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Einige neue vor- und frühgeschichtliche Arbeiten aus Polen und der Tschechoslowakei Vor kurzem erschien das 1946 in Prag herausgekommene Buch „Pravk dejiny Luzice“ von Prof. Dr. Jiri Neustupny unter dem Titel „Vorgeschichte der Lausitz“ in einer autorisierten deutschen Übersetzung, die gegenüber der tschechischen Origi nalausgabe durch zahlreiche Hinzufügungen (vor allem ausführliche Literatur hinweise) des Verfassers eine erheblich erweiterte Auflage des verdienstlichen Werkes darstellt, in dem die Entwicklung der vorgeschichtlichen Kultur in der Lausitz von der Zeit der ersten Menschen an bis zum Eintritt in das volle Licht der Geschichte im europäischen Zusammenhänge erstmalig frei von allen nationalistischen Verzerrungen aufgezeichnet wird. Aus diesem Anlaß seien hiermit einige andere vor- und früh geschichtliche Arbeiten aus der Tschechoslowakei und aus Polen, insofern sie sich mit den auch von Neustupny behandelten, uns am meisten interessierenden Proble men der heimischen Vorzeit befassen, einer kurzen Betrachtung unterzogen. An erster Stelle greifen wir die viel umstrittene Frage der Slawinität der Lausitzer Kultur heraus. Im Gegensatz zu der betont zurückhaltenden Stellungnahme Neu- stupnys und auch im allgemeinen der sowjetischen Wissenschaft (vgl. z. B. Enzyklo pädie der UdSSR, Berlin 1950, Band I, Sp. 277 m!) führt Jan Filip in seinem gleich falls 1946 in Prag erschienenen Buche „Pocätky slovanskeho osdlen v eskoslo- vensku“ (Die Anfänge der slawischen Besiedelung in der Tschechoslowakei) nicht weniger als 38 gewichtige Gründe für eine positive Beantwortung an, denen er noch acht weitere, deren Beweiskraft strittig sein kann, hinzufügt. Er schickt ihnen einen geschichtlichen Überblick des Streites um die ethnische Zugehörigkeit der Lausitzer Kultur voraus und weist eingehend die Unhaltbarkeit der These von den „nördlichen Illyriern“ nach: für die Existenz dieses Volkes sind bekanntlich historische Beweise nicht vorhanden und schon Pisani (II problcme illirico, 1937) forderte mit Recht, daß als Illyrier nur die Stämme bezeichnet werden, die die alte Welt so benannte (die römische Provinz Illyrien bildete übrigens keine ethnische Einheit, sondern ein Ver waltungsgebiet) ; die archäologischen Stützen beruhten auf willkürlichen Andeu tungen und die sprachlichen sind ebenfalls zusammengebrochen, da sich zeigte, daß die vermeintlichen illyrischen Namen viel älter, nämlich vorindoeuropäische Über reste des Substrats aus früheren vorgeschichtlichen Perioden sein konnten. Die Gründe für die Slawinität der Lausitzer Kultur sind, nach Filip kurz zusammen gefaßt, die folgenden: 1. Das von der Lausitzer Kultur ununterbrochen und ausschließlich seit der jün geren Bronzezeit bis in die letzten Jahrhunderte v. Ztr. beherrschte Gebiet deckt sich mit dem zu Beginn des Mittelalters von den Slawen, speziell den West slawen besiedelten Territorium. 2. Die Grundlage der Verwaltungs- und Wehrorganisation war sowohl beim Volke der Lausitzer Kultur als auch bei den Slawen ein systematisches, technisch hoch entwickeltes Fortifikationswesen in Gestalt der Burgwälle (Ringwälle). 3. Die Dislokation und Anlage der Burgwälle war bei beiden Völkern dieselbe: die Mehrzahl dieser Wehrbauten war bereits in der Lausitzer Periode vorhanden (untere Schicht) und wurde später von den Slawen wiedererrichtet (obere Schicht). 4. Beide Völker haben ihre Burgwälle in Zeiten des Vordringens, politischer Macht- fülle und innerer Konsolidierung erbaut. 5. Die Funktion der Lausitzer und der slawischen Burgwälle war die gleiche: es waren Verwaltungs- und militärische Zentren, meist Schlüsselstellungen in den einzelnen Gebieten. 6. Die lokalen Gruppen der Lausitzer Kultur decken sich vielfach mit den späteren slawischen Stammesgebieten.