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philosophische Denken nicht beruhigen. Es ließ zwar Kant mit seinem ihm übergebenen Hermes-Stab manchen Deutschen Verstand berühren, allein der Eine kam auf einmal vor lauter Bewunderung Kant s nicht zum Denken, der Andere wurde gar vor lauter Anstaunen verrückt. °) Schon war das philosophische Denken im Begriff, Deutschland zum zweiten Mal den Rücken zu kehren, und schon hatte es einen sehnsüchtigen Blick auf das psychologische Schottland geworfen, als Fichte, der Vater, in seiner „Wiffenschaftslehre" mit ehernen Reisen dasselbe umfaßte und es dadurch für Deutschland, wie cs scheint, für immer erhielt. Was Kant auf dem praktischen Wege der beruhigenden Postulate gewann, vaS suchte Fichte durch das denkende Ich wiffenschaflich zu beweisen "), bekam aber zu seinem Resultate lauter Ich und weiter nichts als Ich; das ganze Univer sum schrumpfte ihm in das subjektive Ich zusammen und wurde so der geistige Antipode von Spinoza, der zu seinem Resultate lauter Substanz hatte und das Ich sich in die Substanz auflösen ließ. °°°) (Schluß folgt.) Süd-Afrika. Das Christenthum unter den Bassuto's. (Schluß.) Nach der interessanten Geschichte des Mussctsc wird man nicht ohne Rüh rung die von dem religiösen Erwachen Molapo's, des Sohnes des Moschesch, lesen. Herr Arbouffet erzählt sie in einem Briefe vom 8. September 1840: „Molapo, der jüngstgeborne Sohn des Moschesch und einer der Häupt linge von Morija, ist jetzt cnschicdcn zum wahren Gott bekehrt. Sein leben diger Glaube und die außerordentliche Freude, die er empfindet, geben ihm eine ganz andere Liebenswürdigkeit, als früher. Sein stolzer Charakter und seine Heftigkeit hatten die Missionaire beinahe an ihm verzweifeln lasten; aber die Macht der Gnade hat diesen Löwen in ein Lamm verwandelt. Als der König der Bassuto's im Jahre 1833 einen Theil seines Volkes zu dem alten Mocharane führte, wo eben drei Glaubcnsbotcn sich niederge lassen hatten, sagte er zu seinen Söhnen Letsiö und Molapo; „Ich weiß nicht, was für Dinge diese Leute uns verkünden wollen; aber höret sie aufmerksam an, da sie versichern, daß es gute Dinge sind; dann setzt euren Vater davon in Kenntniß." Dieser merkwürdige Befehl eines heidnischen Häuptlings wurde buchstäb lich erfüllt, und besonders machte Molapo Fortschritte auf dem Wege des Glau bens. Sein Vater lobte ihn sebr ob seiner Emsigkeit und übertrug ihm, als Zeichen seines Vertrauens, mehrere politische Unterhandlungen, die eben so viel Takt als Festigkeit erforderten, und bei denen er lobenswerthe Klugheit bewies. Auch kann man zur Ehre des Molapo sagen, daß er auf einer kriege rischen Unternehmung, die er und sein Bruder im Jahre >830 gegen die Kastern ausführtcn, großen Muth zeigte. Der angegriffene und schon geschlagene Feind erneuerte das Treffen. Die Bassuto's kamen in Verwirrung und wollten weichen. Letsi» rieth zum Rück züge; sein Bruder aber empörte sich über diesen Gedanken; statt aller Ant wort stürzte er mit seiner Abtheilung gegen den Feind, tödtete mit eigener Hand einen Kaffern, brachte die Angreifer in Unordnung und zog nach voll ständigem Siege vom Wahlplatz ab. Er allein hatte mit seinen zwei- oder dreihundert Kriegern den Ruhm dieses Tages geärndtet; aber die Beute, die er gemacht, theilte er großmüthig unter Alle. Dieser in so zartem Alter erfochtene Sieg — Molapo zählte kaum 17 soll, damit er gut sty, sucht er die von der theoretischen Vernunft aufgegebene tlnsterblichkeit der Seele und die Exist,»; Gottes wieder zu retten. Kant nämlich sogt: da hier in diesen, irdischen Leden die vollkommene Acalistrung des im folgenden Sähe von ihm ausgestellte» höchsten CiNengesefet „handle überall und allemal so, daß die Maxime deines Willens durchgehends als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung angenommen werden kann", so lange die Sinnlich keit, welche ein anderes und entgegengesetzte« Interesse ha», nicht vollkommen unterdrültt wird, nie verwirklicht werden kann, so muß eS also für das endliche Dernunstwesen nach diesem sinn lichen und vergänglichen Leben ein anderes übersinnliches, ewiges und unsterbliches Leben geben. Da« Sittcngesctz aber verbürgt daS Dascyn eincS Gottes, als allerhöchster Vernunft, weil »nr unter der Voraussetzung eine« Gottes, der die höchste Vernunft ist, die lieberem- stinnnung der sinnlichen Natur mit dem geistige» Sittengesetzc und hiermit daS endliche gerechte Glcichmaaß von äußerer Glückseligkeit mit innerer Würdigkeit in einen» zukünfiigcn besseren Lebt» zu erwarte» steh«. Wir wissen, daß d a S llebersi n n liche ke i n Gcge nsta n d unsere« Wissens, sondern nur allein de« Glauben» senn könne, wäre dem- nach, die ganze, dem Menschen mögliche Weisheit, und Hume, der an allen» Wissen spekulativ verzweifelte, behielte nach Kant in der Hauptsache Rech». ') Bekanntlich wurden mehrere Anhänger Kant'«, die, ihrer größten Anstrengung un. geachtet, die Kritik der reinen Vernunft nicht verstehen konnten, in ihrer Ohnmacht gei steskrank. ") Die Kategoricen-Reihen der Quantität, der Qualität, der Relation und der Moda lität, die Kant »nbewiescn aufstcllte, hat Fichte in seiner Wisscnschafislehre deduzirt. Fichte sucht j„ seinen» philosophischen Systeme darzuthim, wie gerade auf dieselbe Weise, w-c das endliche empirische Ich, durch die beschränkende Bestimmung de« ihm im absoluten Ich -- Ich gegenüberstchenden Objekt« zum Selbst < Bewußlscyn und mithin zum Wissen kommt, also auch umgekehrt da« Objekt, al« ein dem Willen Gegebene«, nicht etwa bloß der Form nach ein Gedachte« und Empfundene«, sondern auch al« ein dem Stoffe, Seyn und Wesen nach an sich Sc»,ende« und Verwirklichte«, lediglich ein Produkt de« Ich«, mittelst eine« von außen zwar unbedingten, von innen aber wtchsclSweise sich selbst bedin- gcnden und von sich selbst bedingten Prozesse« der ursprünglichen Dhätigkcit de« Ich« scy, indem er nachwie«, daß auch der gesammte Stoff der Dinge weiter nicht« als gerade die objektiv gewordene Form derselben sey, womit dann offenbar die ganze Welt de« objektiven Senn« in eine Welt de« subjektiven Wissen« verwandelt würde, deren Gesetze keine andere als eben die Gesetze der reinen, ursprünglichen Thätigkeit de« Ich« und von diesem also a priori erkennbar wären. Jahre — konnte seinen natürlichen Hochmuth nur vermehren. Dessenungeachtet wurde er wieder ein aufmerksamer Zuhörer des Wortes des Lebens; und bald hatte er auch die Genugthuung, seinem Stamme zu beweisen, daß ein Bassuto tm Stande ist, lesen zu lernen — was seine Mitbürger bis dahin für un möglich gehalten. Damals hatte die Wahrheit dem jungen Fürsten noch keine Selbstüber windung gelehrt. Er war noch weit entfernt, sich selbst zu kennen und seinem immer wachsenden Ehrgeize Zügel anzulcgcn. Die Worte des Evangeliums verursachten ihm große innere Kämpfe. Auf der einen Seite spornte ihn das Gewissen, vorwärts zu gehen ; auf der anderen hemmten der löbliche Wunsch, nie seinem Vater zu mißfallen, die Furcht, von seinen Brüdern verkannt, lieb los beurtheilt zu werden und das Vertrauen seiner Stammesgenossen zu ver lieren, die Schritte des Jünglings. Ohne Kraft zum Wählen, ohne innere Freudigkeit und von eincin Volke, das ihm bis dahin geschmeichelt, jetzt mit Kälte und Entfremdung behandelt, trug der Jüngling zwei Jahre lang ein Seelenleidcn, wie es in seinem Alter selten, mit sich herum. Seine innere Zerfallcnhcit machte ihn weit weniger liebenswürdig, als sonst: kein Lächeln war auf seinen Lippen, keine Milde in seinen Worten. Er klagte über den Lärm der Stadt, und auf dem Lande machte die Einsainkcit ihn schwcrmüthig. Bald suchte er seinen Seelenhirtcn, bald floh er ihn; dieser, dein die Niedergeschla genheit des Jünglings sehr zu Herzen ging, ermahnte ihn unablässig, der dop pelten Stimme der Bibel und seines Gewissens zu folgen. — „Aber die Bibel ist ja nichts als Jammer!" antwortete der Katechumene. — „„Ach nein, mein Freund; ihre Tröstungen sind Dir nur noch verborgen"", entgnete ihm der Prediger und bedeutete ihm, daß Jesus unser Elend, wenn wir einmal davon durchdrungen seyen, gern erleichtere, wofern wir nur jeden anderen Wunsch als den, ihm zu gefallen, aus unserem Herzen bannten. Der junge Mann nahm sich zuweilen vor, aus solchen Ermutbigungen Nutzen zu ziehen; andere Male fühlte er sich gewaltsam nach dem Strudel der irdischen Eitelkeit hingezogen, und mitunter war seine Verzweiflung so groß, daß er über Gott selbst sich beklagte und ausrief: „Warum vollendet er nicht meine Bekehrung an einem Tage? was uns unmöglich ist, sollte das auch ihm unmöglich seyn? oder gefällt cs ihm, uns noch unglücklicher zu sehen, als sein Wort uns schon gefunden hat?" Im Jahre >83», um dieselbe Zeit als Molapo so häufig murrte und der Wahrheit so unbesiegbaren Widerstand leistete, bekannte sich Ma mussa, seine Frau, zum Evangelium. Diese Bekehrung sollte, nach dem Plane der Vor sehung, die ihres Mannes mit herbeiführen. In der That, was vermag nicht über den Mann das Beispiel einer treuen Gattin! Mamussa hatte von ihrem Mann, als er noch Heide war, die heilige Schrift lesen gelernt, und sie von ihrer Seite theilte ihrem Gatten das innige Verständniß der Bibel, welches der Geist des Herrn ihr eingegeben hatte, wieder mit. Wunderbarer Austausch, erhabener Unterricht! Das Eine von Beiden besaß die erworbene, das Andere die geoffenbarte Einsicht; und diese zwei so verschiedenen Güter bildeten das gemeinsame Erbthcil dieses gesegneten Paares. Je tiefer Mamuffa's Frömmigkeit wurde, desto reger wurde ihr Eifer, an Molapo's Bekehrung zu arbeiten. Oft betete sie auch für ihn — ein Geschäft, das ihr, wie sie selber sich ausdrückt, süß und bitter zugleich war, vermuthlich, weil ihrem sonst gluthvollcn Gebete noch einiger Mangel an Vertrauen ein wohnte. Die vortreffliche Frau war voll von Rücksichten gegen ihren Gemahl; sie besorgte immer, obwohl mit Unrecht, ihm einigen Stoff zur Klage gegeben zu haben; ihre Skrupel gingen in dieser Beziehung so weit, daß sie ihre sehr mannigfaltigen häuslichen Pflichten mit der äußersten Genauigkeit erfüllte: es blieb ihr kaum Zeit genug, um ihren besonderen religiösen Pflichten zu ge nügen. Eje ließ ihren Mann nicht schlafen gehen, bevor er ein Kapitel der Schrift gelesen und sein Gebet gesprochen hatte. Sie schützte ihn sorglich vor dem Anhören irreligiöser Gespräche, die sie in ihrem Hause nicht duldete. Ge wöhnlich bat sie ihn auch, ihr zum Presbyter der Mission zu folgen, „damit wir" — so sagte sie — „gemeinschaftlich bei ihm erfahren, wie sehr der Herr uns geliebt hat." Uebrigens war das Berhältniß beider Gatten eben so zart, als würdig. Eines Tages gingen sie mit einander zum Pastor, wo der Mann in folgender Art das Wort nahm: „Herr, ich fühle mich von Herzen an Ma- muffa gekettet; mein Vater gab mir sie zur Gefährtin meines Lebens, nach dem er mich, bei meinem Eintritt ins Jünglingsalter, beschneiden lassen. Ich lernte sie als ein unbescholtenes Mädchen kennen, und von solcher Hcrzcns- güte, daß sie niemals einem Kinde etwas zu Leid gethan hat.") Das Evan gelium hat ihr von allen ihren Tugenden keine geraubt; cs hat ihr im Gcgen- theil noch andere gegeben, die nicht weniger schätzcnswcrth sind. Jetzt liebe ich Mamussa mehr als jemals. Ich liebe auch den Gott, den sie anbetet; ich bete zu ihm nach ihrem Beispiel und in ihrer Gesellschaft; aber ich bin ganz Unschlüssigkeit, ganz Kälte vor ihm. Es macht mir großen Kummer, daß ich meine Gattin um meinetwillen unglücklich sehe. Sie ermahnt mich, und ick höre ihr zu, fühle mich aber ohne Kraft, um ihrem Rathe zu folgen. Ich muß so viele Opfer bringen, und so viele Entsagungen werden von mir verlangt, daß ich immer noch eine Frist zu meiner Bekehrung wünsche. Kann ich auch auf dem Altäre der Gläubigen eine Färse opfern, die mein Herz vielleicht später zurückverlangt?"") Als Mamussa diese Worte hörte, sagte sie zu ihrem Gemahl: „Ach! warum willst Du so hartnäckig dem breiten Wege folgen, der ins Verderben ') Diese« Lob könnte sehr gering scheinen; aber bei den Heiden, wie bei un«, werde» Kinder sehr ost von Erwachsenen mißhaiidett, auch wenn diese im Ucbrige» rechtschaffene Leute sind. A. d. Vers. ") Soll heißen: „Kann ich c« über mich gewinnen, meine zweite Frau zu verstoßen?"