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ist. Sollte es da nicht unsere Sache sein, dieses königlichen Wortes sich zu erinnern und in evange lischer Treue die weitere Entschließung abzuwarteu? Unsere Hoffnung wird ganz sicher nicht getäuscht werden! Der folgende Redner, k. Kröber-Leipzig hat der Versammlung beigewohnt, in welcher der Wunsch aus gesprochen wurde, daß die königliche Familie sich der Theilnahme an den Processionen enthalten möchte. Der damalige Redner habe auf die Beschlüsse des Tridentiner Conzils verwiesen, nach denen mit der Frohnleichnamsprocession eine direkte Beschimpfung der „Ketzer", also auch der evangelischen Sachsen, beab sichtigt ist. AuS diesem Grunde sei der Wunsch ge äußert worden. Professor Rietschel begründet nunmehr die vom Vorstande der Conferenz verfaßte Resolution, worau Geheimer Kirchenrath Pank das Wort zu solgenden Ausführung:n nimmt: „Wenn es zu der gewünschten Interpellation in der Ersten Kammer nicht gekommen ist, so sind dafür von vornherein zwei Umstände folgenschwer gewesen. Der eine: daß die Angelegenheit überhaupt erst in den letzten, überlasteten Tagen des Landtages an diesen gekommen ist. Der andere: daß der .Tageblatt"-Artikel zwar allen Mitgliedern der Zweiten Kammer, nicht aber denen der Ersten Kammer zu geschickt worden war. In der Ersten Kammer wußte man noch gar nichts von der Sache, als bereits Mit glieder der Zweiten Kammer wegen Einbringung einer Interpellation ihrerseits sich mit dem Herrn Kciegs- minister in Verbindung gesetzt hatten. War schon da durch zu unserem Bedauern ein Vorgehen in der Ersten Kammer vorläufig geschäftlich unthunlich ge macht, so noch mehr nachher durch den Ausgang der von jener Seite gesührten Jnterpellationsverhandlungen. Denn nach Einsicht in die geltenden Instruktionen u. s. w. hat man in der Zweiten Kammer von einer Interpellation, zu deren Beantwortung der Herr Kriegsminister bereit gewesen war, Abstand genommen. Dieser Gang der Dinge und die Gepflogenheiten des Landtages in solchen Fällen, vor Allem der unmittel bar bevorstehende Schluß des Landtages machten weitere Versuche, doch noch eine Interpellation in der Ersten Kammer einzubringen, scheitern. Was die Sache selbst betrifft, so erachten wir — um es ganz kurz zu sagen —, daß die Befehligung von Soldaten zu dem in Frage kommenden Dienste, bei dem eine Kniebeugung überhaupt ausgeschlossen ist, nicht anzu- sechten sei, wenn ihnen durch ausdrückliche Bekannt gabe der geltenden Bestimmungen kein Zweifel ge- lassen wird, daß ihr Dienst nicht dem „Sanctissimum", sondern Seiner Majestät dem Könige und den Mit gliedern des königlichen Hauses gilt. Wir halten es aber für einen berechtigten Wunsch, daß evangelische Kadetten von der Kniebeugung bei katholischen gottes dienstlichen Feiern befreit, wenn möglich, diesen über haupt fernbleiben. Wir hegen die Hoffnung, daß es dem Herrn Kriegsmmister bei seinem ernsten Bestreben, den Interessen der evang.-lutherischen Landeskirche Rechnung zu tragen, gelingen werde, eine allseitig befriedigende Erledigung der Angelegenheit herbeizusühren, wiewohl wir nicht verhehlen können, daß durch die fortgesetzten Erörterungen in der Presse eine solche Erledigung nicht gefördert wird. Nächster Redner ist Dr. Kühn-Leipzig: Das evangelische Gewissen müsse geweckt werden. (Bravo!) Wenn die Zahl der katholischen Soldaten in Dresden so groß ist, daß eine besondere Kirche sür sie gebaut werden muß, so werden sie auch zum Kirchendienste zureichen. (Sehr richtig!) — Pastor Kröber: Wenn das Landeskonsistorium glaube, daß die Gewissen der evangelischen Soldaten nicht bedrückt worden sind, so irre es. Von Soldaten und Offizieren sei die Sache zur Sprache gebracht worden. Der schlichte Mann werde doch sagen, daß er vor dem Sanktissimum präsentiren müsse. (Zustimmung!) Der Behauptung gegenüber, daß die Sache aufgebauscht worden sei, berufe er sich aus die Apologie. (Bravo!) Es ist Widerspruch erhoben, aber er ist nicht beachtet worden. („Nun grade nicht!") Das Konsistorium habe doch wohl nicht Grund, den Männern zu zürnen, welche die öffentliche Meinung aufmerksam gemacht haben. Das Konsistorium habe nun die ganze Landeskirche hinter sich und das habe es er Preßagitation zu danken, die es jetzt verurtheilt. Es ist vom Kriegs minister erklärt worden, daß die Kadetten nicht stehen bleiben können. Wie könne man auch von diesen jungen Leuten so viel moralischen Muth verlangen, daß sie allein stehen bleiben, wo alles niederfällt. Er könne daher dem Wunsche Panks, weitere Er- örterungen in der Presse zu uiüei lassen, seinerseits keine Erfüllung in Aussicht stellen. Wir sind ver pflichtet, die Sache immer wieder zur Sprache zu bringen. Die Agitation sei nicht leidenschaftlich geführt worden. Der Jnterpellationsversuch in der Zweiten Kammer sei seines Wissens da,an gescheitert, daß die Hauptfrage, bezüglich der Kadetten, vor dem Kriegs minister nicht zur Sprache gekommen sei. Er giebt seinem Bedauern Ausdruck, daß die Angelegenheit nicht in der Ersten Kammer zur Sprache gekommen ist. Eine gleich scharfe Tonart schlug, oft von Bei fall unterbrocheu, ?. Fischer an, der die vom Vor stande verfaßte Erklärung sehr zahm findet. Professor Kirn-Leipzig vertheidigt dieselbe. Geh. Kirchenrath Pank stellt ausdrücklich fest, daß auch er das Nicht zustandekommen der Interpellation in der Ersten Kammer bedauert. Kvnsistorialrath Heinrici-Leipzig nimmt ebenfalls einen vermittelnden, versöhnlichen Standpunkt ein. Jetzt seien alle evangelischen Christen über die Ansichten des Tridentiner Konzils unter richtet, vorher hat Niemand etwas davon gewußt. Mau solle auch nicht vergessen, wie das Königshaus, das, obwohl anderen Bekenntnisses, doch stets wohl wollend dem evangelischen B'kenntniß gegenüber gestanden habe, über die Sache urtheile. Ein Versuch des Redners, die durch verschiedene Anträge aus der Mitte der Versammlung verschärfte Resolution in der ursprünglichen Fassung zur Annahme zu bringen scheiterte. Die Schlußabstimmung ergab Annahme folgender Resolution gegen 13 Stimmen: „Erklärung: In der unsere evangelisch-luthe rische Landeskirche bewegenden und beunruhigenden Angelegenheit, die Heranziehung evangelischer Sol daten zum Spalierbilden und Präsentiren und evan gelischer Cadetten zum Pagendienste bei den am Charsonnabend und Fronleichnamsfeste in der katho lischen Hoskirche in Dresden stattfindenden Prozes sionen fühlt sich die Conferenz zu folgender Er klärung verpflichtet: 1. Das als unbedingte Autorität der römisch-katholischen Kirche geltende Tridentiner Konzil erklärt unter Bezugnahme auf die Fronleich namsprozession: „Es war nöthig, daß die Wahr heit als Siegerin über die Lüge und Ketzerei einen Triumphzug veranstaltete, damit ihre Gegnerin beim Anblick so großen Glanzes und in solche Freudigkeit der gesammten Kirche versetzt, entweder geschwächt und gebrochen erbleichen oder von Scham ergriffen und vcrwirrt endlich wieder zu Verstände komme." (Sess. Xlll, Kap. 5.) Es ergiebt sich daraus, daß auch die dienstlich geforderte Mitwirkung an einer solchen Feier zu einer schweren Belastung eines lebendigen evangelischen Gewissens werden muß, da das evangelisch-lutherische Bekenntniß die Theilnahme an Prozessionen aufs Schärfste verurtheilt. 2. Wir beklagen aufs Lebhafteste, daß nach der offiziösen Erklärung des „Dresdner Journals" Cadetten evangelischer Confession zur Prozession befohlen worden sind und halten für nothwendig, daß von der Abordnung von Personen evangelischen Bekennt nisses, insbesondere von der Verwendung evange lischer Cadetten zum Pagendienst bei den Prozes sionen selbst Abstand genommen werde, zumal dabei die Kniebeugung (nach der oben angezogenen Er klärung des „Dresdner Journals") gar nicht unter lassen werden kann." Die im letzten Theile ziemlich lebhaft gewordene Sitzung — auch die Uebertritte im sächsischen Adel und anderes waien zur Sprache gekommen — wurde darauf nach fünfstündiger Dauer mit Gesang und Gebet geschlossen. — In der am Mittwoch abgehaltenen 3. dies jährigen Sitzung des Bezirksausschusses fanden Geneh migung: die Schankerlaubnißgesuche Jhle's in St. Egidien — für die Kegelbahn —, Zimmermann's in Gersdorf, Junghanns' in Callnberg, Thost's in Callen- berg — für den Saalanbau —, Kretschmar's in Lan genchursdorf — für den Garten und Kegelschub —, Howorka's in Oberlungwitz — für die vergrößerte Gaststube —, Leistner's in Hohndorf — für den Ver änderungsbau —, der verehel. Modes in Rödlitz — für einen Tanzsaal Rau's in Langenberg, Har zendorfs in Niederlungwitz, Friedrich's dort, Oeser's in Rüsdorf und Riedel's in Gersdorf, ferner das Gesuch Schwalbe's in Heinrichsort um Erlaubniß zur Veranstaltung von Marionettentheatervorstellungen, die Dispensationsgesuche Kunath'S in Oberlungwitz, der politischen Gemeinde Gersdorf und Freitag's in Mülsen St. Micheln in Dismembrationssachen, sowie das Re gulativ über die Erhebung einer Abgabe von Lustbar keiten in Hohndorf und die Vereinbarung über die Veränderung der Bezirksgrenzen zwischen Langenberg und Oberlungwitz; ebenso soll die Genehmigung des Regulativs über Erhebung von Besitzveränderungs abgaben zur Gemeinde-Armen- und Schulkasse in Niederlungwitz befürwortet werden. Dagegen erfuhren Abweisung: die Schankerlaubnißgesuche Brunner's in Gersdorf, Hermsdorfs in Grumbach — sür den Gast zimmer-Anbau —, Unteutsch's in Hohndors und Weber's in Langenberg. — Der Bericht der Veterinärcommission auf die Zeit vom 1. bis 15. Mai zählt 25 neue Fälle d,s Ausbruchs von Maul- und K.auenscuche im Lande auf; der Bezirk der König!. Amtshauptmannschaft Glauchau ist mit 6 Fällm (in Niederschindmaas, Dennheritz, Seiferitz, Hermsdorf und Uhlmannsdorf) aufgeführt. Der Ausbruch der Seuche in Hermsdor; und Uhlmannsdorf wird auf Ansteckung durch Per sonenverkehr zurückgeführt, in den anderen Fällen han delt es sich um aus Sachsen-Altenburg eingeführte kranke Rinder. Weiter verzeichnet der Bericht 5 Fälle von Milzbrand, davon einen in Hohndorf, einen Fall von Rauschbrand (im Ansprung) und 5 Fälle von Tollwuth (in Lindenau, Wildberg, Borstendorf, Blo- senberg und Glauchau). Lichtenstein Callnberg. Auf dem dies- jährigen Frühjahrsmarkt, der am Donnerstag abgehalten wurde, erschienen auch zwei Jahrmarktsverkäuferinnen Frau verw Friedrich aus Bernsbach und Frau verw Ficker von dort, welche den hiesigen Markt nunmehr seit 50 Jahren beziehen. Die städtische Behörde hatte es sich nicht nehmen lassen, die zwei Jubilarinnen zu be- glückwünschen und ihnen die angenehme Mittheilung zu machen, daß sie von nun an der Entrichtung des Stätte geldes enthoben seien. Die Verkaufsstände der beiden waren übrigens grün geschmückt und zeigten ein Schild mit der Zahl 50 in großer Goldschrist. — Einen bitteren Verlust hatte übrigens ein Marktbesucher, Gastwirth Pfeifer aus Schlunzig, zu erleiden. Er hatte sein Rad im Johannisgarten eingestellt und hielt es dort in Gesell- schäft von 11 anderen völlig sicher. Als er heimsahren wollte, war dasselbe verschwunden — gestohlen. Auch ein zweites, dem Herrn Kretzschmar aus Mülsen gehöri ges Rad war verschwunden, doch wurde dasselbe im Garten des Hasses hinter einem Strauch vorgefunden. Es ist anzunehmen, daß ein Dieb beide Räder über die Umfriedigung geschafft hat, darauf das beste und schönste Rad in Sicherheit brachte, um später auch das zweite zu holen — Zur Theilnahme am Kirchenkonzert zum Erzgeb. Sängerfest in Chemnitz haben sich ca. 1000 Sänger (991) gemeldet. Für das weltliche Konzert beträgt die Zahl der Sänger 2203. Einige Vereine stehen mit der Anmeldung noch aus. Am vorigen Mittwoch fand die erste Vorprobe statt. Das Resultat war befriedigend Der Bundesliedermeister, Herr Kantor Winkler, gedenkt ferner Proben abzuhalten in Annaberg, Augustusburg, Lichtenstein Callnberg, Ernstthal Frankenberg, Hartmanns darf, Meerane, Mittweida, Oelsnitz, Olbernhau und Waldheim und erhofft ein günstiges Resultat von der aufgewendeten Mühe. — Der frühere socialistische Redakteur Frehse in Zwickair ist wegen schwerer Beleidigung zu 1 Jahr Gefängniß verurtheilt worden. Er hatte sich bekanntlich dort drei Frauen gegenüber als Arzt ausgegeben und sie in schamlosester Weise untersucht und belästigt. — Das in Zwickau verstorbene Fräulein Rau hat für gemein nützige Zwecke 33,000 Mk. hinterlaßen. — Zwickau, 19. Mai. Bei der Aufstellung einer Maschine stürzte heute der Kupferschmiedgehilfe Holey auS einer Höhe von 6 Meter herab und erlitt lebens gefährliche Verletzungen, denen er im Kranken- Hause erlag. — Meerane. Die Arbeiterzählung am 1. Ma' wies in den hiesigen Fabriken einen Bestand von 30(1 männlichen und 2271 weiblichen Arbeitern, zusammen also 5271 Personen aus. Da am 1. Mai v. I. 5449 Arbeiter gezählt worden waren, ergiebt sich eine Abnahme von 178 Arbeitern — Die Herren Max Götze und Carl Müller erbauen in der Feldstraße ein neues Fabrik gebäude, um darin eine mechanische Weberei zu errichten unter der Firma Götze L Müller. — Die augenblickliche Geschäftslage ist nicht sehr flott. Der Rückgang der Wollpreise hat deprimirend gewirkt. Export-Geschäft ist recht flau geworden und einzelne Fabriken müßen ziem lich stark darunter leiden, daß der Eingang von Export- Aufträgen so schwach ist. Das deutsche Geschäft hat sich noch leidlich entwickelt, so daß man wenigstens damit weniger Anlaß zu Klagen hat. Pegau, 18. Mai. Ein schreckliches Unglück ereignete sich gestern Nachmittag in Audigast. Mit dem Abbruch eines alten Scheunengebäudes beschäftigt, wurden der Schmiedemeister Hitzschke und der Maurer Röder von einer einstürzenden Mauer erschlagen. Die Verunglückten waren sofort todt. Hitzschke hinter läßt 8 Kinder. — Thum, 17. Mai. Beim Abbruch eines Ge bäudes waren 2 Arbeiter beschäftigt, eure Mauer zu unterminiren, um dadurch schneller zum Ziele zu kommen. Trotzdem der Baumeister diese Art des Ab bruchs aufs Strengste verboten und kurz zuvor au die gefährliche Lage aufmerksam gemacht und gewarn hatte, untergruben sie weiter. Beim Lockern eines Steines senkte sich die Mauer plötzlich; der jüngere Arbeiter konnte sich retten, doch der 68 Jahre alte Traugott Oelmann war nicht schnell genug, die stürzende Mauer erfaßte und überschüttete ihn. Nach- dem schnell hcrbeigeeilte Leute die Steine hinweggeräumt hatten, wurde der Unglückliche todt hervorgezogen. — Dresden, 18. Mai. Ein furchtbares Fa miliendrama hat sich in den heutigen Morgenstunden im Hause Strieseuerstraße 2. Stock, zugetragen. Der dort wohnhafte Tischlermeister Karl Goldammer, der sich in letzter Zeit in Zahlungsschwierigkeiten befand und sich wiederholt bemühte, zur Einlösung fälliger Wechsel Geld zu beschaffen, faßte mit seiner etwa 50 Jahre alten Ehefrau und feiner 18jährigen blühenden Tochter den Entschluß, gemeinsam zu sterben Er gab sich durch Erhängen in der Wohnstube den Tod, während Frau und Tochter sich mittels Rasirmessers an den Händen die Pulsadern öffneten. Als heute Vormittag die Wohnung geschlossen blieb und das Frühstückssäckchen vor der Thür nicht entfernt wurde, schöpften Hausbewohner Verdacht und ließen die Korri- dorthür polizeilich öffnen. Die beiden Frauen sand man noch lebend, doch ohne Bewußtsein aus den Dielen liegend in B. Machen vor. Der etwa 53 Jahre alte Tischler hatte bereits sein Leben geendet. Ein hinzu gekommener Arzt schloß die klaffenden Wunden an den Handgelenken der beiden Frauen und brachte diese zum Bewußtsein zurück. — Stenn, 17. Mai. Durch hereinbrechendes Gestein verunglückte gestern Vormittag im Bauer'schen Steinbruch der 60 Jahie alte Arbeiter Demmler der art, daß er einen Schenkelbruch, Rippenwuch und außerdem noch schwere, innere Verletzungen daoontrug, in deren Folge Bluterguß in die Lunge eintrat. Der Verunglückte konnte in Folge seines äußerst kritischen Zustandes nicht nach dem Zwickauer Kreiskrankenstift überführt werden und wird sein Auskommen stark be zweifelt. — Weister Hirsch. Als am Mittwoch Nach mittag der hier verstorbene Gärtner und Altersrenten empfänger Otto beeidigt werden sollte und die An verwandten sich zum letzten Gange anschickten, Zellte es sich heraus, daß aus Versehen noch kein Grab gegraben worden. Der Todlengräber wurde erst durch das Erklingen des Todtenglöckleins aufmerksam ge macht, daß auf dem Friedhöfe Jemand zur letzten Ruhe gebettet werden solle. Der Herr Geistliche gab sofort Anordnung zur Bereitung des stillen Kämmer leins, und nachdem die Leidtragenden in einem nahen Restaurant bis gegen ^6 Uhr gewartet, war es möglich, dem Todten die Ruhestätte einzuräumsn. — Leipzig, 18. Mai. Bei der heute Morgen in der Flora anläßlich des hier ausgebrochenen Bäckerstreiks abgehaltenen Versammlung wurde kvnstatirt, daß zur Zeit 250 Bäckergehilfen streiken Es arbeiten zu den neuen bewilligten Bedingungen 161 Gehilfen, zu den alten nur 5. 50 Gehilfen wollen abreisen. — Bon den Alteuburpischeu Landwirthen wird zur Zeit lebhaft über die Ueberhandnahme der sog. Bornaischen Pferdekrankheit Klage geführt. Fälle da von sind g meldet aus Rübden, Thonhausen, Pahna, Oberlödla und Serbitz im Ostkreis, sowie aus Fried- »ichlslanneck und Gösen im Westkre s. — Greiz, 16 Mai. Eine Zählung der leer 'tchenden Stühle in einer größeren bekannten mechanischen Weberei ergab das Resultat, daß von ca 850 vorhande nen Webstühlen 342 leer stehen. Von den Arbeitern ar beiten 9l an nur einem Stuhl. Theils ist abgearbeitet auf dem einen Stuhl, theils noch Kette darauf, darf aber wegen Ueberproduktion nicht weiter gearbeitet werden. Man braucht sich daher nicht zu wundern, daß so viele Arbeiter unserer Stadt den Rücken kehren und sich ander wärts Arbeit suchen. LilgetzzeWichtk. Deutsches Keich. Mannheim, 17. Mai. Die Torpedoboots division ist, von Worms kommend, im Frankenthaler Canal eingetroffen, wo sie von 25 Festschisfen em pfangen wurde. Von dort erfolgte die Weiterfahrt nach Mannheim, wo die Boote vor Anker gingen. Hier erfolgte die Begrüßung namens der badischen Regierung durch -m Landescommissar Ministerial direktor Pfiterer und namens der Stadt Mannheim durch Oberbürgermeister Beck. Capitänleutnant Funke dankte für den schönen Einpfang. In Ludwigshafen, wohin drei Torpedoboote fuhren, war die Begrüßung eine ebenso herzliche. Seitens der bayrischen Regier- ung begrüßte Bezirksamtmann Bachmeyer, namens der Stadt Ludwigshafen Bürgermeister Krafft die Ankom menden. Sodann erfolgte eine Rundfahrt durch die Hafenanlagen von Mannheim und Ludwigshafen Während der Fahrt wurde den Offizieren an Bord des Festschiffes ein von beiden Städten veranstaltetes Festessen gegeben. Abends finden in Ludwigshafen Festlichkeiten statt. Ludwigshafen, 17. Mai. Das Eintreffen wer Torpedobootsdivision gestaltete sich zu einem großen Feste für die Pfalz; von weit und breit war die Be völkerung der Pfalz mit Extrazügen hierher gekommen. Aus Konitz liegen heute wieder verschiedene Nachrichten vor. Die Frau Kreisfchulinspektor Rohde, welcher das bei dem Kopfe Winters gefundene Taschen tuch gehörte, soll dem Untersuchungsrichter erklärt haben, sie hätte dein Funde um deswillen keine Be deutung beigelegt, weil sie der festen Ueberzeugung sei, daß ein jüdischer Ritualmord vorliege. Gegen einige Gymnasiallehrer soll nach Berichten liberaler Blätter auf Anweisung des Ministers ein Disziplinar verfahren schweben und zur persönlichen Berenhmung ein Justitiar nach Konitz entsandt worden sein. Die Staatsbürgerztg. meldet hierzu: „Wir müssen ge stehen, daß uns das völlig unverständlich wäre. Wenn die Könitzer Gymnasiallehrer sich wirklich um die Entdeckung der Mörder bemüht haben, so haben sie unseres Erachtens doch nur ihre Pflicht gethan, sowohl als Menschen, wie auch in diesem Falle speziell als Lehrer, nachdem ein ihrer Obhut anver trauter Schüler in so entsetzlicher Weise umS Leben gekommen ist. Es ist unverschämt, nun in denunziato- rischer Weise von „antisemitischen Gymnasiallehrern in Konitz" zu reden, weil sich der Verdacht mit zwingen der Gewalt gegen die Juden richtet. Wir leben doch Gott sei Dank noch im Deutschen Reiche und nicht in einem Judenstaate, in dem jeder Nichtjude al- recht- und willenlos angesehen wird! Auffallend ist es, wie das „Westpr. Volksbl." hervorhebt, daß in letzter Zeit viel Geld per Postanweisung an den Flei- scbermeister Adolf Lewy von nicht genannten Absen dern adressirt worden ist, wovon eine solche letzte Sendung von 20 000 Mark von der König!. Staats anwaltschaft beschlagnahmt worden sein soll. Auch verlautet, daß Adolf Lewy bereits sein in der Danziger Straße gelegenes Grundstück für einen auffallend ge ringen Preis anderweitig verkauft hat. GrKevveiltz U»a»v». Wien, 18. Mai. Die Obstruktion dauert an. Nachdem die Verlesung der Eingänge um 3 Uhr be endet ist, beantwortet Ministerpräsident Körber eine Interpellation betreffend die Wiener Wahlreform. Nach verschiedenen Zwischenfällen wird die Sitzung, ohne daß man in die Tagesordnung eingetreten ist, gegen 4 Uhr geschlossen. — Die „N. Fr. Pr." mel det aus Budapest: Im Heeresausschuß der ungari schen Delegation bezifferte der Kriegsminister v. Krieg hammer die Herstellungskosten für die neuen Geschütze auf 120—130 Mill. Kr. Dieser Betrag soll auf mehrere Jahre vertheilt werden. Die Art, wie die Tschechen die Obstruction führen, deutet darauf hin, daß sie das Sprachengesetz um j-den Preis zu Falle bringen wollen, während sie die Regierung selbst in bemerkenswerther Weise schonen. Die Milde, mit der sie auftritt, entwaffnet die rauhen Gemüther — „wie sie die Augen nieder schlägt, hat sich tief in ihr Herz geprägt". Sachlich komatt aber wenig darauf an, ob man mit dem Beil gerichtet oder mit einem Sammetband erdrosselt wird. Wie», 18. Mai. Wie die „Neue Freie Presse" meldet, befindet sich der Ministerpräsident bereits im Besitz der Kaiserlichen Vollmacht zur Auflösung des Abgeordnetenhauses. Falls die Obstruktion die Er ledigung des Budgetprovisoriums vereitelt, werde sich die Regierung nach Beendigung des Tagens der Delegationen über den Zeitpunkt der Kundmachung des Äuflösungspatentes schlüssig machen. Wie daS genannte Blatt weiter meldet, sprachen in der heutigen Sitzung des Exekutivkomitees der Rechten die Abgg. Jaworski und Kathrein aufs schärfste gegen die Ob struktion und erklärten, wenn nicht die Obstruktion falle, müsse die .echte fallen. Ferner verlangten sie die Ausschaltung der Staatsnothwendigkeiten aus der Obstruktion und betonten, daß, wenn nach Pfingsten weiter Obstruktion getrieben werde, der Bestand der Rechten unmöglich sei. Man kann der österreichischen Regierung zu ihrem Vorhaben alles Glück wünschen und doch be zweifeln, ob ihr Plan gelingt. Denn die me stcn Jungtschechen sind ihrer Wiederwahl sicher, und so viele, als zur Obstruction nothwendig sein würden, erscheinen unter allen Umständen im Reichsrath wie der. Die Befürchtung ist also gerechtsertigt, daß man nicht vorwärts kommt, sondern sich im Kreise bewegt. Und so gewinnt man den Eindruck, daß auch die neueste Action zur Beilegung des Sprachenstreites ausqehen dürste wie das Hornberger Schießen, und wenn sie aufgegeben wird, nimmt sie jedenfalls das Ministerium v. Körber mit sich ins politische Grab. Wenn der Todeskampf vielleicht noch etwas länger dauert, so kommt das gegenüber der absoluten Ver- fahrenheit der Lage leider wenig in Betracht. Schmede». Nach einem Telegramm aus Stockholm ist der Mör der vom Dampfer „Prinz Carl" ein durch romantische Räuberideen verwirrter Anarchist, der aus Haß gegen die Menschheit die Unthat begangen hat. Er wollte sein Verbrechen noch anderswo fortsetzen. Von den zwölf Opfern sind fast alle tödtlich verwundet, soweit sie nicht bereits gestorben sind. Unter der Bevölkerung herrscht ungeheure Aufregung. MGrsrg. Berlin, 19. Mai. Eine Versammlung der Fahrer, Schaffner und Kutscher der Großen Berliner Straßenbahn beschloß das sofortige Eintreten in den Generalstreik. Berlin, 19. Mai. Infolge des Streiks der Schiffner und Fahrer der Straßenbahn-Gesellschaft erleidet der Verkehr in den Straßen eine starke Stock ung. Die Omnibusse und Droschken sind derartig in Anspruch genommen, daß diese Betriebe unzureichend sind. Auf den Straßenbahnlinien verkehren nur ver einzelte Wagen, von dem Aushilfspersonal und den wenigen Angestellten bedient, die sich dem Ausstande bisher nicht angeschloss n haben. Berlin, 19. Mai In Folge des Ausstandes des Straßenbahnpersonals trat eine fast vollständige Stockung des Straßenbahnverkehrs ein; gegen die we nigen Kutscher, Fahrer und Schaffner, welche arbeiten, wurden von den Ausständigen und dem Publikum erregte Zurufe gerichtet. Am Doenhoffsplatz, dem Verkehrs mittelpunkte der Stadt, spannten Ausständige und Un- betheiligte gegen Mittag vie Pferde von 2 Straßenbahn wagen aus, deren Glasfenster eingeworfen wurden, die Wagen wurden quer über das Geleise gezogen und