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dem Arbeitgeber gegenüber durch Fleiß gerecht zu werden und nicht die Arbeitszeit zu vergeuden. Aus diesem Grunde sind auch die Trinkgelage in der Werkstatt, wie man sie in der deutschen Großstadt oft findet, unbekannt. Der musterhafte Fleiß läßt auch die Akkord- und Heim arbeit überflüssig erscheinen. Der deutsche Arbeiter ist keineswegs so gern gesehen, wie wir im allgemeinen an nehmen; es herrscht nun einmal ein Vorurteil gegen den Deutschen betreffs seiner Leistungsfähigkeit und selbst der deutsch-amerikanische Arbeitgeber teilt diese Meinung. Dieser Umstand fällt dem Neueingewanderten in der Werk statt sofort auf. Die Renommiersucht des Amerikaners, alles schneller als der Deutsche machen zu können, er streckt sich auch auf deutsche Werkzeuge und Maschinen. Sein Ehrgeiz läßt es auch nicht zu, irgend eine deutsche Arbeitsweise und sei sie noch so vorteilhaft, anzunehmen, der deutsche Arbeiter muß sich nach der dortigen Arbeits weise richten. Die amerikanischen Staatsgesetze haben nicht an den Gewerbe- und Arbeiterschutz gedacht, wie ibn der Deutsche genießt. Gesetzliche Kündigungsfristen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer kennt man nicht, Schutzvorrichtungen an Maschinen ebensowenig. Aber der Arbeitgeber ist für vorkommende Unglücksfälle in seinem Betriebe haftpflichtig, er hat Kurkosten und Ent schädigung zu zahlen. Eine drollige Gestalt in der Werk statt und in der Fabrik ist der Arbeits- und Laufbursche durch seine Vorliebe für die rythmischen Fußbewegungen, welche wir in den deutschen Varietes von echten und un echten Negern als Negertänze kennen. Diese läppische Manier, welche man auch am gebildeten Amerikaner beob achten kann, wirkt ungemein komisch. Eine typische Er scheinung der Chicagoer City-Straßen bildet der Lauf bursche mit der Stange und den daranhängenden Blech töpfen, worin er zur Mittagszeit Kaffee oder Milch holt. Nach dem anhaltenden Arbeiten ist die Mittagspause eine willkommene Unterbrechung, und diese Mußestunde bietet namentlich in den Fabriken manche Kurzweil durch Vor trag deutscher Melodien, denen englische Texte untergelegt sind; man kann dann selbst die allerneuesten Tanzmelodien hören. R. Covents. Das Schriftzeichnen Mein in Nr. 93 unter obigem Titel erschienener Aufsatz wurde in Nr. 99 von R unter derselben Aufschrift angegriffen. Herr R scheint übersehen zu haben, daß ich das »Schrift- zeichnen«, nicht das »Schriftätzen« behandelt habe. Es konnte mir also gleichgiltig sein, auf welche Art eine »negative« Schriitätzung entsteht, ich habe von »diapositivers Zeichnung gesprochen. Auch scheint Herr R den Satz nicht gelesen zu haben: »weil jeder Anzeigenbesteller, der eine derartige Aus stattung wünscht, sie vorher auf ihre Wirkung hin prüfen will usw.«, sonst konnte er wohl doch nicht gut eine positiv ge zeichnete oder abgedruckte Zeile statt einer diapositiven Zeich nung empfehlen. Herr R führt zwar aus, daß in den meisten Fällen eine flüchtige Skizze genügt, aber ich weiß aus Er fahrung, daß eine solche fast stets bemängelt wird. Unter »recht transparentem Papier« meint Herr R wohl »Pauspapier«. (Durchscheinendes Postpapier dürfte hier, weil es Tusche besser annimmt, vorteilhafter sein als Pauspapier. Schri]tleitung^ Ich meine jedoch im Gegensatz zu Herrn R, daß das Zeichnen einer Zeile mit Deckweiß nicht mehr Zeit in Anspruch nimmt als schwarze Zeichnung auf Pauspapier, weil sich auf diesem unscharfe Stellen nicht überdecken lassen. Mit der Ansicht des Herrn R, daß der Akzidenzsetzer seine Zeit besser ausnützen kann, als mit Lineal und Reißschiene, mit Pinsel und Zeichenfeder, schwarzer Tusche und Deckweiß in der Druckerei zu hantieren, dürften viele Fachleute nicht über einstimmen. Der Akzidenzsetzer soll, wenn er entsprechend zeichnen kann, sich in der beschriebenen Weise betätigen, um die Lithographen und die Zeichner so weit wie möglich von der Buchdruckerei fern zu halten. Und warum soll ein streb samer befähigter Setzer nicht ebensogut Schrift zeichnen können wie der Lithograph oder Zeichner? Es wird keinem Setzer ein fallen, nur zum besseren Kennenlernen der Schriftformen oder oder gar zu seinem »Spezialvergnügen« Schrift zeichnen zu lernen, ebensowenig wie er zu seinem »Spezialvergnügen« setzen ge lernt hat. Wer etwas lernt, will mit dem Erlernten etwas ver dienen! Die Bemerkung des Herrn R, daß ein zeichnender Setzer »gemeingefährlich« sei, erscheint mir ungehörig, denn ich bin auch Setzer, habe schon gar manche von Künstlern gezeichnete Zeile brauchbar gemacht, und glaube bei alledem noch nicht »gemeingefährlich« geworden zu sein. »Gemeingefährlich« würde aber die Ansicht des Herrn R, wenn sie von Druckerei besitzern und deren Stellvertretern allgemein geteilt würde. Dadurch würde jede Weiterentwicklung unseres Gewerbes unterbunden, alle Fachschulen, alle belehrenden Vorträge in fachtechnischen Vereinigungen und jeder Anschauungs- und Uebungs-Unterricht würden in kürzester Zeit gewesen sein, und von einer »Buchdruckerkunst« zu sprechen, hätte dann gar bald auch keine Berechtigung. W. Herzmann, Groß-Lichterfelde Neues Einhänge-Verfahren für Bucheinbände Für das neue 6bändige, im Erscheinen begriffene nor wegische »Illustreret norsk Konversationsieksikon« hat der durch seine originalen Entwürfe (z. B. mit Auflage von natürlichen Blumen usw.) und tüchtige Ausführung bekannt gewordene Universitäts - Buchbinder H. M. Refsum in Kristiania einen in altnordischem Stil komponierten Ein band ausgeführt, dessen Zeichnung von Architekt O. Stein herrührt, mit schwarzem Chagrinrücken in Schwarz- und Blinddruck, Chagrinecken und abwaschbaren, mit tief grünem Schirting bezogenen Deckeln. Der Einband ist fertig gemacht zum Einhängen nach einem System, worauf Refsum Patent erhalten hat. In die Decke, die ] von a = Oeffnung in der Pappe b = die Heftbänder oder Gaze, die in die Oeffnung, ‘der Pappe (a) hineingeführt wird, worauf man die Pappen Lzu- sammenleimt. doppelten Pappdeckeln mit Oeffnung für den Rücken ge bildet wird, werden die Heftbänder oder die Gaze ein gelegt, auf die der Bucbblock geheftet ist, wonach die Pappen zusammengeleimt werden. So läßt sich, wie die Firma in ihrem illustrierten Prospekt sagt, der höchste Grad von Stärke und Solidität erreichen, sodaß die Bände weder lose werden noch durch Gebrauch ein abgenutztes Aus sehen bekommen. Refsum hat sein Verfahren schon beim Einbinden des großen Prachtwerkes »Norge i det 19 de Aarhundrede« praktisch erprobt und empfiehlt es wegen seiner vorzüglichen Haltbarkeit in erster Linie für Bücher von bedeutendem Gewicht und Umfang. Er empfiehlt ferner einfarbigen, glatten Schnitt, da dieser leichter von Staub frei zu halten und angenehmer beim Blättern ist als der ordinäre gesprengte Schnitt, bg. Zu junger Lehrling. Der Buchdruckereibesitzer R. in Einbeck hatte einem als Lehrling angenommenen Schüler vor der Schul entlassung Gelegenheit gegeben, im Buchdruckereibetriebe sich umzusehen. Zu diesem Zweck war der Knabe an schulfreien Nachmittagen in der Druckerei erschienen und hatte sich zu seiner Belehrung u a. an der Handpresse zu schaffen gemacht. Die Gewerbeinspektion hatte den Fall zur Anzeige gebracht, well nach § 135 der Gewerbeordnung Kinder über 13 Jahre.in Fabriken — als solche gelte die Druckerei — nur beschäftigt werden dürfen, wenn sie schulfrei sind. Der Inhaber bestritt, den Knaben »gewerblich« beschäftigt zu haben. Schöffengericht und Strafkammer waren anderer Meinung. Das Urteil lautete auf 7 M. Geldstrafe. K. (Hann. Cour.)