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Wöchentlich erscheinen drei Nummern. Pränumeration«-Preil 22) Silbergr. (j Thlr.) vierteljährlich, Z Thlr. sür du« ganze Jahr, ohne Erhöhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man hkänumerirt aus diese« Literatur« Blatt in Berlin in der Expedition der Allg. Pr. Staat«-Zeitung (Friedrich-, Straße Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslande bei den Wohllöbl, Post - Aemtern. Literatur des Auslandes. 9. Berlin, Freitag den 21. Januar 1842. Frankreich. Brief aus Paris über philosophische und literarische Gegenstände.") Ein Blick aus die Deuische Philosophie. — Leroux. — Guizot. — Schöne Literatur. — Geschichte. Paris, im Dezember »8U. Wenn ich Ihnen in meinem letzten Schreiben berichtete, baß hier die Deutsche theoretische Philosophie auf dem Katheder und in den vornehmen gelehrten Salons mit lebhaftem Interesse besprochen wird, so bleibt cs auch noch vorläufig (Victor Coufin und wenige Andere, die sich für Deutsche Philosophie auch mit der Feder interessircn, abgerechnet) beim mündlichen Worte; denn was seit einiger Zeit in Frankreich im Gebiete der Philosophie erschienen ist, hat nur einen socialen und praktischen Werth, aber keinen thco- rctischen. Die Deutsche Metaphysik finden die Franzosen noch immer nicht ganz geheuer; und doch ist es ihr großer Landsmann, Descartes (Cartefius), der den Deutschen zu ihrer künftigen philosopischcn Höhe den ersten Antrieb gab. Es scheint fast, als habe sich der Genius des originellen spekulativen Philo- sophirens gegen Frankreich scit Descartes und Malebranche, gleichsam als Rache, weil es ihren Standpunkt nicht genug gewürdigt, verschworen. Denn betrachten wir den Verlauf des originellen philosophischen Denkens, seitdem der große Cartefius mit seinem Prometheus - Worte „coxiw ergo «um" ") das geistige Europa in Bewegung gesetzt, in den Hauptkultur-Staaten Eu- ropa's, so finden wir, daß es von Frankreich aus eine Zeit lang sein Panier in Spinoza °°°) aufschlug und den politischen Ruhm der jungen Republik Holland noch durch die Macht des Gedankens verzierte; von hier aus nahm es eine kurze Zeit seinen Sitz in England und verherrlichte die Britische Insel durch Locke'S „Versuch über den menschlichen Verstand." -tz) Da dieser aber aus vornehm spekulativem Wege den Versuch machte, das philosophische Denken in die Sinnlichkeit herab zu ziehen, so verließ cs die aristokratische Insel und flüchtete sich nach Deutschland in Leibnitzens Monaden-Philosophie, ff) Es 'I Wir »heilen diese- Schreiben eine- D-u»s<bcn mit, da- sich noch mehr über unsere eigene, al- über die Geschichte der Französischen Philosophie verbreitet, jedoch verlebteren, über die der Versager späterhin au-schließlicher berichten will, al- Einleitung dienen soll. Di« unter dem Schreiben befindlichen Anmerkungen sind hier sür diejenigen unserer Leser hinzuge- sügt, die mit der Geschichte der Philosophie weniger vertraut sind; dem Unterrichteten werden sie allerdings nicht- Neue- sagen. "j Der Slister der dialektisch - raisonirenden Jdealistik stellte, wie ei später die großen Deutschen Philosophen in ihrem Idealismus nur aus eine andere Weise »Haien, an die Spike seine« philosophilchcn SvstemS den Sa« „ich denke, solglich bin ich", wodurch er einen u». mittelbar gewissen, keine« Beweise« weiter bcdürscnden Anfangspunkt sür serneres Philoso- phiren gewann. —) Spinoza steht unter den neueren Philosophen al« der erste Vollender der Philosophie al« AUeinS-Lehre da, indem er nämlich das Senn und da« Denken, aus deren starr auseinan der gehaltenem Gegensatz das System von DeSearteS, welche« Spinoza in seiner Jugend studirt hatte, erbaut war, im Sinne der Eleaten, al- unbedingte Einheit auffaßlc und solglich da« Absolute lzu welchem DeSearteS nur seine Zuflucht nahm, wenn sein endliche« Prinzip „rogito ergo ,»m" nicht mehr hinreichtc) al« die erste und einzige Substanz, deren Attribute »Eigen- schalten) Ausdehnung sSeyn) und Denken (Geist) sind, an die Spike seines Lehrgebäudes stellte. Er schau,e also nach der älteren und neueren Lehre der jüdischen Kabbalisten sdenn er war jüdischer Herkunft) »nd der christlichen Theosophen alle Dinge i» Gott. Spinoza be trachtete die ganze Philosophie alS Tugendkunst, die Tugend aber als Liebe GotteS, hcrvorgehend ans dessen Erkennlniß (amvr euün Del IMU ui«i ex eoguitiono esu» oritur). Daher über schrieb er da« ganze System seiner Lehre al« Ethik »nd nannte de» erste» Theil derselben ä- veo, »irr äe Infinita, den zweiten aber „sie bleute, »en äe finita" ete. ch) Mit Locke beginnt die zweite Epoche der Geschichte der neueren Philosophie, und er ist der Vorkämpfer für die Behauptung de- gemeinen geraden Menschenverstandes, daß der Ursprung aller Erkcnntniß und Wissenschaft au« der Erfahrung herrühre. Locke'S Lehre ge wann sowohl bei seinen Landsleuten, al» znsagend ihrem pragmatischen Sinne, «heil« auch bet den vorschnellen und wikigen, damal« der Skeptik so wie der Mystik gleich müde gewordenen Franzosen schnellen Eingang und reißenden Fortgang, bildete sich jedoch bald sowohl dort al« hier nach und nach zum Scnsuali-muS, Materialismus, Libertinismus, Mechani«mu« und Atheis mus au«, biS sic zugleich mit den, einseitig ihr cntgegenkampfendcn empirischen JdcaliSmu« in» Skeptizismus Humc'S theilweise unterging. fi-j-j Leibnih war, wie Spinoza, von de« Deicarte« Philosophie au-gegangen, nur daß der Eine mehr an daS e»-e, ber Andere mehr an daS eogitsre sich hielt. Er lehrte, daß au« dem Daseyn zusammengesekter Dinge oder Erscheinungen »oihwendig die Existenz einfacher, sür sich selbst bestehender Substanzen folge; denn La« Zusammcngesektc kann nicht« Anderes seyn, al« ein Aggregat de« Einfachen. Solche einfache Substanzen heißt er Monaden (an und sür sich feycnde Einheiten), die al« die letzten »ncheilbaren Prinzipien nothwcndig ein« an sich sind. Da der Grundgedanke seine- ganzen Lehrgebäude« ist, daß Alle«, wa« wahrhaft ist, ein innere«, eigenthümliches und sich selbst genügende« Leben habe und mithin wesentlich al« eine vorstellcnde Mona« z» begreifen scy, »nd daß keine äußere Ursache auf da« In nere einer Mona- zu wirken vermöge, so ist jede Mona« eine besondere Welt für sich und diese eine bestimmte Anschauung de- Unendlichen; und vereinig» so in sich daS Unendlichc und fühlte sich aber in diesem großen Deutschen Philosophen, obwohl cs seinen eigentlichen Grund und Boden in seincin Vaterlande gefunden, doch noch nicht ganz heimisch, denn es mußte sich in ihm thcils in der unphilosophischen Latei nischen Sprache und theilS in der vagen ceremonicll geschniegelten, die Begriffe nicht genug firircnden Französischen Sprache ') verständlich machen. ES macht daher jetzt von Deutschland aus zum zweiten Male eine Reise nach Eng- land; denn obwohl Locke hier den Versuch machte, dasselbe aus seiner eigent lichen geistigen Sphäre zu heben, so geschah eS doch auf spekulativem und meta physischem Wege und in einer, einer ganzen Nation zugänglichen Sprache; es hegte noch die Hoffnung, von einem anderen sein wahres Wesen besser ein- sehendcn Briten in seine eigentliche heimische Sphäre wieder eingesetzt zu werden. Es täuschte sich aber sehr. Denn Hume"), sein neuer vermeint licher Patron, zog init Schwert und Feuer darauf los und wollte es in seinen „Untersuchungen über den menschlichen Verstand" ganz und gar vernichten. Es macht daher schnell eine Rettungsreise nach Deutschland zurück, wo es schon srüher einen mächtigen Protektor gefunden hatte, und übergiebt in dem kalten Königsberg seinen goldnen Hermes-Stab und sein alles auf philosophischem Gebiete bereits Gewordene zerschneidendes anatomisches Messer dem Sohne eines Schuhmachers. Dieser Schuhmacher-Sohn bleibt nicht hinter dem durch löcherten hölzernen Leisten der vornehmen Baron-Wolfischen Verstandes-Meta physik, sondern scheidet und schneidet, zackt und hackt, bis sie sich in lauter Atome aufgelöst hatte und in ihren leeren Ranm zuriickgckehrt war. Aber noch hatte Kant's Kritizismus nichts vernünftig Festes an die Stelle der vernich teten unglücklichen Tochter des Wölfischen Verstandes zu setzen ""l: denn auch cr hatte, wie Hume's „Untersuchungen über den menschliche»» Verstand", von denen cr ausging, einen Vertilgungskrieg geführt. Was die scheidende theore tische Vernunft vertilgte, das mnßte die praktische, fordernde Vernunft wieder ersetzen, f) Bei diesem Herbeiziebcn mit den Haaren konnte sich indessen das Endlich«, da-Ideale und das Real«, aber immer in bestimmten Abstufungen, wodurch sich eine von der anderen al- eine durchaus bestimmte, »ach Geschlecht, Art und Individualität (wa« später bei Schelling die Potenz ist) unterschieben, bcwährt. ') Merkwürdig ist e«, daß Leibnik, wiewohl er selbst sich der damals gangbaren Latei nischen und, deS Auslandes wegen, der Französischen Sprache bediente, die Deutsche Spracht unter allen neuen, als die dem Bortrage der Philosophie angemessenste aus dem Grunde erkannte, weil sie keine Ausdrücke sür leere Begriffe habe und »Ich schlechthin gegen den Ansdrus de« Unsinne« sträube. (S. Leibniken-S unvorgreisliche Gedanken in Oti« llavuorerauo.) Thomasiu« und Freiherr von Wolf brachten in der That nicht lange nach ihm die Deutsche Sprache auf da» philosophische Katheder. Hätte sich Leibnik in seinen philosophischen Schriften, bemerkt Fr. Schlegel, der Deutschen Sprache bedient, so wäre ohne Zweifel der Deutsche Geist durch ihn früher gewest worden. ") Hume »rat sowohl gegen den EmpiriSmuS Locke'S wie gegen den Idealismus DeS- carteS-, Spinoza'« und Leibnitzens auf. Gegen Ersteren behauptet er, daß wir zwar zufolge der Sinncnwahrnehmung und Erfahrung an Dinge außer uns glauben; gleichwohl sind die Sinne täuschend, denn nur die Vorstellungen der Dinge sind unS gegenwärtig, nicht die Dinge selbst; und gegen Letztere macht er den Satz gellend, daß e« diirchan» keine objektive Erkcnntniß gcbc, weil wir in unftrcm Bcwußtscyn aus unsere Vorstellungen beschrankt sind und durchaus in ihren Verbindungen über dieselben nicht hinaus können. Was die Spekulation beweise, seyen nur lediglich die Begriffe und ihre Verhältnisse, nicht da- Seyn selbst und die Wirklichkeit. —I Christian, Freiherr voll Wolf ist der Urheber de« dozmalische» Lehrgebäudes, welche« unter dem Namen de« Lcibnikisch-Wolfifchen fast in allen Deutschen Schulen herrschend wurde und bi« auf di« Kanlische Reform sich erhielt; im Grunde aber weiter nichts, al» ein platter, gemeiner Dogmatismus war, der jedem Angriff de« Skeptizismus und der höheren Sveculaiion von allen Seiten bloßlag. Kant'« Krink war meisten« auf die dogmatische Metaphysik Wolf'« gerichtet; auch ein geringerer Man» indessen, als Kant, hätte dieselbe Uber den Hausen werfen können. Wolf hat seine gcsammte Philosophie i» einen theoretischen Theil und in einen präkti- säen eingelheilt. Ersterer begreift die Ontologie (Wesenlehre), Psnchologie (Tcelenlehre), KoS- mologie (Wcltlehre) und natürliche Theologie; letzterer hingegen die Sittenlehre, Politik und Natur- und Völkerrecht. -j-) Kant untersucht in seiner Kritik der reinen Vernunft die schon von allen frühere» originellen Philosophen aufgeworfene, nur in einer anderen Form behandelte, jeden denkende» Kopf be schäftigende Frage, deren Lösung auch die neuesten philosophischen Systeme, wie die Schelling'« und Hegel'-, zu Tage gefördert hat, „wie über Gegenstände dec Erfährung synthetische Urthcile s priori möglich sehen?" d. h. wie cs möglich scy, daß da« Snbiekt au« dem Selbstbewußt»««» herauSgehc und außer sich selbst »och eine« Anderen sich bewußt werde. Hiermit macht sich die Kanlische Philosophie einzig und allein die Ausgabe, die Erfahrung« well zu er klären. Nachdem Kaul im genannten Werke die Functionen der Sinnlichkcil «nd de« Ver standes mit den ihnen zu Grunde liegende» subjektiven Formen der äußeren Anschauung, de« Raume» und der Zeit, untersucht und der Vernunft ihre Gränzcn angewiesen halte, beant wortet er die obige Frage damit, daß cr der Vernunft da- Vermögen zwar zugesttht, über Gegenstände der Ersahrunig synihctische Urthcile a priori zu fällen, daß sic von Gott und der Unsterblichkeit aber nicht nur nicht« wisse, sondern sie beide geradezu verneine» müsse. Da Kant hiermit di« Vernunft alter Ansprüche auf die Erkennlniß eine« Uebcrsinnlichen beraubt, so haben »euere Kritiker nicht ganz Unrecht, wenn sie im Sinn« Schelling'« und Kegel'«, welche Gott sür den einzigen G«gc»fland der Philosophie halt«», Kant nicht für eine» eigentliche» Philosophen erklären. Durch die proktifche Vernunft indessen, welche lehr«, wä« der Menfch