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2044 PAPIER-ZEITUNG Nr. 58 Leitung nach dessen Vorschriften gedruckten Buches mit ver schiedenen anderen Druckproben verglichen und festgestellt, dass eine gewisse Petitschrift, die im Zeilenzähler beinahe 3 Zeilen zeigte, von Allen, denen ich die Proben zur Prüfung vorlegte, in weiterem Abstande gelesen werden konnte, als die Korpus des besprochenen Buches, die entschieden zu eng zu gerichtet ist und ineinanderläuft, sobald man sie aus 45—60 cm Entfernung betrachtet. Dass Professor Cohn in der Grösse einer Schrift das Maass ihrer Zulässigkeit oder Unzulässigkeit zu finden sucht, geht aus folgender Aeusserang hervor: »Seit 1900 .... ist wieder zu zahllosen Artikeln die verderbliche Petitschrift verwendet. Also Rückschritt statt Fortschritt in typo grafischer Beziehung.« »Was nicht wichtig ist, drucke man lieber garnicht; was aber wichtig ist, drucke man mit ordentlichen Grössen!« Den Schluss des Buches bildet die Aufforderung: »Fort mit jedem Buche und mit jeder Zeitung, in welcher mehr als zwei Zeilen im Quadratzentimeter sichtbar sind!« Es ist leicht, den Beweis zu führen, dass man unter voller Beachtung der Prof. Cohn’schen Vorschriften schlechte und unter ihrer Nichtachtung gute, lesbare Bücher drucken kann. Um zu zeigen, wie schwer es ist, die in dieser wichtigen Frage weit auseinandergehenden Ansichten zu vereinigen, sei eine Stelle aus einem Referat wiedergegeben, das einen Vor trag des Herrn v. Biedermann in der Berliner Typographischen Gesellschaft behandelt: »Aus der Gesellschaft erhoben sich Stimmen, die die Raumver teilung innerhalb gegebener Flüchen (es handelte sich um einen lithografischen Wettbewerb) bemängelten. Die Zeilen ständen oft in so drangvoller Enge, dass sie kaum zu lesen seien. Herr v. Bieder mann war gegenteiliger Meinung und verwies darauf, dass die all gemein als vorbildlich anerkannten Arbeiten der alten Drucker in der Regel mit sehr grossen Typen und ohne Durchschuss gedruckt wurden, und dass man also schon zu jener Zeit ein Hauptgewicht auf harmonische Flächenfüllung gelegt habe « Ich füge hinzu, dass diese Auffassung guten Druckes die in Künstlerkreisen herrschende ist. Für Nutzbücher — also Schulbücher — darf sie allerdings nicht maassgebend sein. Professor Cohn äussert sich auch über das Papier in ziemlich zutreffenden Ansichten. Aber auch hier darf man nicht zu weit gehen. Das tiefste Schwarz auf hellstem Weiss wird den Augen ebenso schädlich sein, wie mangelhafter, grauer Druck. Ich habe in meiner Praxis den Fall erlebt, dass eine sehr starkstrichige Schrift, auf blendend weisses Papier gedruckt, bei längerem Betrachten Flimmern verursachte, sodass getontes Papier genommen werden musste. Vor Jahren tauchte ja auch die Forderung auf, vom augen-hygienischen Standpunkte aus gelbliches Papier für Lesebücher zu wählen, weil grellweisses Papier mit schwarzem Aufdruck die Augen angreife. Künstler drucke werden wohl aus demselben Grunde meist auf toniges Papier gedruckt, und man muss annehmen, dass in dieser Beziehung ein geschultes Künstlerauge vielleicht feinfühliger ist, als das eines Augenarztes. Man kann selbst leicht einen Versuch machen, indem man einen Druck der ersten Art eine Weile betrachtet, um dann den andern in die Hand zu nehmen. Schwarz auf getontem Grunde wirkt da förmlich als Erholung. Wo nun die richtige Mitte zu finden ist, das kann Professor Cohn allein nicht feststellen, so sehr man ihn als sachkundig ansehen und die Arbeitskraft be wundern muss, mit der er seit langen Jahren diese Frage verfolgt. Der Verfasser klagt, dass seine Anregungen von Behörden und deren Referenten zum Teil falsch aufgefasst, und dass seine Aufstellungen bekämpft würden. Es komme daher kein rechter Fortgang in die Sache. Das ist erklärlich, weil niemand aus der noch so gründlichen Arbeit eines Einzelnen die Verantwortung herleiten will, Vorschriften von so grosser Tragweite zu erlassen. Schulbücher sind Massen-Artikel, die zu billigem Preise geboten werden müssen, da sie Vielen sonst unerschwinglich sind. Die Verleger können deshalb auch nicht so, wie sie gern möchten. Der Ausgabeposten für Papier, Farbe und Typen spielt hier eine grosse Rolle. Man kann den Zeitungsbesitzern auch nicht, wie es an einer Stelle geschieht, vorwerfen, dass sie nicht genügend auf richtige Farbengebung achteten und unberechtigte Sparsamkeit übten. Das werden sie wohl müssen. Hier treffen Verhältnisse aufeinander, die sehr vorsichtig behandelt und nicht einfach mit »Vorschriften« gelöst werden können. Eine Kommission von Schrift - Sach verständigen, Druckern, Verlegern und augenkundigen Schul männern wäre eher im Stande annehmbare Gesetze aufzustellen. Die Professor Cohn’schen Arbeiten würden ihnen dabei eine wertvolle Unterlage sein. Hermann Hoffmann Bestechung von Angestellten Zu den Punkten, welche die Hauptversammlungen des Deutschen Buchdrucker-Vereins wiederholt beschäftigten, ge hört auch die Bestechung von Angestellten der Buch- druckereien seitens der Lieferanten, d. h. die Gewährung und die Annahme von Provisionen und Geschenken bei der Ver mittlung von Aufträgen. Zur Abstellung dieses Missstandes wurde beschlossen, gemeinsame Verhandlungen der Buch druckereibesitzer-Vereinigungen mit den Lieferantengruppen zu pflegen. Tafsächlich haben auch solche Verhandlungen mit Schriftgiessereibesitzern und Masehinenfabrikanten bereits stattgefunden und weitere sind in Aussicht genommen mit den Farben- und Papierfabriken sowie mit den Fachgeschäften. Zweifellos hat der verschärfte Wettbewerb manche Un lauterkeit gezeitigt, und es ist ein unbestreitbares Verdienst des Deutschen Buchdrucker-Vereins, darauf hingewiesen und Vorschläge zur Beseitigung gemacht zu haben. Das hat aber leider auch hie und da die Ansicht Platz greifen lassen, als werde von den Lieferantenfirmen im allgemeinen mit unlauteren Mitteln gearbeitet, und als seien die meisten Druckerei-An gestellten gewissenlose Leute, die bei Bestellungen nur die Provision und nicht das Geschäfts-Interesse im Auge haben. Diese Annahme ist grundfalsch. In der Gegenwart herrscht die Neigung zum Verallgemeinern vor. Was dieser und jener in seinem mehr oder weniger beschränkten Wirkungskreise erfahren hat, hält er für einen Allgemeinzustand und fühlt sich nun in ehrlicher Entrüstung berufen, mit Wort und Schrift dagegen anzukämpfen. Das soll ihm unbenommen sein. Aber es muss auch denjenigen erlaubt sein, ihre Stimme zu erheben, welche eine andere Ansicht von der Sache und auch noch andere Mittel zur Abhilfe in Vorschlag zu bringen haben. Zunächst kommt diese Unlauterkeit im Wettbewerb nicht blos bei den Lieferanten der Buchdruckereien, sondern in allen Gewerben vor. Sie ist sicherlich eine Begleit-Erscheinung der modernen Güter-Erzeugung, also wohl mehr Wirkung als Ursache. Es dürfte also auch Aufgabe aller Beteiligten sein, den wirklichen Ursachen nachzuforschen, denn erst, wenn diese festgestellt sind, ist auf wirksame Abhilfe zu hoffen, und es erübrigt sich vielleicht, den Gesetzgeber anzurufen. Dass die Ursache nicht blos bei den Lieferanten, sondern auch bei den Bestellern liegt, hat sich in den Verhandlungen des Vor standes des Deutschen Buchdrucker-Vereins mit den Maschinen fabrikanten ergeben. In der Kollektivantwort der letzteren heisst es u. a.: »dass die Schuld an dem Vorhandensein dieser Missstände nicht allein den Fabrikanten aufgebürdet werden kann, sondern dass den tadelnswerten Geschäftsgepflogenheiten derselben auch ebenso tadelnswerte Geschäftsgepflogenheiten von Seiten mancher Buch- druckereibesitzer gegenüberstehen, welche geeignet sind, die be sagten Missstände zu verschärfen, ja dieselben geradezu zum Teil hervorgerufen haben. Wir meinen hier die Tendenz, den unter den Schnellpressenfabriken bestehenden Konkurrenzkampf aufs äusserste auszunutzen, in einer Weise, wie es in anderen Zweigen des Ma schinenbaues nicht der Fall ist.« Darauf konnte denn auch der Vorsitzende des Deutschen Buchdrucker-Vereins in den Verhandlungen in Lübeck am 27. Juni d. Js. nur erwidern, »dass dem jedenfalls nichts Stichhaltiges entgegen zu setzen sei; aber wenn schon tadelns werte Geschäftsgepflogenheiten beseitigt werden sollen, so muss dies natürlich von beiden Seiten geschehen.« Das klingt schon anders als man es zu hören gewöhnt war. Es beweist, dass man von der einseitigen Beschuldigung mehr und mehr zurückkommt und zu begreifen anfängt, dass bei Missständen im geschäftlichen Verkehr in den meisten Fällen beide Teile schuldig sind; wir sind eben allzumal Sünder und mangeln des Ruhms. Es ist mir z. B. unverständlich, wie ein Angestellter in gut geleiteten Druckereien Bestellungen vornehmen oder zu solchen raten kann, die unnötig sind. Dies ist doch nur denkbar, wenn der Prinzipal keine Zeit hat, sich um sein Geschäft zu kümmern, oder wenn er nicht genug Fachmann ist, um selbst beurteilen zu können, was bestellt werden muss, wenn ihm also eine der wichtigsten Vorbedingungen eines Buchdruckerei besitzers fehlt: die Fähigkeit, richtig einzukaufen. Sehr richtig bemerkte hierzu bereits Herr Buchdruckereibesitzer Siegel- Dresden auf der Generalversammlung zu Dresden (1901): »Ich vermisse noch eins, das ist der Appell an uns Prinzipale. Wir dürfen die Bestellung der Bedarfsartikel nicht andern überlassen, sondern es ist unsere Pflicht, sie selbst zu besorgen, uns selbst von der Beschaffenheit der Bedarfsartikel zu überzeugen und uns vom