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Lohnabzug Entscheidung des Mainzer Gewerbegerichts. Nachdruck verboten Ein Arbeiter hatte seinem Arbeitgeber gehörige Gegen stände entwendet, wurde dafür ohne Gehaltszahlung sofort ent lassen und durch rechtskräftiges Strafurteil zu einer Woche Ge fängnis verurteilt. Von der Klageforderung auf Zahlung des verdienten Lohnes wollte der beklagte Arbeitgeber den Wert der gestohlenen Sachen abziehen. Das Gewerbegericht hat ihn jedoch dazu nicht für befugt’ erklärt und ihn aus folgenden Gründen zur Zahlung des vollen Lohnes verurteilt. »Rechtlich stellt sich nämlich ein solcher Abzug als Aufrechnung oder als eine Geltendmachung des sog. Zurückbehaltungsrechts dar. Auf rechnung gegen die unpfändbare Lohnforderung des Arbeiters ist jedoch nach § 394 BGB unzulässig. Aber auch das Zurückbehaltungsrecht steht dem Arbeit geber nicht zu. Dazu ist nämlich nach § 273 BGB Voraus setzung, daß der Anspruch, dessentwegen das Zurückbehaltungs recht ausgeübt wird, auf demselben rechtlichen Verhältnis be ruht. Dem Lohnanspruch des Arbeiters gegenüber berechtigen also nur Ansprüche des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis zur Einbehaltung eines Teils des Lohns. Dieser Fall liegt z. B. vor, wenn der Arbeiter widerrechtlich die Arbeit verläßt und der Arbeitgeber hieraus Schadenersatzforderungen herleiten kann. Ersatzansprüche wegen Diebstahls sind aber keine An sprüche aus dem Arbeitsverhältnis.« Will also der Arbeitgeber seinen Schaden von dem un getreuen Arbeiter ersetzt haben, so muß er ihn vor dem Amts gericht verklagen. Auch ein Vorgehen auf Grund § 119 a GO, wonach vorher ausbedungene Lohneinbehaltungen zur Siche rung des Ersatzes eines aus der widerrechtlichen Auflösung des Arbeitsverhältnisses erwachsenden Schadens gestattet sind, ist in einem solchen Fall nicht zulässig, da danach der Arbeiter das Arbeitsverhältnis auflösen muß, während hier die Auflösung durch den Arbeitgeber erfolgt ist, wenn auch der Arbeiter die Veranlassung dazu gegeben hat. Hier ist eine offenbare Lücke im Gesetz; es ist kein Grund ersichtlich, diesen Fall aus § 119a GO auszuscheiden. Sch—ck. Haftung des Ladenbesitzers Reichsgerichts-Entscheidung. Nachdruck verboten Der 14jährige Hausbursche des Kaufmanns H. in M. wollte am 18. Oktober 1904 den Schaufenster-Vorhang am Verkaufs laden herablassen. Dabei glitt ihm die Stellkurbel aus der Hand und aus dem Zapfen, der Vorhang fiel herab und ver letzte den vorübergehenden Kaufmann B. am Kopf. B. verlangte infolgedessen von H. einen Schadenersatz von 5000 M. sowie gerichtliche Feststellung, daß H. verpflichtet sei, ihm auch für die weiterhin noch eintretenden Folgen des Unfalls Schaden ersatz zu leisten. Das Landgericht verurteilte den Beklagten, dem Kläger den Schaden zu ersetzen, der ihn im ersten Monat durch gänzliche und in den drei folgenden Monaten durch teilweise Erwerbsunfähig keit entstanden war. Auf die Berufung des Beklagten erkannte das Oberlandesgericht Kolmar den Anspruch für bare Auslagen, Schmerzensgeld und Erwerbsunfähigkeit in dem von dem Land gericht festgestellten Umfange für gerechtfertigt an, wies im übrigen aber die Berufung des Klägers und die Anschluß berufung des Beklagten zurück. Gegen dieses Urteil hatte der Kläger Revision und der Be klagte Anschlußrevision beim Reichsgericht eingelegt. Der VI. Zivilsenat erkannte auf Zurückweisung beider Revisionen, indem er dazu folgende Entscheidungsgründe gibt: »Die An schlußrevision des Beklagten leugnet mit Unrecht, daß Beklagter für den Schaden des Klägers hafte. Nach der Feststellung des Landgerichts, dem das Berufungsgericht beigetreten ist, war der Hausbursche, den der Beklagte mit dem Herablassen des Vorhangs beauftragt hat, zu jung, zu klein und zu schwächlich, um die Hebelvorrichtung des Vorhangs, die ziemlich hoch saß, und deren sichere Bedienung die Körperkraft eines Erwachsenen erforderte, zu handhaben. Ohne Rechtsirrtum hat das Be rufungsgericht daher angenommen, daß der Beklagte bei Aus wahl des Hausburschen zu der ihm übertragenen Verrichtung die gebotene Sorgfalt nicht beobachtet hat — § 831 BGB. Ob der Beklagte auch wegen Mangelhaftigkeit der Hebelvor richtung aus § 831 oder § 823 Absatz 1 BGB ersatzpflichtig sein würde, kann hiernach auf sich beruhen.« (20. Februar 1908. Akt.-Z. VI. 353/07.) K. M.-L. Sofortige Entlassung des Buchhalters Entscheidung des Barmer Kaufmannsgerichts »Gehen Sie bin, wo Sie hergekommen sind«, diese Redeweise gebrauchte ein Fabrikant in Barmen seinem Buchhalter gegen über, als es bei den Bilanzarbeiten zwischen beiden zu Aus einandersetzungen kam. Der Buchhalter befolgte den Ratschlag seines Prinzipals und verließ sofort seine Stellung. Später klagte er gegen seinen Prinzipal wegen rückständigen Gehalts und Schadenersatz in einer Gesamthöhe von 625 M. Da er aber versäumt hatte, der betreffenden Firma seine Dienste zur Ver fügung zu stellen, billigte ihm das Kaufmannsgericht nur das Gehalt für einen Monat zu. — t. Briefkasten Der Frage muß io Pf.-Marke beiliegen. Anonyme Anfragen bleiben unberücksichtgt Antwort erfolgt ohne Gewähr. Kostenfrei nur, wenn Abdruck ohne Namen gestattet Entlassung des Reisenden 9241. frage: Was habe ich von meinem bisherigen Dienst geber noch zu beanspruchen, wenn der Fall wie folgt Hegt: Seit 3 Jahren im gleichen Hause, erst als Korrespondent, seit Jahresfrist als Reisender mit Vertrauensspesen angestellt, er suchte ich am 1. November 1907 mein Haus von der Reise aus um einen 14tägigen Erholungsurlaub. Die ablehnende Antwort der Firma vom 2. November 1907 erhielt Ich erst am 10. No vember 1907 im Krankenhause, wohin ich wegen Nervenleidens gebracht wurde und bis zum 4. Dezember 1907 weilte. Am 14. November 1907 schreibt mir mein Haus u. a.: »Da der bisher von Ihnen bekleidete Posten offenbar für Sie zu anstrengend ist, und ich die Verantwortung nicht auf mich nehmen kann, daß Sie vielleicht in kurzer Zeit zum 3. Mal erkranken, nehme ich an, daß Sie bereits aus meinem Geschäft ausgetreten sind. Es hätte dieser Benachrichtigung überhaupt nicht bedurft, ich fühle mich aber dazu verpflichtet, damit Sie sich bei Zeiten nach einem geeigneteren Wirkungskreis umsehen können.« Ich war vor Jahresfrist 8 Wochen krank. Ich antwortete am 16. November, mit einer Entlassung nicht einverstanden zu sein, wohl aber mit dem Stellenaustritt, bei Gehaltszahlung bis Ende Dezember 1907 und einem gleich datierten Zeugnis. Darauf erhielt ich keine Antwort. Nach wiederholtem Drängen kam am 19. Dezember ein Schreiben, in welchem Spesenverrechnung verlangt wird mit der Bemerkung, »es wird sich zeigen was ich weiter für Sie tun kann*. Ich rechnete dann am 21. Dezember ab bei einem Tagessatze von 15 M. 50 Pf. für Reisen in Württemberg und erbat an Gehaltsrest für November- Dezember 400 M. Auf wiederholte Bitten um Erledigung kommt mir unterm 6. Januar ein Schreiben zu, in dem es zum ersten Male heißt: »Ich habe schon genügende Opfer gebracht und kann Ihnen deshalb den von Ihnen gewünschten weiteren Be trag nicht geben. Nach § 70 HGB haben Sie vom 1. No vember 1907 an keinerlei Ansprüche mehr an mich. Ich will jedoch, um Ihnen zu helfen, 150 M. geben, wenn ich umgehend Ihre Erklärung empfange, daß nach Bezahlung dieser Summe alle Ihre Ansprüche jeglicher Art an mich erledigt sind.« Mein Monatsgehalt betrug 250 M. und über die Kündigung war nichts vereinbart, sonach gilt die handelsgesetzliche. Das wiederholt erbetene Zeugnis steht noch immer aus. Bin ich, da mein Haus die Verrechnung vom 2 t. Dezember nicht aner kannte, nicht auch noch berechtigt, den persönlichen Spesen anteil über den 31. Oktober hinaus zu verrechnen, also etwa 2 M. für den Tag? Ich habe die Verrechnung bis zum 31. Ok tober nur unter Vorbehalt der glatten Anerkennung erteilt. Antwort: Nach der Darstellung des Fragestellers war sein Dienstgeber nicht berechtigt, ihn am 14. November ohne Kündigung zu entlassen, jedoch kann die Mitteilung der Entlassung als Ersatz für die gesetzmäßige Kündigung zum Vierteljahrsschluß gelten. Wenn Fragesteller bei früheren Abrechnungen 15 M. 50 Pf. Tagesspesen verrechnet hat, so war er berechtigt, auch für die Reisetage in der Schluß abrechnung diesen Satz anzuwenden. Für die Tage des Nichtreisens jedoch, in welchen auch die Krankheitstage inbegriffen sind, kann er nur sein Gehalt berechnen, denn da er keine festen, sondern nur Vertrauensspesen hatte, durfte er nur die wirklichen Auslagen verrechnen, konnte also nichts ersparen. Aufrechnung 9242. frage: Eine in Konkurs geratene Firma hatte mir gegenüber noch Lleferungsverblndlichkeiten, war jedoch zur Lieferung nicht imstande. Ich mußte mich zu höheren Preisen anderweitig eindecken. Bin ich berechtigt, mein Guthaben von einer Forderung, die die Konkursfirma an mich hat, abzuziehen, oder muß ich die Forderung beim Konkursgericht anmelden? Genießt sie ein Vorrecht? Der Konkursverwalter verweist mich auf den Weg der Klage. Antwort: Die Forderung des Fragestellers an die Konkursmasse stammt aus einem kanfmännischen Lieferungs- gescbäft und ist daher nicht bevorrechtigt. Die Forderung der Konkursmasse an den Fragesteller muß seitens des Fragestellers vollinhaltlich bezahlt werden, während er für seine Forderung an die Konkursmasse nur in demselben Maße befriedigt wird wie alle andern nicht bevorrechtigten Gläubiger.