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Postkarten-Bestellung 4501. Frage: Voriges Jahr im Oktober bestellte ich (Papier händler am kleinen Ort in Mitteldeutschland) beim Reisenden von Y. in Berlin unter anderm 1C00 Stück Prägekarten; der Reisende nahm bei der Bestellung einige Klischee-Abdrücke mit, ich liess ausserdem eine Zeichnung von hiesigem Maler anfertigen. (Das Gebäude, Kreis haus, konnte nicht fotografirt werden, da es in einer engen Strasse liegt). Nach einigen Wochen erhielt ich Klischee-Abdrücke und Zeichnung zurück mit dem Bemerken, dass danach nicht gearbeitet werden könne, es müssten Fotografien sein. Nunmehr bestellte ich bei X. in Magdeburg 3000 Stück Karten und erhielt sie auch, da sie aber nicht nach meinem Wunsch ausgefallen waren, bestellte ich bei Z. in München ebenfalls noch einmal 3000 Stück, die sogenannten Iriskarten, und erhielt sie auch im Januar. Ende Januar kommt wieder der Reisende von Y. in Berlin, ich machte ihm Vorwürfe, dass ich die bestellten Karten im Herbst nicht erhalten hätte, er gab als Entschuldigung an, es wäre ein Versehen eines Beamten gewesen, dass der Karten-Auftrag abgelehnt worden sei. Ich fragte den Reisenden: Ich möchte gern genaue Offerte haben über 2 X 6000 Stück Prägekarten, mit genauer Angabe über Lieferungs- und Zahlungs- Bedingungen, vorläufig hätte ich ja genug. Als er mir zur Bestellung zuredete, äusserte ich wörtlich, »es wäre ja leichtsinnig, wenn ich jetzt noch 10000 Stück Karten bestellen wollte, denn in einem Viertel jahr für bald 600 M. Ansichtskarten bestellen von einem Gebäude, das wäre zu viel«; ferner äusserte ich, »wenn ich die Karten von Z. in München nicht erhalte oder anzunehmen brauche, weil sie schlecht ausfallen, so würde ich sofort 10 000 Stück bestellen « Die Karten von Z. in München habe ich einige Tage nachher erhalten. Jetzt klagt die Firma Y. in Berlin, dass ich 10 000 Karten bestellt haben soll, sie fordert 160 M. Entschädigung und legt als Beweis den Be stellschein vor; ferner will der Reisende durch Eid bezeugen, dass ich 10 000 Karten im Preis von 260 M. bestellt habe, und will durch Sach verständige nachweisen lassen, dass an dem Auftrag 90 M. Auslagen gewesen wären, mithin der Kläger 160 M. Verdienst-Entgang zu fordern habe. 1. Hat ein Bestellschein ohne meine Unterschrift vor Gericht Giltigkeit? 2. Ist es bei Postkarten nicht üblich, dass Aufträge stets schrift lich gegeben werden? 3. Ist der Reisende als glaubhafter Zeuge anzuerkennen? Ebenso gut wie der Reisende durch Eid beweisen will, dass der Auftrag gegeben ist, kann ich durch Eid beweisen, dass dies nicht der Fall ist. 4. Muss ich den Gerichtsstand Berlin anerkennen? Ich habe nichts schriftlich gegeben, daher muss doch die Firma Y. hier in W. klagen. 5. Ist es nicht unverschämt, an 260 M. Auftrag 160 M. Verdienet zu fordern? 6 Wie habe ich mich zu verhalten? Ich habe die Absicht, so lange Widerspruch zu erheben, wie es möglich ist. Antwort: 1. Es unterliegt dem Ermessen des Richters, welche Beweiskraft er dem Bestellschein beilegen will. Er wird dabei alle Umstände prüfen und die Beteiligten sowie etwaige Zeugen darüber befragen, wie dieses Schriftstück zu stande gekommen ist. 2. Es besteht kein Handelsbrauch, wonach Ansichtskarten stets schriftlich bestellt werden müssten. Leider werden der artige Bestellungen oft mündlich erteilt, und der Besteller ver säumt es nur zu oft, sich vom Reisenden eine Abschrift der Bestellung geben zu lassen. 3. Die Glaubwürdigkeit des Zeugen muss vom Richter be urteilt werden, auch hängt es vom Richter ab, ob der Reisende oder der Fragesteller zum Eid zugelassen wird. 4. Fragesteller muss bei seinem Gericht verklagt werden, wenn er nicht bei Abschluss des Geschäfts erklärt hat, dass Streitigkeiten aus diesem Geschält vor das Gericht des Lieferers kommen sollen. 5. Die Forderung von 160 M. Verdienst-Entgang erscheint übermässig hoch. 6. Fragesteller kann der Klage ruhig entgegensehen, denn wenn der Tatbestand so ist, wie er ihn darstellt, wird er kaum verurteilt werden. Pappenfabrikation 4502. Frage. Können Sie mir ein Werk empfehlen, das die Fabrikation aller Sorten Pappen sowie deren Untersuchung behandelt? Wenn ja, wo und zu welchem Preise ist dasselbe zu beziehen? Antwort: Ein besonderes Buch überPappenfabrikation ist uns nicht bekannt. Da aber die Pappenfabrikation dieselben Rohstoffe und vielfach auch dieselben Einrichtungen benutzt wie die Papierfabrikation, und da »Hofmanns Handbuch der Papierfabrikation« in vielen Kapiteln auch die Herstellung und Eigenschaften der Pappen behandelt, so empfehlen wir dem Fragesteller das Studium dieses Werkes. (Verlag der Papier- Zeitung, Preis in 2 Prachtbänden 60 M.). Abnahme nach Wahl 4503. Frage: Ein Kunde gab mir am 8. Dezember 1902 den Auftrag, für ihn 3000 Plakate im Format von 99 X 146 cm aufzuziehen zu einem bestimmten Stückpreis mit der Bedingung: »netto Kasse bei Lieferung, Abnahme nach Wahl in Partien von mindestens 300 Stück«. Ich hatte bei dem vereinbarten Stückpreis die Pappe und das Papier zum Kaschiren der Rückseite zu stellen. Es handelte eich bei diesem Geschäft für den Kunden um eine Reklame im grossen Stile, und er sagte bei Vereinbarung des Auftrags nicht, dass sich die Abnahme der Plakate auf mehrere Jahre verteilen soll; es war auch damals nicht seine Absicht, da die Reklame, um auf fallend und wirksam zu sein, in flottem Tempo erledigt werden sollte. Die aufgezogenen Plakate sollten fertig gerahmt in feinster Auf machung zum Versand kommen. Nachdem sich beim Versand her ausgestellt hatte, dass neben den hohen Unkosten für die Reklame bei dem grossen Format die Versendungs- und Verpackungsepesen sehr ins Gewicht fallen, hat sich der Kunde nachträglich vor einigen Wochen entschlossen, die Plakate der Billigkeit halber unaufgezogen und un gerahmt zu versenden. Er sprach dann die Absicht aus, von seinem Auftrag zurückzutreten, - ich verlangte aber Entschädigung für die Anschaffung der Pappe, die beim abnormen Format und 19/4 Stärke zu Ueberpreis angefertigt werden musste, und für den mir durch den Rücktritt entgangenen Nutzen. Solche Entschädigung wollte mein Kunde nicht anerkennen, und er tritt jetzt, da ich ihn zur Abnahme sukzessiver Lieferungen von Plakaten aufforderte, mit der Behauptung auf, dass er für die Abnahme der Plakate 3 Jahre Zeit hätte, da bei der Bestellung Abnahme nach seinem Belieben vereinbart worden sei. Müssen derartige Geschäftsabschlüsse, für deren Erledigung keine genaue Zeit vereinbart ist, nicht innerhalb eines Jahres vom Geschäftsabschluss an erledigt werden? Kann der Zusatz »Abnahme nach Belieben« von meinem Kunden dahin ausgelegt werden, dass er 3 Jahre Zeit für die Abnahme der Plakate in Anspruch nehmen kann? Da ich gezwungen sein werde, klagbar gegen den Kunden vor zugehen, frage ich Sie, ob ich mit gerichtlicher Austragung zum ge wünschten Erfolg kommen werde. Antwort: Wie an dieser Stelle öfter ausgeführt wurde, erkennen die Gerichte den angeblichen Handelsbrauch nicht an, wonach Papierwaren, die auf Abruf ohne bestimmte Abnahme frist gekauft sind, innerhalb eines Jahres abgerufen werden müssten, sondern erforschen in jedem Fall die Willensmeinung beider Parteien bei Abschluss des Vertrages sowie die Be sonderheiten des Falles. Es erscheint nicht billig, dass Fragesteller auf den Abruf 3 Jahre lang warten soll, und es ist nicht wahrscheinlich, dass er sowie der Besteller bei Ab schluss des Vertrages so lange Abrufszeit im Sinne hatten. Auch der Umstand, dass der Besteller nachträglich aus Gründen, an denen Fragesteller nicht Schuld ist, vom Geschäft zurück treten wollte, macht es wahrscheinlich, dass er lediglich, um die Zahlung hinauszuschieben, die Abrufsfrist zu verlängern wünscht. Wir glauben, dass Fragesteller durch Klage kürzere Abrufungsfrist erlangen wird. Der Richter dürfte entscheiden, dass der Besteller spätestens nach Ablauf eines Jahres mit dem Abruf von — etwa monatlichen — Teilsendungen beginnen müsse. Verlorene Originale 4504. Frage: Wieviel vom Ankaufspreise muss mir eine litho grafische Anstalt ersetzen, wenn sie meine Originale nach der Repro duktion verloren hat? Darf ich den vollen Ankaufs wert fordern? Antwort eines Sachverständigen: Die beregten Originale, d. h. die der lithografischen Kunst anstalt gelieferten Entwürfe, haben meiner Auffassung nach so gut wie gar keinen Wert, nachdem sie tatsächlich repro- duzirt worden sind. Bei der Herausarbeitung werden diese Entwürfe zumeist beschmutzt oder doch recht unansehnlich. Sehr oft werden solche Entwürfe sogar zerschnitten, damit mehrere Lithografen zugleich an derselben Arbeit beschäftigt werden können. Das ist allgemein üblich im Kunstdruck- Gewerbe. Und während der eine Steindruckereibesitzer die in seiner Anstalt reproduzirten Entwürfe später sorgfältig auf bewahrt, legt ein anderer Kollege gar keinen Wert mehr darauf und lässt sie irgendwo aufziehen, aufheben, oder kümmert sich womöglich garnicht weiter darum. Ganz anders liegt der Fall, wenn es sich um Original- Entwürfe eines bedeutenden Kunstmalers handelt. Doch dann wird auch der Besteller, welcher solche Kunstwerke einer Lithografischen Anstalt anvertraut, sicher die Bestimmung treffen, dass diese in unversehrtem gutem Zustande nach der geschehenen Reproduktion an ihn wieder abgeliefert werden müssen. Ist eine derartige oder ähnliche Abmachung zwischen beiden Parteien nicht getroffen, so kann von irgend welcher Ersatzforderung für in Verlust geratene Originale keine Rede sein. F.