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Mittwoch, den 10. Mai 1905 55. Jahrgang Nr. 107. Erscheint jeden Wochentag abods für den folgenden Tag und kostet durch die Ansträgec Lio Quartal Mk. 1Hü durch die Post Mk. z 92 frei in'S Haus. Knserate nehmen außer der Expedition auch die Austräger auf dem Lande entgegen, auch befördern die Annoncen- Expeditionen solche zu Originalpreisen. Hohenstein Ernstthal, Oberlungwitz, Gersdorf, Kugau, Hermsdorf, Kernsdorf, Langenberg, Falken, Langenchursdorf, Meinsdorf, Rußdorf, Wüstenbrand, Grüna, Mittelbach, Ursprung, Erlbach, Kirchberg, Pleißa, Reichenbach, Callenberg, Tirschheim, Kuhschnappel, Grumbach, St. Egydien, Hüttengrund u. s. w. für das königliche Amtsgericht und den Atadtrat zu Hohenstein-Ernstthal. Organ aller OeineinöesVerwaltungen der nnrliegenöen Ortschaften. Anzeiger für Sonnabend, den 13 Mai 1903 bleibt das hiesige Gemeindeamt wegen Reinigung der Geschäftsräume für den Verkehr geschlossen. Das Standesamt ist an diesem Tage von 11 bis >/z12 Uhr vormittags geöffnet. Nur dringliche, keinen Aufschub erleidende Sachen finden in dieser Zeit Erledigung. Oberlungwitz, am 9. Mai 1905. Der Gemeiudevorstaud. Lieberknecht. Aus dem Reiche. Ueber die Wilhelmshavener Kaiserrede anläßlich der Rekrutenoereidigung Anfang März bringt die „Evangel. Kirchenztg." jetzt einen aus führlicheren Bericht: „Der Kaiser spielte auf die Heldentaten der Japaner an und führte aus, daß sie. geboren seien aus der japanischen Vaterlandsliebe und Kindes liebe, die wieder eine herrliche Manneszucht zur Folge hätten in Heer und Marine. Man dürfe aber aus den japanischen Siegen — den Siegen des heidnischen über ein christliches Volk — nicht den Schluß ziehen, daß Buddha unserm Herrn Christus über sei. Wenn Rußland geschlagen wurde, so liege das zum großen Teile seiner Ansicht nach daran, daß es mit dem russischen Christentum sehr traurig bestellt sein müsse, die Japaner aber viele christliche Tugenden aufzuweisen hätten. Ein guter Christ, ein guter Soldat! Aber auch im deutschen Volke sei es schlimm bestellt mit dem Christentum, und er — der Kaiser — be zweifle, ob wir Deutsche im Falle eines Krieges noch das Recht hätten, Gott um den Sieg zu bitten, ihm denselben im Gebere abzuringen wie Jakob im Sieg mit dem Engel. Die Japaner wären eine Gottesgeißel wie einst Attila und Napoleon. An uns sei es, dafür zu sorgen, daß Gott uns nicht einmal auch mit einer solchen Geißel züchtigen müsse usw. Der Kaiser sprach sehr ernst und vor allem sehr eindringlich und einfach, für alle verständlich." Ob diese Angaben in allen Einzelheiten zu treffend sind, mag dahingestellt bleiben. Immerhin wird die Rede Aufsehen erregen. Und man wird bei ihrer Beurteilung die Adresse nicht außer acht lassen dürfen, an welche sie gerichtet war. Aus Küdwestafrika. Zur Erkundung des K au kau - V e l dt s brach Oberleutnant Gräff der 10. Kompagnie mit dreißig Mann und sechs Kamelen am 15. März von Otjituo in Richtung Neinet auf. Wasser mangel und dichter Busch zwangen ihn, nicht längs des Apato, sondern über Karakuwisa am Omuramba und Amatako zu marschieren. Am 13. April traf er bei Kaurama eine Herero werft, stürmte sie nach heftigem Widerstand und e r - beutete 90 Stück Großvieh. Vom Gegner fielen 7 Mann, diesseits ein Reiter. Hierauf wurde eine große Werft bei Gautscha fest gestellt, zu deren Fortnahme die Stärke der Patrouille nicht ausreichte. Oberleutnant Gräff wartet bei Ukeidis eine Verstärkung von 40 Mann mit zivei Maschinengewehren ab, die zu ihm abgeschickt wurde. In den K a r a s b e r g en erreichte am 26. April Leutnant v. Detten mit einem Zuge bei Ganams (20 Kilometer östlich Nurudas) den nach Osten ab ziehenden Morenga, den er angriff. Nachdem am 27. April Hauptmann Winterfeldt mit Verstärkungen eingetroffen war, wurde der Gegner mit einem Verlust von mindestens 15 T 0 tenin die Berge östlich Ganams geworfen, wo seine Spuren auseinanderlaufen. Diesseits sind 6 Mann gefallen, 10 Mann sind verwundet. Die gegen die Banden des Bethanierkapitäns Cornelius entsandte Abteilung Zwehl traf am 1. Mai 3 Werften am Kutip (etwa 75 Kilo meter südwestlich Gibeon) und warf den Gegner, von dem 24 Mann fielen, in südöstlicher Richtung zurück. 500 Stück Großvieh und 2000 Stück Kleinvieh wurden erbeutet. Diesseits sind keine Verluste zu verzeichnen. Uom Kriege in Ostasten. Nach der V e r e in i g u n g des Geschwa ders von Nebogatow mit der Flotte Roschdje st wenskys ist der japanischen Flotte ein Gegner erstanden, welcher ihr mindestens gleichwertig ist, an Panzerung und schwerer Ar tillerie aber erheblich überlegen; außerdem scheint ein Teil der japanischen Schiffe schwer havariert ge wesen und. nur notdürftig ausgebessert worden zu sein. Nach Lage der Dinge ist Admiral Togo gar nicht fähig, seinen Gegner in weiter Entfernung von seiner Flottenbasis anzugreifen, namentlich da er noch den Hafen von Wladiwostok, der zwei Aus gänge hat, von überlegenen Kräften muß bewachen lassen, um zu verhindern, daß die in Wladiwostok stationierten Schiffe der Russen in seinem Rücken sich unliebsam bemerkbar machen. Die Russen, die sich nun wohl Endeder Woche in Marsch setzen werden, werden also ohne Kampf an derJnsel Formosa vorbeikommen. Es hängt dann aber von dem Wege ab, den sie einschlagen, wo der entscheidende Kampf entbrennen wird, ob in den koreanischen Gewässern, oder in der Tsugaru- straße. Da Togo für den Fall, daß die Russen durch die Tsugarustraße kommen, dort einige Schiffe stationieren muß, führt er den entscheidenden Kampf gegen Roschdjestwensky unter erschwerten Bedingungen. Ohne Zweifel wird ein erheblicher Teil der russischen Flotte nach Wladiwostok auf alle Fälle Hineinkommen, ob Sieger oder siegt. Damit bricht dann aber eine neue Phase des russisch japanischen Krieges an. Bereits der nächste Monat dürfte sehr wichtige Entscheidungen in Ostasien bringen, deren Ausfall, wenn er für Japan auch nur teilweise ungünstig ist, auf die Politik der großen europäischen Mächte von aus schlaggebender Bedeutung werden wird. Dem hat auch England bereits Rechnung getragen, indem es seine großen Flottenmanöver aufschob. London, 8. Mai. Der nach der Kamranh- Bucht entsandte Berichterstatter des „Buraus Laffan" kabelt jetzt über den Aufenthalt des russtsche n Geschwaders in der Kamranh-Bucht Einzelheiten, deren telegraphische Beförderung die französische Zen sur in Saigon am 30. April verweigert hatte. Dar nach hätten die Russen tatsächlich in der Kamranh- Bucht eine Flottenbasis für Ausbesserungen, Ergänzung der Vorräte und Kohlenzufuhr gehabt, die sie 10 Tage lang benützt hätten, und die monate lang vorher eingerichtet worden sei. Riesige Mengen Kohlen und Vorräte für das Ostseegeschwader seien in den vorhergehenden Monaten mit vollem Wissen der französischen Behörden in Saigon aufgestapelt worden, und Admiral Roschdje st wenski habe seine Schiffe offen unter Leitung des Kapiiäns des in Saigon internierten russischen Kreuzers „Diana" mit Vorräten versorgen lassen. Fast die ganze Zeit über sei der französische Admiral de Concheur in der Kamranh-Bucht anwesend gewesen. Ohne fran zösische Hilfe würden die Russen in die schlimmste Lage geraten sein. Der Korrespondent, der am 2. Mai Saigon verließ, passierte auf dem Fluß vier russische Transportdampfer mit Vorräten für das Ostseegeschwader und beim Kap. St. James einen deutschen und vier französische Transportdampfer mit voller Ladung. Saigon, 8. Mai. Das Geschwader Roschdje st wenskys, das sich von der Hon- Kohe-Bucht aus nach Süden begeben hatte, wurde von dem Beobachtungsdienst des Admirals Jon- quieres bei einer benachbarten Bucht ge sehen. Roschdjestwensky erklärte, alsbald Anker auf gehen zu wollen. I London, 9. Mai. Der „Morning Post" wird aus Shanghai telegraphiert: Der japanische Konsul erhob Wiederspruch gegen die E i n- nahme von Kohlen seitens gewisser Schiffe, weil der Verdacht vorliegt, daß die Kohlen für die baltische Flotte bestimmt seien. Der Hafenkommissar weigerte sich daraufhin, fünf von jenen Schiffen die Ausfahrt zu gestalten. Paris, 8. Mai. Gegenüber Behauptungen, welche in einem von Hongkong an ein auswärtiges Nachrichten-Bureau gerichteten Telegramm enthalten waren, erklärt eine Note der „Agence Havas", daß die f r a n z ö s i s ch e N e g i e r u n g sich nicht nur keines Verstoßes gegen die Grundsätze der Neutralität schuldig gemacht habe, son dern daß sie vielmehr, nachdem sie an alle ihre Zivil- und Militärbeamten ganz genaue Instruktionen zur Anwendung dieser Grundsätze geschickt hatte, nicht aufgehört habe, die Ausführung derselben zu überwachen. London, 8. Mai. Die Erregung der Japaner über die Duldung und Unterstützung der russischen Flotte in den französischen Gewässern hat nach TvkioterMeldungeneinen gefährlichen Grad erreicht. Die vereinigten Handelskammern Japans sind im Begriff, alle Geschäftsverbindungen mit französischen Finnen abzubrechen. Die Ent rüstung gegen Frankreich ist eben so groß wie die gegen Rußland kurz vor Ausbruch des Krieges. Die Blätter fordern die Beschießung eines franzö sischen Hafens und zitieren mit wachsender Ungeduld das japanisch-englische Bündnis, dessen casiw foccleris durch die materiell feindselige Haltung Frankreichs gegeben sei. Die hiesige Negierungspresse sucht be- schwichtigend zu bewirken, indem sie einerseits Frankreich seine Neutralitätspflichten vorhält, was den „Times" zufolge durch Lord Lansdowne be reits Herrn Delcasse gegenüber mit Nachdruck ge schehen iväre. Vor allem aber ermahnt sie anderer seits die Japaner zur Geduld und Nachsicht. Die Blätter weisen darauf hin, daß, wenn Japan Frankreich jetzt als kriegführende Macht behandeln würde, ganz Europa in den Kampf verwickelt werdin müßte. Die Japaner möchten also ihren an sich zweifellosen Rechtsstandpunkt lieber nicht zu energisch vertreten. Paris, 8. Mai. In einer Unterre düng mit dem Minister Delcasse sprach der japanische Gesandte, ohne einen formellen Protest seiner Regierung vorzubringen gegen die angebliche Neu tralitätsverletzung seitens Frankreichs zugunsten der russischen Flotte nichtsdestoweniger von den aus Indochina eingegangenen Mitteilungen inbetreff des Verweilens des russischen Geschwaders in französischen Gewässern und den Erleichterungen, welche es behufs seiner Konzentrierung und Ver proviantierung dort gefunden habe. Delcassö erneuerte die bereits früher abgegebenen und heute durch eine offizielle Note bekräftigten Erklärungen und gab dem Gesandten die Versicherung, daß Frankreich willens sei, peinlich genau die Neutralität zu wahren und daß den französischen Behörden in Indochina formelle Instruktionen in diesem Sinne erteilt worden seien. Petersburg, 8. Mai. General Linewitsch meldet dem Kaiser unterm 7. d. M.: Am 4. Mai drängte japanische Reiterei vorgeschobene Kavallerie teile unserer rechten Flanke zurück. Petersburg, 8. Mai. Auf der ganzen Front ist eine lebhafte Bewegung feindlicher Patrouillen bemerkbar. Auf der rechten Flanke der Japaner nahm Infanterie und Kavallerie Sanligan. Die Kosaken gingen unter dem Druck von japanischer Reiterei und Chunchusen auf das linke Ufer des Dubliaoho zurück. Chinesen behaupten bestimmt, daß eine größere japanische Abteilung an der Küste Koreas in der Richtung auf Kirin vorgeht. Tokio, 8. Mai. Die Regierung ist damit be schäftigt, die Pläne fertigzustellen, nach denen in den von den Japanern besetzten Gebietsteilen der Mandschurei der Ersatz der Militärverwal tung durch Zivilverwaltung stattfinden soll. Offi ziere der Armee bleiben nach wie vor an der Spitze der Verwaltung und sollen durch Zivil-Sachverstän-, dige und Zivil-Polizeigcwalt unterstützt werden Man erwartet, daß General Kamio zum Ver-I weser von Liaotung ernannt werden wird. Die Verweser für das Mandschurei-Gebiet sind noch nicht bestimmt. Zur Deckung der Verwaltungskosten sollen ausreichende Steuern erhoben werden. MW! London, 9. Mai. Dem „Daily Telegraph" wird aus Tokio vom 8. d. M. gemeldet: Im Dezember des vergangenen Jahres bot Japan durch Vermittelung des Gesandten der Vereinigten Staaten in Petersburg der russischen Regierung den A u s- tausch von Gefangen en an. Vor einigen Tagen nun hat der französische Gesandte in Tokio im Namen der russischen Regierung dieses Anerbie ten angenommen. Die Loge in Rußland. Petersburg, 8. Mai. In Terricke (Finn land) hat gestern ein russischer Jngenieur- k 0 ngreß stattgefunden, dessen Abhaltung in Rußland verboten war. An demselben nahmen 120 Ingenieure teil. Nach Verlesung eines Mani festes der sozialdemokratischen Partei, in dem die Intelligenz aufgefordert wird, ihre Sympathie für die Sozialrevolutionäre durch die Tat zu beweisen, wurde beschlossen, dieser Aufforderung Folge zu leisten und an der Maifeier der Arbeiter teilzunehmen. Moskau, 8. Mai. Die Konferenz der S e m st w 0 v e r t r e t e r hat sich einstimmig da gegen erklärt, daß die Wahlen zur Volks vertretung auf ständischer Grundlage erfolgen. Auch gegen allgemeine, geheime Wahlen erklärten sich viele Vertreter; sie betonten, dabei würden die Bauern wegen ihrer geringen politischen Bildung unter den Einfluß der Verwaltung und der Landes hauptleute gelangen. Moskau, 8. Mai. Der Semstwo- k 0 ngreß sprach sich in seiner heutigen Sitzung mit 127 gegen 8 Stimmen für das allgemeine S t i m m r e ch t aus, mit 87 gegen 49 Stimmen ür direkte Wahlen und mit 107 gegen 29 Stimmen für die Bildung von 2 Kammern. Moskau, 9. Mai. Der Kongreß der Sem- twovertreter verwarf den beratenden Cha rakter der Volksvertretung mit allen gegen 13 Stimmen. Tiflis, 8. Mai. Als Militär in Ische mati im Kreise Schorapan 2 Personen wegen Mord versuches verhaftete, wurde es von der bewaff neten Bevölkerung angegriffen. Die Truppen töteten und verwundeten etwa 20 der Angreifer. Friedrich Schiller. Ueberall in der Welt, wo Deutsche wohnen, denkt man heute in dankbaren Feiern des großen Toten, der in der Fürstengruft zu Weimar an der Seite Goethes den ewigen Schlaf schläft. Hundert Jahre sind heute in die Welt gegangen, seit er seinem Volke genommen ward, mitten in der Zeit des politischen Brausens und Werdens ist er von uns gegangen, in der großen Zeit, die den ersten Schritt verwirklichen sollte zur Einheit Deutsch lands. Und dankbar zugleich und pietätvoll stehen wir am Sarge des Mannes, der in glühender Be geisterung von seinem Deutschtum und von der Freiheit sang! Auch in unserer Stadt ging der Tag nicht vorüber, ohne daß den Manen Schillers auch äußerlich gehuldigt wurde. Als erster beging gestern Abend der Bezirkslehrerverein den Todestag des Dichters durch eine würdige, ge haltvolle Feier im Saale der „Drei Schwanen". Dicht gefüllt zeigten sich die Räume, als kurz nach 7 Uhr Mendelssohn's „Festgesang an die Künstler" unter Leitung des Herrn Kantor Fischer in dem ewig schönen Gleichmaß, zu dem Dichter wie Tonsetzer vereint beigetragen, unter lautloser Stille der zahlreich Versammelten erklang. Alsdann trat die Lehrerin Frl. von Harleßem» Gersdorf vor den Vorhang der Bühne, um frei aus dem Gedächtnis die Feier mit folgendem Prolog, der in seinem tiefen Gedankenreichtum und seiner Formenschöne von Herrn Schuldirektor Patzig herrührt, zu eröffnen: