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Rach Iohanni. Die Sonne hat ihren Höchststand erreicht und rüstet langsam zum Abstieg. Einstweilen merkt die große Welt wenig oder gleich noch gar nichts vom Abbruch an den Tageslängen, denn sie schläft noch ein reichliches Stück in den Morgen hinein, und die die Sonne aufgehen sehen um diese Zeit, di« sind selten. Beim Gärtner, dem schaffenden, allerdings nicht. Er sieht den Regenbogen auch im Westen, wo ihn die übrig« Welt kaum sucht, wenn ihn das Hausrotkehlchen beim frühen Tagesgrauen im Wettgesang mit der Amsel geweckt und am Abend der Wendehals durch fein langgezogenes Gequärre den Regentag an- gcsagt hat. Bald schlafen auch diese Morgcn- sänger um halb vier noch, und immer breiter legt sich die Nacht von Woche zu Woche, von Tag zu Tag. Einstweilen aber berührt es uns noch nicht, noch sind di« Tage der Rosen, die Tage, da es zu sommern Pflegt, wenn das Wetter nicht die Wegsteuer verloren hat wie 1927 und 1928. Wir sind am Ernten und noch langen die Tage reichlich für unsre freudigen Mühen. Und immer noch hat sich eins ins andere gefügt, und mit dem lichten Tage wächst oder mindert sich unser Werk. Bis Ende Juli hin aber haben wir Lichtruhe und dürfen noch vergessen, daß auch das Licht vergänglich ist. Unsere Ostwest-Flieger. Mit wohlverdienten Ehren sind die drei wackeren Flieger empfangen worden in Ham burg und Bremen, in Berlin, und wohin die Freude weiterhin sie noch zu Gast ruft — es wird überall nur ein einziger großer Ausdruck der Freude und des Dankes sein, der ihnen ent gegenschallt. Es bedarf teiner Worte dafür, was sie uns sind. Ihre Tat und die Aufnahme jenseits des Ozeans sagt ohne weiteres alles. Polen angrissslustig! Die Stimmung Polens wächst sich bleich der jenigen zahlreicher Nervenbelasteter mit der zu nehmenden Temperatur ins Groteske aus. Jetzt hat die Eisenbahnbehörde einen Erlaß heraus gegeben voll Gift und Galle gegen die deutsche Sprache. — Die Räumung des Rheinlandes wird von Polen als eine Sache angesehen, die Polen angshs und nicht ohne Polens Zustimmung ent- schteden werden dürfe. Ja, wer nur von einer solchen Räumung rede, begehe einen Angriff, der einer Attacke mit den Waffen gleichkomme Der- weil ist aber im „Vertrage" von Versailles die Aenderung der Bestimmungen ausdrücklich zu gelassen. — Unterdessen haben zwei polnische Flieger eine Flugzeugreise nach Amerika an gesagt, die kie bei geeignetem Wetter von Frank reich aus antreten wollen. Wir werden die Niederlage ertragen können, di« sie uns da zu bereiten hoffen. Els Expeditionen für Nobile! Das heißt auf deutsch: mehr als ein Viertel- Hundert Menschen setzen ihr Leben aufs Spiel, um dem unglückseligen Abenteuer Nobiles einen Halbwegs erträglichen Ausgang zu verschaffen. Die beiden Gruppen, die aus der Umgebung Nobiles verschlagen wurden, dürften verloren sein. Auch für Amundsen und seinen Begleiter bestehen Sorgen, daß sie statt Retter Opfer ge worden sein könnten: einige Könner hoffen frei lich, laß er den mit dem Ballon Davongewehten nachspüre und Zeit brauche, aber es ist eben nur ein Höfken und keine Gewißheit. Man mag für Nobiles Polforschungseifer sagen, was man will, die Fachwelt wird dabei bleiben, daß man den Schrecken des Nordens nicht entgegentreten solle, solange nicht die Mittel dafür eine Gewähr für das Gelingen geben. Vom Typ des von Nobile benützten Ballons haben viele Unheil für diese Art vorausgesagt. Die meisten haben geschwiegen, um nicht den Anschein zu erwecken, sie gönnten Nobile nicht die Freude des Gelingens. Um so mehr schwiegen sie, weil die Hast des Unter nehmens reichlich dänach llusfah, Italien suche anderen zuvorzukommen aus nationalem Ehrgeize. An solche Dinge rührt ma i nicht gern und überläßt sie lieber dem Ur teile der Geschichte und des Schicksals. Das hat dann in diesem Falle bestätigt, daß die Zweifler recht hatten. Wie Nobile sich innerlich abfinde* mit der Tatsache des Unterganges eines starlen Teiles seiner Begleiter, muß ihm selber über lassen werden. Inzwischen ist es einem schwedischen Flieger offizier gelungen, den verletzten Nobile und einen weiteren Mann zu bergen. Bei dem zweiten also selbst retten lassen. « umge- >e Retter Landungsversuch, der die Rettung der übrigen Italiener zum Ziele hatte, ist das schwedische Flugzeug, Zeitungsmeldungen zufolge Magen Jetzt muß sich der schwedisch. Hermann Müller-Franken (So z.), voraussichtlich der neue Reichskanzler. Wie werden wir regiert werden? Das ist wider alles Erwarten eine Preisfrage geworden. Erst war die Zuversicht groß, daß im Handumdrehen die paar Leute ernannt sein würden, die zusammen das Kabinett zu bilden hätten. Dann kamen die Bedenken und Be denklichkeiten, und Hermann Müller, dem alles in die Hand gelegt war, wandt« sich an die Parteien. Da hat er den Gang vom Regen in die Traufe getan, denn di« Parteien sanden aus diesem Wege Ge legenheit, sich an all ihre Wahlreden und Versprechungen in aller Breite zu erinnern und trugen Hermann Müller einen Niesen st rauß von Wünschen und Be dingungen entgegen. Selbstverständlich kam dabei statt einer Einigung auf ein paar klare Abmachungen nur eine ungeheuerliche Verbreiterung der Gegensätze heraus. Nebenbei blinzelt bei den nicht sozial demokratischen Parteien der Schelm durch, der sagt: Seid ihr regierende Partei, so seht auch zu, wie ihr durchsetzt, wassich in dec Oppo sition so schön sagen ließ und tragt die Verantwortung dafür. Unter dessen sitzen die Wähler und denken nach über den Nutzen der Vielspältigkeit und die Ver teuerung der Wahlen, dis im Preise zugcnom- men und über 22 Millionen gekostet haben. Sircncnklang von Osten. Nicht etwa aus Warschau, wo man neuer dings anfangen will, uns an den Gedanken zu gewöhnen, daß auch Polen in die Rhein landräumung hineinznreden habe und nicht damit einverstanden sei, sondern aus Ruß land. So heftig der Kommunismus sich sonst gegen di« Sozialdemokratie ins Zeug wirst — im Falle des deutschen Wahlausganges ist Sowjetrußland sehr mit ihm versöhnt, lobt ihn geschickt als den zur Versöhnung mit Frankreich bereiten Teil der deutschen Be völkerung und hält dem entgegen, daß Frank- reich Polens wegen abweijend blei ben müsse, daß also eine Politik nach Westen hin aussichtslos bleiben müsse. Woraus hervorgehe, daß Zusammenschluß mit Ruß land das einzig Wahr« sei. Und weit tut sich das Tor des Ostens auf in der Versicherung, daß Rußland zu größtem Entgegenkommen bereit sei, falls Deutschland in Politik und Wirtschaft sich ihm nähern wolle. Deutlicher kann mans einem jungen Manne nicht sagen, daß er auf der Freite willkommen sei und nur anzuklopfen brauche, um mit offenen Armen empfangen zu werden.' Aber so wie Jettchen sich bis jetzt angelassen hat, gefällt sie uns noch nicht recht, und sie wird ihrem „Entgegenkommen" schon noch ein paar Züge westlich empfundener Verschönerung voransschicken müssen, bevor Michel anbeißt. Die gefährliche« Saarländer. Die zarten Nerven der Franzosen im be setzten Gebiet« sind längst bekannt. Schlugen sie doch seinerzeit ein pfälzisches Kind von vier oder sünf Jahren, weil es ein hölzernes Kinderspiel—gewehrt!! auf der Straße in Händen hatte. Auch, daß Schüler im Tritt gingen, konnte ihr Ohr nicht vertragen. Die Lerngänge der Schulen- mußten außer Reih und Glied und „ohne Tritt" erfolgen. Jetzt fühlen sie sich im Saargebiete bedroht von „Uniformen" oder Uniform bedeutenden Klei dungsstücken und „kriegerischen Abzeichen". Und gar von militärischen Waffen! Es scheinen in erster Lmie die Kriegervereine gemeint zu sein, die bei Beerdigungen Mützen tragen und am Grabe verstorbener Kameraden die althergebrachte Ehrensalve abgeben. Der gleichen ist wirklich ganz gefährlich, und es ist allerhöchste Zeit, daß man es verbietet und mit schwersten Strafen bedroht. Wahr- Sie Zaubersahrt der Euglena. Roman von Maximilian Bernd. Copyright by Knorr L Hirth Gm. b.H., München. (14. Fortsetzung.) In Singers und Wennebergs Augen lag maßloser Haß. Zwischen ihnen lag ein Hausen Win gut bekannter Pläne und Skizzen. „Was wollen Sie?" schrie Singer mit vor Wut überschlagender Stimme. „Meine Pläne wiederhaben!" ,Hier hast du etwas, du Tagedieb!" Ein steinernes Tintenfaß sauste an WinS Kopf vorbei und fiel klirrend in die Scheibe des Bücherschrankes. Hackett, ein schwächlicher Mann mit unbedeutendem Gesichtsausdruck, lief ans Telephon. Garry sprang hinzu und durch- schnitt mit einem Taschenmesser tue Schnur. „Verfluchte Bande!" kreischte der kleine Mann. Sein Herz krampste sich zusammen. Er sank in seinen Sessel zurück. Singer ging jetzt auf Win los, der sich einen Stuhl zur Waffe genommen hatte. Garry zog aus der Hosentasche ein Flakon, in dem er den ver botenen Kognak bei sich trug. Er goß den Inhalt des stark alkoholischen Getränks über die Zeichnungen. Im Nu hatte Garry ein brennendes Streichhölzchen dazü in den Haufen geworse» Die Zeichnungen flackerten sofort hell aus. Garry nahm die Blätter in den Arm und warf sie in den Kamin. Singer sah ver- blüfft in die Flammen. Hackett lag ohnmächtig im Schreibtischsessel. Singer sah sich allein zwei Entschlossenen gegenüber und gab zähneknirschend den Kampf auf. Die Zeichnungen brannten ohnehin im Kamin. „Wir sprechen uns noch!" murmelte Singer zwischen den Zähnen. „Bis jetzt hast du noch nicht gewonnen, du verfluchter Hund!" schrie er ihm auf deutsch ins Gesicht. Win und Garry gingen ohne ein Wort zu erwidern aus der Tür und schlugen sie krachend hinter sich zu. Der Neger saß ge brochen auf dem Stuhl und starrte den beiden mit verglasten Augen regungslos nach, als sie das Vorzimmer verließen. „Soweit ich die Sachlage übersehen kann, ist Singer ein außerordentlich gefahrvoller Gegner für Sie. Der schreckt vor nichts zu rück," sagte Garry, als er in langsamer Fahrt seinen Wagen den Broadway zurücksteuerte. „Sie sagen mir nichts Neues!" erwidert« Win, aus tiefen Gedanken aufwachend. „Er will meine Idee — und wenn er sic nicht bekommen kann — mein Leben. Ich kenne Michael Singer." „Rechnen Sie auf mich. Ich biete Ihnen meine Dienste als Freund an," sagte Garry warm. „Wir wollen gleich über das Nötigste reden." „Ich danke Ihnen, Garry, hoffentlich kommen wir durch!" Den Rest des Weges fuhren sie schweigend. Jeder hing seinen eigenen Gedanken nach. Lange Zeit saß Win und Garry im Privat büro und besprachen eingehend die Sicherungs maßnahmen, die sie ergreifen wollten. Garry verließ die Werft am Spätnachmittag, Win arbeitete die ganz« Nacht hindurch an PläNtN und Berechnungen. Er wollte vor allem verhindern, daß irgend ein Lebewesen in die Werft gelangen konnte, ohne vom Pförtner ge meldet zu werden. Endlich — das Morgengrauen lag schon mit bläulichem Schimmer über den Spanten des halbbegonnenen Bootes draußen aus dem Platz — stand Win auf und rieb sich vergnügt die Hände. Die Berechnung stimmte, nun kam die praktische Probe. Weder Mensch noch Tier, auch kein Motor, nichts würde sich den Mauern seiner Werst nähern können, ohne die Alarmsirenen in Tätigkeit zu setzen. Befriedigt drehte er das Licht aus und legte sich angezogen aus seinen Diwan schlafen. Draußen kletterten die Arbeiter der Frühschicht in die Spanten des Bootes und begannen mit der Arbeit; das unermüdliche Rattern der Niethämmer begrüßt« den erwachenden Morgen. * Nach zwei Tagen lud Win Garry ein, seine neue Alarmsicherung zu besichtigen, die er in zwei Tagen konstruiert hatte. Als Garrys Wagen vorgcfahren war, liest Win das Tor weit öffnen und bat seine Leute, aus den aus dem Wagen steigenden Herrn zu achten. Er gab Jack Carter den Befehl, die Signal anlage cinzujchallcn. Ahnungslos kam Garry auf das Tor zu. Als er noch zwei Meter von dem Tor ent fernt war, erhob sich Plötzlich laut gellend der Ton einer großen Sirene, di« auf dem Dach des Büroschuppens stand. Garry zuckte zusammen — die Leute blickten sich betrosfen an. Garry hatte nichts be rührt — er stand völlig frei auf den steiner nen Fliesen des Eingangs! Win lachte herzlich über den Schrecken, den er deyr tapferen Garry eingejagt hatte. „Stel- len Sie nur die Sirene ab, Jack, sie hat gut gearbeitet." Die Sirene verstummte langsam, — die Arbeiter blickten in scheuer Furcht auf Win. Sie wichen etwas zurück vor ihm. Garry kam mit vorsichtigen Schritten durch das Tor und begrüßte Win pikiert: „Was sind das für Scherze, Wennebcrg! Warum haben Sie die Sirene einschalten lassen, als ich kam?" „Seien Sie mir nicht böse, lieber Garry, das ist meine neue Alarmvorrichtung, die ich Ihnen vorführen wollte. Kommen Sie nur mit," sagte er zu den Leuten, die ihn um- standen. „Sie sollen auch den Schutz unserer Werft kennenlernen." Win hakte Garry unter und sie gingen, gefolgt von einer Schar Arbeiter, vor die Mauer der Werst. Jetzt erst bemerkte Garry an den beiden Enden der Frontmauer zwei kleine hölzerne Schuppen, die so hoch wie die Mauer waren. Sie waren nach einer Seite hin offen und ließen eine Anzahl übereinander angeordnete scheinwcrferähnlich« Gebilde er kennen. „Scheinwerfer haben Sie aufgestellt, so daß keiner ungesehen an die Mauer kann. Die Idee ist gut, lieber Wennebcrg — aber nicht neu —, entschuldigen Sie meine Offenheit." Garry war noch immer ärgerlich. „Was Sie da sehen, sind keine Schein werfer, sondern die von mir erfundenen Strahlungsglocken. Wissen Sie noch, was ein thermostatijches Element ist?" - „Nicht mehr genau!" Garry hatte keine Ahnung mehr. Win deutete auf den Brennpunkt des parabolischen Spiegels, in dem sich ein kleines, weißes Drähtchen befand. „An dieser Stelle sind zwei verschiedene Metalle zusammenge- schwcistt Die geringste Erwärmung von außen, die durch die Spiegel gesammelt wird, ver ändert den elektrischen Widerstand der Schweiß stelle. Wir haben hier einen besonders sensiblen Apparat konstruiert. Sowie die geringste, irgendwie meßbare Wärme durch den großen Parabolspiegel aufgesangen wird und dieser, alle ankommenden Wärmestrahlen summierend, die Wärme auf dieses kleine thermostatische Element konzentriert, bekommen wir einen winzigen Stromstoß in unsere Leitung. Dieser Strom löst ein Relais aus und dieses wiederum eine Sirene, die Sie eben laut und deutlich bewillkommnete. Es genügt, wenn Sie Ihre Hand vor den Spiegel halten, und die Sirene ertönt! Die Wärme Ihres Körpers löste, als sie vorhin durch das Feld der Spiegel schritten, automatisch die Sirene aus." Garry war sprachlos. Win erklärte weiter, wie durch die aus geklügelte Anordnung der verschiedenen Apparate immer der eine den anderen vor Zerstörung durch die Einbrecher schützte. „Dann brauchen Sie mich wohl nicht mehr." sagte Garry betrübt. „Ich sürchte, ich werde Sie noch mehr brauchen, als Ihnen lieb ist. Bevor ich es vergesse: Kommen Sie morgen abend in das Plaza-Hotel? Es ist, glaube ich, ein Wohl- tätigkeitssest des „Orphan's Club". Ich frage nicht aus Neugierde. Singer wird kommen. Ich würde mich sicherer fühlen, wenn Sie auch da sind." „Mrs. Sylvia wird doch auch kommen! Dann darf doch keiner von uns fehlen. Im übrigen rechnen Sie aus mich." Die Herren verschwanden im Gespräch in der Werft. Kaum war jedoch der Riegel zugesallen, als hinter einem Busch das gelbe Gesicht eines Chinesen zum Vorschein kam. Er legte sich platt auf den Boden und schlich auf den selt samen Schuppen mit den Spiegeln zu. In seiner Hand blitzte eine lange Zange zum Durchschneiden der elektrischen Drähte. Im Moment jedoch, als er di« Hand vorstreckte, um an dem Spiegel vorbeizutom- men, heulte schrill die Sirene der Werst auf. Der Chinese zischte einen häßlichen englischen Fluch. Er hatte nicht bedacht, daß die Alarm glocke sofort wieder eingeschaltet worden war. Bevor jedoch jemand von drinnen heraus- schauen konnte, hatte sich der gelbe Mann wie ein Aal in die Büsche zurückgewunden. Dort lag er, bis alles wieder ruhig wurde, dann sprang er aus und eilte zu Tschang-jung:o.