Volltext Seite (XML)
aber durch die geographische Lage dieses Gebiets erklären, durch das wichtige, Böhmen mit Sachsen verbindende Straßen laufen und das darum nördlichen Einflüssen leicht zugänglich war. Wir gewinnen also eine lehrreiche Erfahrung über die Möglichkeit archäologi scher Festlegung von Stammesgrenzen aus der Bestimmung ausgedehnterer Keramikgebiete. Interessant ist es z. B., daß die ganze Niederlausitz archäo logisch zum nördlichen Gebiet, also zu dem der polabischen Slawen gehört, während Nordwestböhmen zum mittleren sorbischen Gebiet weist. Die Nationali tätengrenze deckt sich also nicht einmal bei diesen großen ethnischen Einheiten mit der archäologischen Grenze, die durch andere Faktoren, z. B. die geographi sche Lage, bestimmt wird. In einer anderen Lage befinden wir uns betreffs der Zabrusaner Keramik der jüngeren Gruppe, die durchweg auf der Töpferscheibe gedreht ist, und bei der besonders die doppelkonischen Gefäße mit dem scharfen Bruch auf der Aus bauchung hervortreten. Diese Formen haben ihre Vorlage in ähnlichen heimischen Funden der ersten, nur unter teilweiser Benutzung der Töpferscheibe erzeugten Gruppe, und ihre Verbreitung beschränkt sich nur auf Nordwest böhmen, z. B. Velvety (bei Teplitz), Radovesice (bei Bilin), Ledvice (bei Dux), Komorany (bei Brüx), Lovocice (Lobositz), Bohusovice (a. d. Eger) und ver einzelt auf die der Umgegend von sti und Decin. Auch ihre Verzierung ist charakteristisch : besonders tiefe waagerechte Rillen und Stempel verschieden ster Art, seltener Wellenbänder und Einstiche. Besonders typisch sind die waagerechten Rillen beiderseits des Bruchs. Anderswo findet sich diese Keramik in gleicher Ausführung nicht, nicht einmal in Ostdeutschland, wo die doppel konischen Formen um 1000 verschwinden, so daß es sich hier wirklich um einen territorial eng begrenzten Lokaltypus heimischer Entstehung und Herstellung handelt. Es ist in der Tat sehr verlockend, in ihm die Form einer bestimmten Stammeseinheit, z. B. der Lemuzen, und in seiner Verbreitung den Beleg für das entsprechende Stammesgebiet zu sehen. Diesem Schluß widersprechen aber einige wichtige Umstände. Da ist zunächst die geographische Verbreitung dieses Typus, die sich nicht bloß auf ein einziges Stammesgebiet beschränkt, sondern das Gebiet der Lemuzen, Litomerizen (Leitmeritzer) und Daner (Tetschener) umfaßt, mit vereinzelten Scherbenfunden (z. B. in der Umgegend von Rubin) auch in den Bereich der Lucaner hineinragt. Man kann also aus der Verbreitung der Funde keineswegs bestimmte Grenzen eines bestimmten Stammes konstruieren. Sehr lehrreich ist, daß wir uns z. B. in Ostdeutschland in gleicher Lage befinden, wo sich beim Übergang zu der auf schnell rotierender Töpferscheibe angefertigten Keramik die Unterschiede breiterer Keramikgebiete ausgleichen und dafür lokale Typen bilden, die sich ebenfalls nirgends mit den Territorien der bekannten historischen Stämme decken. Ein zweiter Einwand ergibt sich aus der zeitlichen Einordnung des Typus von Zabrusany, der, wie schon oben begründet, in das 11. Jahrhundert, mit Beginn frühestens gegen Ende des 10. Jahrhunderts, angesetzt werden muß. Übertragen wir diese Datierung auf die gleichzeitige historische Situation, so befinden wir uns in der Periode, in der wir nicht mehr von der Existenz irgendwelcher selbständiger Territorialgebilde mit eigener kultureller Ausprägung sprechen können. In dieser Zeit haben wir es schon mit dem Staate der Premyslidcn zu tun, die im 10. Jahrhundert die letzten Reste der halbselbständigen Fürsten-