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Oie schöneu Lage. Sie seien nicht wohl zu ertragen, u.^ut das Sprichwort, wenn ihre Reihe zu lang wäre. Mag sein, wir wissens nicht recht, denn dis langen Reihen sind nicht zu häufig, und in Wahrheit sind schöne Tage um diese Zeit ein Geschenk voller Herzerquickung. Wohl mahnte ein hartkalter Morgen an den Herbst, aber allmorgendlich überwand die Sonne die noch leichten Frühnebel und schilt- tete bald mehr Glanz und Wärme herab, als manchem lieb war. Bor allein denen, die in harter Arbeit schwitzen mutzten. Aber sie haben nicht Zeit, darüber lange zu sinnieren oder gar zu klagen. „Aber heiß heut!" heißts im Vorbeigehen, und damit ists abgemacht. Noch leuchten die Salvien, die Montbretien, noch Gladiolen und Dahlien, noch läßt das Gera nium nicht nach und Fuchsien hängen noch leuchtende Schleier vor ihr zartes Laubwerk. Noch ist die blühende, goldene Zeit, wenn auch die Rosen seltener geworden sind und am Geisblatt statt der duftenden Elfenbeintrichter rotschimmernde Beeren prangen. Wie liegen die schönen Tage so herrlich gerade auf all dieser Pracht! Und Tag für Tag darfst du darin wandeln, du Gärtner, inmitten deiner ureigensten und selbstgeschaffenen Freude, und was du an Mühen gehabt und auch an Sorgen vielleicht, das lehrt dich am besten dein blü hender Spätjahrsgarten vergessen. Alles Got tesgeschenke, wie sie da stehen. Und der nieder- gebeugte, früchteschwere Obstbaum nicht minder, und nicht minder auch Kraut jeder Art auf deinen Feldern. Schöne Tage machen leben dig, machen froh Und stark. Fahre fröhlich und mit Kraft dazwischen, wenn du den Segen heimholst. Laß die Ernte sein nicht wie ein Sterben, sondern wie ein frohes Wiedersehen, ein Neubegegnen mit dem Lebensgciste des Samens, den du hoffend in die Erde gelegt hast. Und wenn dazu der Herrgott schöne Tage schickt, dann genieße sie auch in all ihrer Schönheit als ein getreuer Arbcitsmann im Weinberge des Herrn. ZuugeuiM'Ku ku» r»o>rerou»o. Als in der Vollversammlung der ^yres- bericht verlesen war, sollte darüber debattiert werden. Alles schwieg. Man wartete, aber es blieb Totenstille. Und schließlich wurde die Besprechung vertagt, weil niemand etwas zu sagen wußte. Dieser Zungenschlag einer Menschengesellschaft, die nach Genf geschickt worden ist, um zu denken und zu reden, be weist deutlich, was die Herren von der Auf zählung der Ruhmestaten im Protokollbuch halten. Die deutsche Minderheit in Pole» wendet sich zum Wiederholtenmale an den Völkerbund, um ihr Recht in der Schul frage durchzusetzen. Voriges Jahr wies sie der Völkerbund ab, der doch dem Franzosenkinde Polen nichts geschehen lassen darf. Jin Haag bekamen die Deutschen recht, aber der Beschluß wurde so vieldeutig abgefaßt, daß Polen mit Leichtigkeit wieder durch die Masche schlüpfen und tun konnte, was es wollte. Man darf ge spannt sein, welche Kunst jetzt auf den Plan gezogen wird. Zur Räumungsfrage. Reichskanzler Müller gibt sich tüchtig Mühe, in Gens mit allen zu sprechen, mit deren Hilfe oder Zustimmung in der Frage vielleicht etwas zu erreichen wäre. Aber der Franzose Briand hat ihn gelobt und gesagt, mit Müller sei gut zu verhandeln. Das ist im Hinblick auf den Erfolg der Mühen verdächtig. Endlich deutliche Worte in Genf! Daß mit Kanzler Müller „gut zu reden sei", wie Briand den Zeitungslcuten sagte, scheint doch nur unter vier Augen gewesen zu sein. In. der Sitzung hört maus anders. „Man vergegenwärtige sich doch einmal die Sachlage. Ein Volk hat durch seine völ lige Entwaffnung eine Leistung ganz außer ordentlicher Art vollbracht. Es sieht, daß es trotzdem aber aus dem geringfügigsten Anlaß von gewissen Stimmen des Auslandes mit den schwersten Verdächtigungen und Vor würfen überschüttet und womöglich als Feind des Weltfriedens hingestellt wird. Und gleich zeitig muß es feststellen, daß andere Länder den Ausbau ihrer militärischen Machtmittel ungehemmt sortsetzen, ohne dabei einer Kritik zu. Lire snuvaisuung L>eul;a;lanvs darf nicht länger dastehen als der einseitige Akt der den Siegern des Weltkrieges in die Hände gegebenen Gewalt. Es muß endlich zur Erfüllung des vertraglichen Versprechens kommen, daß der Entwaffnung Deutschlands die allgemeine Abrüstung nachfolgen solle. Ich verstehe nicht, wie man daran zweifeln kann, daß ein Versagen des Völkerbundes in der Abrüstungsfrage geradezu bedrohliche Folgen haben mußte." So sprach der Deutsche und noch vieles Aehnliche. Insbesondere unterstrich er, wie tief das Vertrauen zum Völkerbünde sinken müsse, wenn er in den wichtigsten Fragen der Zeit immer nur Worte und keinen Entschluß zur Tat habe. Den Herren Siegern wirds noch lange in den Ohren klingen. Briands Antwort hat nicht lange aus sich warten lassen und ist so ausgefallen, daß eine ziemlich eindeutige Klarheit in politischen Dingen eingetreten ist. Diese Klarheit besagt, daß die vielen Hofs- nungen aus eine entgegenkommende Haltung der Franzosen sowohl in der Räumungsfrage als auch in der Reparationsfrage nicht das geringste Verständnis da drüben finden werden. Leider richtig. Rußland hat seine Beteiligung an der Ab- rüstungskommission abgesagt mit der Begrün dung, es wolle warten, bis es sehe, daß es den Ländern auch ernst sei um diese Sache. Das ist eine beißende aber sehr angebrachte Kritik am schlechten Willen in den Vülkerbunds- kreisen. Briands Antwort bestätigt den Russen dis Richtigkeit ihres Verhaltens. Italien schmollt. Zum englisch-sranzösischen Bündnis schrieb die italienische Regierung nach London, sie sei sehr überrascht gewesen, weil man nicht auch Italien in den Bund eingeladen habe. Solche Nachrichten sind im Gebrauche der diplomati schen Sprache der Ausdruck einer gehörigen Verschnupfung. Französische Flugzeuge. Von den sranzöfischen Militärflugzeugen sagt man, daß sie in bester Ordnung seien. Das sind wohl auch ziemlich leere Worte, denn vor nicht langer Zeit weigerten sich Offi ziere gegen den Abflugsbefehl, weil die Appa rate unzuverlässig seien. Das wird um so lauter in Frankreich selber ausgesprochen, als jetzt der französische Finanzminister, dem das Flugwesen unterstellt war, mit einem Flugzeuge avgesmrzi uno ums Leven gekommen ist. Man lagt, der private Flugzeugbau leide darunter, daß ganz wenige Firmen vom Staate ein seitig begünstigt seien und deshalb die an deren nicht aufkämen und keine Fortschritte machen könnten. Man läßt unverhohlen durch- blicken, das rühre vom Schmiergelderunwesen her. Die französischen Amertkaslieger haben aufgeben müssen, weil sie zuerst den Apparat nicht vom Boden losbrachten, so daß sie den Benzinvorrat leichtern mußten. Dann stellte sich unterwegs heraus, daß der verminderte Vorrat nicht reichen könne sür die Reise. Des halb kehrten sie um und fuhren wieder heim, verzichtend auf den Ruhm der Ozeanbezwin- gung. V. D. Achtzig Stunden lang hat die Zeppelinwerst in Friedrichshafen dis Motoren für das neue Luftschiff ununter brochen laufen lassen bei Tag und bei Nacht, selbst verständlich auch unter unausgesetzter Beobach tung durch die Ingenieure, um ihre Eignung für den neuen Dienst festzustellen. Sie haben tadellos gearbeitet! Ja, sie haben ihre Vor züge stärker gezeigt, als die Werst erwartet hatte, und sind jetzt eingebaut, und die Füllung des Luftschiffes ist im Gange. Es hat noch eine amtliche Probefahrt zu bestehen, macht dann einige „kleine"' Fahrten, die durch ganzDeutsch- land, besonders durch den Osten führen werden. Dann soll es die Fahrt über den Ozean an treten, als ein Zeugnis vor aller Welt, daß deutscher Fleiß und deutsche Tüchtigkeit noch leben. Wir können es mit gutem Gewissen ziehen lassen und wünschen ihm glückliche Fahrt! England baut gleichfalls und wollte ursprünglich vor dem Zeppelin in der Lust und unterwegs nach drüben sein. Das scheint ihm nicht ganz zu glücken, aber die Jnselherren werden als Ersatz fürs Zuspätkommen die Freude haben, daß ihre Luftschisse anderthalb mal so groß sind, als das deutsche, das freilich auch ein Riese ist. Wers aber lang hat, der läßts lang bammeln, sagt ein westdeutsches Sprichwort, folglich baut Amerika eins, das doppelt so groß ist. Erfunden haben aber England und Amerika nur die größere Länge und Dicke, das Luftschiff selber aber ist das Ser letzte Hansbur. Ein Bauernroman aus der Lüneburger Heide. Von Hermann Löns. Copyright 1920 by Adolf Sponholtz Verlag G. m. b. H. Hannover. (6. Fortsetzung.) So blieb es auch. Wenn der Bauer einmal wieder sein altes Gesicht hatte, lange hielt es nicht vor, dafür sorgte Durtjen schon; es war noch keine Woche dahingegangen, da hatte Hehlmann wieder das Gesicht, das er von dem Tage an hatte, als er mit Meta beim Erntebier gewesen war. Das Essen schmeckte ihm wieder, die Arbeit flog ihm nur so von der Hand, und die Hunde gingen ihm nicht mehr aus dem Wege, wenn er nach Hause kam. Aber ganz lebte er erst auf, als Wolf von Hohenholte eines Tages angeritten kam. Der ganze Hof lief zusammen, als er aus dem Sattel sprang, und die Schruthähne fingen gefährlich an zn prahlen, denn der Leutnant hatte seinen feuerroten Rock an. Er war nicht mehr der stille Junge, son- dcrn ein forscher Kerl geworden. „Tag, Göde," ries er über den Hof, „ich wollte mal wieder von deinem Schinken essen und Hontgbier bei dir trinken. Und denn: morgen feiere ich meine Verlobung; da mußt du bei sein. Sträub' dich man nicht wie ein Borgfarken! Ja oder nein? Wenn nicht, klemm ich mir den Schinder wieder zwischen die Hosen und dn siehst mich sobald nicht wieder. Donner, hier ist es ja noch gerade so als wie zuvor! Für den Juni kannst du mir einen guten Bock kaltstellen, und wenn es nicht anders ist, bin ich auch mit zweien zufrieden." „Was sagst du da? Herr Leutnant? Du oist wohl von 'ner alten Kuh gebissen? Hat oer Mensch schon so etwas belebt? Dn Hämst dich wohl, einen hungrigen Leutnant zu duzen, großer Bauer, als wie du bist. Häh? Und das ist ja Wohl Durtjen? Na, wohl schon im heiligen Ehestände? Aber, Mensch, sieh bloß zu, daß ich was zu essen kriege! Ich bin mit ledigem Leibe heute srüh von Celle losgeritten." Das wurde nun ein lustiges Frühstück. Der Bauer ließ auftragen, was im Hause >var, holte den ältesten Korn und das hellste Honig bier aus dem Keller, langte die beiden schön sten Krüge vom Bört und nahm di« hohem Gläser mit dem Goldrande und den sieben Perlen im Fuße aus der Schatull, denn so hatte er sich lange nicht gefreut. Immer mußte er Wolf ansehen, der in seiner roten Uniformjacke mit der Narbe in der Backe, di« er sich bei einem Zweikampfe geholt hatte, ganz prachtvoll aussah. Und lustig war er! Als er sich die Ställe ansah, während der Bauer mit einem Manne verhandelte, der Bauholz kaufen wollte, gab es überall Lachen und Quietschen, und die hübsche Lütjemagd, die Wolf in dem Heidschauer antraf, hatte noch den halben Tag einen roten Kopf und konnte die Augen gar nicht von der Erde kriegen. Am nächsten Tage nahm sich der Bauer doppelt so viel Zeit beim Bartabnehmen, zog sein Kirchenzeug an und ging nach Hohenholte. Der Rittmeister, der mittlerweile ein biß chen alt geworden war, freute sich über sein ganzes Gesicht und duzte Hehlmann wie zuvor, und die Freifrau schalt ihn aus, daß er noch keine Frau habe und fragte, ob sie sich nach einet sür ihn umsehen sollte. Die junge Braut, ein Mädchen so schlank wie ein Tannenbaum, und mit Backen, wie Rosen so rot, sprach fortwährend mit ihm, weil, wie sie sagte, Wols ihr so viel von ihm erzählt hatte. So wurde es eine lustige Mahlzeit, und der Bauer merkte gar nicht, daß er nicht unter seinesgleichen war. Nach dem Essen gingen die älteren Herr schaften schlafen, der Leutnant blieb mit seiner Braut in der Fensternische fitzen, und die Herren gingen mit ihren Pseifen und Zigarren in di« große Laube. „Der Bengel kann lachen," sagte der Forst meister, „eine Braut, wie man sie nicht alle Tage findet, Geld wie Heu, dabei Waisenkind und ohne Anhang. Na, ich gönne eS ihm und dem Alten auch. Sie haben es sich sauer Nxrden lassen." Er rauchte an seiner Holzpseife, daß der Qualm ihm um die Ohren schlug und drehte sich dann zu seinem Nachbar: „Bei der Hover Mühle ist jetzt ein Gerenne, als wenn da eine heiße Hündin ist. Ich habe gehört, das rote Miken ist wieder da." Sein Nachbar, ein Herr vom Gericht in Celle, antwortet«: „So? Na, dann kann Wolf sehen, daß -er ihr nicht in die Quere kommt; das Frauenzimmer hat den dreifach destillierten Deuwel im Balge. Ich verstehe nicht, daß er sich mit der Personage abgeben konnte. Jung waren wir alle einmal, aber Hohenholte ist doch aus den Jahren heraus, wo man nicht danach fragt, wer alles aus dem Glase getrunken hat. Sie müssen das Besteck ja doch auch kennen, Herr Hehlmann; die Mühle liegt ja an Ihrer Grenze." Der Bauer antwortete nicht und machte sich mit seiner Zigarre zu schaffen, aber er dachte bei sich: „Also so eine ist das! Darum die feine Kleedage!" Die anderen aber redeten weiter. Als ein dürrer, langer Mensch von mittlerem Alter, der Hehlmann ausgefallen war, weil er Zi garetten rauchte und ein viereckiges Glas mit einem goldenen Rande im Auge hielt, sagte: „Aber schneidig ist sie doch und hat Rasse und Feuer," da redeten sie alle über Kreuz: „Schneidig, ja, Rasse, ja, Feuer, ja, aber ein Saumensch ist sie darum doch und von Rechts wegen gehörte sie an den Kaak! Warum ist der kleine Düweln vor die Hunde gegangen? Weshalb mußte der dolle Möllecke nach Ame rika? Alles von wegen diesem Frauenzieser!" „Nun aber Schluß!" dachte der Bauer, als er das hörte; es war ihm nicht so ganz sauber zu Mute. Immerhin, sie hatte ihm dazu verhalfen, daß er das Lachen wieder lernte, und es tat ihm doch leid, daß sie vor die Pferde ge kommen war. Als er gegen Abend über die Heide ging, fiel ihm Meta ein, und er sagte sich, daß es Zeit wäre, daß er sich nach ihr umsähe. Aber dann hatte er das zu tun und dann das, und so verblieb es, zumal er allerhand Anschluß gefunden hatte und bald hier, bald da im Kruge saß, wo eine hübsche Wirtsfrau oder sonst was Glattes anzutresfen war, und dann hörte er auch von Durtjen, daß Meta nicht gut vom Dieshofe fort könne, weil ihre Bruders- frau sich von den Wochen gar nicht erholen konnte. Ordentlich elend und abgefallen sieht sie aus", erzählte Durtjen, „als wenn sie zehn Jahre älter wäre, als ihr zukommcn. Sie weiß ja auch vor Sorgen nicht aus und ein. Der Bruder kartjet, die Frau liegt, du lieber Himmel, ich war froh, als ich da wieder weg war." Alles konnte Hehlmann vertragen, bloß kein Unglück; davon hatte er in den letzten Jahren mehr als genug zu schmecken bekommen. Er ging lieber dahin, wo es lustig zuging, und an Gelegenheit mangelte es ihm nicht. Am meisten war er im PiewittSkrugc zu sehen; da war ein lustiger alter Wirt und eint noch lustiger« junge Wirtin, mit der sich schor ein Wort im Vertrauen reden ließ, denn bei Wirt sah und hörte nichts, wenn nur gut ver zehrt wurde. Daß das geschah, dafür sorgte Lischcn Lustis schon, unter welchem Enkelnamen die W.rtü weit und breit bekannt war. Wenn gute Gäsp