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Nr. 35 u. 36 Freitag, den 2. September 1921. XXIII.Jahrgang Deutsche Gartenbau-Zeitung Bezugspreis bei direktem Bezug vom Verleg: Hr Deutschland und Deutsdh- Oesterreich M. 16.—, durch die Post oder den Buchhandel and Hr das Ausland M. 40.- * pre Kalenderjahr. Ausgabe x. Zt. 14tägiz (Freitags). (früher „Der Handelsgärtner") Fachblatt für die deutsche Erwerbsgärtnerei G Verlag: Thalacker & Schwarz, Leipzig-R., Comeniusstr. 17. Anzeigen 80 Pfennig für die sechs- gespaltene Nonpareille-Zeile, bei Platzvorscrift 100 Pfennig, im Reklameteil M. 2.— für die dreigespaltene 78 mm breite Petit-Zeile. (3 Teuerungszuschlag 100°/.. er irgendwie das Ohr der maßgebenden Re- Des Meresjund der? Liebe Wellen. (Erzählung.) 6. Fortsetzung. hat sich Herr Olbertz, der Herausgeber der Bindekunst, betätigt, und wie es scheint, hat Inhalt: Alarm! Die Blumeneinfuhr freigegeben! — Der steuer freie Erneuerungsfond. — Neue festgesetzte Beiträge zur Angestellten versicherung. — .Praxis und Wissenschaft: Excelsior, eine vorzügliche Landgurkensorte. — Was sind die lohnendsten Obstarten für den Er- < . . werbsobstbau? —Noch einmal:. Zur Biologie des Marienkäferchens8 gierungsstelle gefunden. Denn nur in diesem Vereine und Versammlungen. — Handelsnachrichten. — Personalien? Rlarml Die Blumeneinfuhr freigegeben! Es ist Bresche in die Mauer ge schossen; Die deutsche Regierung hat für den Winter 1921/22 die Ein fuhr von 3000 dz Blumen aus Italien gestattet! Die Zusagen, die man von Re gierungsseite aus der Leitung des Verbandes deutscher Gartenbaubetriebe gegeben hatte, wonach eine Einfuhrerlaubnis für Auslands blumen nicht zu befürchten sei, sind zu eitel Schaum geworden, sind zerstoben wie Spreu im Winde, und die von dem übertwiegenden Teil des Blumenhandels ersehnten Blumen aus dem Lande der Herren Italiener werden wie- ler in den deutschen Bindestuben verarbei tet werden und — aus vollgepackten Kiepen die Straßen überschwemmen. Zwar, wenn die Menge von 3000 dz = 300 t innegehalten werden wird, so wird die Blumen flut nicht gleich bis zu der gefahrdrohenden Höhe anschwellen, zu welcher sie im Jahre 1913 angewachsen war, den deutschen Er werbsgartenbau erbarmungslos überschwem mend und die hart erarbeiteten Früchte deut- tchen -GärtnerHeißes zerstörend. Denn im Jahre 1913 wurden allein aus Italien 667 t = 6670 dz frische Blumen (Flieder, Nelken, Veil chen, laut statistischem Jahrbuch für das Deutsche Reiche, Jahrgang 1913) eingeführt und aus Frankreich nach derselben Quelle nicht weniger als 1663 t — 16 630 dz, außerdem aber aus anderen nicht näher angegebenen Ländern (wohl Holland und Belgien) 145 t und ferner noch an Beeren, Blättern, Kräuter zum Gewerbgebrauch 13 027 t = 130 270 dz. Die damalige Blumenzufuhr betrug mithin reichlich das Achtfache der für den kommen den Winter erlaubten Menge, wozu noch die 16 630 dz Beeren, Blätter usw. für den Bin dereibedarf kamen. Aber es ist leider zu befürchten, daß es nicht bei den freigegebenen 3000 dz Blumen aus bella Italia bleiben wird. Wenn auch hoffentlich der VdG ernstlich bestrebt sein wird, bei der Regierung auf peinliche Kontrolle der Einfuhrziffern zu dringen, so wird es doch Hintertüren genug geben, durch welche „mar kenfreie“ Blumen in beträchtlichen Mengen die schwarzrotgoldenen Grenzpfähle über schreiten werden und vor allem: Frankreich wird es nicht dulden, daß die Italiener in Hin sicht auf die Blumeneinfuhr einen Vorzug haben und wird wie Shylock sicher auf seinem Schein, nämlich auf dem Würgevertrag von Versailles bestehen, der ihm genug Möglich keiten an die Hand gibt, auch seinen eigenen Blumen den Eingang in das verarmte Deutsch land mit mehr oder weniger sanfter Gewalt zu erzwingen. Was man ihm natürlich durch aus nicht verübeln kann, da es ja leider auch Deutsche sind, die sich kein Gewissen daraus machen, den deutschen Gärtnern die auslän dische Konkurrenz gerade in dem Augenblick wieder auf den Hals zu hetzen, wo sie sich an schicken, ihre mit großen Kosten wieder in Stand gesetzten eigenen Betriebe in großem Umfange zu vermehrter Winterblumenerzeu gung zu rüsten. Als eifrigster Zerstörer des Dammes, der den Auslandsblumen den Eintritt ins Reich wehrte, Sinne läßt sich eine Notiz seiner Zeitung deu ten, die er in der Nummer vom 24. August ver öffentlichte. Sie lautet wie folgt: „Während bei den Verhandlungen über die Blumeneinfuhr aus Italien für den näch sten Winter in Nürnberg die Wogen turm- hoch gingen, war die Frage der Blumenein- fuhr längst entschieden. Die deutsche Re-; gierung wird für den kommenden Winter eine Einfuhr von 3000 dz Blumen aus Italien gestatten. Ueber die Zeit der Einführung wird man sich in unserm Beruf schlüssig werden müssen. Wir halten die geeignetste Zeit, die Zeit vom 15. Dezember bis zum 15. März. Das Bekanntwerden der Einfuhrerlaubnis — sie wurde am 20, August vor den Ver handlungen mitgeteilt — löste bei den Teil nehmern die unterschiedlichsten Stim mungen aus. Während die Mehrzahl die Mitteilung freudig begrüßte, waren die Geg ner geradezu empört. Das kam besonders in einer Ansprache von Bräunlich, Gera, zum Ausdruck, Er bezeichnete es als ge radezu einen Skandal, daß Einzelpersonen, denen er jedes Recht dazu abspreche, für den Beruf zu handeln, da sie dazu keinerlei Auftrag hätten, schon seit Monaten mit den verschiedensten Stellen im In- und Ausland in Verhandlungen ständen und daß der Ver band der Blumengeschäftsinhaber dadurch in seinen Aufgaben gestört würde. Die Ver bandsdelegierten müßten sich geradezu als Hanswürste vorkommen, wenn sie in stun denlangen Debatten nutzlos über eine Sache stritten, die längst entschieden sei. So et was dürfe nicht wieder vorkommen; es müsse gewissermaßen den Regierungs- und andern Stellen verboten werden, mit Einzel personen, die keinerlei Recht dazu hätten, zu verhandeln, dazu wäre einzig und allein der Verband da. Gleichzeitig brachte Bräun lich einen Antrag ein, in dem die deutsche Regierung ersucht wurde, wenn es sich um Fragen, die den Beruf der Blumengeschäfts inhaber angehen, handle, mit Niemand zu verhandeln, als mit dem Verband deutscher Blumengeschäftsinhaber. Dieser Antrag wurde angenommen. — Es ist ja recht be dauerlich, daß der Verband wieder einmal zu spät gekommen ist, aber das gibt ihm keineswegs das Recht, irgend einer andern Person die Möglichkeit unterbinden zu wollen, im Interesse des Berufes mit irgend welchen Stellen zu verhandeln. Auch die deutsche Regierung wird sich kein Deut um solch kindliche Eingaben kümmern. Sie holt sich ihre In formationen von denjenigen Stellen und von denjenigen Per sonen, wo sie sie am zuverlässig sten erhäl t.“ Es hat in der Tat den Anschein, als ob die Regierung sowohl den Verband deutscher Gar tenbaubetriebe als auch den Verband der Blumengeschäftsinhaber bei ihrer endgültigen Entscheidung übergangen habe, und es bleibt abzuwarten, wie sich die Sache aufklärt. Dieses Uebergehen der Fachverbände bei so wichtigen Entscheidungen scheint übrigens bei der Reichsregierung jetzt die Regel zu sein. Zum Beispiel hat sie gerade jetzt auch die Einfuhr einer sehr großen Menge von schweizer Stickereien freigegeben, ohne die deutschen Herstellerkreise gleichartiger Waren, nämlich die vogtländischen Stickereifabrikan ten und die Arbeitnehmer der letzteren über die wirtschaftlichen Folgen dieser Einfuhr zu Rate zu ziehen. Mit Recht hat dagegen die, übrigens rein sozialistische, sächsische Regie rung im Einvernehmen mit den Fabrikanten und Arbeitern schärfsten Einspruch in Berlin erhoben, und es ist nur zu bedauern, daß lei der keine deutsche Landesregierung für den Gartenbau sich in gleichem Sinne ins Zeug legen wird, weil hierfür die wirtschaftliche Voraussetzung: Konzentration des Gartenbaus in einem einzelnen Bundesstaat nicht ge geben ist. So tritt an die deutschen Gartenbaube triebsinhaber die wichtige Frage heran, wie sie sich selbst helfen wollen. ,W i r meinen, sie sollten sich nicht wieder, wie vor dem Kriege, wehrlos wie Opferlämmer abschlachten las sen, Sie sollten sich ihrer Haut wehren. Sie sollten aus den Erfahrungen der langen Kriegs jahre wenigstens das eine gelernt haben, daß die einzig richtige Antwort auf den Hieb der Gegenhieb ist. Wer italienische Blumen verarbeitet, dem mag das unbenommen bleiben, er möge aber seinen Be darf an sonstigen Waren auch in der bella Ita lia decken. Vor allem aber tät eins not, das ist der straffe Zusammenschluß der Gärtnerei- betriebe zu Ein- und Verkaufsgenossenschaf ten. Nur diese sind in der Lage, den Kampf gegen die italienischen Blumen in großzügiger Weise zu führen, sei es im Sinne des oben- stehenden Satzes, sei es dadurch, daß sie, zu einem machtvollen Ringe zusammengeschlossen, maßgeblichen Einfluß auf die Einfuhr selbst und auf die Preisbildung zu gewinnen trachten. Freilich allzuviel ist bereits versäumt worden. Der Genossenschaftsgedanke hat leider nicht das wünschenswerte Verständnis gefunden, und es ist sehr fraglich, ob jetzt die herein brechende Gefahr noch gebannt werden kann. Denn sie ist riesengroß: Eine Schick salsstunde hat für den deutschen Erwerbsgartenbau geschlagen. Der steuerfreie Erneuerungs- fond. Der § 59a der Novelle des Einkommen steuergesetzes gestattet es den Steuerpflich tigen, vom Betriebs- und Geschäftsgewinn in den Jahren 1920 bis 1926 steuerfreie Rücklagen abzusetzen, welche voraussichtlich zur Ersatz beschaffung der zum gewerblichen oder land- und forstwirtschaftlichen Anlagekapital zäh lenden Gegenstände über den sogenannten ge meinen Wert der Ersatzstücke hinaus aufge wendet werden müssen. Diese Mehrkosten müssen zu Lasten dieses Fonds verrechnet werden. Stehen aber zur Bestrei tung der Mehrkosten gebildete Rücklagen nicht zur Verfügung, so können die Mehrkosten als W e r b u n g s k o sten abgezogen wer den. Wir haben dieses Thema bereits früher ein mal erörtert, konnten aber endgültige Ver haltungsmaßregeln nicht angeben, weil die Ausführungsbestimmungen vom Reichsfinanz- ministerium noch nicht erlassen worden waren. Das ist aber nunmehr geschehen, und des halb seien heute die notwendigen Erläuterun-