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mnsassu.d. daß die Konferenz seither noch zu kei- nem greifbaren Ergebnis gekommen ist. Für Demk^land ist die Entscheidung angesichts seiner G.-nn klage besonders schwierig und gefährlich, ^.e^eeeinsnmmung scheint in Deutschland mehr und mehr darüber zu herrschen, daß aus volks wirtschaftlichen und nationalpolitischen Gründen den landwirtschaftlichen Berufszweigen unbedingt der erforderliche Zollschutz gegen die billiger produzierenden Wettbewerbsländer gesichert wer ken muß und daß auch die Industrie unter den gegebenen Verhältnissen nicht auf die Sicherung des Binnenmarktes verzichten kann. Die Erledigung der Doungplangcsetze im Reichstag hat sich verzögert, ehe man zu Be ginn der Beratungen kommen konnte. Vorerst hat man nach einer recht lebhaften Debatte im Plenum des Reichstages, die leider manchmal dem Ernst der Situation nicht Rechnung trug, die Beratung an die Ausschüsse verwiesen. Daß hier ein recht lebhafter Kampf der Meinungen entbrannt ist, lassen die nur spärlichen Berichte aus den fast nur geheimen Sitzungen deutlich erkennen, erfreulicherweise aber auch den Willen, diese für Deutschlands Zukunft wichtigen Dinge mit aller Gründlichkeit zu behandeln. Den stärksten Wider stand findet bei fast allen Parteien das deutsch-polnische Liquidationsab kommen, und es scheint, als ob hier auch die breite Masse des Volkes inneren Widerstand erkennen läßt. Das ist verständlich, wenn man daran denkt, daß Polen seine neue Selbständigkeit in erster Linie Deutschland verdankt. Tausend und abertausend Deutschs haben mit ihrem Leben Polens Frei heit erkämpft. Wir haben hier bereits auf die großen Opfer hingewiesen, die Deutschland der Ruhs im Osten zu bringen bereit sein soll. 214 Milliarden beträgt allein der Wert des Staats besitzes, den wir verlieren, und der Gesamtum- fana der deutschen Privat forderungen beträgt 588,7 Millionen. Die Abgeltung dieser Forde rung muß das Reich übernehmen. Die Gesamt höhe des deutschen Verzichts geht also in die Mil liarden. Diesem Betrag stehen staatliche und pri vate Forderungen Polens gegenüber im Umfange von 832 Millionen Mark. Polen will im Liqui dationsabkommen auf weitere Enteignung deutschen Eigentums verzichten! Was von die ser Zusage zu halten ist, zeigen die Enteignun gen deutschen Grundbesitzes, die bereits inzwi schen wieder angeordnet sind. — Neben dem polnischen Liquidationsabkommen ist es vor allen Dingen die Beratung des Haushaltplanes, die der Reichsregierung nicht unerhebliche Schwierigkeiten macht. Die Vorschläge des Finanzministers Bioldenhauer sind fast restlos abgelehnt worden. Von den ursprünglichen Plänen des Finanzministers Hilferding ist nichts mehr zu erkennen. Der neue Reichsfinanzmi nister scheint vorerst größeren Wert auf eine unbedingte Ausballancierung des Etats zu legen, als auf eine Finanzreform mit dem Ziele der Steuersenkung, um dadurch das Vertrauen des Jnlandmarktes wieder zu gewinnen. Die Schwie rigkeiten, zu einer Ausballancierung des Etats , zu kommen, haben sich feit Ueberuahme des z ReichsfinänzwiNisteriums durch Moldenhauer nicht unerheblich vermehrt. Vor allen Dingen find es natürlich die sozialen Einrichtungen, die immer neue Anforderungen stellen. So sollen sundheit an. Wir haben uns gefreut zu hören, daß es dem lieben Alten gut geht. Hoffentlich hast Du nicht doch noch Unan nehmlichkeiten davon gehabt, daß er der deutschen Dame so übel mitgespielt hat. Dhakjee soll doch besser aufpassen und ihm nicht alles durchgehen lassen. Aber ich weiß ja: Alles, was Brahma tut, ist in Dhakjees Augen wohl getan! Wir freuen uns auch sehr, daß Deine Judith wieder ganz ge sund ist und daß es allen Tieren und Tom und Dhakjee gut geht. Von uns ist nicht viel zu berichten. Wir sind alle gesund. Vater lag allerdings drei Tage mit einer Erkältung, aber heute ist er wieder wohlauf und will abends auch wieder zu seinem Skat in den Stern gehen. Von Anna bekamen wir einen Brief aus Tokio. Sie und ihr Mann sind gesund; ihre Nummer gefällt in Japan sehr gut. Sie gehen, bevor sie nach San Franzisca reisen, erst noch nach den Philippinen zu einer sehr guten Gag«. Hoffentlich ist die Sache dort sicher! Es ist doch hart, wenn man seine beiden Kinder so weit entfernt von sich weiß! Die neuen Gardinen für Deinen Wagen habe ich Ende der Woche fertig. Ich schicke sie nach Neapel. Hoffentlich hast Du nicht mit dem Zoll Äerger. Vater und ich sprechen noch viel von Deinem leider so kurzen Besuch hier. Vater läßt Dich vielmals grüßen; er wollte selbst ein paar Zeilen schreiben, aber er ist immer so schreibfaul, das weißt Du ja. Es grüßt und küßt Dich innig Deine Mutter. „Du Gute!" sagte Bnx leise vor sich hin und faltete den Brief mit einer zärtlichen Bewegung wieder zusammen. Dann nahm er den zweiten Brief, sah die unbekannte Hand schrift der Adresse und öffnete den Umschlag ohne besondere Neugier. Aber gleich darauf wußte er, von wem der Brief war, denn das feine Papier zeigte oben links in farbloser Pressung die Buchstaben F. v. P. und darunter ein Wappen. Und dieser Brief lautete: Florenz, den 25. April 1924. Liebster Freund! Ich wollte Dir schon längst schreiben, denn seit unserer Trennung sind schon drei und ein halber Tag ver gangen, und das finde ich furchtbar lange! Aber ich konnte ja nicht früher schreiben, nsil ich doch den ganzen Tag mit Papa zu sammen bin und mit unseren Florentiner Verwandten. Und abends war ich dann im- mer so müde. Jetzt ist es nach Tisch, und a hat sich Papa endlich mal ein bißchen urgelegt, und ich bin unbeachtet. Mir ist ingefallen, daß Du so gut wie nichts von air weißt, nur daß Papa bei der Garde- irtilleric stand und daß wir noch immer in Potsdam wohnen. Ich werde Dir all allein im Januar etwa 10 090 Menschen ihre Kriegsinvalidität entdeckt haben. Das Ergebnis der Umsatzsteuer ist für die Monale November- Januar um weitere 30A gesunken, und die Ein kommensteuer weist ein Minderaufkommen um etwa 40 Millionen Reichsmark auf. — Der Be such des österreichischen Bundeskanzler Schober erinnert Deutschland und die Welt wieder ein mal mit Nachdruck an eine der größten Lebens fragen unseres Volkes: die Vereinigung Oester reichs mit Deutschland. Wird Schobers Besuch uns dem Ziele näher bringen? Sv. (Abgeschlossen am 22. 2. 1930.) Wir bitten unsere Leser, sich zwecks Bestel lung, sowohl der hier besprochenen als auch anderer sonst gewünschter Bücher, an die Gärtnerische V e r la g s g e s e l l sch a f t m. b. H., Berlin SW 48, Friedrich straße 16, zu wenden. Wer seine Bücher je weils bei der Gärtnerischen Verlagsgesellschaft einkauft, hat die Gewähr, in jeder Hinsicht gut bedient und fachmännisch beraten zu werden, da diese Gesellschaft in ständiger Fühlungnahme mit dem Rcichsverband arbeitet. Konsulats- und Mustervorschristen. Bearbeitet und herausgegeben von der Zollauskunftsabtei lung der Handelskammer 'Hamburg. Auf die Wichtigkeit dieses Werkes für erpor- tierende Gartenbaubetriebe wiesen wir bereits kürzlich an dieser Stelle hin. Der dritte Nachtrag nach dem Stande vom 1. Februar 1930 ist soeben erschienen. . Der Preis der drei ersten Nachträge einschließlich des am I. Mai 1930 erscheinenden vierten Nachtrages beträgt RM. 2,—. Dis Kon sulats- und Mustervorschriften" enthalten in er schöpfender und übersichtlicher Form die B e - stimmungen für den Warenversand nach allen Teilen der Welt. Der Preisverlaus für Gemüse und Obst auf dem Berliner Grotzmarkt. Arbeiten der Land- wirtschastskammcr für die Provinz Branden burg und für Berlin. Ergänzungsheft für die Jahre 1927 und 1928 zu Heft 59. Preis: RM. 0,50. Das vorliegende Ergänzungsheft bringt wieder die Preiskurven für di« wichtigsten Gemüse- und Obstarten in der alten übersicht lichen Form. Eine sehr wertvolle Neuerung gegenüber der früheren Form der Darstellung ist insofern vorhanden, als durch ein Inhalts verzeichnis die Benutzung des Heftes sehr erleichtert und durch kurze Erläuterungen auf die Preistendenz der verschiedenen Gemüse- und Obstarten im Eingang klar hingewiesen wird. Das Heft wird den Gemüse- und Obst züchtern die notwendige Kenntnis der Berliner Preisverhältnisse gut vermitteln. Das Arbeitsrccht der Land- und Forstwirt schaft. Von Dr. jur. Franz von Waldow. Preis geheftet RM. 2,—. Das Gebiet des landwirtschaftlichen Arbeits rechtes ist von der Arbeitsrechtswissenschaft bisher verhältnismäßig stiefmütterlich be handelt worden. Das wichtigste axbeitsrechtliche Gesetz der Landwirtschaft, die vorläufige Land ¬ arbeitsordnung, hat erst 1928 durch Molitor eine tiefgründige wissenschaftliche Auslegung erfahren. Bisher fehlte es. jedoch an einer zusammenhängenden systematischen Darstellung des landwirtjchastiichen Arüeitsrechtes. Diese Lücke wird durch das Buch Waldows ausge- süllt. Es ist ein erster Versuch, das Gesamt- gebiet in knapper, klarer und übersichtlicher, zugleich aber auch allgemeinverständlicher Form zu behandeln, der als gelungen bezeichnet wer den kann. Die Darstellung ist mehr auf die praktischen Bedürfnisse zugeschnitten. Auf die Frage des Gartenbaues wird infolgedessen, da sie zu den umstrittenen Problemen zählt, nur ganz kurz eingcgangen. Auf Seite 58 des Werkes ist dem Verfasser ein Irrtum unter laufen. Die Grenze der Krankenversicherungs pflicht liegt auch bei der Landwirtschaft bei RM. 3600,— Jahreseinkommen, nicht aber bei RM. 8400,—. Diese Grenze gilt lediglich für die Angestelltenversicherungspflicht. Persönliche MiMnseu Paul Hauber s Wir hqben bereits in Nr. 7 die kurze Mit teilung gebracht, daß Paul Hauber, Dresden- Tolkewitz, am 9. Februar nach kurzem Kranken lager gestorben ist. Mit ihm verlieren wir einen unserer kenntnis- und erfolgreichsten Baumschul fachleute. Die Firma Paul Hauber ist in ihrer heutigen Ausdehnung und Durchbildung das beste Zeugnis des überragenden fachlichen und organisatorischen Könnens des Verstorbenen. Wir haben vor etwa 2 Monaten erst in Nr. 50/29 einen Artikel veröffentlicht, der die Ueberschrift trug: „Vom Kleinbetrieb zur Groß baumschule" und die Entwicklung der Hauber schen Baumschulen, von ihren Anfängen bis zum jetzigen Stande in allen Einzelheiten schilderte. Dort ist gesagt, wie Paul Hauber mit weitem Blick der Baumschule die Abteilung für Gartengestaltung angliedertc, um sich ein sicheres Absatzgebiet zu schaffen, wie er der Sirudenabtei- lung die Abteilung für Samenbau und Samen- Handel folgen ließ. Bei der Ausführlichkeit jenes Artikels genügen wohl an dieser Stelle diese kur zen Andeutungen, um die Tätigkeit Paul Hau bers auf gärtnerischem Gebiet' nochmals allen unseren Lesern vor Augen zu führen. Nun noch einiges aus seinem Leben. Am 20. Juni 1867 wurde Paul Hauber in Stuttgart geboren und erlernte dort auch in der Hof gärtnerei den Gärtnerbcruf. Nach kurzer Ge hilfenzeil in dieser, war er längere Zeit in der Firma C. W. Gaedertz, ebenfalls in Stuttgart, tätig. Die Wanderjahre führten ihn zu Pre- stenari, München, Schneider, Würzburg, und so dann nach Dresden in die umfangreiche Baum schule von C. W. Metzsch. In dieser rückte er nach kurzer Gehilfenzeit zum Obsrgärtner auf. Sein Interesse für den Obstbau brachte cs mit sich, daß er hier den begeisterten Obstbau-Lieb haber Arthur Pekrun kenncnlerntc, der es ihm durch finanzielle Unterstützung drmö^ im Fahre 1893 in Tolkewitz aus' wenigen Morgen Land eine Formobst- und Rosemchuls zu grün den, die -den Anfang in- der Entwicklung zur jetzigen Firma darstellte. Trotz der großen Inanspruchnahme im eigenen Geschäft fand Paul Hauber immer noch Zeit, sich auch in der Öffentlichkeit und im Beruf zu betätigen. Er ist Gemeinderatsmitglied und Gemeindeältester gewesen, Hal 30 Jahre den Obst bauverein „Oberes Elbtal" geleitet und dem Direktorium des Landes-, Obst- und Weinbau vereins für Sachsen viele Jahre angehört. Er ist der Mitbegründer des Bundes deutscher Baum schulenbesitzer im Jahre 1907 gewesen und war bis zuletzt dessen Vorstandsmitglied. Paul Hauber ist tot — Ehre seinem Ange denken! Ms Firma wird von dem Sohn des Verstor benen und seinen langjährigen Mitarbeitern weitergeführt. * Gärtnereibesitzer Hugo Teichmann in Lieg nitz, Haynauer Str. 140, konnte kürzlich in völliger Frische sein 50jähriges Berufs jubiläum feiern. Die Landwirtschaftskammer Niederschlesien nahm Veranlassung, die verdienstvolle Arbeit von Teichmann um die Förderung des heimi schen Gartenbaues, insbesondere um die Berufs ausbildung, dadurch zu ehren, daß sie ihn mit der silbernen Ehrenmünze „Für treu« Mit arbeit" auszsichnete. Guenther. FMWchMM Berliner Rundfunk 2. März, 8.30 Nyr, Dr. A. Bresser:- „Sprengverfahren in Forst- und Land wirtschaft" S. März, 15.40 Uhr, Obstbauinspektor Beust, Zossen: „Der Garten ruft zur Arbeit" (Frühjahrsarbeiten im Obstgarten). Deutsche Welle Montag u. Donnerstag von 19.30 bis 19.50 Uhr 3. März, Dr. E. Riehm: ,-Erprobte Beiz- verfahren für die Frühjahrsaussaat." 8. März, B. Mem leb: „Ertragssteigerung und Neulandgewinnung durch landwirt schaftliche Meliorationen und Boden bearbeitung." 17. März, Dr. Ebert, Reichsverband des deutschen Gartenbaues e. V., Berlin: „Obst baumpflege im Frühjahr." Dcr Phänologische Reichsdienst bittet für März 1930 nm folgende Beobachtungen: Zunächst sind die bereits im Februar ge machten Beobachtungen cinzutragen. Anfang der Ausblühzeit von: Schneeglöck chen, Huflattich, Anemone, Kornelkirsche, Sal weide; Anfang dcr Laubentfaltung (erste nor male Blattoberflächen sichtbar) bei: Stachel beere. Um recht genaue Angabe, der Anschrift des Beobachters (Ort sPostj und Straße) wird besonders gebeten. Es wird um Zusendung der Daten an die Zentralstelle des Deutschen Phänologischeu Reichsdienstes in der Biologischen Reichsanstalt, Berlin-Dahlem, Königin-Luise-Str. 19, ge- beten. Aus Wunsch stehen auch Beobachtungs- Vordrucke für dis ganze Vegctationszeit zur ' Mrsügung, welche möglichst zeitig gegen Ende des JahreS als portopflichtige Dienstsache (also unfrankiert) eingesandt werden können. mählich alles von mir erzählen, aber auf einmal ist es zuviel. Ich habe Dir erzählt, daß Mama nicht mehr lebt. Das ist aber nicht wahr. Sie ist lange von Papa ge schieden und mit einem andern verheiratet. Ich sehe sie nie. Die Eltern wurden wäh rend des Krieges geschieden, 1915, als ich elf Jahre war. Schreib mir nach Potsdam postlagernd unter „Brahma" — ja? Denn den Namen vergesse ich sicher nicht! Wir wohnen allein, Papa und ich. Papa war früher sehr wohlhabend, aber jetzt geht es uns gar nicht mehr so gut. Immerhin hält sich Papa noch ein Pferd, und ich reite es auch ost — natürlich im Herrensitz! — Papa hat noch viele alte Vorurteile, wäh rend ich natürlich moderner denke. Er ist auch etwas verbittert, weil er gegen früher nicht mehr viel zu sagen hat. Er war nämlich sehr streng und scharf im Dienst, wie ich von Offizieren weiß, die in seiner Abteilung waren. Die neue Zeit ist sehr ungerecht und gewöhnlich, aber manches ge fällt mir doch daran: zum Beispiel, daß die jungen Mädchen viel mehr Freiheit haben. Das soll ja früher fürchterlich gewesen sein. Papa findet zwar die heutigen Sitten un möglich und möchte mir vieles verbieten, aber er kann eben doch nicht gegen die Zeit an! Gott sei Dank! Ich würde Dir gern schreiben, wie ich Dich liebe, aber Du bist ja so komisch und willst vorläufig nur, daß wir gute Freunde sind. Deshalb schreibe ich nicht, wie ich möchte. Aber eins muß ich Dir doch sagen: Die Fahrt mit Dir in Deinem Wohnwagen hat es mir so angetan, daß ich jetzt noch sofort mit Dir fliehen würde. Du hättest dann in einem anderen großen Zirkus Enga gement angenommen, und ich hätte vielleüht als Schulreiterin auftreten können! Das wäre herrlich gewesen! Schreib mir doch, bitte, gleich ein paar Zeilen. Wir reisen morgen nach Hause zu rück, mit zwei Tagen Aufenthalt in Luzern. Ich möchte so gern in Potsdam schon von Dir Nachricht finden. Ja? Bitte, bitte! Deine treue Freundin Fee. Während Bux diesen Brief las, war ab und zu ein leises Lächeln über seine Züge geglitten: War diese reizende Feodora von Prastelny nicht noch ein richtiges Kind? Und welch selt sames Gemisch aus Ehrlichkeit und Fein tuerei! Voll von Widersprüchen: stolz auf ihren Adel, auf die vergangene Macht und Stellung ihres Vaters — und doch lüstern nach der neuen Freiheit! Ein Kind ihrer Zeit! — — Liebte sie ihn wohl wirklich? Oder war es nur das vermeintlich romantische Zirkus milieu und die Originalität dieser Beziehungen zwischen Adelsfräulein und Zirkusclown, die sie fesselte? Und wie leicht und einfach sie sich's dachte, als Schulreiterin aufzutrsten! Nun, man würde ja vielleicht doch einmal ihre Reitkünste zu prüfen Gelegenheit haben! Bux nahm einen seiner bunten Artisten- Briefbogcn, die er für geschäftliche Korrespon denzen an Direktoren und Agenten benutzte, und schrieb: Rom, den 26. April 1924. Liebe Fee! Nur diese wenigen Zellen, um Deinen Wunsch, in Potsdam Nachricht vorzufindcn, zu erfüllen. Mir ist heute gar nicht zum Briefschrciben zumute, weil ich gestern etwas unendlich Trauriges erlebt habe: Die Mutter der kleinen Cilly Berndt (Berns und Berna, Radfahrakt auf dem Hochseil) ist abgestürzt und bald darauf ge storben. In zwei Stunden werden wir sie begraben. Für Deinen Brief nimm vielen Dank. Ich habe mich darüber sehr gefreut. Meine Adresse bleibt vorläufig Zirkus Kreno, Rom. Damit Du überhaupt Nachricht von mir erhältst, schreibe ich Dir dieses eine Mal unter der Chiffre, postlagernd. Aber ich tue es nicht ein zweites Mal, denn es ist würde los für mich, — ebenso wie es für Dich (um mit Deinem Vater, und zwar sehr richtig zu sprechen) unmöglich ist, postlagernde Chiffrebriefe abzuholen. Gib mir, bitte, Deine richtige, oder wenn Du's absolut nicht willst, irgendeine andere vernünftige Adresse, wohin ich Dir unter Deinem Namen schreiben kann. („Dieser Spießbürger!" denkst Du jetzt wieder, — nicht wahr?) Ich meine aber, ein modernes Mädchen darf doch heutzutage ruhig und offen mit Freunden korrespondieren? Oder gehöre ich zu einer anderen Garnitur, mit der man nicht korrespondieren darf? Also gib mir eine richtige Adresse, wenn Du von mir hören willst! Ich werde mich freuen, Dir dann ausführlich von mir und den Meinen (Brahma, Anton, Teddy usw.) berichten zu dürfen. Mit vielen sehr innigen Grüßen Dein Freund Willibald Buchsbaum. * Das Begräbnis von Frau Berndt fand unter großer Beteiligung der Bevölkerung statt. Selbstverständlich nahmen auch Direktor Kreno und seine Gattin, alle Artisten und der größte Teil des übrigen Zirkuspersonals daran teil. Der Sarg war von Kränzen ganz zugedeckt, und noch ein großer Wagen voll Blumen spenden wurde nachgefahren. Nachdem am Grabe der Pfarrer der deut schen Kolonie und Direktor Kreno gesprochen batten, trat Bnx vor, um der Entschlafenen im Namen der Artisten ein letztes Lebewohl zu zurufen. Er schilderte mit kurzen, aber eindringliche» Worten, was die Zirkuswelt mit dieser Frau verloren hatte, — als Künstlerin und als Kollegin. Er sprach von ihrer seltenen Energie, ihrem unermüdlichen Fleiß, ihrem persönlichen Mut, ihrer Kameradschaft und Hilfsbereitschaft und von ihrer — trotz des äußerlich herben Wesens — so tiefen menschlichen Güte. Und er schloß: „Solange wir atmen, wird uns dieje große Artistin als leuchtendes Bei spiel von Pflichttreue vor der Seel« stehen, — von Pflichttreue bis in den Tod, der im wahr sten Sinne des Wortes ein Heldentod gewesen ist!" Und da er das wenige, was er gesagt, nicht gesagt hatte, um sich nur einer Pflicht zu entledigen, sondern weil es in die Harzen aller dringen sollte, — in die der italienische» Bürgersleute und seiner Kollegen aller Nationen und Farben, so wiederholte er es — damit alle es verstünden — auf Italienisch und end lich auf Englisch. So verstand auch Jack Benson seine Worte. Und well er nicht nur frech, feige und falsch, sondern auch, wie fast alle Mulatten, sehr sentimental war, so fühlte er plötzlich Ge wissensbisse, daß er diesen Manu, der so rührende Worte sprach, des Mordes für schuldig erklärt und denunziert hatte. Vom Friedhof lief er schnurstracks zum Amerikanischen Gene ralkonsul und bat, die Anzeige vom Auffinden des Stockes nicht nach Amerika zu senden. Da kam er aber schön an! Der General konsul fuhr so grob auf ihn los, wie man es einem amerikanischen Bürger gegenüber nur riskieren durste, wenn Negerblut in seinen Adern floß: „Sie sind Wohl blödsinnig geworden! Erst drängen Sie uns diese Sache ans, dann machen Sie es so dumm, daß Herr Valenzini miß handelt wird, und nun wollen Sie alles rück gängig machen? Die Anzeige ist längst ab gegangen! Ob Sie den Mann für schuldig halten oder nicht, ist uns gänzlich gleichgültig! Alles weitere werden die amerikanischen und deutschen Behörden zu entscheiden haben! — Basta! Leben Sie wohl, Mister Benson!" Von dem Tage an drückte sich Jack Benson scheu an Bux vorbei, wenn er ihn sah. — In der Vorstellung, die wenige Stunde» nach dem Begräbnis begann, machte Bcrno, süss Berndt, allein die rasende Fahrt auf dem schlaffen Drahtseil. Er konnte es sich nicht leisten, sein Engagement aufzugeben oder zu unterbrechen, denn er hatte für die Zukunft seines Kindes zu sorgen. Er mußte froh sein, daß er bei einer so menschenfreundlichen Direk tion engagiert war, die seine Nummer in dieser stark entwerteten Form Weiterarbeiten ließ. (Fortsetzung folgt)