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Diese Gedankengänge sind wirtschaftlich verständlich, aber in ihrer Ausschließlichkeit engstirnig und un würdig den großen Zielsetzungen unserer Zeit. Mit ihnen würden wir auf eine Betrachtungsebene nieder gleiten, von der aus weder die Kleingärten noch weni ger die reinen Erholungsflächen beurteilt werden dür fen. Mitten im tiefsten liberalistischen Sumpf haben sich unsere Gartenpioniere von gestern mit der For derung nach öffentlichen Grünflächen durchgesetzt; nicht, indem sie ihre Wirtschaftlichkeit, sondern in dem sie ihre kulturelle Bedeutung herausstellten. Ethik und Volksseele standen auf ihrem Banner geschrieben, und sie führten es zum Siege in einem Zeitalter, das in Materialismus steckte bis an den Hals. Würde man Grünflächenpolitik in Zukunft von rein wirtschaft lichen Gesichtspunkten aus leiten, dann könnte das Erbe, das uns Männer wie Trips, Encke, Linne, von Engelhardt und andere hinterließen, nicht einmal ge wahrt werden, geschweige denn gemehrt. Es ist not wendig, daß auf diese Dinge einmal ganz grundsätz lich hingewiesen wird. Das gesamte Grünflächenwesen haben wir im hauptsächlichen nicht von der materiel len Seite, sondern von der metaphysischen Seite her zu bejahen und zu verfechten, wenn wir wirklich den Kern treffen und nicht am Wesentlichen vorbeigehen wollen. Wenn heutzutage in den meisten Vorträgen, Veröffentlichungen und bei fast allen Besprechungen die Betrachter mit einer kurzen Bemerkung über dieses Wichtigste hinweggehen, als ob sie sich schämten, über etwas anderes zu reden als über Begriffe, die sich unser Hirn auch wirklich greifbar vor Augen führen kann, dann äußert sich darin das Vermächtnis einer vergangenen materiellen Zeit. Auch wenn Kleingärten rein wirtschaftlich dem Volke gar nichts einbrächten (um so besser, daß sie es tun), wenn sie in sozialer Hinsicht ganz bedeutungslos wären, auch dann müßten Kleingärten geschallen wer den. Jeder der materiellen Werte schwankt von Fall zu Fall. Manchmal scheidet der wirtschaftliche, manch mal der soziale Faktor fast völlig aus. In naturverbun denen Kleinstädten hat das Gesundheitliche nicht im entferntesten die Bedeutung wie in der Großstadt. Kleingartenanlage und Volkspark. Es war bisher in einer ganz bewußten Gegenüberstel lung und Abtrennung von „Grünflächen absoluter Er holungseigenart“ und von „Kleingärten“ die Rede. Letztere gehören wohl auch unter den Sammelbegriff Grünflächen, aber ihrer Natur nach müssen sie als Grünflächen spezieller Art gesondert betrachtet werden! Zwei wichtige Lebensgrundsätze; der eine, der vom Gemeinnutz spricht, welcher vor Eigennutz geht, und ein zweiter, in dem alle Dinge unserer lebendigen Um welt in einer gesunden Rangordnung zueinander stehen, führen uns zu der Folgerung: öffentliche Grünflächen stehen ranglich an erster Stelle, Kleingärten an zweiter. Versuche, für die Kleingartenbewegung dadurch etwas heraus holen zu wollen, daß man die beiden klaren Rang ordnungen durcheinanderbringt, sind abzulehnen. Als Kleingartenpark schwebt dem städtischen Grün gestalter ein höherer Organismus vor, der unter Be rücksichtigung der einmal gegebenen Rangordnung die Kleingärten mit dem Park zu einer gesunden Einheit zusammenbindet. Nach den Gesetzen des Organismus kann somit der Kleingartenpark keine ins kolossale erweiterte Kleingartenanlage sein, sondern ein Volks park, in dem ihrer Bedeutung gemäß organisch Klein gartendaueranlagen eingesprengt sind. Das dominie rende Prinzip ist die Parkfläche für die Allgemeinheit. Die Kleingärten führen, wie Herz, Lunge, Niere im menschlichen Organismus, weitgehend ihr Eigenleben, aber sie hängen unlöslich mit dem ganzen Parkorganis- mus zusammen. Ihre Gegensätzlichkeit zur freiland schaftlichen Parkgestaltung braucht nicht künstlich verwischt zu werden. Sie haben es nicht notwendig, sich zu verstecken, denn sie haben im Parkorganismus eigene Rechte, wie sie z. B. auch der Sport für sich in Anspruch nehmen kann. Organisches Gestalten heißt: 1. Zusammengehöriges Zusammenlegen, 2. jedem Teil seinen richtigen Ort im ganzen zuweisen, 3. jedem Teil seine richtige Größe bestimmen. Der Parkgedanke gibt somit auch im modernen „Kleingartenpark“ den Ton an und spielt die Musik, die Kleingärten begleiten. Es darf nicht sein, daß die Kleingärten schreien und sich im großen Gleichklang des Parkorganismus ungebärdig beneh men. Daher hat ihnen der Gestalter den richtigen Platz anzuweisen. Dieser Platz wird in der Regel am Rande des Parkes sein. Zu jeder Kleingartenanlage gehört die Weite eines neutralen Grünraumes, dem sie sich ein schmiegt. Mehr als 200 Gärten dürfte eine Kleingarten anlage, wenn sie überschaubar bleiben soll und ein geordnet werden kann, nicht aufweisen. Das Ideale erscheint mir die Anlage von etwa 100 Gärten. Kleiner als 50 Gärten darf sie nicht sein, weil sie sich sonst verliert, auch unwirtschaftlich in organisatorischer Hinsicht ist. Gibt es einen „Mindestgarten?" Wenn der Führer in seinem politischen Testament den ehernen Satz prägte „Vergeßt nie, daß das heiligste Recht auf dieser Welt das Recht auf Erde ist, die man selbst bebauen will und das heiligste Opfer das Blut, das man für diese Erde vergießt“, so ist wohl auch die Frage berechtigt, ob dieses Stück Erde grenzenlos verkleinert werden kann. In anderer Fragestellung, ob es gewisse Mindestzweckforderungen an den Garten gibt oder ob es angängig ist, auch das Gartenpro gramm beliebig zu kürzen. Bei der Betrachtung so mancher kleiner Gartenflächen, deren Größe für eine Vollfamilie bis auf 4 0 qm absinken kann, scheint es, daß diese Fragestellung in weiten Berufskreisen ver neint wird. Demnach gibt es also keinen Mindestgar tenraum, so wie der Architekt etwa eine Mindestraum grenze für seine Wohnräume längst aufgestellt hat. Heute lernt jeder Bauschüler als erstes, daß der menschliche Körper der Maßstab aller Dinge ist. Für ein Schlafzimmer gibt es ein Mindestprogramm, zwei Betten, Schrank, Waschkommode, Nachtkonsolen müs sen untergebracht werden können, und aus diesem Mindestprogramm ist beinahe auf den Quadratmeter genau auch die Mindestraumgröße zu ermitteln. Merk würdigerweise wird nun gerade von Architektenseite her, welche nicht nur den Mindestraum bejahen, son dern sich auch in dem Streben einig sind, ihn durch Hinzunahme neuer Zweckforderungen zu vergrößern, die Bejahung eines Mindestgartenraumes abgelehnt.