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Berlin, Donnerstag, den 17. Dezember 1936 53. Jahrgang 065^6/965^65 V65/)5OUc/l O5I (-6MÜ56 /5f Vo/^5W/5f5c/l0^//c^ 65VVV/15c/lf Vtut undRvden Nummer 51 Ernährung aus deutschem Boden Der gerechte Festpreis wird durch die Markt regelung erstrebt. Der Preis soll den Anforderun gen der volkswirtschaftlichen Gerechtigkeit ent sprechen, indem er dem Erzeuger für seine Auf wendungen und seine Arbeit ein angemessenes Ent gelt gewährleistet, gleichzeitig soll er aber auch für den Verbraucher erschwinglich sein. Erzeugerschntz und Verbraucherschutz sind also in gleichem Maße Ziel der Marktordnung. Eine straffe Ordnung der Erzeugung, eine Beeinflussung der Formen und des Umfanges der Verarbeitung und des Absatzes, eine Lenkung der Einfuhr, soweit auf sie nicht verzich tet werden kann, sind nötig, um die Voraussetzung für eine gerechte Preisregelung zu erreichen. Der Umfang und die straffe Ordnung der Markt verbände entspringen der Einsicht, „daß die lau fende Beaufsichtigung der Ware, geschlossen von An fang bis zu Ende, von der Erzeugung bis zum letz ten Verbrauch durchgeführt sein muß, wenn nicht plötzlich an irgendeiner Stelle eine Störung ein treten soll" (Darre). Erzeugt wird für den Verbrauch. Zwischen bei den, zwischen Erzeugung und Verbrauch besteht eine unausbleibliche Wechselbeziehung; wie eine be stimmte Erzeugungsrichtung Veränderungen des Verbrauches hervorruft, so bedingt jede Lenkung des Verbrauches eine Umleitung in der Erzeugung. Planvolle Beeinflussung der Erzeugung bedingt Stabilität des Verbrauchs. Die Erzeugungsschlacht erstrebt die Versorgung des deutschen Volkes mit den notwendigsten Nahrungsmitteln aus der heimi schen Scholle. Es sind große Anstrengungen gemacht worden, dem beschrankten deutschen Boden diejeni gen Bedarfsgüter abzuringen, die notwendig sind, um die Ernährung des deutschen Volkes trotz der Schwierigkeiten des Auslandsbezuges zu gewähr leisten. Auf wichtigen Gebieten ist dies gelungen, auf anderen Gebieten ist es möglich, wenigstens bei guten Ernten die Erzeugung bis zur vollen Bedarfsdeckung zu steigern; bei einigen Nahrungs mitteln klaffen allerdings noch Lücken, die in näch ster Zeit noch nicht zu schließen sind. Die Erzeugungsordnung ist die Strategie der Er- zcugungsschlacht, sie ist die planmäßige Mobilisie- rung aller Kräfte mit dem Ziele einer Leistungs steigerung. Eine Lenkung des Verbrauches ist die notwendige Ergänzung dieser Erzeugungsordnung, denn die Erzeugungsordnung stößt auf Widerstand, wenn der Verbrauch ihr nicht angepaßt ist. Ver brauchslenkung — soweit es sich um die Lenkung des letzten Verbrauches handelt — bedeutet keine Schematisierung der Lebensgewohnhciten des ein zelnen, indem bestimmt wird, was und wieviel er verbrauchen darf, sondern Verbrauchslenkung be deutet lediglich eine andere Einteilung der Haus haltsbedürfnisse und eine stärkere Berücksichtigung der jahreszeitlich in besonders hohem Maße aus eigener Erzeugung anfallenden Nahrungsmittel. Es kann auch nicht darauf ankommen, die Einfuhr gänzlich zu drosseln, denn es gibt eine große An zahl ausländischer Produkte, die wir im Rahmen von Handels- und Clearing-Verträgen beziehen und deren Kauf die Voraussetzung sür die Auf rechterhaltung unserer Ausfuhr an Fertigwaren ist. Deutschland kann auf seine Ausfuhr keineswegs verzichten. Einfuhrware und unerwünschter Ver brauch sind deshalb nicht immer identisch. Das Institut für Konjunkturforschung hat in sei nem letzten Wochenbericht eine Untersuchung ver öffentlicht über den gegenwärtigen Stand der Selbstversorgung in Deutschland und hat eine Auf stellung gegeben über den volkswirtschaftlichen er wünschten Verbrauch, über die Erzeugnisse, die im gleichen Umfange verzehrt werden können und bei denen ein verminderter Verbrauch zweckmäßig ist. Anteil der Jnlandserzeugung am Gesamtverbrauch von landwirtjchastlichen Erzeugnissen Wie der Stand der Selbstversorgung im einzel nen zur Zeit ist, ergibt sich aus der folgenden Auf stellung: Erzeugnis v. H. Brotgetreide (Roggen u. Weizen), Speise kartoffeln, Zucker, Teigwaren, Grütze, Graupen, Haferftocken, Sago mw., Bier (Braugerste >, grobe Gemüse wie Weiß kohl, Wirsingkohl, Rotkohl, Grünkohl, Möhren, Speist fUckrübcn u. dgl., ferner Spargel, Sellerie, Meerrettich, Pflau men, Kirschen, Kalbfleisch, Schaffleisch, Ziegenfleisch, Pferdefleisch, Trinkmilch, Süßwasserfische Fleisch insgesamt, Gemüse insgesamt (dar unter Rosenkohl, grüne Erbsen, Spinal, Salat), Birnen . Eier, Honig, Obst insgesamt (darunter Aepfel), grüne Bohnen, Zwiedeln... Molkercicrzeugniffe insgesamt, Geflügel, Gurken Butter und Käse Fische Speck und Schmalz, Beerenobst, Blumen kohl, Tomaten Fette ins gesamt Aprikosen, Pfirsiche Nüsse Hülscnfrüchte insgesamt Margarine.... 7 Reis, Kakao, Südfrüchte, Maisstärke, Gewürze u. a. Kolonialwaren 95bis100 90 „ 94 80 „ 89 80 75 „ 80 70 60 „ 69 50 „ 55 40 „ 49 30 „ 39 20 „ 29 5 „ 10 0 „ 8 flus -er Geschichte -es -eutschen Gartenbaues >4--. Bkütta/orm eo/r LUmm flkärkagon. — /ldd. ^erBts.' Oattn- üeickL aas el/w/- //a/rckdc/t^/k 77./afir/ramkens. (-4rttLek au/ Leite 7./ Danach kann der Bedarf an den lebenswichtigen Grundnährstoffen wie Brotgetreide, Kartoffeln, Zuk- ker, Trinkmilch, grobem Gemüse (Weiß-, Rot- und Wirsingkohl, Mohrrüben und Steckrüben) aus in ländischer Erzeugung gedeckt werden. Das benö tigte Fleisch wird zwar auch fast restlos im In land erzeugt, jedoch zum Teil mit Hilse ausländi scher Futtermittel, so daß bei Fleisch indirekt eine Auslandsabhängigkeit in Höhe von etwa 10 v. H. besteht. Noch stärker ist — abgesehen von den rein tropischen Erzeugnissen — der Zuschußbedarf bei Molkereierzeugnissen, Eiern und vollends bei Fetten. Im allgemeinen kann man sagen, daß der Be darf an Pflanzlichen Nahrungsmitteln in jeder Höhe aus eigener Sch-lle gedeckt werden kann. Lie gen doch bei diesen die je Hektar erzeugbaren Nähr werteinheiten ungleich höher als bei den tierischen Produkten. Die Tatsache, daß je Hektar rd. LOO bis 250 ckr grobe Gemüse wie Rotkohl, Weißkohl, Karotten usw., rd. 150 ckr Kartoffeln, über 40 ckr Zucker sowie 15—20 ckr Getreide geerntet werden, dagegen nur etwa 5 ckr Schweinefleisch, 114—2 ckr Rindfleisch und nur rd. 1 cir Butter erzeugt wer den können, beleuchtet die Vorteile einer fett- und fleischärmeren Nah rung. Erzeugte Nahrungskalorien je Hektar Sie werden noch deutlicher, wenn man die je Hektar erzeugbaren Nahrungsmittel aus ihren Gehalt an Kalorien umrechnet: Erzeugnis Millionen Kalorien Erzeugnis Millionen Kalorien Zuckerrüben 16,5 Milch 1,8 Kartoffeln. . 9,0 Schweine- Steckrüben .. 4,9 fleisch ... 1,4 Weizen 4,5 Butter 0,8 Roggen 4,5 Eier 0 5 Bohnen.... 4,0 Karpfen ... 0,4 Weißkohl .. 2,8 Rindfleisch 0,4 Nach alledem ergibt sich als einzuschlagende Marschrichtung in der Ernährungswirtschaft eine Umstellung auf eine Kost, die die pflanzlichen Er zeugnisse wie Kartoffeln, Gemüie, Zucker gegenüber den tierischen be vorzugt. Grundsätzlich ist ferner zu beachten, daß tierisches Fett noch schwerer als Fleisch aus deut scher Erzeugung herzustellen ist und pflanzliches Fett große Aufwendungen an Bardevisen erfordert. Er wünscht ist also vor allem eine Kost, bei der Fett in jeder Form eingespart wird, zumal der Fettver brauch in der Vorkriegszeit ohnedies stark ange stiegen ist und den. hohen Vorkriegsverzehr je Kopf der ^Bevölkerung erheblich überschritten hat. Die Zusammensetzung der deutschen Nahrung Die in Brot, Kartoffeln und Zucker enthaltenen Nährwerteinheiten haben außerdem den Vorzug besonderer Billigkeit. Wie nachstehende Tabelle zeigt, decken sie die Hälfte des gesamten Kalorien bedarfs, beanspruchen aber nur ein Viertel der Er nährungskosten. Erzeugnis von 100 Kalorien entfallen auf von lOO RM.die sür Lebensmittel ausgegebenwerd., entfallen auf Brot, Gebäck und Kartoffeln... 43 20 Zucker 8 4 Obst, Gemüse und Südfrüchte 3 8 Fleisch 9 23 Fische 1 3 Was nun die ausländischen Nahrungsmittel an langt, so wird die Frage der Einfuhr entschieden werden müssen nach dem Grade der Entbehrlich keit, nach dem Preis der Nährwerteinheit, nach der handelspolitischen Lage und nach der Möglichkeit, die Nahrungsmittel ohne Inanspruchnahme von Bardevisen zu erhalten. Alle diese Gesichtspunkte lassen sich nur selten vereinigen. So ist z. B. die Einfuhr von Margarinerohstoffen unentbehrlich, und die Fetteinfuhr stellt sich in dieser Form um Vergleichlich viel billiger als in Form von Butter; aber die Margarinerohstoffe kosten Bardevisen, während Butter im Rahmen des Austauschverkehrs eingeführt wird. Südfrüchte sind nicht lebensnotwendig; sie müssen aber vielfach hereingenommen werden im Austausch gegen Jndustrieerzeug- nisje. .(Fortsetzung auf Seite 2.), Lcstrftttam". L/rFla/rck. 4kekstockra cker /»MarezrrttcZck km 76. »ack /lkpftl Festörea a»/ cken l^rrHnarsttsttsc/r. um/ Fi/ra. Oer Oärtaer srm. Vor-erstta/tF rar (/arteume/Äerprü/anF. st7as B-kr/ebsan/atte? k/eber ckie /knLprucstLuer/ästrll/rF. /lu/träFS. Tecst/ttsrste Betriebsmittel rar OrttaFS- steiFeriiUF. zills Oeckta/ra! wirck /(iittiirtauck. Vcrbrauchslenkung Berühmtheit genießt in Schanghai ein Mann namens Kao Wampo. Wenn er sich zum Essen an den Tisch setzt, hat er nicht eher Ruhe, bevor er nicht alles, was auf den Tisch kommt, gegessen hat. 24 Gänge sind für seinen Magen eine Kleinigkeit. An einem Tage vertilgt er 16 große Schüsseln Reis, 10 Pfund Schweinefleisch und 4 Pfund Ochsen fleisch. An das Gegenteil dieses freßlustigen Chinesen erinnern wir uns, wenn wir bis 1928 zurückgehen. Damals schrieben die Rockefeller-Stiftung und die Gesellschaft Mavo in Neuyork einen Preis von 70 000 Dollars für denjenigen aus, der zwölf Jahre sich die größten persönlichen Opfer auferlcgü . Ein Engländer Morris Walton aus Liverpool sou daraufhin tatsächlich seit dieser Zeit weder Fleisch'" noch Gemüse noch Brot gegessen, noch Wein oder Bier getrunken haben. Seine einzige Nahrung sind Pillen und Wasser. Warum wir diese beiden Fälle erwähnen? Um zu zeigen, wie man es nicht machen soll. Jedes Uebermaß wie im Gesamtleben so auch in der Er nährung nach der einen oder der anderen Seite ist verwerflich und abzulehnen. Die Ernährung ist zu bedeutsam für das Einzelleben wie für die ge samte Volkswirtschaft, als daß man den Trieben des einzelnen ungehemmt Spielraum geben kann. Jeder weiß, daß die deutsche Landwirtschaft und der deutsche Gartenbau alles tuen, um dem Boden die Erzeugnisse abzuringen, die mengen- und güte- mäßig zur Ernährung des ganzen Volkes notwendig sind. Jeder Weitz aber darüber hinaus, datz unsere Anbaufläche begrenzt ist. Wenn auch die Ernäh rungsgrundlage in den vergangenen Jahren der Erzeugm^sschlacht verbreitert und gefestigt wurde, wenn wir Brot und Mehl, Speisekartoffeln, Zucker, Frischmilch und das sogenannte grobe Gemüse völlig aus inländischer Erzeugung decken können, so be trägt beim Fleisch und feineren Gemüse die Selbst- Leckung 90 bis 94 v. H., bei Eiern und Molkerei erzeugnissen etwa 80 bis 85 v. H., und bei Fetten sogar nur 50 bis 55 v. H. Wir können also sagen, daß der Bedarf an pflanzlichen Nahrungsmitteln aus der eigenen Scholle gedeckt werden kann. Die je Hektar erzeug baren Nährwerteinheiten liegen bei pflanzlichen Erzeugnissen höher als bei tierischen. Wenn wir bedenken, daß je Hektar rund 200 bis 250 Doppel zentner grobe Gemüse wie Rotkohl, Weißkohl, Ka rotten usw., rund 150 Doppelzentner Kartoffeln, über 40 Doppelzentner Zucker sowie 15 bis 20 Doppelzentner Getreide geerntet werden, dagegen nur etwa 5 Doppelzentner Schweinefleisch, 114 bis 2 Doppelzentner Rüldfleisch und nur rund 1 Dop pelzentner Butter erzeugt werden körnen, dann kann jeder sich selbst ausrechnen, wo der Hebel an- znsetzen ist, wenn die Ernährung durch eine Len- kung des Verbrauches stärker gesichert werden soll. Eine Umstellung auf eine Kost, die den tierischen Erzeugnissen die pflanzlichen vorzieht, ist das Er gebnis der obigen Betrachtung. Tierisches Fett ist noch schwerer als Fleisch aus deutscher Erzeugung hevzustellen und pflanzliches Fett erfordert große Austvendungcn an Bardevisen. Darum müssen die Ernährungsgewohnheiten eine Aenderung und Len kung erfahren. Der Butterverbrauch ist von rund 5 kg je Kopf der Bevölkerung im Jahre 1926 auf etiva 714 kg im Mittel der Jahre 1983 bis 1935 gestiegen. Gegenüber der Vorkriegszeit ist eine erhebliche Zunahme des Fettverbrauchs bei gleich zeitigem Rückgang des Verbrauchs an Brot und Kartoffeln festzustellen. Der Nationalsozialismus ist gewiß Gegner aller einseitigen Ernährungsarten, er sichert jedem seine Werktagskost, es braucht niemand zu darben wie