Volltext Seite (XML)
No. 2. Sonnabend, den 9. Januar 1904. VI. Jahrgang. Der/Tandelsgärfner. "nermmpiz- Wandels-Zeitung für den deutschen Gartenbau, -"öttnmnanadca Leipzig, Südstrasse 33. Verlag von Bernhard Thalacker, Leipzig = Gohlis. Leipzig-Gohlis. Organ des „Gartenbau=Verbandes für das Königreich Sachsen E. G." „Der Handelsgärtner“ kann direkt durch die Post unter No. 3222a der Postzeitungsliste bezogen werden. Der Abonnementspreis beträgt pro Jahr: für Deutschland und Oesterreich^Ungarn Mark 5.—; für das übrige Ausland Mark 8.—. Das Blatt erscheint wöchentlich einmal Sonnabends. — Inserate kosten im „Handelsgärtner“ 30 Pfg. für die fünfgespaltene Petitzeile. Der deutsche Gartenbauhandel und seine gegenwärtige Lage. I. Der Eintritt in das neue Jahr bedeutet wohl nur für einzelne Branchen des Gartenbaues einen Abschluss des Geschäftsjahres, der für die meisten Gärtnereien und Baumschulen viel günstiger im Sommer, Ende Juni vorgenommen wird. Aber das neue Jahr erinnert uns doch wieder daran, dass wir auch geschäftlich in einen neuen Abschnitt eintreten, das sollte uns stets veranlassen, die Entwicklung unseres Handels zu prüfen, rückwärts zu blicken, und alles das wahrzunehmen, was uns vorwärts bringen kann. Die Gärtnerei hat sich gewiss schon von mancher Last befreit, manches Unnütze abgeschafft; aber trotzdem lässt sich der kon servative Sinn, das Hängen an dem Altherge brachten nicht leugnen, mögen auch Hunderte von Existenzen jedes Jahr hieran scheitern. Wir können es nur immer wieder bedauern, und als einen Hemmschuh ansehen, wenn un genügende Vorbildung in einer so ernsten Zeit des Kampfes zahllose Gärtner zur Gründung einer Existenz verleitet, die ihnen ein karges Brot gibt und die Zahl der Proletarier unter den kleinen Gärtnern erhöht. Gegenwärtig befinden wir uns geschäftlich in einer aufwärtsgebenden Periode, dieser Um stand wirkt auch auf die Gärtnerei ein. Der Konsum in unseren Erzeugnissen hat sich in demselben Masse gesteigert, wie sich durch schnittlich die Betriebe vermehrt haben. Eine Verbesserung der Preise, die in Anbetracht der höheren Produktionskosten von Jahr zu Jahr angestrebt wird, konnte aber leider nicht er zielt werden. Es fehlt hierbei an einem Zu sammenschluss. Die Verbände deutscher Gärtner der verschiedenen Branchen haben zwar viel fach versucht, Wandel zu schaffen; wir erinnern nur an die Bestrebung des „Vereins deutscher Gartenkünstler“, an die „Vereinigung deutscher Samenhandlungen“ etc. Dagegen hat sich der „Verband der Handelsgärtner Deutschlands“ bisher noch keine Mühe gegeben, hier refor matorisch vorzugehen. Wir verkennen das Schwierige und das Undankbare hierin Wandel zu schaffen durchaus nicht, zumal auf der an deren Seite die freie Konkurrenz ausgeübt wer den muss. Aber es gibt hierbei doch überall eine Grenze, bei welcher angekommen, die Mög lichkeit zu produzieren, ausgeschlossen ist und diese Grenze sollte gerade bei den gärtnerischen Kulturerzeugnissen festgestellt werden. Was man in anderen Kreisen für möglich gehalten hat, warum soll sich das bei uns nicht auch durchführen lassen? Die Spezialisierung der deutschen Gärtnerei, welche unaufhaltsam vorwärts schreitet, hat natur gemäss zur Folge gehabt, dass die Kultur und Anzucht sich vereinfachte, und mehr kurante, sicher abzusetzende Artikel kultiviert werden. Dadurch aber macht sich wiederum auf der anderen Seite ein Mangel an der Vielseitig keit des Angebotes bemerkbar, der besonders in den Herbst- und Wintermonaten auffallend hervortritt. Noch mehr aber zeigte sich die Verein fachung in der Kultur wiederum bei den Blatt pflanzen. Hier wirkte noch die Konkurrenz des Auslandes ein, und es lässt sich unter keinen Umständen ableugnen, dass in diesem Zweig der Gärtnerei die Durchführung von Gross kulturen viel schneller als in jedem anderen Artikel zur Tatsache wurde. Diese Verschär fung muss auch in Zukunft, wenn wir über haupt an eine Leistungsfähigkeit und die fort schreitende Entwicklung des deutschen Garten baues glauben sollen, unbedingt aufrecht erhalten werden. Von ihr allein wird die Existenz fähigkeit und vor allem die Rentabilität abhängig sein; wir wollen nur wünschen, dass recht viel deutsche Gärtner diese Tatsache anerkennen. Ein weiteres Moment, welches von Jahr zu Jahr mehr hervortritt, ist der unaufhaltsame Rückgang der Luxusbinderei zu Gunsten der Bedarfsbinderei,währendesvorl5 — 20 Jahren keine Seltenheit war, dass anlässlich hesonderer Festlichkeiten in den ürosstädten wie Berlin, Hamburg, Leipzig etc. für einzelne Tafeldeko rationen Hunderte von Mark und mehr bezahlt wurden, so sind die hierfür ausgeworfenen Summen jetzt bedeutend zurückgegangen. Dreierlei dürfte hierbei die Schuld tragen; zu nächst die reichliche Verwendung der Blumen, die heute nicht mehr so vereinzelt ist, wie vor Jahren, damals war sie noch eine Seltenheit. Zweitens wirkt infolge der verbesserten Bahn verbindung und der Ausdehnung der Schnitt blumenkulturen an der Riviera und das uns infolgedessen so reichlich im Winter zur Ver fügungstehende Blumenmaterials ein. Inzwischen sind auch bei uns die Orchideen- und andere Gärtnereien in feineren Schnittblumen ebenfalls leistungsfähiger geworden. Dann fällt neuerdings auch die Konkurrenz ins Gewicht; denn die Zahl der Blumengeschäfte hat sich ja in den letzten 15 Jahren nahezu verfünffacht! Wir können immer wieder konstatieren, die Luxusbinderei weicht zu Gunsten der Bedarfsbinderei zurück. Die glänzenden Zeiten für die Blumenhandlungen sind vorüber, und wer heute einen Blumen korb für Mk. 50,— oder eine Tafeldekoration für Mk. 300,— in Auftrag gibt, verlangt zur strengsten Winterszeit etwas aussergewöhnliches. Welchen Eindruck die soeben geschilderten Verhältnisse auf die deutschen Schnittblumen züchter machen, ist leicht erklärlich. Die be dingungsweise Abhängigkeit und vor allen Dingen die Wertbemessung unserer deutschen Produkte, ist in dieser Zeit durchaus auf die Eingänge von der Riviera angewiesen. Daran würden auch hohe Zollsätze nichts ändern können, sondern wir müssen uns mit diesen Tatsachen abfinden. Aber das eine können wir tun, und haben wir im „Handelsgärtner“ stets befürwortet, das ist die Leistungsfähigkeit im Spätherbst und in den Frühjahrsmonaten, im Oktober und November, im April und Mai zu erhöhen. Dann übertreffen unsere Blumen durch Farbenfrische und höchste Voll kommenheit die südländischen und machen sie den Bindegeschäften wie dem Publikum wert voll. Auch das ist ein Ziel, welches die Gärt nerei immer bestimmt anstreben muss. Der deutsche Samenhandel strebt mit gutem Erfolg eine immer festere Position an. Die Grossfirmen tauschen frühzeitig ihre Offerten aus, und das ganze Geschäft trägt von Jahr zu Jahr mehr den Stempel des internationalen Handels. Wie immer in solchen Fällen können diese Handelsbesirebungen nur gross werden zum Nachteil der eigenen Produktion. Der deutsche Samenbau wird mehr oder weniger unseren internationalen Beziehungen geopfert. Der Handel wird rücksichtslos seine eigenen Interessen verfolgen, und sieht in der zollfreien Einfuhr aus dem Westen und Süden die alleinige Möglichkeit, die internationalen Beziehungen nach England und Amerika, nach Russland, Oesterreich etc. einzuhalten. Inwieweit das für den Detailhandel möglich sein wird, darüber ist man sich ohne Zweifel klar. Dem Privat mann und Gutsbesitzer, der nach dem Katalog bestellt, wird es vollständig gleichgültig sein, wo die Sämereien herangezogen werden; er bestellt und kauft dort, wo er alles erhält, für ihn ist die Qualität der Sämereien stets massgebend. Wesentlich anders verhält es sich mit den kleineren Samenhandlungen, die jetzt so zahl reich in den Gross- und Mittelstädten auf tauchen, und von den Züchtern direkt die Sämereien in grösseren Mengen zum Wieder verkauf beziehen. Diese letzteren werden neuer dings aus Frankreich, Holland und Italien mit Angeboten überschüttet, man stellt ihnen schon bei Entnahme kleinerer Partien aussergewöhn liche Vorzugspreise. Wir haben uns schon früher darüber ausgesprochen, dass wir das für einen Nachteil für unsere deutschen produzierenden Firmen ansehen. Da man aber vom Auslande aus nicht nur Deutschland, sondern neuerdings unsere Absatzgebiete im Osten sehr intensiv bearbeitet, müssen wir fürchten, dass unsere Han delsinteressen noch mehr bedroht sind, als bisher. Hier kann nach unserer Ansicht nur eins aus schlaggebend sein, und das ist die Leistungs fähigkeit unserer Züchter; die Garantie der deutschen Samengeschäfte für wirkliche erste Qualität, und hierbei wird man sicher ohne Zweifel mit der Zeit wieder mehr auf die in Deutschland mit grösster Sorgfalt angebauten Sämereien zurückkommen. Es ist bekannt, wie das Deutsche Reich schon jetzt häufig den ge wissenlosen französischen und anderen aus ländischen Züchtern als Absatzgebiet für ihre geringsten Qualitäten dienten. Ja, eine ganze Reihe von Prozessen der letzten Jahre haben die offenbar betrügerischen Lieferungen in Möhren, Bohnen, Zwiebeln, Gurkensaaten etc. gezeigt. Das ist eine Folge der billigen Ein käufe, und wir glauben, dass in der Anerkennung der deutschen Erzeugnisse, wenn durch die von den Interessenten selbst bestimmten Zölle, die nur gute Qualitäten vertragen werden, die auswärtige geringe Saat wegbleibt, damit auch dem deutschen Samenhandel sehr gedient ist. Ob diese An sicht die richtige ist, und ob sie schon jetzt durchführbar sein wird, darüber zu urteilen, halten wir immerhin für gewagt. Im Interesse der deutschen Samenzüchter aber liegt das Zurückdrängen der ausländischen Saaten sicher, und aus diesem Grunde schadet eine eingehende Erörterung durchaus nicht. In einem zweiten Artikel werden wir uns noch mit den übrigen Zweigen der Gärtnerei beschäftigen, und insbesondere auf die Lage der verschiedenen Branchen der Baumschulen zurückkommen. Des Vaters Vermächtnis. Aus dem Leben einer Gärtnerstochter. Erzählung von A. Burg. (1. Fortsetzung). Nachdruck untersagt. Sie dachte der in rauschende Seide gekleideten, lachenden und plaudernden Damen, die den Strauss nur als Folien ihrer eigenen Schönheit betrachteten, und denen er vielleicht nur ein neues Werkzeug ihrer Koketterie sein würde. Sie ge dachte des Abends, der auf das glänzende Fest folgen würde und sie sah sie schon alle welk, entblättert, zertreten, ihre sorgsam gepflegten Lieblinge. Ein Stich ging ihr durchs Herz. „Du bist zu sentimental für ein Naturkind, Margarete,“ sagte sie sich dann mit erzwungener Selbstironie. Niemals gestattete sie sich, eine Blume ins Haar oder vor die Brust zu stecken, und nur, wenn die Blüten aus gärtnerischen Gründen, des Nachwachsens wegen geschnitten werden mussten, füllte sie ab und zu eine Vase für ihr eigenes Heim. Dann aber verstand sie es, diese duftenden Kinder durch sorgsame Pflege tagelang frisch zu erhalten. Eine Stunde später wanderte sie lange allein im Garten. Sie durchmass das ganze weite Gebiet bis zu der halb von Mauer, halb von Gitter gebildeten Einfriedigung, die das Be sitztum von der Strasse trennte. Zufällig blickte sie auf die Strasse hinaus, in dem Augen blick, als dort ein hochgewachsener, mit geschmackvoller Eleganz gekleideter Herr vorbeiging. Sein auffallend interes santes, wenn auch nicht schönes Gesicht frappierte sie, so dass ihr Blick an ihm hängen blieb. „Ein Fremder“ dachte sie. Auch er hatte sie gesehen, nachdem seine Augen lange über die in der Nähe befindlichen, in reizendstem Flor stehen den Plumenbeete geglitten waren. Als er sie erblickte, war es, als wollte er stehen bleiben, wie unwillkürlich fuhr seine Hand nach dem Hut, dann liess er sie, sich plötzlich besinnend, wieder fallen und ging mit raschen Schritten weiter. „Ein seltsamer Mensch,“ lächelte Margarete vor sich hin, dann dachte sie nicht weiter an ihn. Die Auffahrt der Lengenschen Hochzeitswagen sollte durch die Strasse gehn, die an die Winternitz’sche Besitzung streifte. Da es eine Auffahrt von aussergewöhnlichem Pomp zu werden versprach, rüstete man sich, um pünktlich auf der Stelle zu sein, von wo aus man das Schauspiel geniessen konnte. Auch Margarete wollte sich’s ansehn, wenn sie sich auch dabei stellte, als ob sie es weniger aus Neugier tat, sondern mehr um die Winternitz’schen Sträusse in den Händen der schönen Damen zu sehn, und zu konstatieren, dass ihre Lieblinge alle künstliche Pracht überstrahlen würden. Pünktlich fuhren die glänzenden Equipagen daher. Ein gedämpftes „Ah“ der Bewunderung liess sich von allen Seiten hören. Zuschauer standen an jedem Fenster und bildeten Spalier auf der Strasse. Der Bräutigam sah ernst, aber still beglückt aus, seine Augen kannten nur ein Ziel, die in weisse Wolle gehüllte zarte Gestalt an seiner Seite, deren Rechte das von Margaretens Hand gewundene Meisterwerk hielt. Und dann folgt Wagen an Wagen, blinkende Uniformen, abwechselnd mit Frack und Cylinder, und im Fond die ent zückendsten Frauentoiletten, leuchtende Augen, lachend rote Lippen, wellige Frisuren, und in all den zarten Händen Blumen, — die schönsten Blumen — aus Margaretens Reich. Margarete stand an einen jungen Kastanienbaum gelehnt, den einen Arm leicht um den Stamm geschlungen. Sie sah von all’ dem Glanz fast nur ihre duftenden Pfleglinge, bis ihre Aufmerksamkeit p'ötzlich gefesselt wurde. Die Wagen fuhren, da sie in langer Reihe hintereinander folgten, und die ersten bereits bei der Kirche halt gemacht, in sehr langsamem Tempo. Aus einem derselben traf sie ein eigentümlich auf- leuchtender Blick. Einen Moment fragte sie sich: „Wo heb’ ich dieses Gesicht schon gesehn?“, dann fiel’s ihr ein, das war der Fremde, der gestern hier vorbeigegangen, und der jetzt unter den gräflichen Gästen sass. Warum er sie nur so anstarrte, als ob er sie kannte? Mit einem Mal schämte sie sich, hier unter den Neu gierigen am Tor zu stehn, und sie wandte sich rasch ab, und bog in einen Weg ein, wo eine hohe Taxuswand sie verbarg. 111. Einige Tage später, als Margarete eben die gewohnte Mittagslektüre bei Tante Verona beendet hatte, kam Erwin mit dem Schulranzen auf dem Rücken und wandte sich an das junge Mädchen mit der Bitte: „Begleite mich, Tante Lete“ — er nannte sie noch so aus der Zeit seiner ersten Sprach versuche, — „bis zum Tor.“ Mit scheuer Zärtlichkeit schmiegte er sich an sie und sie legte den Arm wie schützend um seine schmächtige Schulter. „Sei nicht bange, mein Junge, ich weiss wohl, du hast heute Rechenstunde, das macht dir Sorgen; aber fürchte dich nicht, wer Angst hat, kann erst recht nichts!“ Erwin sah Margarete zweifelnd an und seufzte tief! „Ich werde dir den Daumen halten“, versprach sie lächelnd. Sie gingen zusammen dem Tore zu, als von einem Seiten pfad kommend plötzlich Obergärtner Welser mit einem Herrn vor ihnen stand. Das junge Mädchen blickte mit unver hohlener Ueberraschung in das Gesicht des vornehmen Fremden, den sie schon zweimal von weitem gesehn und der sie nun, wie eine Bekannte, mit respektvoller Verbeugung grüsste. „Der Herr kommt in Graf Lengens Auftrag“, erklärte Welser. „Mein Name ist Kenzius, Doktor Kenzius, gnädiges Fräulein“, sagte der Andere, indem er den Hut in der Hand behielt, und staunend seine Blicke über Margaretens Gestalt streifte. „Ich freue mich, die Besitzerin der berühmten Winternitz’schen Gärtnerei kennen zu lernen, und hörte, dass Sie ausgezeichnete Sortimente in den neueren Tee-Hybrid-Rosen pflegen. Mein Freund und Gönner Graf Lengen hat vor wenigen Wochen auf der grossen Ausstellung zu Dresden die herrlichen Rosengruppen mit besonderem Interesse be sichtigt, und da er glaubt, bei Ihnen dieselben Sorten zu bekommen, beabsichtigt er vor seinem Schloss ein Rosen parterre anpfanzen zu lassen. Er reflektierte besonders auf die immer blühenden Teerosen, und hat mich beauftragt, mit Ihnen in Verbindung zu treten, und in Ihrem Verzeichnis die dankbarsten Sorten vorzumerken. Er ist ganz entzückt von den rosa und lachsfarbigen Nuancierungen, die man neuer dings so häufig bei den Teerosen findet.“ m, A au f Handelsgärtner“ für Deutschland, Oesterreich-Ungarn und Luxemburg beträgt Mk. 5,— pro fahr; für das Ausland Mk. 8— pro UCr /ADOimcmcnLS>[J Jahr, und kann durch Unterschrift der mit No. 2 verschickten rosa Karte im Mai-Juni d. J. eingezahlt werden.