Volltext Seite (XML)
im Bauerngarten mächtig sprechen zu lassen. Der buxgefaßte Kreuzweg bedeutete die Ueberwindung des Todes, die Rosen und Lilien auf dem Rundbeet die im Christentum verankerte Liebe. Wer aber weiß heute noch etwas von diesen Einrich- tungen? — Sie haben inzwischen ihre Bedeutung und Kraft verloren. Ein Neues muß an Stelle des heute Unverstandenen im Bauerngarten erstehen. Im Bauerngarten spiegelten sich alle Wesensglieder, die eine Landschaft ausmachen, sehr verkleinert und zusammengezogen wider. Der Wald war im einzelnen Baum, das Gesträuch in der Hecke, im einzelnen Rosen- oder Holunderbusch, die Wiesen und Weiden im kleinen Rasenplan und in der Staudenpflanzung und das Gewässer in einem Brunnen, einer Quelle oder nur im Schöpfbecken vertreten. Niemals aber wurde der Bauerngarten aus zierenden und schmückenden Gründen heraus geformt. Alles, was aus ihm wuchs, diente einem nützlichen Zwecke. Das gilt sowohl vom Duftstrauß, den sich die Bäuerin zum Kirch gang pflückte, um wach zu bleiben und der kirchlichen Hand lung folgen zu können, als auch für alle Bauernblumen, aus denen Heilmittel, Tees usw. gewonnen wurden. Aus der Beach tung echter Nützlichkeit und einer dem Wesen der Gewächse entsprechenden Anpflanzung und Betreuung wurde von selbst das so Ansprechende und Schöne der Bauerngärten, was aus vielen alten Schilderungen über diese immer wieder hervor leuchtet. Es darf nicht unbeachtet bleiben, daß alles, was jemals mit Gärten zu tun hat, von Anfang an innig mit den von Menschen geschaffenen Bauwerken zusammenhing. Und so eigenartig es auch berühren mag, von Anfang an gab es ein Z w eierle an Gärten, grundlegend verschiedenen in Charakter und Ausgangsentwicklung. Das Ur-Haus unserer Vorfahren hatte Baumstämme lebender Bäume zu Ständern. Die Dachhaut dieser Häuser bildeten die dicht verflochtenen Zweige in den Kronen der Ständerbäume. Zwischen den Ständern wurden Flechtzaunwände gezogen; aus diesem Ur-Haus wurde allmählich das Gewese der Bauern und in späterer Zeit die Wohnhäuser der Bürger im Dorfe und in der Stadt. Stets war ein Garten mit ihnen verbunden, der dem Nutzen, der Nahrungsgewinnung und der Heranzucht von Heil- Gartengestalter Wil helm H ü b o 11 o r, Hannover. Oben: G a r t e n D r. S e h u 11 e, Kirchrod e. Haus und Garten gehen miteinan der innigste Wechselbeziehungen ein, die als belebende Aus- und Einatmung zu werten sind. Einem solchen wechselvollen Vorgang Tür und Tor zu öffnen, genügend Raum zu schaffen, ist der eigent liche Sinn der hier gestellten Ge staltungsaufgabe. Gartengestalter Wil helm Hübotter, Hannover. Rechts: Vorschlag für die Anlage der Gärten zu d e n Häusern Nr. 8 8 1 — 8 8 3 in Tanno (Harz). Gerade die Hausgärten werden häufig nach wie vor überladen und somit ihres räumlichen Cha rakters beraubt. Es gilt aber so wohl beim Hause als auch beim Garten den Raum in seiner Pro portion zum Erlebnis zu bringen. Im räumlichen Erlebnis mißt der Mensch seine innere und äußere Wertigkeit. Der Raum strahlt seine Anstrengungen und Leistun gen zurück, ihn stärkend, brem send oder auch schwächend; stets antwortet der Raum. wußten um die tiefe innere Bedeutung des Bauerngartens als dem entscheidenden Bindeglied des Bauern mit der Natur und seinem Götterglauben, mit seinem Land und Vieh. Für alle Dinge seines Lebens holte er sich an diesem Ort die innere Unterrichtung. Das Christentum konnte sich daher auf dem Lande bald festigen, weil es seinen Verbreiteren gelang, es auch und Gewürzpflanzen diente und deshalb ein echter Nutz garten war. Zu gleicher Zeit aber entstanden auch Gartenanlagen an Be gräbnis- und Kultstätten, deren Beherrschendes die Grabsteine und Altäre bildeten. Dort ist auch die Geburtsstätte des Stein hauses als einer Fortentwicklung des Grabmales zu suchen JO