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Politische Rundschau. Deutschland. * Am Montag hat der Kaiser im Beisein Les Kronprinzen von Italien und vieler anderer Fürstlichkeiten bei Karlsruhe die Kaiser parade ürer das 15. Armeekorps abgehalten. — I eineni Dank-Erlaß an den Statthalter der Reichslande sagt der Kaiser, die ihm in Elsaß und Lothringen allerorten dargebrachten Huldigungen seien ihm ein Beweis dasür, daß der Anschluß des Landes an das deutsche Vater land sich von Jahr zu Jahr enger und inniger gestaltet hat; er habe die Ueberzeugung, daß das Bewußtsein unlösbarer Zusammengehörigkeit mit dem Deutschen Reiche in der Bevölkerung stets wachsen und daß dadurch Vertrauen und Zu versicht in derselben mehr und mehr befestigt wer den wird. * Das Befinden des Fürsten Bismarck scheint immer noch zu Besorgnissen Anlaß zu geben. Zwar heißt es in der Umgebung des Fürsten, daß sich dessen Zustand fortschreitend' bessere, cs wird aber hiuzugesetzt, daß die „Schlaf losigkeit fortbesteht." Bisher wußte man über haupt noch nicht, daß der Fürst an krankhafter Schlaflosigkeit leidet. "Im Laufe des Zollkrieges zwischen Deutschland und Rußland hat sich die Not wendigkeit der Verstärkung der Grenz wachen nicht nur in Ost- und Westpreußen, sondern neuerdings auch in dec Provinz Posen und teilweise auch in Schlesien herausgestellt. Es wird daher voraussichtlich das untere Zoll- aussichtspersonal in den Zollämtern in Stralkowo, Pogorzelice, Skalmierzyce, Podsamtsche, Juo- wrazlaw, Wreschen, Wojczyn, Krotoschin, Pleschen, Ostrowo und Kempen vermehrt werden, da man deutscherseits jedenfalls vermeiden wird, anstatt der Vermehrung der Zollbeamten einen Militär kordon zu ziehen. "In militärischen Kreisen glaubt man, wie die,M. N. N.' schreiben, daß mit Inkrafttreten der neuen Heeresgesetznovelle und der damit ver bundenen zweijährigen Dienstzeit bei der Infanterie sich der Zugang von Ein jährig-Freiwilligen bei dieser Waffe verringern werde. Namentlich dürften solche junge Leute, die nicht höheren Studien obliegen, es in anbetracht der großen mit dem Einjährig-Freiwilligendienst verbundenen Kosten vorziehen, von nun ab die um ein ganzes Jahr verringerte Dienstzeit wie alle übrigen Dienst pflichtigen abzuleisten. "Die Statistik über die jüngsten Reichstagswahlen wird, wie die,Nat-Lib. Korr/ hört, schwerlich vor Beginn der Reichs tagssitzungen zur öffentlichen Kenntnis gebracht werden. Die genannte Korrespondenz hält es für wünschenswert, wenn bald wenigstens einige zusammenfasseude und grundlegende Zahlen, z. B. die Gesamtzahl der auf die verschiedenen Parteien gefalle, en Stimmen veröffentlicht werden könnten, schon um die Richtigkeit zahlreicher unerwiesener Behauptungen prüfen zu können, die an die Wahlergebnisse geknüpft werden. Oesterreich-Ungaru. "In Pilsen hat am Sonntag eine um fangreiche deutschfeindliche Kund gebung stattgefunden. Tschechen, die aus einer Versammlung kamen, durchzogen die Straßen der Stadt, rissen die mit deutschen Inschriften versehenen Schilder von den Häusern und zer trümmerten am Deutschen Hause die Fenster scheiben. Mit vieler Mühe gelang es der Gen darmerie, die Ruhe wieder herzustellen. Mehrere Verhaftungen fanden statt. "Dieser Tage hat sich in Krakau eine Cholerakommission gebildet, nachdem die Seuche schon seit Wochen in Galizien vereinzelt ausgetreten ist. Zunächst faßte diese Kommission den Beschluß, die Veröffentlichung aller Cholera fälle vorläufig zu unterlassen, da sie nur unnötige Furcht erzeugen würde und weil man die ver einzelt vo-kommenden Erkrankungen voraussichtlich leicht werde lokalisieren können. (Der Beschluß steht in direktem Widerspruch mit den Beschlüssen der Dresdener Konferenz.) Frankreich. * General Miribel, die Hoffnung Frank ¬ reichs bei der ersehnten Revanche an Deutschland, hat einen schrecklichen Tod gefunden. Während eines Spazierrittes am 9. d. wurde er vom Schlage gerührt, fiel vom Pferde und wurde eine Strecke weit geschleift, wobei er die schwersten Verletzungen, erhielt. In der Nacht zum Dienstag ist er denselben erlegen. * Am Sonntag abend sind in der französischen Hauptstadt der Großfürst Alexis und der Herzog und die Herzogin von Leuchtenberg ein getroffen und von dem Botschafter Baron Mohren heim empfangen worden. Die russischen Gäste werden sich zunächst nach Vichy und später nach Toulon begeben, wo der Großstirst Alexis die Revue über die russische Flotte abnehmen wird, worüber die Franzosen natürlich ungeheuer er freut sein werden. * Das ,Echo de Paris' meldet, daß zu den Manövern des französischen 6. Armeekorps, die in der nächsten Woche stattfinden, außer den russischen Offizieren keine anderen Mitglieder aus wärtiger Missionen zngelassen werden. "Der Ausschuß des Pariser Gemeinderats beschloß, einen Kredit von 500 000 Frank zum Empfange der russischen Marineoffiziere u d die Umwa >dlnng des Boulevard Sebastopol in einen Boulevard „Kronstadt." Der Seine präfekt Poubelle erklärte jedoch, die Regierung werde diese Umtaufung nicht genehmigen. "Das .Journal offiziel' veröffentlich den Erlaß über die Errichtung der Meltaus- stellung im Jahre 1900. Der Abteilungs vorstand im Staatsrat Alfred Picard ist zum Generalkommiffar ernannt. "In parlamentarischen Kreisen verlautet, daß die gemäßigte Linke.die Wahlen der soziali - sti scheu A bg eordneten Guesdc, Chauvin, Vaillant und mehrerer anderer, die Wahlgelder von d eckt sichen Sozialisten erhielten, als un gültig zu erklären beantragen werde. Belgien. " Die .Judopendance Beige' veröffentlicht Einzelheiten aus dem politischen Testa ment Königs Leopold von Belgien. Vornehm lich betont der König die Gefahr des unbe schränkten allgemeinen Stimmrechts, welches die Monarchie schwäche. Für die Selbständigkeit Belgiens sei monarchische Staatsform notwendig. Das Schriftstück erregt Sensation. Italien. "Der Bericht der Kommission, die behufs Untersuchung der in der Zeit vom 20. bis 25. August in Neapel stattgehabten Ruhe störungen (Kundgebungen gegen Frankreich und Kutscherstreik) eingesetzt war, ist jetzt ver öffentlicht worden. Derselbe schließt mit dem Urteile, daß das Militär und die Befehlshaber in demselben ihre Pflicht gethan hätten, daß dagegen die Polizeidirektion und die Präfektur ihrer Auf gabe nicht gewachsen waren. SP amen. * Aus Spanien, wo nach offiziösen Meldun gen angeblich alles ruhig sein sollte, werden wie der neue Unruhen gemeldet. Eine aus Santander in Madrid eingetroffene amtliche Depesche bestätigt, daß am Freitag'abend daselbst Ausschreitungen vorgekommen sind. Es ist einiger Materialschaden angerichtet, aber kein Gebäude in Braud gesetzt. Am nächsten Abend haben sich die Unruhen wiederholt. Die Gendarmerie trieb die Ruhestörer zurück. Fünf Personen wurden verletzt, 11 verhaftet. Balkanstaaten. "Nachrichten aus Neuwied zufolge ist die Königin Elisabeth (Carmen Sylva) von Rumänien vollständig wiederhergestellt und dürfte gegen Ende künftigen Monats nach Buka rest zurückkehren. Amerika "Die Revolution in Tucuman (Argen tinien) ist in der Ausbreitung begriffen. Der Gouverneur hat sich mit 1000 gut bewaffneten Soldaten in Cabillo verschanzt und rüstet sich zu hartnäckigem Widerstand. Bisher fanden nur einige Scharmützel statt, wobei einige Mann ge tötet wurden, eine entscheidende Schlacht wird er wartet. "Die brasilianische Regierung macht durch ihre Agenturen in Europa bekannt, daß sic sicher ist, der aufständischen Bewegung Herr zu werden. Die Aufständischen hätten an mehreren Stellen versucht zu landen, wären aber energisch zurückgeschlagen worden, und begännen den Mut zu verlieren. Im Handel und bei den Bankinstituten wäre eine Unterbrechung des Ge schäftsganges nicht eingetreten. Australien. "Auf Neuseeland hat der gesetzgebende Rat endgültig die Klauseln der Wahlreformbill angenommen, die das parlamentarische Stimm- recht der Frauen einräurnt, wozu in den beiden letzten Jahren zweimal vergebens der Anlauf genommen wurde. "Der zum Oberrichter von Samoa ernannte Nordamerikaner Ide steht im Alter von 48—49 Jahren; er stammt aus dem nord amerikanischen Unionsstaate Vermont, war dort, wie fast alle politischen Beamten der Ver. Staaten, Advokat, und hat schon ei e politische Rolle ge spielt, z. B. war er Vorsitzender des Senates. Während seines Aufenthaltes zu Samoa als Landkommissar der Union hat er sich als ein mäßiger, ruhiger und verträglicher Mann gezeigt, so daß man auf seine neue Thätigkeit in Samoa einige Hoffnungen setzen kann. Don Uah und Fern. Berlin ist cholsrafrsi. Der Berliner Magistrat macht folge.des bekannt: „Neue Auf nahmen von cholerakranken und choleraverdächtigen Personen haben seit dem 9. d. in keiner der drei städtischen Kranken« istalte.! stattgefunden. Nach dem nun aber auch die auf der Cholerastation deS Krankenhauses Moabit noch befindlich ge wesenen Kranken und zur Beobachtung eingelie ferten Personen inzwischen als gesund bezw. unverdächtig entlassen worden sind, ist diese Station aufgelöst worden. Die drei städtischen Krankenhäuser find also frei von cholerakranken und choleraserdächtigen Personen." Ei» Mittel gegen den Bist toller Hunde hat ein sächsischer Förster, namens Gastell, der nunmehr 82 Jahre alt geworden und das Geheimnis nicht mit in die Erde nehmen will, veröffentlicht; er hat dasselbe seit 25 Jahren ge braucht und will vielen Menschen und Vieh damit geholfen haben. Mau soll sogleich mit warmem Wasser und Eisig die Wunde aus waschen und trocknen, alsdann aber einige Tropfen mineralische Salzsäure in die Bißwunde gießen, weil mineralische Säure das Speichelgift auflöst, wodurch die böse Wirkung aufgehoben wird. Eine Demonstration am Sedantage. Im Stadtrate zu Neustadt a. d. Hardt steht eine Interpellation wegen des auffälligen Ver haltens des Bürgermeisters Kraft am Tage der Sedanfeier bevor. Kraft, der im gewöhnlichen Leben Tabakhändler ist, steckte am Sedantage statt einer Fahne zum Fenster seines Hauses Tabakblätter hinaus, die in einen langen, weit- bauschigen Trauerflor gehüllt waren, um damit gegen die projektierte Tabaksteuer zu demon strieren. Auch die Regierung wird gegen Bürgermeister, der früher einmal als demo kratischer Reichstags-Kandidat aufgestellt war, vorgehen. Ein merkwürdiger Weinstock. Aus Marbach schreibt man: Bei einem hiesigen Gast hof wächst ein seltener Weinstock, der von den Fremden nicht genug bewundert werden kann. Er wurde vor 24 Jahren gepflanzt und wird wegen seiner besonderen Vorzüge mit außer ordentlicher Sorgfalt gepflegt; in einer Dicke von 30 Zentimetern erhebt er sich an einer Seiten wand der Gasthauslaube ungeteilt bis zu einer Höhe von zwei Bietern, worauf er sich mannig fach verzweigt und das grüne Dach einer 13 Meter langen und 5 Meter breiten Laube bildet. In dieser Laube, die trotz ihrer Größe fast nur durch den Weinstock beschattet wird, ist der Aufenthalt selbst an den heißesten Tagen an genehm, da das dichte Blätterwerk des Wein stocks den Sonnenstrahlen keinen Durchgang ge stattet. Noch mehr aber als durch seine reiche Verzweigung ist der Weinstock durch die Fülle und Pracht seiner Früchte merkwürdig, indem jetzt an 1300 schwarze Trauben an der Decke gezählt werden. Der aus Magdeburg flüchtige Postge« Hilfe Lüderitz, der eine Reihe von Wertsendungen unterschlagen hatte, ist bei Salbke tot m der Elbe aufgefunden worden. Die Leiche zeigt Wunden von Messerstichen. Anscheinend hat Lüderitz, bevor er ins Wasser ging, versucht, sich durch Messerstiche das Leben zu nehmen. Festgeuommene Räuberbande. Der Dortmunder Polizei gelang es, eine anS fünf Köpfen bestehende Bande festzunehmen, die inner halb 10 Tagen vier bis fünf Raubanfälle aus geführt hat. Es ist verkommenes Gesindel, Dirnen waren die Hehlerinnen. Ueberfahren. Von einem Eisenbahnzug der Kreis Altenaer Schmalspurbahn wurde in der Nähe von Eveking ein Fabrikarbeiter überfahre^ Als der letzte Abendzug von Werdohl nach Augustenthal fuhr, spürten der Lokomotivführer und der Heizer plötzlich einen Rack, doch konnten sie wegen der herrschenden Dunkelheit die Ursache nicht entdecken. Bei der Rückfahrt der leeren Maschine wurde die Stelle genauer untersucht und nun fanden sie die vollständig zermalmte Leiche des Genannten. Ei» schweres Bootsuuglück hat sich am Freitag auf der Elbe ereignet. Eine von Blanko nese nach Schulau abgesegeltes Boot, in dem sich 4 Personen befanden, ist am Bestimmungsort nicht angekommen und später bei Wittenberge gekentert a getrieben. Von den Insassen fehlt jede Nachricht; man vermutet, daß sie sämtlich ertrunken sind. / Uferbefestigung der Hallige«. Der Preuß. Staatsminister v. Heyden und der Ober präsident Steinmann besichtigten augenblickkich die schleswigschen Halligen. Die Regierung plant, wie verlautet, ausgedehnte Uferbanten zur Er haltung der schutzlosen Inseln. Ein grauenhafter Selbstmord ereignete sich kürzlich in Arnbrück (Bayern). Der siü längerer Zeit arbeitslose Bauernknecht Alois Küchler schlich sich zu der hinter der Stummer- schen Spulenfabrik gelegenen Radstubenthür, öffnete dieselbe und stürzte sich unter das >» sausender Eile rotierende große Schaufelrad. Selbstverständlich wurde er unter dem Rade voll ständig zermalmt und in Stücke zerquetscht. Manöver-Unglück in Oesterreich. Bei den letzten Manövern bei Rzibam wurde der Feldwebel Balouu vom 11. Infanterie-Regimen erschossen. ,Narodni Listy' erklärt, es sei nicht sichergestellt, ob zufällige Tötung oder Mord vor liege, da der Feldwebel bei der Mannschaft sehr unbeliebt gewesen sei. In der Neupsster Kirche entstand am Sonntag eine große Panik dadurch, daß eine Frauensperson während des Gottesdienstes unter Krämpfen zusammenstürzte und verstarb. Die Ursache des plötzlichen Todes soll durch die Ob duktion der Leiche festgestellt werden. Eiffels Einspruch gegen die Beschlag nahme seiner deponierten 18 Millionen wurde verworfen. Ein aufregendes Gerücht setzte dieser Tage ganz Rom in Bewegung. Man erzählte mit aller Bestimmtheit, daß ein Soldat del Schwcizergarde plötzlich wahnsinnig geworden sei und de, Papst Leo durch einen Flinte ischuß ge tötet habe. Die Falschheit der Nachricht war handgreiflich, denn die Schweizergardisten trage» gar keine Gewehre, sondern sind nur mit Helle barden bewaffnet. Trotzdem wurde das Gerücht geglaubt und die ganze Stadt geriet in Auf regung. Zahlreiche Neugierige eilten nach dew Petcrsplatze vor den Vatikan, wo aber nicht» anderes zu bemerken war, als daß im Batiks» völlige Ruhe herrschte. Der Papst befindet sich in der That vollkommen wohl. Eine Königin als Lebensretterin. Alb die Königin Christine dieser Tage allein spaziere» ging, gelangte sie an einen EisenbahndamM, dessen Uebergang, weil ein Zug nahte, bereits ge sperrt war. Auf dem Damme saß spielend ei» kleines Mädchen, das des heranbrausenden Zuge» gar nicht achtete. Die Königin schlüpfte rasch entschlossen unter den Balken durch und riß da» Kind von den Schienen; im nächsten Augenblicke brauste bereits der Zug vorüber, der ohne die heldenmütige That der Königin das Kind zweifel los zermalmt haben würde. Am Ziel'. Sj (FortjetzungO Die schöne Frau hatte durch ihr liebens würdiges Benehmen bald den üblen Eindruck verwischt, den ihr Betragen gegen Fräulein Göllern bei mir hervorgebracht; von Sidonie hörten wir nichts mehr und so verblaßte all mählich das Bild dieses interessanten Mädchens in meiner Seele. Ich weilte nun schon vierzehn Tage in Wolkendorf und fühlte mich in dieser ländlichen Einsamkeit wohler und zufriedener denn je. Da kam eines schönen Tages Sidonie daher- geritteu, aber diesmal ..icht allein, eiu bildschöner, junger Husarenofsizier begleitete sie. Heinrich von Wolkeudorf war der Sohu des Gutsherrn; das Schloß, ein ansehnlicher Besitz, lag etwa eine halbe Stunde vom Dorfe entfernt. Die Herr schaft lebte meist auf Reisen, so kam es, daß ich bisher niemand von den Besitzern Wolkeudorfs gesehen hatte. Der Pfarrer empfing den Sohn seines Guts herrn mit seiner ihm stets gleichbleibcnden, freund lichen Gutmütigkeit, mich beschlich ein leises Mißbehagen. Der schöne, glänzende Husaren offizier und Charlotte! Wer konnte diese reizende Fra« sehen, ohne sie zu lieben. Meine Ahnung hatte mich nicht getäuscht; Herr von Wolkeudorf verschlang Charlotte förmlich mit seinen Blicken; die junge Frau selbst zeigte offenbar das Bestreben, ihm zu gefallen, als sei sie jetzt erst in das richtige Fah: wasser gelangt, das war ein Kokettieren, ein Lachen und Plaudern, daß mir darob beinahe die Sinne vergingen, so hatte sie sich mir gegenüber nie gezeigt. Mit einem boshaft-spöttischen Lächeln be trachtete Sidonie die sich vor ihren Augen ab spielende Szene, in diesem Augenblick kam sie mir häßlich vor, ich haßte sie beinahe, denn es war mir klar, daß Fräulein Göllern den jungen Offizier nicht ohne Absicht hierher ge bracht hatte. Sidonie winkte mich zu sich. „Wie gefällt Ihnen Herr von Wolkendorf?" fragte sie satirisch lächelnd, „ein schöner Mann, nicht wahr?" Sie lachte leise vor sich hin. „Der junge Mann ist den Damen sehr ge fährlich," fuhr sie nach einer kleinen Pause fort, „kommen, sehen und siegen, das ist seine Parole; aber er ist flatterhaft, unendlich flatterhaft, ein Schmetterling, der von Blume zu Blume gleitet — sehen Sie, wie er nur Blicke für Frau Wild bach hat, und gestern noch hatte er nur Augen für mich. Ja, er ist falsch, falsch und treulos wie Wind und Welle!" Ein wahrhaft diaboli scher Zug entstellte das kleine, magere Gesicht. Ich betrachtete sie erstaunt und bestürzt. Welch' wilde Leidenschaften mochten in dieser Seele herrschen. Sidonie stand auf und legte ihren Arm in den meinen. „DaS muß ich sehen," sagte sie lebhaft; „wollen Sic mitkommen?" wandte sie sich an die andern, „Herr von Reuben will mir eine wun dervoll erblühte Spätrose zeigen." Alle waren einverstanden und folgten uns in den Garten; selbst Charlotte fand keine Wider rede, sie war zu sehr mit dem schönen Leutnant beschäftigt. Sidonie ließ meinen Arm nicht mehr los. Sic fing ein alltägliches Gespräch an und lenkte dann unbemerkbar auf ernstere Sachen über ; sie besaß gründliche Bildung und einen scharfen, durchdringenden Verstand, noch nie hatte ich mit einer Frau eiu zu gleicher Zeit so ernstes und doch so anregendes Gespräch geführt. Sie hatte sich eine eigene Weltanschauung gebildet und betrachtete alles vom pessimistischen Stand punkte aus, dennoch verriet sie wieder ein edleS, gutes Herz, dessen vorzügliche Eigenschaften sie eifrig zu verbergen suchte. Man mußte sie lieb gewinnen und doch wieder gab es ein undefi nierbares Etwas an ihr, das abstieß und auch wieder fesselte, die Frau war ein wandelndes Rätsel für mich. Nach einigen angenehm ver brachten Stunden wünschte Sidonie heimzu kehren; der junge Offizier trennte sich augen scheinlich sehr ungern von seiner schönen Nach barin. „Kommen Sie auf einige Tage nach Monbijou," sagte Sidonie, mir zum Abschiede die Hand reichend; „ich sehe immer Gäste bei mir, Sie werden sich nicht langweilen. Ueber- morgen sende ich meinen Wagen, um Sie zu holen." Ich versprach zu kommen, Monbijou zu sehen war ohnehin mein geheimer Wunsch gewesen. Pünktlich zur bestimmten Zeit erschien der Wagen, um mich abzuholen; an Wilhelmine war ein Briefchen mttgeschickt worden, sie möge mit kommen. Ich hatte erwartet, daß Wilhelmine sich weigern würde, ihre Hausfrauenpflichten im Stich zu lassen, um sofort Sidoniens Wunsche zu entsprechen; zu meinem größten Erstaunen zeigte sie sich sogleich bereit, der Einladung Folge zu leisten. In kurzer Zeit war sie bereit n»d nachdem sie von den Ihrigen herzlich AdW" genommen, stieg sie rasch uno leicht in den harren den Wagen. „Morgen um diese Zeit bin ich wieder bä euch," rief sie nochmals grüßend nach Pfaarhause zurück und fort rollten wir, weim in die schöne Landschaft hinein, die sich nun vor unsern Blicken erschloß. Die Fahrt nach Monbijou war reizend, uM durch dichte Laubwaldungeu, hier und da sähe» wir ein kleines Gehöfte oder eine Mühle »» einem lustig dahiurauschenden Bache. Ich d>» ein großer Naturfreund und schwelgte in Em- zücken, lächelnd hörte Wilhelmine meine bew»»' deruden Ausrufungen au. „Wenn Sie die Natur so sehr lieben, werde» Sie sehr angenehme Tage verbringen," sagte i»- „Monbijou hat eine herrliche Umgebung, es ver dient in der That seinen Namen." . „Kommen Sie oft dahin?" wagte ich s fragen. ... „So oft mich Sidonie rufen läßt," war d Antwort, „die Arme leidet zuweilen an TE sinnsanfällen, dann muß ich kommen, um sie - erheitern; sie behauptet, der Ton meiner Stiww allein wirke schon beruhigend auf sie; ich v fehle daher nie zu kommen, wenn sie uach sendet, ich habe Sidonie sehr lwb uud wuiya von ganzem Herzen, sie möge glücklich werve» „Ist sie es denn nicht ?" wagte ich-E werfen. Wilhelmine sah auch mit ihren sch Augen erstaunt au. . . -Ute» „Ich glaube, das müßte anan doch am er, , Blick erkennen," sagte sie, „alle Extravag