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468 mit eingerechnet, belief sich ehemals auf zweihundert. Ihre Aufgabe ist, die Einnahmen aufzubewahren und Rechnung darüber dem Schatzmeister des Serai's vorzulegen. Diese Abiheilung ist auch bestimmt für das Mobiliar der Krone und für die Bibliothek des «ultans, welche im Jahre 1808 vernichtet wurde, bei Gelegenheit der Vertheidigungs-Maßregcln gegen die Englische Flotte. Diese Bibliothek enthält jetzt nichts weiter als einige Kommentare deS Koran. Auch sieht man dort noch verschiedene kostbare Reliquien, unter anderen einen Kopf und einen Arm, welche, nach den frommen Muselmännern, Johannes dem Tänfer angehörten. In Kiser sind die Küchendienerschaften, die Porzellan-, Krystall- Geschirre, Gold- und Silberzeug und dergleichen. Das vierte Quartier oder Scfcrlei war das der Neise-Bcam- ten, welche ehemals den Sultan immer begleiteten, wenn er zu Felde zog. Das Corps der Stummen bewohnt dort ein Apartement. Ihre Zahl war ehemals achtzig. Vor den Reformen des vorigen Sultans waren immer mehrere von ihnen als Wache in dem Flügel Seiner Hoheit, und wenn der Groß-Wesir oder der Mufti Konferenz mit dem Sultan hielten, mußte das ganze Gefolge sich schnell zurück- ziehcn, und nur die Stummen allein blieben Zeugen einer Unterhal tung, welche ihre schrecklichen Functionen nöthig machen konnte. In dem Sclamlik sind überdies neue Sectivnen von Subal- iernen-Beamten, unter dem Namen von B ostandschi oder Aufseher der Gärten; ferner Baltadschis, welche mit den schwarzen Eunu chen den Dienst des Harems gemeinschaftlich versehen; Sulufli- BaltadschiS oder Diener der Beamten des Endarun; Haffequis oder Elite der Bostandschis, unter welche der Sultan seine gewöhn lichen Garden zählt; Peicks und Sulasks, eine andere Art Leib wächter des Sultans; Helvraldschis, welche niedrige häusliche Dienste thun; AschatschiS oder Köche, KapidschiS oder Kastellane des Serai's. Die Bostandschis und Baltadschis sind bedeutende Per sonen. Der Bostandschi Pascha hat die Polizei der beiden Uber des Bosporus; seine Gewalt erstreckt sich über alle die Kiosks und Gärten Seiner Hoheit, über Inseln und Dörfer um die Hauptstadt. Wenn der Sultan zu Wasser einen Ausflug nach seinen Lustschlössern macht, so sitzt dieser Baschi am Steuerruder. Bevor die Empörung der Griechen triumphirte, waren alle Klöster des Berges Athos unter seiner Aufsicht. Die Griechischen Mönche erkauften sich seinen Schutz vermittelst eines jährlichen Tributs, weshalb die Türken ihm den Spottnamen Papas gaben. Die Baltadschis sind nicht weniger mächtig. Die Jntriguen und Geheimnisse der Frauen und Schwe stern des Sultans sind in ihren Händen. Schon mancher von ihnen gelangte in den Divan und selbst zum Groß-Wesirat. Der berühmte Juffuf Pascha, der Barna so tapfer verlheisigt Halle, war ein ein facher Baltadschi. Wir sagten, daß zwischen dem Sclamlik und dem Harem sich die Wohnung der Eunuchen ausbrcitet. DaS Oberhaupt der Schwar zen ist der Kislar-Aga oder Intendant der jungen O-aliskcn, der auch Darou-Saad-Agassi, Herr LeS Palastes deS Heiles, genannt wird. Die Stadt Athen war sein Eigenthum. Er verwaltete die Einkünfte der Kaaba von Mekka, alle schwarze Eunuchen der Haupt stadt und die aus der Familie des Sultan sind unter seinem Befehl, und er ist der Gouverneur des Harems, in welchen er jedoch nur unter Begleitung des Sultans cintreten darf. Dem Groß-Wesir zeigt er die Geburt des ältesten Sohnes seines Herrn an, und er hat Ansprüche auf die hohen Ehrenbezeigungen, die mit dieser Würbe verbunden sind. Alle diese großen Vorrechte, die die Intendanz des Harems hatte, wurden im Anfänge von dem Kapi-Aga geübt, dem Oberhaupt der weißen Eunuchen. Aber bei irgend einem Umstande verloren er und die Seinigen das Vertrauen des Sultans. Nun hat er den Rang eines Pascha mit drei Roßschweifcn, mit dem Titel eines Kammerherrn. Unweit vom Harem, inmitten eines einsamen und stillen Platzes, erhebt sich ein Gebäude von einem fürchterlichen Anblick; dies war früher das Gefängniß der Thronerben. Sie halten in dem Selam- lik einen Agenten, Namens Aga-Baba, an den ihre Bittschriften und Gesuche adressirt waren, nachdem vorher der Chef der weißen Eunuchen davon Kenntniß genommen hatte. Eine sehr mäßige Apa nage war ihnen auf den Schatz angewiesen. Der Leibarzt des Groß herrn behandelte sie in ihren Krankheiten. Wenn durch ihren Umgang mit einer der Frauen, die für unfruchtbar galten, ein Kind zur Welk kommen soll, so erscheint die Haya-Kadine (Gouvernante des HaremS), begleitet von einer Hebamme und dem Kislar-Aga, bei der Entbindung. Sobald die letztere stattgcfundcn hak, wird das Kind, Knabe oder Mädchen, erwürgt. Der verstorbene Sultan, sagt man, war gegen die Mädchen gnädig, niemals gegen Knaben. Sein Sohn Abd ul Mcdschiv hat die Strenge der Gesetze deS «erai's gemäßigt, besonders ist er gegen seine Brüder weniger streng als seine Vorgänger. Keiner von ihnen lebt als Gefangener in seinem Palaste; mehrere Kiosks wurden ihnen sogar am Bosporus als Apanage eingeräumt. Soll man jedoch gewissen Gerüchten glauben, die bis nach Europa drangen, so ist die Erziehung, die man ihnen giebt, so wie in frühere» Zeiten, dahin gerichtet, sie zu entnerven und sie für immer in der Kindheit zu erhalten. Die Auszeichnung des Bartes war nur dem Bostandschi-Baschi bewilligt, und selbst der präsumtive Thronerbe mußte ein glattes Kinn haben, und man nannte ihn auch nur Efendi. Von den Wohnungen der Eunuchen kömmt man in den Harem. Dieser Theil des Palastes ist ungeheuer groß, aber weder die Be quemlichkeit noch die Pracht darin entspricht seiner Bestimmung und den Meinungen, die man davon in Europa hat. Das Gebäude besteht nur aus einer Reihe von kleinen Zellen aus Holz oder ver gitterte» Stuben, die mit Kalk geweißt sind. Man bemerkt nnr einen Badesaal ganz aus Marmor mit gemaltem Fensterglas, Arabesken und einer Fontaine mit wohlriechendem Wasser. Diese Beschreibung des Harems, die so sehr von den vielen bisher gegebenen abweicht, mag, wie jene, übertrieben sepn, doch ge wiß nicht so sehr. Man hat seit einigen Jahren gesehen, daß wir von vielen Dingen iin Morgenlande größere Vorstellungen hatten, als sie verdienten; daß wir Jahrhunderte lang durch die krankhafte Phantasie oder Lügensucht der Reisenden verleitet wurden, die gewöhnlichsten Verhältnisse mit bewunderndem Auge anzuschauen. So viel ist klar, daß in dem Harem Vas ganze weibliche Personal des Hofes wohnt, uns zwar nicht bloß die Sklavinnen und Favoritinnen Seiner Hoheit, sondern auch seine Mutter, die Sultanin Valide, seine Töchter und Schwestern. Der Sultan wählt sich gewöhnlich unter den schönsten Cirkassierinncn oder Georgierinnen zwei, drei oder vier, die er zum Range von Kabinen (Damen) erbebt, indem er sie mit dem Ehrcnpelzc bekleidet. Jede der Bevorzugten hat ihre eigene Hofhaltung, und sie sehen sich mir dann einander, wenn eine nicver- kömmt, wo ihr dann die übrigen Glück wünschen. Die Frauen, welche dem Sultan mißfallen, schtnkt er seinen Untergebenen. Hat aber eine Frau geboren, selbst nur ein todtcs Kind, so wird sie nie aus dem Scrai geschickt. Jeder neue Sultan schickt die Kabinen des Vorgängers in das alte Serai, wo sie ihren Hofstaat beibchalte». Die männlichen Kinder werden den Stummen übergeben, und die Töchter bis zur Vcrheirathung stehen unter der Aussicht der Kiaja-Kabine. Außer Len Favoritinnen hat der Sultan noch eine zahllose Menge von Sklavinnen, deren unumschränkter Herr er ist. Die Sul tanin-Mutter und die Schwestern Seiner Hoheit wenden auf diese ihre besondere Sorgfalt. Die reichen Muselmänner selbst huldigen ihrem Herrn mit solchen Schönen, die sich durch Talente und Reize auS- zcichnen. Ein Trupp von Sklavinnen hält stets vor dem Schlafgemache des Sultans Wache. Wenn ein Feuer ausbrichi, meldet'es der Kislar-Aga dieser Wache. Eine setzt sich sogleich den rothcn Turban auf und nähert sich dem Bette des Sultans. Dieser er wacht und weiß durch den Turban, was vergeht. Er erhebt sich, fordert den Scraskier oder Groß-Wesir vor sich und bezieht sich zum Schauplatze des Brandes. M a n n i g f a l t l g e. ö. — Ein literarisches Picknick. Der unerschöpfliche Ver fasser der „Pickwickier" und so vieler anderer komischen Romane, die sich, Unterstützt durch ihre Wohlfeilheit, eine Popularität in Eng land erworben haben, wie sie kaum Walter Scott zu seiner Zeit genoß, dessen Werke man aber freilich noch viel tbeurer bezahlen mußte, — Boz Dickens also, den auch das Deutsche Lescpublikmn zu seinen Lieblingsschriftstellern zählt, hat sein fruchtbares Talent und seinen gefeierten Namen so eben für eine» wohlthätigen Zweck er giebig gemacht. Znm Besten der Witwe eines schr geachteten, aber in bedrängten Umständen gestorbenen jungen Buchhändlers hat er eine Anzahl literarischer Freunde desselben unter seiner Aegive gesammelt, um ein Schriftsteller-Picknick mit ihnen zu veranstalten und den Er trag desselben, — das aber kein gemeinschaftliches Essen, sondern ein Picknick von Erzählungen unv vermischten Aufsätzen ist, — der hüisSbedürstigen Witwe zukommen zu lassen. Also fast ein ähnliches Unternehmen, wie einst daS der s'ouc ec Uu in Paris, nur nicht in l'o großem Maßstabe. Die Sammlung erscheint unter dcm Titel „Picknick-Blätter" (Miu iUe diu: Uuge»; bv vurunni eNicest bx (stmc!>-8 Oiekcnch uns ist wieder reichlich mit,,Illustrationen" von dem ersinbnngSrcichcn, drastischen Karikaturen-Zeichner George Cruikshank ausgestaltct. Dickens selbst hat für daS Buch die „Ge schichte eines Lamxcn-Anzündcrs" mW „Londoner Skizzen" geschrieben, derbe Kost mit Aquavit. Harrison AinSworth und Miß Swickland haben in dcm „alten Londoner Kaufmann" und dem „Ritter Ban- nerel" die Wildpret-Pasteten, Schinken und Rippenstücke aus der Küche der alten Englischen Squire's geliefert, während Jerdan, Johns und Allan Ennningbam anS den Speisekammern der Schottischen LairbS anftrngen. Maxwell brachte ein Irländisches Gericht. Auch an ausländischen Leckerbissen, Früchten und Gewürzen fehlt cs nicht; unter diesen wird vor allen eine orientalische Erzählung von Thomas Moore, „der Student von Bagdad^, als ein köstliches Dessert ge rühmt. Bo» den übrigen Schriftstellern, welche zu dem Picknick bei- gesteuert, ncnnrn wir nur noch die Namen; cs sind: Leitch Ritchie, Burke Honan, Horace Smith, Dundas Murray, Erskine Murray und der Verfasser deö „Bürgermeister von Brügge"- DaS mit der heutigen Nummer zu Ende gehende Abonne ment wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die in dem regelmäßigen Empfange dieser Blätter keme Unterbrechung erleiden wollen. HerauSgegebiii von der Expedition der Allg. Preuß. Staats-Zciumg. Redigirl von I. Leh mann. Gedruckt bei A. W. Hayn.