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Verpflanzt. en Säugling, der nicht Ding noch Zeit begreift, noch nicht der Sinne Netz in sie verwoben, darfst niemals du von seiner Mutter lösen. Und wenn das Kind erwacht und hat der Umwelt Sinn und Gestalt schon in sein Herz geschlossen, dann wird es schwer ihm, wenn aus fremder Erde es weiterwachsen und gedeihen soll, und lange wird es trotz der Fremde Gütern noch leise zehren von der Heimat Gut. Und wer gereist in seiner Heimat Zirkeln, wird lebenslang auch in der fernsten Ferne des Heimatbodens unverlierbar Erbe im Herzen als des Lebens Grundmaß tragen. Indem du, Gärtner, neu ein Pflänzlein bettest, so denke segnend, daß die Erdenkrume an seiner Wurzel zartem Lebensfaden ihm Heimattrost und erste Liebe ist wie bis herauf in deine Schaffenstage die Heimat dir der Seele Zuflucht blieb! L. Cron. Nach dem Sturme. Wer hätte gedacht, daß im leeren Geäste -in Wald, Feld und Garten noch so Vie! dürres wlz gesteckt hätte, als der Oststurm nun über eie Fläche hingewirbelt ist? Wo ers also nicht gar zu toll getrieben hat mit Dachziegeln, Fensterscheiben und Zaunlinien, wollen wir drin ungestümen Burschen weiter nicht gram sein und ihm das nächtliche Gebrüll und die Attacken aus Hab und Gut verzeihen. Er heißt eben Sturmwind und nicht Mailüflchen und ist das große Reinemachen vor dem Früh lingsfests der Natur und ihr Auferstehungs bote. Willst du fröhlicherweise das eine, jo nimm auch unverdrosfen das andere hin! Dr. C. l se Zaubersahrl der Euglena. Roman von Maximilian Bernd. Copyright by Knorr L Hirth G.m.b.H., München. (1. Fortsetzung.) Da sah er plötzlich durch die Stäbe seines Gitters die feingeschnittene Silhouette eines Mädchenkopfes. Wie immer im Leben wirkte auch hier die Erscheinung des Lieblichen und Ausgeglichenen im Augenblick ungezügelten Ge- fühlsausbruchcs begütigend und besänftigend. Der Kopf wandte und hob sich aushorcheud zum Gitter. Die ruhige, unendlich weiche Stimme dieses Mädchens fragte ihn: „Warum sind Sie hier eingesperrt worden? Haben Sie etwas verbrochen?" Diese Frage war zu einfach, — ja zu naiv. — als daß ein so verzweifelter Mensch wie Win in diesem Augenblick ruhig hätte darauf ant worten können. „Nichts!" brüllte er in neuer Wut. Wie groß aber war sein Erstaunen, als diese Stimme, ohne Erregung, ohne einen Klang von Acrger über seine brüske Antwort, ganz ruhig sagte: „Wenn Sie mir versprechen, ruhig zu sein, so will ich zum Kapitän gehen und ihn zu sprechen suchen!" „Sie werden kaum bis zu ihm gelangen. Vielleicht können Sie den Ersten Steward fin den, den möchte ich sprechen!" Das kam schon bittend, zögernd fast, von seinen Lippen. Das Mädchen entfernte sich auf dem Korridor. Win konnte ihre ganz: Gestalt erkennen. Sie mochte wohl achtzehn Jahre alt sein lind war traurig ärmlich gekleidet. Eine dunkel blaue Bluse, — ein kurzer, dunkelblauer Rock, — nur ihre schönen, auffallend edel geformten Beine unterschieden sic vom Gros Ker Aus- w"ndercrmädchen. Ihr Gesicht hatte er noch ' erkennen können. Win mußte lange warten, bis er endlich rn'ber Schritte hörte. Sie kam in das Licht der Lampe, nickte ihm "-mrig ,u und zuckte die Achseln. Er konnte K den Erfolg ihres Weges denken — — nicht einmal der Erste Steward wollte ihn sprechen. Er dachte plötzlich, daß cs auch so ganz an- ' ehm sein könnte. Er würde nicht mehr beiten und käme trotzdem nach Amerika, außer- "n in Gesellschaft eines Mädchens, das durch ilie ruhige und kameradschaftliche Hilfsbcrcit- haft einen starken Reiz ans ihn ausübte. Sic -ui wicdcr an die vergitterte Türöffnung, ihre ' mden feinen Hände ergriffen die eiserne» Stäbe: „Es war i ht schwer " sagte sie traurig. 2, er wußte, waS das hieß Win kannte auch die Art, wie die abjchlägige Aniwoel einem jungen Mädchen erteilt wurde. Die einen fertigten es mit hämischen, vielsagenden Blicken ab — die andern wurden erst auf unzweideutige Weise zutraulich, um am Schluß zu sagen, sie könnten leider nicht helfen. Darum sagte Win ganz plötzlich, ohne sich der Vertraulichkeit dieser Ansprache bewußt zu werden: „Erzähle bitte nicht, wen du gesprochen hast — ich kenne diesen Weg!" Und in einem auf quellenden Gefühl von Freundschaft und Mit leid: „Wer bist du und wohin gehst du?" „Ist das zu wißen nicht ganz unwesentlich? Was nützt es, Daten und Ereignisse auszu- tauschen? Wir sind wie der Sturm, der uns fetzt hin- und herwirst, wir wissen nicht, von mannen er kommt und wohin er geht und hören sein Sausen wohl." Win war auss höchste betroffen und über rascht, solche Worte aus dem Munde dieses Mädchens zu hören. Gerade das erregte in ihm den Wunsch, mehr von ihr zu wissen, aber er beschränkte sich aus die Frage: „Wie heißt du? Sag« mir doch deinen Vornamen. Namen sind ein Teil von uns; deine Kameradschaft gibt mir ein Recht, deinen Namen zu wissen!" „Ich heiße Ruth. Und du?" „Ich heiße Winfried, aber man nennt mich Win." „Das ist ein guter Name, — Win — ich kenne schon so viel Englisch ans den Büchern meines Vaters, daß ich weiß, was „win" heißt. „Gewinnen", nicht wahr?" „Ja, gewinnen!" schrie Win heraus. Noch nie hatte er an dieses Wortspiel gedacht. Jetzt war es ihm eine gute Vorbedeutung. Sein alter Kampsesmut überkam ihn wieder. In seiner Begeisterung drückte er einen Kuß ans ihre Hand, die noch immer an seinem Kerker gitter lag. Blitzschnell zog sie sie zurück und drobt« ihm lachend mit den, Finger. Sie schwatzten wie zwei ausgelassene Kinder, über dieses und jenes, bis ein Stelvard kam und ihm in einer tiefen Kumme das Mann- schaslsessen und einen Krug Wasser hinreichte. Cs war schon lange Nacht. Ruth war mit einen, „Ans Wiedersehen morgen früh!" sortgegangen. Die trübe Lampe auf dem Korridor erfüllte seine armselige Be hausung mit kläglichem Licht. Er legte sich auf den harten Boden seiner Zelle nieder. Seine trübe Stimmung hatte durch die Unterhaltung mit dem Mädchen einer optimi stischeren Platz gemacht. Trotz der unange nehmen Lage sortierte die Jugend ihr Recht und ließ ihn bald in einen festen Schlaf fallen. * Singer stand ans den, Promeuad. »deck und bcola.h;..c mit eine.» F rnst eher den Keri- Erlkönigschleicr wehen über den Kanal und über die Vogesen herüber zu uns. „. . . komm, geh mit mir, gar schöne Spiel« spiel ich mit dir!" Weil nämlich Rußland in der Anschuldigung und Verhaftung der deutschen Ingenieure gar unschöne Spiele mit uns spielt. Da meinen also unsere West freunde, das Michelkind, das kranke, werde sich erschreckt von dem Bären im Osten ab wenden und ihnen in die liebweichen Arme eilen! Sehr schöner Gedanke, nur ein bißchen plump angebracht. Wir werden erst einmal sehen, wie besagter Bär und wir miteinander fertig werden. Und ehe wir uns von den zarten Aermeln der Westleutc umfassen lassen, überlegen wir uns die Sache noch einmal, z. B. seit wann die zarten Aermcl übergenäht sind, wieviel Schneidernadeln aus der Ab- rüstungsflickstube noch darin stecken, wie hold Rheinland, Pfalz und gar die Saar umarmt und betreut sind und dergleichen noch ein paar Sächelchen. Wir sind halt so kleinlich! Vom wahren Fricdenkwillcn. Lord Cushendun hat in einer fulminanten Genfer Rede, die sich gegen Rußland Ab rüstungsforderung richtete, ein köstliches Ge ständnis gemacht, dessen Inhalt zwar aller Welt längst bekannt ist, das aber im Munde des etwas großspurigen Politikers doch ein wenig pikant klingt. Seit sieben Jahren, sagt er, arbeite der Völkerbund an der dauernden Siche rung des Friedens, wenn auch „die Ergeb nisse noch nicht sehr bemerkens wert" seien. Aber warum denn „noch nicht sehr" odcr, besser gesagt, ganz und gar nicht bemerkenswert? Weil man daheim das Gegen teil von dem tut, was man in Genf spricht, mit anderen Worten, weil man die kunstvoll zusammenspintisierle Idee vom Völkerbund und ewigen Frieden durch die Tat der heimi schen Aufrüstung und all der dahintersteckenden Gedanken sabotiert. So macht- England, so machts Frankreich und sein Anhang. Und Amerika, das mit hartnäckiger Konsequenz aufs Ganze des Friedenswerkes geht, wäre töricht, wenn es sich nach den Worten und nicht nach den Taten seiner Verbündeten von 1918 richtete. Zwischen Genf und London. Im englischen Unterhause beantragten Mit glieder der Arbeiterpartei die Zurücknahme der englischen Besatzungstruppen aus Deutsch land. Der Staatssekretär für den Krieg — nach Genf klingt der Titel nicht — antwortete: „Die Truppen stehen auf Grund des Friedens- Vertrages am Rhein, also ist eine solche Frage nicht zu erörtern." Bumsvallera! Und zur Lustrüstung führte der Luftfahrtminister aus: „Es sei das Ziel der Regierungspolitik, eine Luftflotte zu erbauen, die hinreichend stark sei, um die Gefahren eines Angriffes auf Großbritannien so groß zu machen, daß niemand es wagen würde, einen solchen Ver such zu unternehmen. Der Reichsvcrteidigungs- ausschuß sei auf Grund einer vor einigen Jah ren angestellten Untersuchung zu der Entschei dung gekommen, daß mindestens 52 Geschwa der sür Verteidigungszwecke erforderlich seien. Großbritannien besitze jedoch nur 30—40 Ge- schwader, und es werde sich nicht zufrieden- geben, bis dieses Programm von 52 Geschwa- jchwadern vollkommen ausgeführt sei." Die Genfer Pakte vom ewigen Frieden riechen halt schon sengerig, bevor sie nur geschrieben find. Und gegen wessen Angriff braucht man aus gerechnet 52? Vielleicht weiß :s Kriezsvater Poincare. Mussolini und Vatikan. Als die europäische Welt nach Kriegsende daran ging, sich neu einzurichten oder es sch gefallen lassen mußte, neu eingerichtet zu werden, kam auch der Gedanke aus, den Papst, der im Weltkriege mehr als einmal eine Rolle gespielt hatte, politisch wie « selbständiger zu »rachen, durch Wiedererrichtung des Kirchen staates. Wie es heute um den Gedankenkreis bestellt ist, aus dem solche Pläne erwachsen konnten, zeigt sich in überraschendem Lichte, angesichts der Bitte der Südtirol e r deutschen Katholiken, ihnen dock) zu Helsen in ihrer zont, der mit einem unregelmäßigen blaß- I ! blauen Streifen gegen den Himmel abge schlossen war. Sein« linke Hand hatte er auf dis Recht« Evelyns gelegt, die sich auf die Reeling stützte und in die gleiche Richtung blickte. Das Schiff fuhr in einen herrlichen Tag hinein. Fern am Horizont sahen sie einige dünne Rauchfahnen. ' „Wir nähern uns dem Festland.. Nicht lange und ich habe meine erste Etappe erreicht: Amerika!" „Eigentlich schade," sagte Evelyn sanft und einschmeichelnd und zupfte ihm die Krawatte zurecht, die etwas schief saß. Wenn eine Frau einem Manne, den sie vor einer Woche noch nicht kannte, die Krawatte richtet, so ist das für den welterfahrenen Beobachter ein vielsagendes Zeichen. — Es war ein wundervoller Morgen. Singer und Evelyn starrten traumverloren aufs Meer. Ganz oben auf dem Deck spielt« die Schiffs kastelle: „Nun danket alle Gott" — Eine Stimmung bemächtigte sich Michaels, wie er sie seit langem nicht mehr gekannt. Er drückt« Evelyns Hand fester und schämte sich nicht seiner Sentimentalität. Das ruhige Meer, die goldenen Wellen, der ernste Choral und die Hoffnung auf einen baldigen großen Erfolg ließen ihn eine Sekunde fühlen, was tiefes Glück ist. Alles ander« war in diesem Augenblick versunken. Das Leben lockte. Er dachte nicht an'Wennebarg, der wohl irgendwo eingespcrrt war. Er dachte auch nicht an Evelyn Rogers, er dachte an sich. Er sah sich vor einer großen Menge sein« Erfindung erklären: Ham burg—Neuyvrk in zwei Tagen! Er hatte sich schon so oft mit der Idee beschäftigt, daß er schließlich selbst glaubte, di« Idee sei von ihm und nicht von jenem, den er hatte einsperren lassen. Schließlich war es ja auch nur die Idee! Die Umsetzung in die Praxis war doch immerhin seine Arbeit, sein Verdienst! Was konnte ihm also dieser Wenneberg anl)aben. Wie alle Menschen, hatte er das Bedürf nis, den Überschwang seines Gefühls anderen mitzuwilcn. Er drückte Evelyn fester an sich und sagte betont: „Ich bin so glücklich, Evelyn." Evelyn verstand die Worte, wie sie sie verstehen mußte. Sie streichelte seine Hand und blickt« schweigend in das silbrige Spiel der Bugwellen. Sic dachte an den Ausbau ihrer Freund schaft mit Mickwel, kesse» mit überschäumen- eer En rgie er'üMeZ W"'en sie immer stärker an^o^. Vielteicht tzal.e seine berechnende i Gleichgültigkeit sie zuerst gereizt und sie ver anlaßt, jich ernster mit ihm zu beschäftigen. Beim Lunch herrschte eine erregte Stim mung. Der Alkohol war von den Tischen verschwunden, da man sich bereits innerhalb der Hoheitszone des nordamerikanischen Fest landes befand. Man prostete sich mit Sel terwasser zu, — — einige Mäulchen plapper ten aufgeregt, — hier sah ein Auge trüb in ein benachbartes schönes Augenpaar, in dem verständnisinnig eine Träne blinkte. Nicht lange, und alle waren wieder an Deck, — — Arm in Arm, — — verstohlen, — — andere offensichtlich, die einen traurig, di« anderen heiter. Schon waren dis großen Luftschaukeln von Coney Island zu sehen. Ein kleiner weißer Dampfer kam und brachte den Lotsen an Bord. Alle standen an der Reeling und be grüßt«» freudig den Boten der neuen Welt. Schnell kam das Land näher. Evelyn erklärte ihrem Freunde, was es zu sehen gab. Langsam suhr der Dampfer in die Lower Bay ein, die durch eine schmale, von Kanonen bewachte Durchfahrt vom Ozcan getrennt ist. Neuyork kam näher. Ein unbeschreiblicher Komplex von Flächen, Pfeilern und Fenstern wurde langsam deutlicher. Sie schienen wie Binsen aus dem Wasser der Lower Bay ge schossen zu sein. Hoch oben Pyramiden, gro teske Dachabschlüsse, aus deren Spitzen gleich Vulkanen Damps quoll, der schnell in das Blau des Himmels zerfloß. Die Freiheitsstatue, Ellis Island und die Brooklynbrücke lagen wie Postkartcnbilder im Hellen Sonnenschein. Er kannte sie hinläng lich, um den Erklärungen Evelyns zu folgen. Ihn fesselte das grandios« Bild der Wvltcn- kratzerstadt. Vier kleine Schlepper legten sich jetzt längs seits und nahmen Schlepptrossen in Empfang, ji« fuhren vor und schleppten den großen Bruder in den Hudson ein. Links Hoboken mit seinem Gewirr von Fabriken, Pieren und Baracken, rechts die ungeheuren weißen, von der Sonne gebadeten Flächen der Wolken kratzer, deren Fenster ab und zu grell« Ne- flexe wie Willkommensgrüßc zu ihnen her- überwarfen. „Wann sehen wir uns wieder, Michael?* fragte Evelyn, ihn mit offenem Blick am« sehend. „Ich werde dich anrufen! Wo wohnst du?* „Wir wohnen in Cedarhurst auf Long Is land, 2! 9 Wood Avenue. Meine Eltern wür den sich freuen, dich kommenden Sonntag bei uns zu sehen." Singer dachte nicht daran, die Freund schaft weiter nnsznbcnen, er zählte abwesend die Nummern tc.