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Nichtamtlicher Teil. ^ 84. 12 April 1S12. Auch Belgiens größter Lyriker. Emile Verharren, ist seinem bisherigen belgischen Verleger untreu geworden. Wohl erschienen schon früher Gedichtzyklen a!s 3 Frcs. 50 - Bände in Paris beim »Mercure de France«, jedoch erst längere Zeit nach den wesentlich teureren belgischen Originalausgaben. Diesmal hat der deutsche Buchhandel die Ehre, Belgien den Verlag der Urausgabe von -Los Usurss äu 8oir» streitig gemacht zu haben. Sie erschien im Insel-Verlag als Liebhaberdruck auf holländischem Papier l20 ^). Hoffen wir im Interesse der großen Gemeinde, die sich der gefeierte Poet nicht nur in Belgien, sondern auch in allen anderen Ländern romanischer und germanischer Zunge erworben hat, daß eine Ausgabe zu normalem Preise nicht zu lange auf sich warten lassen wird! Wir haben uns in Belgien leider bereits damit abfinden müssen, daß uns das Ausland die Sorge um die Erst ausgaben unserer Dichter abnimmt. Das charakteristischste Beispiel bieten uns die beiden letzten Werke Maeterlincks, die in englischer Sprache schon seit Monaten erschienen sind, während die Ausgaben in der Muttersprache des Dichters noch fehlen: »llbs Osatb« und »Llar/ Llagäalsus« (vergleiche den l. diesjährigen Pariser Brief »Aus dem französischen Buchhandel» in der Nr. 12 d. Bl). Auch Maeterlincks »Oisssu bleu, war bekanntlich bereits längst in Rußland und Amerika aufgeführt bzw. verlegt worden, bevor er in Paris über die Breiter ging — von Brüssel oder Gent. Maeterlincks Vaterstadt, ganz zu schweigen. Die Verleihung des letztjährigen Nobelpreises an Maeter linck hat in der Heimat des Dichters nicht die ungeteilte Billigung gefunden. Die belgische Presse würde ihm zum großen Teile Verhaeren vorgezogen haben, dessen Dichtkunst weitaus nationaleren Charakter trägt und ganz auf der heimatlichen Scholle fußt, während Maeterlincks olympische Philosophie sich vom belgischen Milieu ganz losgesagt hat. Inwieweit diese Animosität gegen den in der normannischen Abtei St.-Wandrille und in Paris lebenden belgischen Dichter berechtigt ist. soll hier nicht untersucht werden. Ein witziger Brüsseler Kritiker. F. CH. Morisseaux, gibt in der »llvlgiyus artistigus et littsrairs« Maeterlinck, der den Nobel preis zu einer literarischen Stiftung zu verwenden be absichtigen soll, den Rat. »in Paris eine Akademie zu gründen, auf der die Franzosen .belgisch' sprechen lernen sollen«. Schon vor zwei Jahren waren übrigens Maeterlinck und Verhaeren von der »I-ibrs Loaääwis« (pioarä) und dem belgischen Parlament für den Nobelpreis in Vorschlag ge bracht worden. Bei dieser Gelegenheit sei auf die einzige, einigen Anspruch auf Vollständigkeit machende, in französischer Sprache geschriebene Monographie über Maeterlinck aufmerksam gemacht. Sie erschien im Jahre 1SOS bei CH. Carrington. einem in Brüssel etablierten englischen Verleger, zugleich mit einer Arbeit über Lemonnier als die ersten Bände einer der Herausgeber selbst bemerkt, nach dem Vorbild der schönen Brandesschen Sammlung »Die Literatur« sämtliche belgischen Literaten umfassen sollte, jedoch über diese ersten beiden Bände leider nicht hinausgekommen ist. Das Buch ist von Gsrard Harry; es umfaßt IIS Seiten in 16° (Ladenpreis 2 Frcs. 50 Cts.), mit 12 ganzseitigen Abbildungen, einer recht umfangreichen Bibliographie von und über Maeterlinck in allen Sprachen und enthält als literarisches Kuriosum den Neudruck von Maeterlincks erster Prosaarbeit »l-s dlassasrs äss luuovvlltsl. die seit 1886 in einer jetzt längst vergessenen, französischen Reoue »I-a klsiaäs« erschienen ist. von der überhaupt nur 6 Nummern ausgegebcn wurden und die im ganzen nur 18 Abonnenten gezählt hatte. Sie ist heute so gut wie verschollen, so daß diese »Ausgrabung« Harrys der großen Maeterlinck-Gemeinde zweifelsohne sehr willkommen war. » » Der berühmte belgische Historiker und Professor an der Genter Universität Henri Pirenne ist gelegentlich seines 25jährigen Dozenten-Jubiläums von der Tübinger Uni versität zum Ehrendoktor ernannt worden. Pirenne ist auch im deutschen Buchhandel kein Unbekannter. Seine »Listoirs äs Rslgiyus«, das einzige moderne belgische Ge schichtswerk größeren Stils, erscheint bekanntlich auch in deutscher Übersetzung in dem großen Perthesschen Sammelwerk »Geschichte der europäischen Staaten«, und auch hier haben wir die »xriwsur» wieder an Deutschland abgeben müssen; er scheinen doch die Bände der deutschen Übersetzung stets etwa um Jahresfrist vor der belgischen Ausgabe. Die französische Ausgabe (bei H. Lamertin) ist dafür allerdings billiger und kostet nur Frcs. 7.50 pro Band. Das Werk ist bis zum 4. Bande gediehen, der mit dem Jahre des Westfälischen Friedens. 1648, abschließt. Von seinen sonstigen Werken verdienen die Beachtung weiterer Kreise seine »Libliogrsplüs ä« l'bistoirs äs IZsIgiylls» (2. Auslage 1906, 5 Frcs., H. Lamertin) und »I-ss »uoisvuss äämoeratiss äss ?axs-8»s» (Paris 1910, E. Flammarion; Frcs. 3.50). Henri Liebrecht widmet Pirenne eine vortreffliche und klare bio-bibliographische Studie in der Dezember-Nummer der »Lrpaosiou bslgs« und betont, daß der Schwerpunkt seiner Geschichtschreibung auf sozialem Ge biete liegt. Von Pirenne ist auch das Vorwort einer soeben zum Abschluß gelangten illustrierten Publikation im Verlage von G. van Oest L Co.: LIbuw bistoriyus äs !a Lslgiyus, von Professor vr. H. Van der Linden und vr. H. Obrem <4°, 120 Seiten Text mit rund 240 Tafeln, Preis drosch. 21 Frcs., geb. 25 Frcs.). Es ist dies eine verdienstvolle Sammlung von zeitge,löffischen, authentischen Revroduktionen von Bau werken, Kunstgegenständen, Gemälden. Miniaturen und Stichen mit erklärendem, für weitere Kreise berechnetem Text. Hierher gehört auch das Geschichtswerk von Jules Delhaize: I.a äowiuation kraniales so Lsigiyus ä la tio äu XVllls st au oowwsuoswsot äu XIXs sidols. Es ist auf sechs Bände berechnet, von denen der fünfte soeben erschienen ist (Verlag von Lebdgue L Cie., ä Baud 16°. je ca. 350 Seiten, Frcs. 3.50), und gilt als ein brauchbares Quellenwerk zur Geschichte der französischen Revolution und des ersten Kaiserreichs. Das Zeitalter des Abfalls der Niederlande und der Religionskriege in Belgien behandelt die soeben erschienene geschichtlrche Studie »I-ss lobsrtius ä'Luvors», aus der Feder des bekannten belgischen Romanciers Georges Eekhoud. Ver fassers des seinerzeit vielbesprochenen Romans »Lscal Vigor». Den Verlag dieses ganz belgischen Buches haben wir wieder in Paris zu suchen: dlsrmrs äs braves (Preis 3 Frs. 50). Das Buch ist reich an packenden Episoden aus der tragischen Geschichte der Niederlande im 16. Jahrhundert, wie dem Kampf zwischen der damals so mächtigen Hansestadt Brügge und dem aufstrebenden Antwerpen, der Lebens- und Leidens geschichte des Sektcngründers und Schwärmers Loiet, der wie Huß und Giordano Bruno auf dem Scheiterhaufen endete, den Jnquisitionsgreueln der Vertreter des Herzogs Alba und der österreichischen Statthalterin, und bringt interessantes Quellenmaterial zur Kulturgeschichte dieser großen Zeit. Die Gattung der sozialen Frauen - Romane, als deren letzter Marguerite Audouxs »Marie-Claire« so großes Auf sehen erregt hat — er ist bekanntlich auch ins Deutsche übersetzt worden — ist durch das Buch von Marguerite Baulu: »Noässtö Lütows» vermehrt worden. Handelte es sich bei Marie-Claire um ein Näherinnen-Leben. so wird uns in deren belgischer Leidensschwester ein Dienstmädchen-