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Das Fördergerüst im Hermannschacht ist beim Brande zwar hineingegangen, die Fahrteinrichtung ist aber erhalten geblieben, da der Schacht sofort nach der Explosion abgeschlossen wurde und brennendes Holz nicht hincinsallen konnte. Der Brand entstand wahrscheinlich durch Entzündung von Kohlenstaub in folge des hohen Luftdrucks. Am Mittwoch ist der im dortigen Kreiskrankenstifte untergebracht gewesene Tageaibeiter Starke, welcher bei der Explosion auf dem Hermannschacht schwere Ver brennung erlitten hatte, ebenfalls verstorben. Die Fertigstellung des Thurmes und Unterkunftshauses au? dem Pöhlberge hat unter dem Einflüsse der guten Witte rung in den letzten Wochen so anhaltende Fortschritte gemacht, daß der Rath der Stadt Annaberg die Einweihung des Thurmes auf Montag, den 12. Juli, festsetzen konnte. Nach dem die Putzarbeiten am Thurme vollendet und über dem Haupteingange die Inschrift angebracht worden ist, ist jetzt mit den Putzarbeiten an der Außenseite des Unterkunftshauses be gonnen worden, die so gefördert werden dürften, daß sie Mitte nächster Woche beendet sind. Im Innern sind bereits die Maler thätig, sodaß, da auch die von der Stadt zu beschaffen den Möbel und Apparate in nächster Zeit geliefert werden, die Bauten am Tage ihrer festlichen Weihe in allen Theilen fertig sein werden. Was die Arbeiten auf dem Berge sonst anlangt, so ist die Zmuhrstraße von der Sandgrube nach dem Plateau in den letzten Wochen beschottert und gewalzt worden, während der freie Platz um und am Thurm, der zum Theil mit Tischen und Bänken ausgerüstet wird, eingeebnet und somit gut gangbar ist. Im Ganzen darf man auch ohne localpatrio tische Anwandlungen schon behaupten, daß der Thurm auf dem Pöhlberge nicht nur der schönste im Erzgebirge, son dern auch einer der schönsten im ganzen Sachsenlande sein wird. Am Dienstag früh brannte die der Brauereigenossenschaft gehörige Brauerei in Oberwiesenthal bis auf die Umfassungs mauern nieder. Am Dienstag früh 2 Uhr ertönte in Zöblitz das Feuer signal. Am südöstlichen Himmel zeigte sich ein ganz bedeutender Feuerschein. Es brannte in dem etwa eine halbe Stunde von Zöblitz gelegenen Dorie Ansprung, und zwar im oberen Theile desselben. Das Feuer ist in der Scheune des Gutsbesitzers Kärmer ausgebrochen, dann verbreitete sich dasselbe auf die Scheune des Wirthschaftsbesitzers Ehrig und zugleich auch auf das Wohnhaus des Wirthschaftsbesitzers Schubert, zuletzt erfaßten die Flammen auch das Wohnhaus des Gutsbesitzers Kärmer. D^s Feuer griff bei der jetzt herrschenden Trockenheit und da die Gebäude zumeist imt Schindeln und Stroh gedeckt waren, sehr schnell um sich. Dem Vernehmen nach hat Kärmer alles, Ehrig und Schubert aber haben nichts versichert; auch konnte bei beiden letzteren wenig gerettet werden, da das Fcuer zuerst ihre Gebäude erfaßte, während bei Kärmer, dessen Wohnhaus gedeckt war und später brannte, viel gerettet wurde. Nur der angstrengtcn Thätigkeit der anwesenden Feuerwehren ist es zu danken, daß die Gebäude der Gutsbesitzer Ullmann und Fritzsch nicht auch vom Feuer erfaßt wurden. Sämmtliche Gebäude sind bis auf die Umfassungsmauern niedergebrannt, während das Vieh gerettet werden konnte. Die Entstchungsursache des Brandes ist zur Zeit unbekannt, doch vermuthet man Brand- stistung. In der Nacht zum Sonntag wurde das Herrn Max Bach in Ries«» gehörige Petroleum-Motorboot von der Landungs stelle entführt, nacydcm die Beiestigung gewaltsam erbrochen worden war. Das Boot scheint bis kurz vor Strehla zu einer kleinen Vergnügungsreise, benutzt, dann aber verlassen und seinem Schicksal überlassen worden zu sein. Es war nahe daran, zwischen zwei Elbdampfer zu gerathen und zertrümmert zu werden. Von dem Strehlaer Elbsährmeister wurde cs fchließ- lich an gehalten und in Sicherheit gebrac.' t. Der Besitzer des Bootes hat eine Belohnung von 30 Mk. mr Ermittelung der Thäter ausgesetzt. Ein „Roscnwunder" im Rosenmonat Juni befindet sich zur Zeit im Ausstellungspark zu Grotzentzain. Der Stock ist mit mindestens 5000 Blüthen besetzt und hat etwa noch 8000 Knospen. ko8U polvantka mullillora heißt diese Wunder blume, die sicher noch zur Ausstellung in Blüthe steht. In Meitze» findet am 17. bis 19. Juli im Schützen hause große Ausstellung von Hunden aller Rassen, Jagd-, und Sportartikcln, veranstaltet vom Verein Hundesport-Meißen, statt. Für beste Unterbringung und Pflege in luftigen Boxen ist ge sorgt, und im Interesse der Kynologie das Stand- und Futter geld für diese 3 Tage ganz mäßig, mit nur 30 und 40 Pfg.. je nach Größe der Hunde berechnet. Programme und Aus stellungsformulare sind bis 3. Juli, Anmeldcschluß aus der Buchdruckerei von E. H. Krauße-Meißen gratis zu beziehen. Bei den bedeutenden Kosten und Mühen eines derartigen Unter nehmens ist eine recht rege Unterstützung des Vereins durch zahlreiche Anmeldung von Hunden zu erwünschcn und bei der günstigen Lage von Meißen wohl auch zu hoffen. Wie vorsichtig man sein mnß, wenn man in einem Gast haus mit einem anderen Fremden in ein und demselben Zimmer übernachtet, mußte fetzt ein auswärtiger Handelsmann erfahren. Derselbe kam in einem Gasthaus in Pirna mit einem anderen Gast ins Gespräch und einigte man sich dann dahin, gemein schaftlich in einem Zimmer zu übernachten, damit am anderen Morgen der Eine den Anderen wecken könne. Als jedoch der Handelsmann früh aufwachte, war der Unbekannte, welcher sich als Electrotechniker ausgegeben hatte, über alle Berge: mit ihm aber auch die Uhr sowie das Portemonnaie und Messer des Vertrauensseligen. Glücklicheweise führte der Bestohlene den Hauptbctrag seiner Baarschait nicht im Portemonnaie, sondern an anderer Stelle bei sich. Aus der sächsischen Schweiz. Die Beerenernte hat mit dem Einsammeln der Walderdbeeren, die ihres angenehmen Geschmackes und Aromas halber ein geschätzter und gern gekaufter Artikel sind, ihren Anfang genommen. Die Kinder der Walddörser in der sächsischen Schweiz sind eifrig auf der Suche nach dieser köstlichen Waldfrucht und bringen sie allenthalben zum Verkauf. Der Preis eines Liters schwankt zwischen 50—80 Pt. Ein 13 Monate altes Mädchen, die Tochter eines in der Iorkstraße in Leipzig wohnhaften Uhrmachers, verschluckte am Dienstag Mittag beim Essen einen kleinen Knochen, der im Kehlkopfe stecken blieb. Es wurde soiort durch zwei Aerzte eine Operation vorgenommcn, das Kind verstarb aber nachmals auf dem Transporte ins Krankenhaus. Gestern ist in Leipzig ein allgemeiner Ausstand der Maurer ausgebrochen, an dem nach den bisherigen Feststellungen etwa 2000 Mann betheiligt sind. Sie verlangen einen Stun denlohn von 55 Pfg. bei neunstündiger Arbeitszeit. Die Arbeitgeber wollen nur 48 Pfg. bei zehnstündiger Arbeitszeit 1 bewilligen. I Wieder ist ein blühendes Menschenleben einer That boden losen Leichtsinns zum Opfer gefallen. Es war vorgestern nachmittags gegen 4 Uhr, als der Falkenberger herrschaft liche Revierförstcr im Rittergute vorsprach, um dort dienstliche Geschäfte zu erledigen. Er stellte seine leider geladene, aber gesicherte Büchse in der Hausflur wie so oft schon bei Seite und begab sich zu seiner Dienstlonferenz. Der Kutscher des Rittergutes sah die Büchse, legte mit ihr auf eine aus dem Hofe gerade vorübergehende Arbeiterfrau mit dem Scherzworte: „Du, fall ich Dich dudschießen?" an und drückte auf ihre lachende Bejahung ab. Aus dem unsinnigen Scherze ward blutiger Ernst. Der Kutscher hatte das Gewehr entsichert ge habt, der Schuß ging los und der Arbeiterin durch den Kopf, sodaß dieselbe auf der Stelle todt zusammenbrach. Sie wird von ihrem Gatten und von neun zum Theil noch sehr kleinen Kindern beweint. Der unglückliche Schütze machte im ersten Moment der Verzweiflung einen Fluchtversuch, wurde aber in- hastirt. Gestern Morgen hat die Uebergabe der Rathsgeschäfte an Herrn Bürgermeister Dr. Gumpert in Treue» stattgefunden. Dabei ist gleichzeitig eine Kassenrevision mit Einschluß der Sparkasse vorgenommen worden. Sämmtliche Kassen waren in Ordnung. Eine furchtbare Entdeckung, welche allseits das größte Auf sehen hervorruft, wurde in Aussig gemacht. Es wurde näm lich sichergestellt, daß ein erst im 27. Lebensjahre stehender Familienvater infolge ein häuslichen Zwistes seinem Leben in den Fluchen der Elbe ein freiwilliges Ende bereitet und beim Todessprung in den Fluß auch sein einziges, vier Jahre altes Söhnchen mitgerissen hat, so daß auch dieses das frühe Grab in den Wellen fand. Aus dem Gerichtssaal. Zwickau, 15. Juni. Der aus Niederrossau gebürtige, 27 Jahre alte Schuhmacher Hermann Robert Jobst, der z. Z. eine ihm vom Kgl. Schöffengericht zu Frankenberg zuerkannte Ge- fängnißstrafe von 1 Jahr 6 Monaten in Hoheneck verbüßt und heute vorgeiührt wurve, war am 4. Mai d. I durch das Kgl. Schöffengericht zu Hohenstein-Ernstthal wegen Betrugs in 3 Fällen zu einer Zusatzstrafe von 6 Wochen Gefängniß verur- theilt worden. Er hatte im Frühjahr 1896 mehrere Personen in Hohenstein und Bernsdorf bei dem Vertriebe von Lotterie loosen um Geldbeträge beschwindelt. Die von ihm gegen das Schöffengerichtsurtheil eingewendete Berufung wurde heute verworfen. Nürnberg, 15. Juni. Vom Schöffengerichte wurde ein Installateur, der eingestandenermaßen der Stadt elektrische Kraft entwendet hatte, freigesprochcn. Er hatte heimlich das städtische Kabel angestochen, und dann einen Kronleuchter und den Christbaum mit Glühlämpchen beleuchtet. Das Gericht schließt sich den Ausführungen eines als Sachverständigen ge ladenen Schuckert'schen Beamten an, daß die Elcktrieitüt nur eine Kraft, aber kein beweglicher Körper sei. Nach dem Wort laute des Strafgesetzbuches kann aber — wie das Reichsgericht in einem ähnlichen Falle entschied — nur eine körperliche, be wegliche Sache gestohlen werden. Tagesgeschichte. Tsrrtsches Rei-d. Berlin, 16. Juni. Wie wir schon bemerkt haben, dürste die Entscheidung über die Personalveräuderungen in den höchsten Aemtern bald veröffentlicht werden. Nach dem Um fange der Veränderungen wird auch deren politische Bedeutung zu beurthcilen sein. Es wäre wirklich kein erfreuliches Ereigniß, wenn der Wechsel in den leitenden Stellungen sich aus einen Personenwechsel beschränken sollte, ohne daß auch eine Aen- derung des Regierungssystcms erfolgte. Die letzten Jahre haben nur zu sehr eine kraftvolle und zielbewußtc Leitung der Ne- gicrungsgeschäfte vermissen lassen, man ist zufrieden gewesen, wenn die Staatsmaschine nur vorwärts ging, die Regierung ist keineswegs immer die Führdrin des Volkes gewesen, sie hat sich vielmehr von dem Strome ruhig treiben lassen. Um ge recht zu sein, darf man allerdings nicht vergessen, daß die Reichsregicrung mit sehr ungünstigen Parteiverhältnissen im Reichstage zu rechnen hat, welche eine folgerichtige Leitung der Geschäfte erschweren; anderseits muß man aber auch immer wieder betonen, daß die Regierung sich nicht nur schwach und nachgiebig erwiesen, sondern auch offenbare Fehler begangen hat. Nur durch den Mangel an Entschiedenheit in der Regierung ist es möglich gewesen, daß dem Centrum ein so maßgebender Einfluß im Reiche zufallen konnte, daß eine confessionelle Minderheit der Mehrheit ihren Willen aufzuzwingen ver mochte. Wäre die ausschlaggebende und führende Partei 'M Reichstage eine solche, die nur von nationalen Rücksichten ge leitet wäre, so wäre das Unglück nicht allzu groß, aber das deutsche Centrum führt die Bezeichnung „ultramontan" mit vollem Rechte; in dem Bewußtsein, daß die Stärke der vom römischen Papste und den Jesuiten geleiteten katholischen Kirche auch ihre eigene Stärke sei, kommt es ihr nur darauf an, die Hoheitsrechte des Staates gegenüber der Kirche zu verkürzen. Soll das unglückselige Verhältniß der Abhängigkeit der Re gierung von der ultramontancn Partei weiter bestehen, so weiß man nicht, wohin das Staatsschiff eigentlich treiben soll. Wird jetzt nun Herrn von Miquel ein größerer Einfluß auf die Reichsgcschäfte eingeräumt, so darf man daran die Erwartung knüpfen, daß wenigstens ein entschiedener Wille in der Reichs regierung sich wieder geltend machen wird. Schon zu begrüßen wäre es, wenn von jetzt ab wieder mit einer selbstbewußten und nach einem festen Ziele hinsteucrndcn Regierung gerechnet werden könnte, denn Herr von Miquel ist ein viel zu selbst ständiger Staatsmann, als daß er auf die Dauer sich von einer Partei wider seinen Willen ins Schlepptau nehmen ließe. Die Aufgabe, welche Herrn v. Miquel bevorsteht, dürfte keine geringe sein. Das Centrum würde ihn im Reichstage mit unver hohlenem Mißtrauen empfangen, denn einem Miquel gegenüber müßte Herr Lieber wohl auf die entscheidende Rolle verzichten, in der er bereits Unheil genug angerichtet hat. Auch auf der äußersten radicalen Seite sitzen die Freunde des künftigen lei tenden Geistes in der Regierung nicht, aber an leitender Stelle scheint die Ucberzeugung vorhanden zu sein, daß, wenn eine entschiedenere und selbstständigere Regierungspolitik gemacht werden soll, Herr von Miquel gegenwärtig die einzige Persön lichkeit ist, welche mit Aussicht auf Erfolg dieses Unternehmen leiten kann, das noch dadurch schwieriger wird, als anscheinend in der Marinesrage jetzt ein größeres Zugeständniß ver langt werden soll. Gotha, 16. Juni. Die Verhandlungen des hier stattfin denden, vom Verbandspräsidenten Müller-Berlin geleiteten 24 Verbandstages des deutschen Gastwirthsverbandes haben in Anwesenheit von 600 Delegirten begonnen. Dem Be grüßungscommers haben Oberbürgermeister Liebetrau und Land- rath Dr. Dietzsch beigewohnt. Liebetraus Trinkspruch galt den Delegirten, der von Dietzsch dem Gastwirthsstand. Verbands präsident Müller trank auf das Wohl der Vertreter der Be hörden. Mit dem Verbandstage ist eine Ausstellung von Schankwirthschaftsutensilien verknüpft. Rumänie». Das Befinden des Kronprinzen von Rumänien ist zur Zeit durchaus zufriedenstellend; es hatte sich um die Mitte der vorigen Woche ein erneuter Fieberanfall eingestellt, der aber schnell vorübergegangen ist. Die beiden letzten Berichte stellen die Fortdauer der normalen Temperatur fest. Geheimrath Professor Dr. v Leyden hat auf Bitten des Königs seinen Aufenthalt in Bukarest noch um einige Tage verlängert. Er ist übrigens in Bukarest Gegenstand ganz besonderer Ausmerk- samicit, sowohl seilens der amtlichen Welt, wie seitens der Spitzen der Wissenschaft. Zu seinen Ehren fand eme besondere Sitzung im bakteriologischen Institut statt, an der die hervor ragendsten Aerzte, Minister Sturdza und viele andere Spitzen theilnahmen. Es wurden mehrere Vorträge in französischer Sprache über die Entwickelung besonderer Leyden'scher Forsch ungen in Rumänien gehalten, auf welche Geh imrath v. Leyden in deutscher Ansprache antwortete. Auch sand ein gemeinsamer Ausflug zur großartigen Donaubrücke nach Czernawoda statt. Der König hat dem Geheimrath v. Leyden das Großkrcuz des Kronenordens verliehen. Frankreich. Paris, 16. Juni. Des Präsident der Republik, Fa re, tadelte scharf die Polizei wegen ihrer Uebertreibung des Scheinanschlags, welche die auswärtigen.-taatshäuptcr zur Ab sendung von Glückwunschdepeschcn veranlaßte. Paris, 15. Juni. In Paris soll alles mit einem Witze oder einem Lied endigen. Bei dem Sonntagsattentat auf den Präsidenten hat sich diese Erfahrung schon bewährt, es ist, kaum zwei Tage alt, schon dem Spott verfallen, und zwar in einem solchen Maße, daß die Präsidenten des Senats und der Kammer, die Felix Faure einen Beglückwünschungsbesuch zugedacht, angeblich davon Abstand nahmen, um nicht als thätige Theilnehmer an derSonntagshanswusterei zu erscheinen. Obs wahr ist, bleibe dahingestellt. Jedenfalls trifft der journalistische Clown des Figaro, Alfred Capus, heute den Nagel der Stimmung auf dcu Kopf, wenn er den verblüfften Präsidenten, dem die Nachricht des ihm unbekannten Attentats hinterher mitgetheilt ward, zu dem Polizeipräfecten sagen läßt: „Wenn ich nochmals das Opfer eines Attentats werde, so will ich davon zuerst unterrichtet werden. Verstehen Sie?" Dasselbe Blatt, welches bekanntlich die Regierung unterstützt, wirft sogar ernstlich die Frage auf, ob es unter der Republik so zugehe, wie unter der Restauration, wo es drei verschiedene Polizeizweige gab, die sich untereinander bekriegten und gegen seitig Schabernack zu spielen suchten. Schwer zwar wird es, zu glauben, daß hier ein, wenn auch erbärmliches Machwerk der politischen Polizei vorliege, wie dies von einem Augen zeugen in der Libre Parole behauptet wird. Unmittelbar nach dem Knalle ftürzte er sich in das Fliedergebüsch, sah weder Messer noch Aufschrift, bis Roustang, der vom Publikum miß handelte Pvlizeiagent, wieder Herzukani und ans der Erde eine Pistole und einen Zettel mit den Worten „Hinrichtung Felix Faures" hervorzog. Für Rochefort war der Pseudvcharakter des Attentats sofort eine Gewißheit; auf die gezähmteBombe" von gestern läßt er daher heute einen Artikel vom „gefähr lichen Präsidenten" folgen, worin er alle Franzosen warnt, sich ans dessen Umgebung fern zu halten, um nicht bei einem neuen Scheinattentate von den Hetzagenten verhaftet zu werden; das magere Vergnügen, einen gewesenen Gerber anzuschauen, wiege die Gefahr nicht auf, in einen elenden Kerker geworfen zu werden, unter dem Vorwande, daß sich eine harmlose Bleirvhre in unmittelbarer Nähe befunden habe. Indessen, sobald man den Sprenganschlag für ernst nimmt, bleibt sein anarchistischer Charakter völlig ausgeschlossen. Die Anarchisten arbeiten anders, würden am alle Fälle die Auf schriften anders abgefaßt haben. Heute erfahren wir denn auch, daß der Urheber des Schabernacks unter den hier an sässigen Polen und Elsässern gesucht wird Beide, Polen und Elsässer, sind zwar Freunde Frankreichs, aber die neueste Wen dung der französischen Politik soll sie verdrießen. Von der Bedrückung Polens durch Rußland ist überhaupt seit dem Czarenbesuche nicht mehr die Rede, während anderseits dem Ministerium Meline und besonders dem Herrn „Hanolaux von Kiel" eine allzu große Deutschfreundlichkeit zugeschrieben wird, die einer Verzichtleistung auf Elsaß-Lothringen ähnlich sieht. Bei dieser Gelegenheit wird denn auch die interessante That- sache von einem ähnlichen Anschlag auf dem Concordienplatz zur Zeit des Czarenbcsuchs erwähnt; er wurde damals von der ganzen Presse, die genau davon unterrichtet war, todl- geschwiegen; und wahrscheinlich, um jedes Aufsehen zu ver meiden, fand auch keine Untersuchung statt; cs wäre für das Czarenpaar doch nicht gerade angenehm gewesen, wenn Paris einen Nachfolger Berezowskis beherbergt hätte. Daß ein solcher Nachfolger aber von der Polizei selbst befürchtet ward, haben fte zahlreichen Haussuchungen bewiesen, die unmittelbar vor dem Czarenbesuche bei den hiesigen Polen vorgenommen wur den. Es wäre also nicht unmöglich, daß irgend ein Patriot dem Präsidenten vor seiner Reise nach Petersburg einen Finger zeig zu geben wünschte; an eine förmliche Verschwörung braucht man dabei nicht zu denken. Das Attentat auf dem Con- cordicnplatze fand während des Czarcnbesuchs in der Nacht vom 7. auf den 8. October statt. Die Explosion erfolgte allerdings zu spät; der kaiserliche Zug hatte den Concordicnplatz verlassen, und die Cuirassicr-Leibwache war abgezogen, da erfolgte bei der Statue der Stadt Lyon ein Knall, den ein entfernter Zu hörer mit dem eines Feuerfroschcs verglich. Eine weiße Rauch wolke stieg vom Sockel der Statue in die Höhe; eine Gas kugel fiel von den Gaskugelkrünzen und zerbrach in tausend Stücke; und auf dem Boden fand man 25m nach der Con cordienbrücke zu, wohin sich der kaiserliche Zug bewegte, eine Handvoll Nägel. Wenn die Explosion zur Zeit des Vorüber zugs erfolgt wäre, würden die an den Füßen verletzten Cui- rassierpferde sich jedenfalls gebäumt und eine Panik verursacht haben. Die Untersuchung führte indffsen zu keinem Ergebniß und wurde im Bundesinteresse vertuscht. Heute aber erinnert