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kRerenski wiäer UornNovp. Der Kampf der Diktatoren. Die Verhältnisse in Ruhland nach der selt samen Nationalversammlung in Moskau waren Ziemlich in Dunkel gehüllt. Nur soviel war auch den Fernstehenden bekannt, daß Zwischen dem Ministerpräsidenten Kerenski und dem Generalissimus Kornilow ein heimlicher, aber erbitterter Kampf um die Macht entbrannt war. Die folgende Veröffentlichung der Petersburger Telegraphen-Agentur wirft ein grelles Schlag licht auf diesen Kampf. Ministerpräsident Kerenski hat folgende Pro klamation erlassen: „Am 8. September kam das Dnmamitglied Lwow nach Petersburg und forderte mich im Namen des Generals Kor nilow am, die gesamte Zivil- und MilitärgewaltdemGeneralissimus zu übergeben, der nach seinem Gutdünken eine neue Regierung bilden werde. Die Richtigkeit dieser Aufforderung Lwows wurde mir dann durch General Kornilow selbst in einer Mitteilung durch den direkten Telegraphendraht Zwischen Petersburg und den: Generalstab be stätigt. Da ich diese an die Vorläufige Ne gierung gerichtete Aufforderung als Versuch ge wisser Bevölkerungskreise betrachte, die schwierige Lage des Landes Zu benutzen, um dort einen Zustand herzustellen, der den Er oberungen der Revolution widerspricht, hielt es die Vorläufige Regierung für not wendig, mich damit zu betrauen, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um alle Anschläge gegen die höchste Gewalt und gegen die von der Revolution eroberten Bürgerrechte an der Wurzel abzuschneiden. Daher befehle ich, erstens: General Kornilow hatsein Amt dem GeneralKlembowski, dem Oberbefehlshaber der den Zugang nach Petersburg sperrenden Armeen der Nordsront, zu übergeben, und General Klembowski soll vorläufig die Be fugnisse als Generalissimus übernehmen, jedoch in Pskow bleiben. Zweitens, ich verhänge den Kriegszustand über Stadt und Bezirk Petersburg. Ich fordere alle Bürger auf, zur Aufechterhaltung der notwen digen Ordnung für das Heil des Vaterlandes mitzuwirken, und die Armee und Flotte fordere ich auf, ruhig und getreu ihre Pflicht zur Ver teidigung des Vaterlandes gegen den äußeren Feind zu erfüllen." Aus dieser Darstellung wird ersichtlich, daß Kornilow nach der Militärdiktatur, d. h. nach der Alleinherrschaft und nach der Ersetzung der gegenwärtigen Regierung durch eine Regierung nach feinem Gefallen strebte. Aus Kerenskis Proklamation geht hervor, daß Kornilow den tiefen Eindruck, den der Fall von Riga auf die Öffentlichkeit in Rußland gemacht hat, benutzte, um kurzerhand Kerenski und feine Regierung aufzusordern, ihre Plätze zu räumen. Das ist ein Entschluß, der voraussetzt, daß starke Kräfte hinter Kornilow stehen, und daß er zum mindesten Kerenski glauben machen wollte, diese Kräfte seien jenen überlegen, auf die die provisorische Regierung sich stützt. Der jugendliche General Kornilow wurde weiteren Kreisen erst vor dem Zusammenbruch des alten Regimes durch seine abenteuerliche Flucht aus österreichischer Gefangenschaft bekannt. Beim Ausbruch der Revolution gehörte er zu den ersten höheren Offizieren, die der neuen Ordnung ihre Dienste zur Verfügung stellten, und das begründete seine schwindelnde Karriere,, eine Karriere, wie sie eben nur in revolutionären Zeiten möglich ist. Nach dem Aufstand in Petersburg, den Kornilow als Kommandierender des Petersburger Militärbezirkes blutig nieder geschlagen hatte, wurde ihm die Führung einer Armee übertragen, und nach der Verabschiedung Brussilows wurde er Oberbefehlshaber der ge samten russischen Landstreitkräfte. Durch welche Eigenschaften er sich für diesen schnellen Auf stieg empfahl, entzieht sich dem Urteil der Öffentlichkeit. Kornilow genoß also, wie sein Aufstieg zeigt, das volle Vertrauen des Diktators, wie er denn auch im Heer viele Sympathien hatte. Wie das Volk die Kerenskische Proklamation ausgenommen hat, entzieht sich dem Urteil. Es scheint jedenfalls sicher zu sein, daß in dem Ringen um die Macht, das auf dem Hinter gründe einer fürchterlichen inneren und äußeren Lage des Landes sich abspielte, bis auf weiteres Kerenski Sieger geblieben ist. Er konnte offen bar diesen Sieg nur erringen, indem er sich entschiedener als bisher auf die Parteien und Bsvölkerungsgruppen stützte, die Gegner der Kriegsfortsetzung für die Ziele des Verbandes sind. So ist es nicht unmöglich, daß die Mächte, deren Hoffnung Kornilow gewesen, nun das Gegenteil des politischen Ergebnisses er leben werden, mit dessen Eintritt sie bestimmt gerechnet hatten. Es kann aber auch sein, daß Kornilow eines Tages Vergeltung übt und Kerenski stürzt, wie er von ihm gestürzt wurde. "Von MM Lmä fern. Zu der Außerkurssetzung der Zwei- Markstücke, dis zum 1. Januar k. I. be schlossen wurde, wird berichtet, daß die in Form i von Denkmünzen geprägten Stücke, die an- i läßlich des Negierungsjubiläums, der Silber hochzeit des Kaisers usw. ausgegeben worden sind, von der Außerkurssetzung ausgenommen sind. Die Frist der Einlösung der übrigen Zwei-Markstücke durch die Reichs- und Landes- lassen läuft mit dem 1. Juli k. I. ab. Gegen den Schleichhandel mit Kriegs anleihe wendet sich eine Verfügung des Land rats des Kreises Frankenstein, Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen. Es ist nämlich bekannt geworden, daß besonders auf dem Lande Agenten die Besitzer nach Kriegsanleihen ab suchen, um von ihnen mit der Vorspiegelung, daß die Kriegsanleihen im Kurse gesunken sind oder sinken werden, die erworbenen Stücke zu niedrigen Preisen zu erwerben. Diese Aufkäufer suchen dann wieder dis angekauflen Kriegs anleihen anscheinend besonders an Kriegssteuer pflichtige zu höherem Preisen abzusetzen. Schulpflegerinnen in den Städten. In einigen Städten hat man mit der Anstellung von Schulpflegcrinnen begannen, die von den Gemeinden anzustellen sind und ein Bindeglied bilden zwischen der Mutter und der Schule, zumal dort, wo die Mutter wegen ihrer Er- werbstätigkeit die gehörige Beaufsichtigung nicht ausüben kann. Ein aufregender Vorfall ereignete sich im Zirkus Krone in Erfurt. Bei der Tiger gruppe befand sich ein Tier, das seit einiger Zeit mit Krämpfen behaftet war. Das Tier hatte darum ständig in dem Transportwagen ein Abteil allein. Ein unkundiger Angestellter nahm die Zwischenwand heraus und ließ den Tiger zu den anderen. Die Tiger waren kaum eine halbe Stunde zusammen, als das Tier wieder Krämpfe bekam; sofort stürzte sich der Tiger „Artus" auf seinen unglücklichen Kameraden, biß ihm in die Kehle und ließ nicht früher wieder los, bis er den völlig leblosen Körper noch einige Male im Käfig herumgsschleist hatte. Der Preis des totgebissenen Tieres betrug in Friedenszeit 6000 Mark. Obstkuchcn darf in Württemberg ge backen werden k Die württembergische Re gierung hat das Kuchenbackverbot mit Rücksicht auf eine äußerst zweckmäßige Verwendung des. gegenwärtig reichlicher vorhandenen Obstes auf gehoben. Kuchen und Kuchenstücke dürfen jedoch nur gegen Mehl- und Brotmarken abgegeben werden. Als Höchstpreise für einen in runder Form mit 32 bis 35 Zentimeter Durchmesser hergestellten Obst- und Marmcladeknchen ist 3,50 Mark, für einen ganzen Zwiebetkuchen 2,50 Mark festgesetzt. Der Höchstpreis für ein Stück Kuchen in der Größe von einem Zehntel des ganzen Kuchens ist 35 bis 25 Pfennige im Laden und 45 bis 35 Pfennige in Wirtschaften und Kaffeehäusern. Raub auf offener Straffe. Mit Revolver bewaffnete Räuber überfielen in Hemer (West falen) den Kassenboten vom dortigen Messing werk und entrissen ihm 72 000 Mark Lohngeider. Die Täter entkamen. Einen überraschende» Fund beim Fischen machte ein Forstbeamter im Edertalsperrsee bei Schloß Waldeck. Er hob statt eines Fisches ein zusammengeschnürtes Leichenpaar mit der Angel aus dem See heraus. Wie aus hinterlassenen AufzeichNMÄN hervorgeht, waren die Er trunkenen sm junger Mann aus Jüterbog bei Berlin und die mehrere Jahre ältere Gattin eines Kaufmanns aus Dorimund. Eheliche drückende Verhältnisse gaben sie als Grund für! dis Verzweiflungstat an. Ein Mord im Gefängnis. Im Genchts- gesängnis zu Bromberg ist die Gesaugenen- aufseherin Nast von zwei weiblichen Gefangenen ermordet worden. Dis Täterinnen sind zwei angebliche Erzieherinnen, Ella Kadolla aus Königsberg und die wohnunasloss Gertrud Kirchner aus Weimar. Beide sind Hochstaple rinnen. Die beabsichtigte Flucht ist nicht ge lungen. Malten ohne Autoverkehr. Der Verkehr mit Privalaulos in ganz Italien soll, wie der ,Corriere della Sera/ meldet, durch eins Ver fügung ab 15. September verboten werden. Explosion im Regierungssrsenal in Philadelphia. Nach dem Mgemeen Handels blad' sind im Rsgierungsarsenal in Philadelphia infolge einer Explosion zwei Menschen getötet und 30 verwundet worden. Man glaubt, daß es sich um einen Anschlag handelt. Auf SeebrmäsjLgä. Ein Nordscebild. Wie ein großer, unruhiger Vogel flattert der „Seeadler" über die blaue Flut. Da end lich legt sich der Wind unter seinen weißen Schwingen und treibt ihn majestätisch von den Gestaden der Insel ins weite Meer. Strahlende Augustsonne liegt über Wasser, und Dünensand. In großen Zügen atmen wir den salzigen Dust des Meeres, blickeu von Zeit zu Zeit liebevoll auf unsern Proviant, der im Vorderraum des Schiffes verstaut liegt und fühlen uns zn den größten Heldentaten aufge legt. „Heute kommen die dummen Biester sicher raus/' schmunzelt unser Schiffer und schiebt die kurze Pfeife von einem Mundwinkel in den anderen. Ohne Stoß und Ruck gleitet das Boot dahin. Scharen aufgefcheuchter Möven zerreißen mit schrillem Gekreisch die glasig klare Stille. Die Villen des freund lichen Wyk entschwinden unseren Blicken, und die vom Wasser zerklüftete Küste steigt in langer Silhouette aus dem Wasserspiegel auf. Unterdessen entblößt die Ebbs weite Strecken des Meeresbodens und läßt zins grauend ahnen, daß dort vor Jahrhunderten blühende Ort schaften sich ansdehnten, deren Kirchenfundamente und Bcunnenrohre noch oft wie Skelette ver sunkener Riesen aufragen. Nach zweistündiger Fahrt kommen wir an eine lange schmale Sand bank, die der Tummelplatz der Seehunde und das Ziel unserer Fahrt ist. Der niedrige Wasseistand verwehrt uns das Landen. So ziehen wir Schnh und Strümpfe aus und waten hochgeschürzt und hochgekrempelt dem Ufer zu. Unsere lustige Waiteupolonaiie muß jedoch den „dummen" Seehunden eine Warnung gewesen sein. Wir warten eins halbe Stunde und länger und sehen die glatten schwarzen Kopse der Tiere in einer Entfernung von etwa 100 Meter blitzschnell auflauchen und verschwin den. Doch unser Führer kennt seine Jagdbeute und weiß sie zu überlisten. Er steckt sich in einen Anzug von Seehnndssell und legt sich platt ans den nassen Sand. Nun schnauft und pulstet es nach Seehundsart, bellt und knurrt, wie die Tiere es tun und lockt die neugierigen Hunde heran. Vorsichtig schnuppernd recken sie die dicken Schnauzen mit den borstigen Bärten aus dem Naß und glotzen mit den gutmütigen, dummen Angen auf den Gesellen im Uferfand. Dann nähern sie sich der Sandbank, einer, zwei, ein ganzes Rudel. Und nun beginnt ein groteskes Spiel. Sie schieben den plumpen Körper vorwärts, Hüpfen auf den Flossenfüßen, greifen und beißen sich, bellen und fauchen, sodaß man ihnen stunden lang znsehen könnte. Doch die Versuchung für den Jäger ist zu groß. Peng — den nächsten unter ihnen hat es getroffen. Wir tragen ihn ins Boot, er wiegt wohl 200 Pfund. Sein Fleisch, dem Hirschfleisch ähnlich, soll uns trefflich munden und sein Fell uns manchen Winter- schnupfen ersparen. Spät abends kehrten wir heim von unserem alltäglichen Jagdausftug. Der goldige Tag mit seinem Sonnsnglast war sacht in klare Sternennacht hinübergegliiten. MÄ Verkehr. Größte Sorgfalt in der Aufschrift und Verpackung der Postpakete wird von neuem dringend empfohlen, um Absender und Empfänger vor Schaden zn bcwahicn. Unbedingt erforderlich ist, den Bestimmungsort der Pakete wrgsäUig und deutlich mit herbortretenden Schrntzcichcn nicdcr- Zuschreiben und zu unterstreichen. Es empfichlt sich ferner, das; die Absender in den Pakciaulschristcn nicht nur die amtliche Bezeichnung der Postorte an- gcben, sondern — abgesehen von den Orten mit dem Sitz einer Obcr-Postdircbion und sonstigen allgemein bekannten großen Städten — auch zusätzliche Be zeichnungen (Ober-Postdirektionsbezirk oder KreiS, Provinz, Bundesstaat, Fluß, Gebirge oder dgl.) hinzusügen. VolkswiNschAMiLdes. Erhöhung der Eicrpreisc. Wie dicZcnlral- EinkaufSgesellfchaft m. b. H. mittcllt, sicht sie sich I genötigt, von dieser Woche ab den KlcinvcrlausS- preis stir die von ihr aus dem AuSlandc eingc- fühcicn «Eier von 36 Pfg. auf höchstens 40 Pfg. pro Stück zu erhöhen. Den Anias; zu dieser Er höhung gibt die Steigerung der Einkaufspreise süc Eier in verschiedenen Einkaufsländern, in denen die Nachfrage außerordentlich gestiegen ist. Nicht z» früh Kartoffel» ernte»! Angesichts der bevorstehenden Spälkarioffelernte richtet der LandcSkullurrat für das Königreich Sachien an die Landwirte die eindringliche Mahnung, Nicht zu früh zu ernten. Jede unreif geerntete Kartoffel bedeute einen Verlust sowohl für den, der sie angcbau! habe, wie auch für die Allgemeinheit, denn die unreife Knolle habe ihre Größe, habe das Gewicht noch nicht erreicht, zu dem sie sich Hütte anSwachfen können, wcnn sic im Boden gcblicbsn wäre. Auch lei ihre Haltbarkeit nur gering, und empfindliche Verluste drohten dem, dcr größere Vorräte von solchen Kartoffeln in seinem Keller unleibringe. GericktsdMe. Halle a. S. Im Februar dieses Jahres cr- schicu im Bitterfelder.Allgemeinen Anzeiger' folgende Anzeige: Achtung! So lange dcr Vorrat reicht, Kraftbrühwünel daS Stück zu vier Pfennig. Des Publikum, das annahm, es müsse sich hicr um eine be sonders gute Ware handeln, kaufte die Würfel, sah sich aber enttäuscht. Es wurde eine Probe zum Direktor des RahrungsmiltcluniersuchungZamtcS ge bracht, dcr scststclltc, Laß c- sich hier nm nicht weniger als 94 V« Kochsalz handelte, während Fett und StÄ- stoffsubsttmzcn überhaupt nicht vorhanden waren. Außerdem wog ein Würfel nicht ganz vier Gramm. Ein Kraftbrühwürscl dürfe nur 65 Kochsalz ent halten. Die übrigen 35 °/° müssen ans Fleischextratt und den oben angeführten Teilen bestehen. Dcr Verkäufer dcr Kraftbrühwürscl, dcr Handelsmann Emil Wcise aus Luckenwalde, hatte sich deshalb vor dem Schöffengericht zu Bitterfeld zu vcrantwortcn gehabt und war von dort zu 300 Mark Geldstrafe verurteilt worden. Der AmtSauwalt sowie der An geklagte legten Berufung ein, dis jetzt Voit dem hiesigen Landgericht auf Kosten dcr Staatskasse ver worfen wurde, so daß es bci dem ersten Urteil bleibt. Ver Kiemgärwer. Komposthaufen liefern erst dann einen guten Kompost, wenn sie 3—4 Jahrs alt sind und mehrmals umgestochsn wurden. Werden sie nach kaum einem Jahre gebraucht, so kann von einem Kompost noch keine Rede sein. Kalk nicht vergessen! Wenn die Gärien im Herbsts abgeernlel werden, müssen sie um gegraben werden, ob sie bepflanzt werden oder nicht, spielt dabei keine Nolle. Beim Umgrabeu bringt man seinen Dünger und auch den Kalk mit unter, damit sie den Winter über den Boden recht durchdringen können. Der Kalk hat aber dabei die zweite Aufgabe, die Pilzkrankhcücn des Bodens zn bekämpfen. Der Kalk wird am besten als Atzlalt gegeben, weil dieser am kräftigsten wirkt. Felder, die im nächsten Jahre mit Kartoffeln angebaut werden sollen, dürfen nicht stark gekalkt werden, weil sonst leicht Schorf austritt. Tüchtiges Kalken ist auch das beste Mittel gegen Kohlhernie oder Wurzei Er hatte Johannes leidenschaftlich geliebt und nach Kräften verzogen, solange er in ihm den künftigen Vertreter der alten, stolzen Firma sah. Nach deren Niedergang hatte er den An blick des Knaben gemieden, damit der Stachel seines Unglücks sich ihm nicht noch tiefer ins Herz bohrte. Nun sah er sich plötzlich dem strahlenden Kindergesicht gegenüber, und in all seine Dankbarkeit gegen Sabine mischte sich eine leise Beschämung darüber, daß sie es sein mußte, die seinem Sohne die Weihnachtsfreude verschaffte. Zärtlich streichelte er den Blondkopf des Jungen. „Freust du dich über die schönen Dinge, Johannes? Dann wurde er plötzlich wieder ernst. „Ich kam, um mit dir in einer sehr Wichtigen Angelegenheit zu verhandeln, Sabine." Es lag etwas in seinem Ton«, das Sabine Unwillkürlich erblassen ließ. »Mein Golt, Hans —" Ihr Bruder zog einen Brief ans seiner Rock tasche. - „Jst's etwas mit Werner?" fragte Sabine, von einer plötzlichen Ahnung durchzuckt. Ein nervöses Zittern lief durch ihrs Glieder. „Ja, es ist etwas mit Werner, Hans. Ich Weiß es. Bitte, sag es schnell!" Hans Grolenius sührle sie zu ihrem Feilster« fessel und nahm daun ihr gegenüber Platz. „Werner hat^mir aus Straßburg geschrieben oder vielmehr schreiben lassen. Hier ist der Brief. Ich habe ihn mit der Absndstöft er füllen." i Sabine atmete auf. Werner halte geschrieben. Werner lebte also! Was konnte es dann noch sein? Ihre zitternden Hände griffen hastig nach dem Briefe, aber ihr Bruder hielt sie zurück. „Du sollst ihn nachher lesen, Sabine, nach dem du durch mich den Inhalt erfahren hast. Ich will gleich mit der Tür ins Haus fallen, Sabine. Werner Littet mich, dich zur Trennung von ihm zu bewegen." Sabine Asmussen sah ihren Bruder starr an. Hatte sie recht verstanden? „Bitte, sag es noch einmal," Lat sie schließ lich mit zitternder Stimme. „Es ist möglich, daß ich mich verhört haLe." Sie lachte kurz auf. „Werner will sich von mir trennen, sagst du? Hier habe ich einen Brief, in dem er anders schreibt." Sie zerrle an ihrer Schreibmappe. Hans Groleuius legte die Hand auf ihren Arm. „Beruhige dich, liebe Sabine. Bitte, beruhige dich." Sie war aufgesprungen. „Nein, nein! Also hat er mich doch gekauft, gekauft, gekauft! Es klang wie ein Schrei. Ihr Bruder hatte sich gleichfalls erhoben. „Nein, Sabine. Damit hat's nichts zu tun." Er machte eine Pause, dann deutele er auf die geöffnete Schreibmappe. „Der Werner, der dir fchrieb, war ein anderer als der, der den Brief diktierte, der heute an mich gelangte. Liebs Sabine, Werucr hat ein schweres Unglück erlitten." „Es ist mit seiner Verwundung?" fragte sie atemlos. Wieder eins Pauss. „Ja, es ist mit seiner Verwundung," sagte Hans Grotemus schließlich langsam. „Er hat eine Verletzung, eine erhebliche Verletzung am — Ange davongetragen, von der er dir nichts geschrieben hat." Die junge Frau hatte sich hochaufgerichtst. Mit steinernem Gesicht und zitternden Lippen stand sie im rötlichen Scheine der Weihnachts- kcrzen. , , „Er ist blind!" Eine unheimliche Ruhe lag in ihrer Stimme. „Sag' es gerade heraus, Haus: er ist blind. Ich weiß es. Ich hab' es in dielen Tagen gefühlt, wenn auch die Klarheit fehlte/ Die Arzte in Straßburg haben einen letzten Drrsnch gemacht, ihm das Angenlicht zu erhalten. Der ist fehlgeschlagen." „Sabine, woher weißt du —* „Und nun soll ich in die Trennung willigen? Nun soll iÄ ihn allein lassen? Nicht wahr?" Hans Grotemus fuhr sich mit der Hand durchs Haar. „Eure Ehe ist nie besonders glücklich gewesen, liebe Sabine. Du weißt, ich bin nicht herzlos, aber nach dem, was Werner dir seinerzeit angetan Lat, finde ich es vom Standpunkte des Selbsterhaltungstriebes das Vernünftigste —" „Lieber Hans!" Sabines Augen funkelten in dem blassen Gesicht. „Den Selbsterhaltungs trieb lasse Litte aus dem Spiel. Um mich selbst handelt es sich Lier wahrhaftig nicht. Und was unsere Ehe anbelangt, milche dich lieber nicht ! ein. Das jage ich dir aber," sie war ganz ! nahe au ihn herangetrctcn und stöhle die Rechte t schwer auf den Schreibtisch, um ihren Worten größeres Gewicht zu verleihen, „wenn ich io handelte, wie du und Werner es mir in diciec Stunde nahelegt, wäre ich eine Ehrlose, die nicSt verdiente, das deutsche Vaterland im Kampie für dessen Ehre ihr Mann sein Augenlicht ein« büßle, ihr Vaterland zu nennen." Haus Grotenlus zuckte die Achseln. „In unseren früheren Verhältnissen, liebe Sabine, könnte ja davon auch gar nicht die Rede fein. Aber so liegt die Sache doch anders." , In il>r eben noch erregtes Gesicht war wieder starre Ruhe getreten. „Und wenn ich für ihn betteln mülzle. Hans." — Sie unlerbrach sich mit kurzem Lachen und deutete auf den Brief, ven chr Bruder noch immer in der Hand hielt, „.vych will ihn nicht lesen. Es ist ja sinnlos. Schreib ihm —. Nein, dn sollst ihm nicht schreiben. soll die Nachricht nicht von dir wie ein Almosen empfangen." Der Mann ging schweigend im Zimmer ans rind ab. „Die volle Verantwortung kommt auf dich, Sabine. Hier ist der Brief. Ich lasse ihn hier. Du sollst ihn lesen nnd überlegen. Und nun lasse ich dich allein. Gute Nacht I Komm, Johannes!" Sabine Asmussen saß die^ ganze Nacht in ihrem Zimmer. Die Lichle des Tannenbaumes waren v«Iöfcht, eins nach dem andern, wie müde Hoffnungen, die zu Grabe getragen i werden. Nun empfing sie das wcums Dunkel, s das von weihnachtlichen Gerüchen gcfchwängert war. ' »i (Schluß islat.)