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provinzialrömischen Manufakturen den stark romanisierten einheimischen und keltischen Meistern schon lange bekannt waren, erzielte man auch hier ungewohnte Effekte. An verschiedenen Stellen Mitteldeutschlands treffen wir ähnlich ausgestattete Gräber oder Gräbergruppen aus dem 4. Jahrhundert an. Wenngleich der Reichtum ihrer Beigaben dem Aufwand und dem Prunk der Grabausstattung der Gräbergruppen Leuna—Haßleben nicht gleichkommt, so macht sich das Verlangen nach schönen und wertvollen Dingen auch hier gel tend 14 ). J. Werner weist darauf hin 15 16 ), daß im Grabinventar der reichen Gräber dieses Horizontes hin und wieder fremde Elemente erscheinen, so z. B. die antike Sitte des Grabobolos, die Verwendung von Fibeln, Fingerringen, metallbeschlagenen Schmuckkästchen sowie rein lokale Vorstellungen und Bestattungssitten, die jedoch in einem Großteil des freien Germaniens stark ver breitet waren, wie die Bestattung des Verstorbenen in der Nord-Süd-Richtung, das Antlitz stets nach Süden gerichtet, die Beigabe dreier Pfeile, die jedoch nicht dem Kampfe dienen sollten, sondern einem Spiel oder Zeremoniell, die hier übliche Anwendung der Gewandhaften u. a. m. Selbstverständlich zeigt sich im Fundgut der verschiedenen Gräber auch der Einfluß rein örtlich be schränkter Verhältnisse. Ich wies schon früher 18 ) darauf hin, daß schlichte Schmucktypen, die bei der einfachen Bevölkerung Anklang fanden, für die Oberschicht vergrößert wurden, daß neue Zierelemente und Motive erscheinen, wie z. B. eine Kopf- oder Fußplatte, und daß wir hin und wieder Tiermotive 17 ) als Verzierung der prunkvoll gewordenen Gewandhaften antreffen. Auch bei der Keramik lassen sich Formenreminiszenzen an ortsübliche Tonware nachweisen. Die Schale z. B. aus dem 4. Grab von Haßleben zeigt drei Warzen an der Bauchrundung, eine Zierart, die im Elbgebiet sehr beliebt war 18 ). Der glän zend schwarze, gedrehte Fußbecher aus dem „Fürstengrab“ erinnert ebenfalls an den elbgermanischen Formenkreis 19 ). Er trägt auf der Schulterpartie Kreis- und Bogenornamente, die sich iin 4. Jahrhundert von Nordeuropa über das gesamte Elbgebiet bis nach Böhmen verbreiteten, wo die bekannte Urne aus 14) B. Svoboda, Spcrky z XXXII. hrobu ve Smoln (Die Schmuckstücke aus dem XXXII. Grabe in Smolin), in: Pamätky archeologick XLV1II, 1957, S. 480 f., 492 f. mit Hinweisen und Zitaten aus dem älteren Schrifttum. 15) .1. Werner, Zur Entstehung der Reihengräberzivilisation, in: Archaeologia Geographica I, 2, 1950, S. 29-30. 16) B. Svoboda, Imperium, S. 214 ff. Dcrs., in: Germania 40, 1962, S. 91, mit Belegen. 17) So z. B. auf der rechteckigen Kopfplatte der Merseburger Fibel: W. Schulz, Zwei Bestattungs plätze bei Merseburg. Ein Beitrag zu den gesellschaftlichen Verhältnissen des 4. Jh. u. Ztr., in: Jahresschrift Halle 34, 1950, S. 157, Taf. XXXII,!. Ders., Vor- und Frühgeschichte Mitteldeutsch lands, Halle/Saale 1939, S. 192, Abb. 245. Zum Erscheinen der Tiermotive siehe J. Werner, Die beiden Zierscheiben, Anni. 4, S. 68, mit älterer Literatur in Anm. 37. 18) W. Schulz, Haßleben, S. 14, 39, Taf. 13,2, Texttaf. 6,8. B. Svoboda, in: Germania 40, 1962, S. 94 f. 19) W. Schulz, Haßleben, S. 39, Taf. 14,5. Ders., Leuna, S. 58. B. Svoboda, in: Germania 40, 1962, S. 95.