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4094 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 77, 6. April 1910. In diesem Bande nehmen die von Eckermann aus gezeichneten Gespräche den breitesten Raum ein, doch kommen auch zahlreiche interessante Unterredungen mit F. v. Müller, Soret u. a. vor. Viele Äußerungen in diesem Bande ge hören zu dem reifsten und abgeklärtesten, was uns aus Goethes Munde ausgezeichnet worden ist, so über Poesie, Ästhetik, dichterische Produktion usw. Dazu kommen mancherlei Gespräche über naturwissenschaftliche Gegenstände, die ein Beweis dafür sind, mit welchem Eifer Goethe auch im hohen Alter noch seine Kenntnisse zu bereichern be strebt war. Von den in diesem Bande verzeichneten Gesprächen be ziehen sich einzelne auf Goethes wirtschaftliche Lage und seine Beziehungen zu Buchhändlern. Zu F. v. Müller äußerte der Dichterfürst sich einmal in einem ziemlich ungehaltenen Tone über seine geringe Besoldung am Weimarer Hofe: »Einen Parvenü wie mich konnte bloß die entschiedenste Uneigennützigkeit aufrecht halten. Ich hatte von vielen Seiten Anmahnungen zum Gegenteil; aber ich habe meinen schriftstellerischen Erwerb und zwei Drittel meines väterlichen Vermögens hier zugesetzt und erst mit 1200 Taler, dann mit 1800 Taler bis 1815 gedient.- (31. März 1824.) Um diese Zeit bereitete Goethe die Drucklegung seiner Korrespondenz mit Schiller vor. Karoline von Wolzogen schrieb im Herbst 1824 darüber an Ernst von Schiller: -Hat Goethe mit Dir nicht über die Korrespondenz zwischen Schiller und Goethe gesprochen? Es geht übrigens alles gut. Er sagte mir, gegen Ostern werde das Manuskript fertig sein und Cotta müsse noch mehr bezahlen, als er an fangs gedacht. Goethe ist in den besten Prinzipien über diese Dinge-. Wenn auch Goethe auf hohe Honorare bedacht war, so hielt er es doch für selbstverständlich, daß ein Dichter sich nicht verkaufen dürfe. F. v. Müller notierte nämlich über ein Gespräch mit Goethe am 25. November 1824: »Über Walter Scott, der an 80,000 Pfund durch Schriftstellerei gewonnen, aber sich selbst dafür verkauft habe und seinen wahren Ruhm; denn im Grunde sei er doch zum Pfuscher geworden, denn seine meisten Romane seien nicht viel wert, doch immer noch viel zu gut fürs Publikum». Als Goethe eine neue Ausgabe seiner Werke vorbereitete, bemühte sich der Verlag von Brockhaus, diese zu erhalten Am 5. Mai 1825 empfing Goethe zwei Vertreter der Firma. E. Brockhaus schreibt darüber: -Der damals 76jährige Dichter machte auf den 21jährigen Verleger Heinrich Brock haus den mächtigsten Eindruck, den dieser nie vergessen hat. Goethe war sehr freundlich und liebenswürdig gegen die beiden Brüder Friedrich und Heinrich Brockhaus, erkundigte sich nach ihrem verstorbenen Vater, der auch mehrmals persönlich mit ihm verkehrt hatte, sowie nach ihrem Geschäft und lobte mehrmals das Literarische Konversationsblatt; auch das Konversations-Lexikon benutzte er oft und hatte es auf seinem Arbeitstisch stehen. Ec schien sehr geneigt zu weiteren Unterhandlungen, teilte den Brüdern mit, daß die neue Aus gabe 40 Bändchen enthalten solle und er noch mit keinem andern Verleger abgeschlossen habe, und forderte sie aus, ihm schriftlich weitere Mitteilung zu machen». Goethe empfing die Brüder Brpckhaus am 14. Mai wieder sehr freundlich und schien ganz bereit, mit ihnen ab- zuschließen, wie er selbst aussprach, teilte ihnen noch mehrere Einzelheiten mit und bat sie, das weitere mit seinem Sohne zu verhandeln. Bekanntlich blieb er zuletzt doch bei Cotta. Im November 1825 feierte Goethe sein Dienstjubiläum. Über den 25. Dezember berichtet Eckermann: »Ich ging diesen Abend zu Goethe, den ich alleine fand und mit dem ich einige schöne Stunden verlebte. Mein Gemüt, sagte er, war diese Zeit her durch vieles belästigt; es war mir von allen Seiten her so viel Gutes geschehen, daß ich vor lauter Dank sagungen nicht zum eigentlichen Leben kommen konnte. Die Privilegien wegen des Verlags meiner Werks gingen nach und nach von den Höfen ein, und weil die Verhältnisse bei jedem anders waren, so verlangte auch jeder Fall eine eigene Erwiderung. Nun kamen die Anträge unzähliger Buchhändler, die auch bedacht, behandelt und beantwortet sein wollten. — Ich habe in diesen Tagen eine Bemerkung gemacht, die ich Ihnen doch Mitteilen will. Alles, was wir tun, hat eine Folge. Aber das Kluge und Rechte bringt nicht immer etwas Ungünstiges hervor, vielmehr wirkt cs oftmals ganz im Gegenteil. Ich machte vor einiger Zeit, eben bei jenen Unterhandlungen mit Buchhändlern, einen Fehler, und es tat mir leid, daß ich ihn gemacht hatte. Jetzt aber haben sich die Umstände so geändert, daß ich einen großen Fehler begangen haben würde, wenn ich jenen nicht gemacht hätte. Dergleichen wiederholt sich im Leben häufig, und Weltmenschen, welche dieses wissen, sieht man daher mit einer großen Frechheit und Dreistigkeit zu Werke gehen«. Von Goethes Geschäftssinn finden wir eine weitere Probe in dem Briefe, den Karoline v. Wolzogen am 27. Mai 1826 an Ernst v. Schiller schrieb: -Mit Goethe hatte ich eine Konversation, die ich sogleich Mitteilen muß. Er fing selbst von der Briefheransgabe-Angelegcnheit an und sagte, er glaube den Kontrakt mit Cotta sehr klug gemacht zu haben. Mit Cotta scheint er zu wünschen, daß die Sache ihm ganz überlasten bleibe, wie es anfangs gesetzt war. Es sei nun gewiß, daß es vier Bände würden und daß Cotta den Band mit 2000 Rt. bezahle. Dafür, daß er erlaubt, eine kleine Edition mitzumachen, müsse Cotta noch 2000 Rt. bezahlen. 20 000 Exemplare habe er zu machen gestattet. Von diesem allen sei die Hälfte euer, also für jetzt 5000 Rt. Über den Termin der ersten Zahlung hat er sich nicht er klärt; ich wollte auch nicht in ihn dringen. Aber nach Johanni'kannst Du dich füglicherweise einmal bei August erkundigen, wie es damit steht. Goethe ist jetzt ganz auf dem guten Wege. Über eure Privilegien freute er sich, und er hoffte, Du würdest einen guten Akkord machen. Es freute ihn auch sehr, daß der alte Akkord mit 1825 im Reinen sei. Wahrscheinlich hättet ihr versäumt, die Anzahl der Auflage sür die Taschenausgabe zu bestimmen, was euch freilich Schaden brächte; doch müsse nun ein Abschluß gemacht und die Zukunft benutzt werden; man müsse Cotta zulcibe gehen. Auch das Äufbewahren der Urschriften als beiderseitiges Familieneigentum sei gesichert. Er wolle das Kästchen bei der Weimarischen Regierung deponieren«. Es ist begreiflich, daß Goethe zahlreiche Manuskripte und Bücher zur Beurteilung zugesandt wurden. Er hat viele gelesen und manche so freundlich beurteilt, daß wir uns heute darüber wundern. Den Verfassern und Verlegern wird das natürlich sehr lieb gewesen sein; aber Goethe konnte doch nicht alles lesen, und zuweilen sah er später, daß er dem einen oder andern Unrecht getan hatte. Als nach dem Tode Solgers, der Goethe seine Übersetzung des Sophokles zu gesandt harte, nachgelassene Schriften und Briefe heraus gegeben wurden, sagte Goethe (21. Januar 1827) zu Eckermann: »Solger hat, wie ich aus diesen Briesen sehe, viel Liebe zu mir gehabt; er beklagt sich in einem derselben, daß ich ihm auf den Sophokles, den er mir zugesendet, nicht einmal geantwortet. Lieber Gott! — aber wie das bei mir geht! Es ist nicht zu verwundern. Ich habe große Herren gekannt, denen man viel zusendele. Diese machten sich gewisse Formulare und Redensarten, womit sie jedes erwiderten, und so schrieben sie Briefe zu Hunderten, die sich alle gleich und alle Phrase waren. In mir aber lag dieses nie. Wenn