstoffe verfahren müssen. Je weniger die Fasern in der Längsrichtung teilbar sind, und sich durch mechanische Einwirkung verändern und ge schmeidig machen lassen, je fester deren Gefüge überhaupt ist, desto weniger Wert haben sie für unsern Zweck. Die Faser des Papiermaulbeerbaumes ist von Natur sehr fein und geschmeidig. Sie liefert dadurch und wegen ihrer grossen natürlichen Länge ausgezeichnetes, sehr festes und zähes Papier, ist aber für unsere Fabrikationsweise ungeeignet. Wiederholt angestellte Versuche haben ergeben, dass sie sich im Holländer nicht mit Vorteil verarbeiten lässt. Ein Blick ins Mikroskop auf diese Faser belehrt uns, dass ihre Wan dungen glatt und sehr fest sind, dass sie aber im natürlichen Zustande wegen ihrer Länge, Feinheit und Geschmeidigkeit bei geeigneter Verarbeitung verfilzungsfähig ist und sehr festes und zähes Papier ergeben muss. Dagegen sehen wir, dass die Wandungen der Faser sich weder aufsprengen noch quetschen und zerdrücken lassen, und dass die Fasern Be arbeitung mit unsern Mahlvorrichtungen nicht aushalten, son dern dabei ihre Länge und dadurch ihre Verfilzungafähigkeit verlieren. Die Faser hätte nach solcher Bearbeitung kaum höhern Wert als unser Strohstoff. Jute und Manilahanf sowie die meisten andern tropischen Faserarten haben ähnliche Eigenschaften wie die Papiermaulbeer täser. Fast alle besitzen bei grosser Feinheit der Faser festes Ge füge, und die Verarbeitung muss sich darauf beschränken, die Fasern von ihren Inkrusten zu befreien, die einzelnen Fasern aus ihren Verbindungen zu lösen und durch geeignete Be handlung geschmeidiger und verfi’zungsfähiger zu machen. Aehnlich verhält es sich mit den aus einheimischen und ausländischen Grasarten, Stroh, Esparto usw. gewonnenen Faserstoffen. Auch diese haben für uns den grössten Wert, wenn wir sie, nachdem sie von den ihnen anhaftenden In krusten befreit sind, möglichst unverändert in der Form er halten, die einzelnen Fasern durch geeignete, leichte Be arbeitung aus ihren Verbindungen lösen, geschmeidiger und hierdurch verfilzungsfähiger machen. Wirkliches Mahlen kann nur Verkürzung und Zertrümmerung der Einzelfasern im Ge folge haben und muss daher mehr Schaden als Nutzen bringen. Anders verhält sich die Sache bei Holzzellstoff. Die Fasern dieses Rohstoffs sind von Natur kräftiger und widerstands fähiger und gestatten stärkere Mahlung, bedürfen derselben sogar, weil sie starr und daher wenig verfilzangsfähig sind. Laubholzzellstoff erfordert weniger energische Behandlung, da dessen Fasern kürzer und feiner sind als die von Nadel holzzellstoff. Daher eignen sie sich auch nicht zu besonders festen Papieren, und man handelt verständig, wenn man ihm im Ganzzeugholländer ähnliche Mahlung zuteil werden lässt wie dem Stroh- und Espartostoff. Die Fasern von Nadelholzzellstoff dagegen ertragen sehr starke Bearbeitung im Holländer, besonders wenn der Stoff nach dem Mitscherlich-Verfahren hergestellt ist. Durch starke, wohl geregelte Mahlung lassen sich aus Nadelholzzellstoff prachtvolle Papiere herstellen. Aus ungebleichtem Stoff macht man sehr starke Packpapiere und imitirt Pergament. Durch noch weiter fortgesetzte Mahlung entstehen die stark durch ¬ scheinenden, hübschen Pergamyapapiere. Aus gebleichtem Nadelholzzellstoff werden feinere Packpapiere sowie sehr schöne Schreib- und Druckpapiere hergestellt. Ueberhaupt kann man aus diesem Rohstoff Papiere mannigfachster Art erzielen, wenn man die Mahlung der Stoffe und deren Mischung mit andern den Eigenschaften anpasst, welche das zu erzielende Papier haben soll. Für extrafeste Sorten ist auch möglichst starke Ein tragung und vorsichtiges Senken der Walzen der Ganzzeug holländer zu empfehlen. Es handelt sich bei Herstellung dieser Papiere in der Hauptsache darum, dass die Fasern stark zer quetscht und gleichsam plattgeschlagen werden. Hierdurch wird die Masse im Holländer auch im Anfühlen ölig und fettig, doch erreicht der Stoff nie den Grad von gallertartiger Be schaffenheit wie bei Hanf und Leinen. Der Beweis hierfür liegt auch darin, dass man Holzzellstoffpapiere auf der Papier maschine besser entwässern und daher rascher arbeiten kann als beste Hadernpapiere. Noch so sorgfältig gemahlener Holz zellstoff wird stets in der Querrichtung der Papierbahn eine relativ geringe Reisslänge ergeben und in Bruchdehnung und Widerstand gegen Zerknittern niemals mit den aus bessern Hadernstoffen erzeugten Papieren in Wettbewerb treten können. Der Grund liegt eben darin, dass bei dem Mahlen von Holz zellstoff niemals der wirkliche »Zellstoffschleim« d. h. Fibrillen- bildung sondern deren Surrogat, unregelmässig geteilte und zerquetschte Fasern, entstehen. Die Fasern der Baumwolle können in Hinsicht auf Fibrillen- bildung gewissermaassen als Uebergang von den Grasarten und dem Holzzellstoff zu den Fasern von Hanf und Flachs gelten. Aus guten neuen Baumwollfasern lassen sich bei vor sichtiger Behandlung auch Fibrillen erzeugen, und der Stoff aus Baumwolle erscheint im Ganzzeugholländer oft ebenso gallertartig wie der aus Leinen und Hanf. Bei genauer Prüfung finden wir aber, dass wir hier durch unser Bestreben, Fibrillen zu erzeugen, auf die Fasern nachteilig eingewirkt haben, denn wir sehen neben guten Faserteilen eine Menge kurz ab gebrochener Faserstückchen, welche die Festigkeit des Papiers beeinträchtigen und nur als Füllstoff gelten. Auf alle Fälle ist beim Kochen und Bleichen sowie beim Mahlen von Baum wolle im Halb- und Ganzzeugholländer grösste Vorsicht geboten. Der grösste Feind des Zellstoffsohleims ist Hydrozellstoff. Da dieser beim Bleichen entsteht, so muss man hier mit äusserster Vorsicht zu Werke gehen, wenn man gute Fibrillen erzielen und erhalten will. Besonders beim Bleichen von Baumwolle kann man nicht vorsichtig genug sein und muss streng darauf achten, dass die Masse nach dem Bleichen gut ausgewaschen und chlorfrei gemacht wird. Wenn der Stoff auch nur geringe Spuren von Chlor und Säuren aufweist, so läuft man Gefahr, dass sich auf den Trockenzylindern der Papiermaschine der gute Zellstoffschleim noch ganz oder zum Teil in Hydrozellstof verwandelt. Als beste Faserstoffe zur Erzielung feinster Verteilung in Fibrillen kommen für uns hauptsächlich Hanf und Flachs in Frage. Wie schon oben bemerkt, ergeben diese Faserstoffe die besten Fibrillen, wenn sie weder durch den Gebrauch noch durch andere Einflüsse, z. B. Kochen und Bleichen, an gegriffen worden sind. Es ist bekannt, dass alle Pflanzen fasern, also auch die Hanf- und Flachsfaser, Pektinstoffe ent halten, die sowohl die Bestandteile der Fasern wie auch mehrere Fasern unter sich verbinden. Die einzelnen Fasern und Faserteile sind also gewissermaassen durch die gummi artigen Pektinstoffe zusammengeleimt. Man kann diese sowohl durch Gärung wie durch Kochen auf lösen und so die Fasern und Faserteile von einander trennen. Jedoch müssen sowohl die Gärung als auch das Kochen bei den verschiedenen Faserarien verschieden geregelt werden und dürfen nicht zu weit fortgeführt werden, weil sonst Gefahr vorliegt, dass nicht allein der Klebestof aufgelöst wird, sondern dass auch die Fasern selbst angegriffen und geschwächt werden. Um den Wert der verschiedenen Fasern zu bestimmen, muss man nicht nur die Festigkeit der Faserzellen, sondern auch die Löslichkeit der Pektinstoffe in Rechnung ziehen. Diese Verhältnisse liegen bei Hanf und Flachs sehr günstig und hierin liegt auch ein Hauptgrund für deren gute Verwend barkeit. Es ist auch anzunehmen, dass die ölige und fettige Eigenschaft der ohne Kochen und Bleichen hergestellten Leinen- und Hanfstoffe zum Teil von der Anwesenheit und den Eigen schaften der Pektinstoffe herrührt. Diese Stoffe stehen aber zum Zellstoffschleim nur insofern in Beziehung, als ihr Vor handensein beweist, dass die Rohstoffe noch gesund sind, und