Volltext Seite (XML)
Die Befriedigung der Bedürfnisse in Nahrung, Wohnung und den übrigen Arbeits mitteln wird von den Trägern der Tripoljekultur im allgemeinen durch die Arbeits leistung der Sippe als der wirtschaftlichen und sozialen Einheit gewährleistet. Neben der bestimmt vorhandenen natürlichen Arbeitsteilung zwischen den Geschlech tern konnte trotz zahlreicher Grabungen die Annahme einer weiter fortgeschrittenen gesellschaftlichen Arbeitsteilung nicht bestätigt werden. Da fast überall einzelne Werkzeuge der Stein- und Knochenbearbeitung angetroffen wurden, muß auch mit der Herstellung der benötigten Geräte wie auch der Keramik in erster Linie innerhalb der Sippe bzw. Familie durch häusliche Produktion gerechnet werden. Nur die in den letzten Jahren untersuchten Siedlungen im Dnestrgebiet, wo der Feuerstein ein reichlich vorhandenes Rohmaterial bildete, ergaben in Polivanov-Jar mehrere Werk stätten der Silexbearbeitung 28 ). Entsprechend einer erst in den Anfängen stehenden gesellschaftlichen Arbeitsteilung konnten bisher aus dem archäologischen Material noch keine Beweise für eine soziale Differenzierung erbracht werden. Die unterschied liche Größe der Häuser ist, wie aus dem in den einzelnen Wohnräumen aufgefundenen keramischen Inventar hervorgeht, auf die jeweilige Anzahl der in diesen Häusern wohnenden Sippen- oder Familienangehörigen zurückzuführen 29 ). Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnisse dieser Entwicklungsstufe innerhalb der Tripoljekultur haben ihre Parallelen bei heute noch lebenden rückstän digen Völkern. Sind auch die angebauten Pflanzen wie die für den Bodenbau verwen deten Geräte verschieden, so besitzen doch die Pflanzerstämme Südamerikas, zum Teil auch Westafrikas und Melanesiens ähnliche Großbauten und Dorfanlagen. Die größte soziale Einheit ist der Stamm, der wiederum mehrere lokale Gemeinschaften in Form geschlossener Siedlungen in sich einschließt. Je nach der Größe des Dorfes bewohnen die einzelnen Sippen 5 bis 20 Mehrfamilienhäuser, die selbst in der Konstruktion (Giebeldach, Estrichboden, Flechtwerk mit Lehmbewurf, Backofen) denen der Tripoljekultur verwandt sind. Ebenfalls analog der durch zahlreiche weibliche Idole und plastische Nachbildungen von Haustieren nach gewiesenen engen Ver bindung ideologischer Vorstellungen mit wirtschaftlichen Notwendigkeiten, ist auch das tägliche Leben dieser Menschen von Fruchtbarkeitszauber und anderen vermeintlichen der wirtschaftlichen Ertragsteigerung dienenden magischen Kräften durchdrungen. Die weitere Entwicklung der Tripoljekultur war von tiefgreifenden Veränderungen begleitet. War für die bisherige Wirtschaftsweise der Pflanzbau mit nur geringer Vieh haltung charakteristisch, so werden in der letzten Stufe Jagd und Viehhaltung zum dominierenden Faktor 30 ). Die Zahl der Knochenartefakte wie auch der tierischen Mahlzcitreste nimmt um ein Vielfaches zu. Dabei lassen sich, gestützt auf die in den zahlreichen Siedlungen durch geführten statistischen Untersuchungen, selbst die quali tativen Veränderungen im Tierbestand verfolgen. Neben Gorodsk ist besonders die Analyse des Knochenmaterials von Usatovo bezeichnend. Von ungefähr 5000 hier untersuchten Knochenresten konnten folgende Einzeltiere zahlenmäßig nach gewiesen werden: 28) T. S. Passek, in Kratkie soobenija IIMK XXXII, 1950, S. 47. 2 ”) Nach Passek (Periodisacija ... S. 134) konnten durchschnittlich in den Häusern von Kolomyina I, je nach ihrer Größe folgende Mengen an Keramik und Öfen festgestellt werden: in kleinen (bis 30 qm) Häusern ... 10—15 Gefäße ... 1 Ofen, in mittleren (bis 90 qm) Häusern ... 20—30 Gefäße ... 2—3 Öfen, in großen (bis 140 qm) Häusern ... 35—50 Gefäße ... 4—5 Öfen. Ähnlich liegen die Verhältnisse bei den aufgefundenen Mahlsteinen. 30) Eine eingehende diesen Veränderungen im Endstadium der Tripoljekultur gewidmete Untersuchung gibt E. Kridevski, O proccsse iseznovenija tripolskoj kultury, in Materialy i issledovanija po archeologii SSSR, Nr. 2, 1941 S. 245 ff. 3