Volltext Seite (XML)
Zu seinem Glücke übertraf der Ruhm, den ihm seine Romane brachten, jeden anderen, den er sonst noch errungen hatte oder erringen konnte. Von dem Jahre 1824, wo er die erste Reihe seiner Laging« -mü üoings herausgab, bis zu seinem Tode, also in dem Zeitraum von sechzehn Jahren, publizirte Hook achtunddrcißig Bände. Diese enthalten die drei Lieferungen seiner ersten Werke, der Memoiren eines Komödianten Michel Kelly und der Biographie eines Offiziers Sir David Baird, dann den Marwell, die Tochter deS Pastors, Liebe und Stolz, Gilbert Gurney jdcr zuerst im k'ecv-lAomlü)' Uagitruw erschien), Jack Brag'S Geburt, Tod und Hochzeit. Diesen Büchern folgte eine Sammlung von Novellen in der Art der «nü üning-i unter dem Titel pi-ec-ptu »ml Practice, die aber der früheren bei weitem nachstcht. Sein letzter Roman heißt „die Väter und die Söhne", an dessen Korrektur er noch in seiner Sterbestunde arbeitete. Nach seinem Tode ist noch ein Roman, Peregrine Brunce, unter seinem Namen erschienen, was aber wahrscheinlich nur eine Buchhändler-Spcculation ist. Außerdem hat Hook auch eine große Anzahl von Artikeln für mehrere periodische Zeitschriften ge schrieben, besonders für den John Bull, de» er mehrere Jahre fast ganz allein redigirte, und eine Menge von Balladen und Liedern, die, wenigstens theil- weise, gesammelt zu werden verdienten. Im Jahre k82b wurde Hook, als insolvabcl, in Freiheit gesetzt, und mit dieser Zeit beginnt eine neue Phase in seinem Leben. Seine Schriften brachtrn ihm von jetzt an bedeutende Summen rin. Während mehrerer Jahre verdiente er mehr als 2E Pfund jährlich am John Bull. Eben so viel betrug sein Honorar für die erste Reihe der Lsgüngn and üumxs. Wenn er vernünftig gewesen wäre, so hätte er bei diesem ungeheuren Einkommen leicht einen Theil seiner Schuld an den Schatz abtragen können, zumal er damals erst fünsund- dreißig Jahr alt war. Die natürlichste Klughcit gebot ihm, so zu handeln. Hook aber fiel dies nicht einmal ein, und er zeigte hierin gewiß seinen Mangel an einer gercgelten Erziehung. Nach mehreren Jahren der Mühe und des Elends dachte er nur daran, wie er sie vergessen und die Gegenwart genießen könne, und kümmerte sich wenig um seine Zukunft. Nach und nach wurde der Makel vertuscht, der auf ihm lastete, und er trat wieder in jene Gesellschaft, von der er so lange ansgeschloffen gewesen war. Er hatte bereits seine Ano- nymität prciSgegeben, ward als das gefürchtetste Organ dcr Tories überall mit Ehrerbietung ausgenommen und ließ sich die Annehmlichkeiten seiner Stellung gefalle». Sein Ruf als Romanschreiber, seine UnterhaltungSgabe, leine seinen und liebenswürdigen Manieren öffneten ihm alle Salons. Aus dem Kreise seiner alten Kameraden, dcr Künstler und Schauspieler, ging er zum zweiten Male, aber mit dem Rechte größerer Ansprüche, in die Zirkel dcr Vornehmen über. Hier überließ er sich völlig seinem Hange zum Lurus. Er führte ein großes HauS, hielt Wagen, Pferde und ergab sich, je festcr seine Stellung wurde, desto mehr dcr Verschwendung. Er wurde Mitglied mehrerer Klubs, amiisirte sich dort den Abend über und brachte die meisten Nächte am Spieltische zu. ' , Hook vergaß sein vergangenes Unglück und die Erfordernisse seines Stan des und führte eine Lebensweise, die durchaus einem Schriftsteller nicht die nöthige Ruhe gewährt. Bald überstiegen seine Ausgaben die Einkünfte, die von seiner Produktivität abhingen. Er machte Schulden, und von da ab war er verloren. In Ler reichen und glänzenden Welt, in die er versetzt war, ahnte man wenig, waS im Grunde seiner Seele vorging. Man sah in ihm nur den liebenswürdigen und gcldvcrachtcnden Gentleman und kümmerte sich wenig um seine Erwerbsquellen. Seine vergnügungssüchtigen, reichen, unbeschäftigten Freunde hatten keinen Begriff von den Kümmernissen und Leiden, die hinter seiner Heiterkeit und Sorglosigkeit verborgen waren. Er lebte in einem un aufhörlichen Kampfe mit unerbittlichen Wucherern, ward von seinen Verlegern gedrängt, den Verpflichtungen nachzukommen, die er in Augenblicken dcr Noth eingegangen war, schrieb, da er durch Vorschüsse gebunden war, in Hast und Zerstreutheit und gewann dennoch kaum so viel, daß er die nötbigsten Bedürf nisse befriedigen konnte. Da er seine Einbildungskraft in dcr Erfindung und Schilderung des Spieles der Lcidcnschaftcn und dcr Lächerlichkeiten dcr Wclt erschöpft hätte, suchte er sich durch übermäßiges Weintrinken zu zerstreuen, aber vergeblich. Jeder Tag erneuerte seine Pein, und seine Gläubiger drohten, die Geduld zu verlieren. Hören wir seine eigenen traurigc» Worte: „Wie viel größer ist die Noth uikd das Elend eines schulvenbelasteten Lebens, als der ungerechte Genuß eines Lurus, den man sich nicht gestatten darf. Würde einem Alderman seine Schildkrötensuppe schmecken, wenn er sie ans einem aufgcspannten Seile essen müßtet Antwortet mir daraus, und ich will euch sagen, welch glänzendes Elend dcsjcnigcn wartet, ver das Doppelte seines Einkommens anSgiebt und seinem Juwelier, seinem Schneider und Wagner nicht nur das Geschirr, die Kleider und Kutschen schuldig ist, sondern auch das Privilegium, sich ihrer frei zu bedienen." Wenn Hook'S Tagebuch je herauSgogebc» würde, sa würden wir traurige Geheimnisse erfahren. Herr Lockhard, dcr eS besitzt und dem wir den größten Theil der hier gegebenen Details verdanken, erzählt folgende Episode aus dem geplagten Leben unseres Helden. — „Eines Winters, schon in den letzten Jahren seines Lebens, war Hook auf einige Wochen auf bas Schloß eines reiche» Lords geladen worden. Eine zahlreiche Gesellschaft hatte sich daselbst versammelt. Hook war der einzige Plebejer, aber er schleppte seine Fesseln mit sich. Alle Donnerstage mußte cr sich mit seinem Drucker über die Nummer verständigen, die am Sonnabend darauf erscheinen sollte. Während seine Freunde auf der Jagd waren oder standesgemäß müßig gingen, stahl sich Hook fort, um seine Artikel zu schreiben. Am Mittwoch Abend, wenn sich Alle in ihre Zimmer zurückzogen, entwischte er wiederum, setzte sich in eine Postchaise und fuhr fünfzig englische Meilen, um mit seinem Verleger zusam ¬ menzutreffen, der ihn in einer Dorsherberge erwartete. Am folgenden Tage redigirte er die Korrespondenz und besorgte, was ihm sonst noch als Haupt- Rcdacteur oblag. Beim Frühstück ließ cr sich durch seincn Bedienten mit einem leichten Unwohlsepn entschuldigen, währenddessen aber verreist cr wieder und kommt gerade noch zur rechten Zeit an, um sich umzuklcitcn und bei der Tafel zu erscheinen, wo er sich geistreicher und liebenswürdiger zeigt, als je. Noch um Mitternacht lst sein Tagewerk nicht zu Ende. War dem Cham- pagner hinlänglich genügt, so setzte man sich znm Spiel, und Hook hat, als er gegen Morgen in sein Zimmer znrückkchrt, alles Geld verloren, ohne zu wisse», wo er neues hernchmen soll. Er schreibt nach London an cine» Wacherer und bittet für jeden Zins und unter jeder Bedingung um einige tausend Franken. Das Geld kommt an, verschwindet aber noch beim Spiele desselben Abends. Endlich kommt Hook nach London zurück; der Roman, den er zu liefern versprochen hatte und in der Stille deS Landlebens zu schreiben gedachte, war kaum angefangen und im Spiele und mildem Hin- und Her reisen mehr Geld darauf gegangen, als er bei angestrengtem Fleiße in einem Vierteljahre erworben hätte. In der ersten Zeit nach seiner Rückkehr von Mauritius hatte er sich mit einer jungen Frau verbunden, die bis dahin einen musterhaften Lebenswandel geführt hatte und deren Sorgfalt und Liebe er die einzigen glücklichen Stun- den in jener Zeit verdankte. Aber, war cs Gleichgültigkeit oder Mangel an Willenskraft, er hatte nie den Muth, der Mutter seiner Kinder seinen Namen zu geben. Mitten in seiner glänzenden und fatalen Lage peinigten ihn Ge wissensbisse. Er bedauerte ost und bitter seine Fehler und konnte dennoch nicht dcn festen Entschluß fassen, sie wieder gut zu machen. Nicht nur in seincm Tagebuche, dem er alle seine quälenden Gedanken anvertraute, sondern auch in seinen Romanen wird man manche Stelle finden, an dcr cr in männlichen Worten die Stellung verdammt, die er dcr Frau seiner Liebe, seiner bis zum Tode treuen Gefährtin, gegenüber angenommen hatte. Er schildert mit Meisterhand das traurige Leben jener Frauen, die sich blind dcn Versprechungen eines gewissen losen Mannes hingeben und, isolirt von der Gesellschaft, ihre Tage cinzig dcr Sorge für ihre Kinder widmen, während ibr Gatte eS nicht wagt, sich öffent lich zu ihnen zu bekennen; er erzählt uns mit klangreichcn Worten von der keuschen Liebe seiner Helden und Heldinnen, und immer kämpft er für dcn Gedanken, daß ein Man» nur glücklich scyn könne, wenn er verheiratet ist, daß cr nur zu achte» sey, wenn cr scinc Mühe einer Gefährtin widme, deren Tugenden seinem Unglücke Trost, seincm Glücke Glanz verleihen würden. „Aber", schreibt er, wahr, wie sein beleidigtes Gewissen eS ihm diktirte, „so ist unsere Natur, daß wir die Mängel Anderer, deren Fehler im Vergleich zu den unsrige» Schönheiten sind, lächerlich machen, daß wir an nnseren Freunden tadeln und verachtcn, was wir täglich selbst begehen. Wir meinen, unser Fall sey eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, und halten uns für unglück liche Schlachtopfer der Verhältnisse, wenn wir denselben Leiden anhcimfallen, um derentwillen wir Anderen weise Moral gepredigt haben." Nur die Eitelkeit zog Hook in die glänzenden Zirkel, die ihn zu keinem häuslichen Glücke kommen ließen und seinen Seelenfrieden untergruben. ES freute ihn, von Leuten beachtet zu werden, die cr, als guter Engländer, für besser und edleren Stoffes hielt, denn die übrige Menschheit. ES war ihm eine Genugthuung, wenn er seinen Freunden, die ihn nach dem Grunde seiner Abwesenheit im Carlton-Klub, im Athenäum, bei Crockford fragten, antworten konnte, cr komme aus dem Schlosse des Lord B-, des Grafe» F. oder dcü Herzogs von R. Er fühlte sich geschmeichelt, wenn die M<>rmnp>I'o.«w in ihren Nachrichten aus der seinen Welt erwähnte, daß Herr Theodor Hook G»st eines ciblen Lords gewesen sey. In den letzten Jahrcn seines Lebens gab sich Hook einer Illusion hin, die eincn großen Theil seiner Jrrthiimer cntschuldigt. Er schmeichelte sich nämlich mit der Hoffnung, daß früh oder spät jene Partei, dcr er so eifrig und un eigennützig gedient halte und in welcher er zahlreiche Freunde zählte, siegen und ihn aus seinen Verlegenheiten reißen würde. Sicher waren auch die Führer der Tories, denen einmal die oberste Gewalt zufallcn mußte, zu seincn Gunstcn gestimmt; aber Hook bedachte nicht, wie schwer eS seinen Freunde» war, ihm zu diene», trotz ihres gutcn Willens. Die eigenthümliche Stellung, in die ihn seine noch unbezahlte Schuld au dcn Staatsschatz brachte, mußte seinen Gönnern die Hände binden, und von allen Aemtern, über welche die englischen Minister zu verfügen haben und die, um mit Xenophon zu reden, wie «in Einsatz im Spiele, von dem Sieger gewonnen werden, paßte fast keines für Hook. Trotzdem wollte ihn I8L4, unter der kurzen Verwaltung R. Peel s, der Lordkämmercr, Graf Jersey, in die Stelle eincS Inspektors aller Theater ein- setze», die einzige, welche er in seinem Departement einem Roman-Schriftsteller übergeben konnte. Diese Stelle wurde noch von cineni alten Freunde Hook'S bckleidct; aber der Minister rechnete darauf, daß derselbe seines hohen Alters wegcn freiwillig addanken werbe. Hook jedoch weigerte sich, ihn dazu zu vcr- mögen. Die Herrschaft dcr Tories hatte nur kurzen Bestand. Nach Colman'S Todc ernannte das Melbourne'sche Ministerium Charles Kemble zum Inspektor der Theater, und als im Jahre 1841 die Konservativen von neuem zur Macht gelangten, war Hook nicht mehr im Staude, von ihrer Gunst Gebrauch zu machen. Er starb nach einem kurzen Krankenlager im Alter von drciundfunfzig Jahren. Seine letzte Lebenszeit verbrachte Hook sehr traurig. Er fühlte sein nahcS Ende und war untröstlich, wenn er daran dachte, waS auS seiner unglücklichen Gefährtin und seinen Kindern werden würde. Am 1!>. Januar I8Z7 schrieb er in sein Tagebuch: „Meine Armuth ist mir peinlich, nicht um meiner selbst willen, sondern wegen der unschuldigen Wesen, die meiner bedürfen und deren Hülflosigkeit ich dcn glücklichcn Erfolg mcincr Arbeiten verdanke; sie ist mir