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244 glauben sollte. Diese schöne Eigenschaft ist wohl in gleichem Grade das Ergebniß seines glücklichen Naturells uno Klima's, wie seiner unabhängigen Erziehung, seiner politischen Lebensweise und der vor trefflichen Munizipal. Einrichtungen der Gemeinden. Bulgarische oder Griechische Bauern überhäufen den Fremden mit Fragen über die Ackergeräthschaften seines Landes, die Arten der Feldbestellung, vie Methode der künstlichen Vermehrung der Erzeug nisse u. s. w. Da sie die Ueberlegenheit der Europäer in diesem Gebiete ahnen, aber ohne Lehrer und ohne Vorbilder sind, so suchen sie den Fremden in ihrem Lande zu halten, um von seiner Erfahrung Vortheil zu ziehen. Andere raisonnircn sehr verständig über die Fehler der Osmanischen Verfassung, die Zukunft der Türkei und über die schlechten Gränzen, die man dem Königreich Griechenland gesteckt hat. Die Slaven im Türkischen Reiche theilen mit ihren Stammes- Verwandten in Europa das Talent, fremde Sprachen leicht zu er lernen, wogegen den OSmanen jede ausländische Sprache sauer wird, besonders die Aussprache.") Man muß die Unbekanntschaft der Türkischen Behörden mit den Sprachen der Raja'S mehr diesem Umstande, als der Geringschätzung beizumeffen, womit sic ihre christ lichen Unterthanen betrachten. Die meisten Völker der Türkei zeigen natürliches Geschick zu mechanischen Beschäftigungen; besonders glücklich sind sie im Nach machen der verschiedensten Gegenstände, obschon ihre Werkzeuge sehr plump sind. Die Griechen haben vorzugsweise einen erfinderischen, mathematischen Kopf; auch leisten sie allein bis jetzt etwas Bedeuten des als Ingenieure, Architekten, Maler und Bildhauer. Damit sey nicht gesagt, daß der Osmane zu Künsten und stren geren Wissenschaften gar keine Fähigkeit habe. Bei seinem wohl organisirten Kopfe und seiner gesunden Urtheilskraft kann er lernen, was er will, wenn er nur den phlegmatischen Hans Ohnesorge in seiner Brust zu überwinden vermag: dies beweist mancher junge Türke, der in Europa seine Bildung erhalten. Mit dem Slaven verglichen, besitzt der Türke mehr Fähigkeit und mehr Tendenz, zu abstrakten Begriffen oder zum Idealismus sich zu erheben, wenn die ser Ausdruck erlaubt ist. Man hat schon öfter behauptet, es sep noch keinem Russischen Slaven gelungen, in der Mathematik bis zum Differential-Kalkül sich zu erheben, oder wenigstens sey noch kein die höhere Mathematik umfassendes Werk aus der Feder eines Russen von ungemischter Abkunst hervorgegangen. °°) Wir lassen dahingestellt scyn, ob man aus diesem noch nicht Schlüffe ziehen könne, würden uns aber sehr getäuscht fühlen, wenn ein Slave in der Türkei, besonders ein Serbe, an einem solchen Unternehmen scheiterte, wiewohl diese Nation bis auf den heutigen Tag fast nur Dichter, Historiker, Literaten, Aerzte und Maler geliefert hat. Im Allgemeinen besitzen jedoch die heutigen Bewohner der Türkei nicht viel mehr Sinn für bas wahrhaft Schöne und Großartige in den Künsten, als die OSmanen selber. Der Türke hat die verworrensten und seltsamsten Begriffe von Geschichte, Politik und Geographie. So z. B. will er noch nicht dir Idee sahren lassen, daß cS in Europa gerade sieben Könige gebe, und daß die Krone eines jeden Europäischen Königs (Kral), wenn er das Zeitliche segnet, nach Konstantinopel gebracht werde, weil sic Alle dem Sultan zinSpslichtig seyn sollen. Mehrere Türken sagten mir treuherzig, die Russen scyen nach der Schlacht bei Konje auf Befehl des Sultans im Bosporus erschienen. Seit der Gründung des Königreichs Griechenland haben sie wenigstens den König von Bayern kennen gelernt. Der Kaiser von Oesterreich gilt bei ihnen noch immer für den OderlchnSherrn aller Deutschen Fürsten; sagt man ihnen aber, er sep außerdem noch König von Ungarn und der Lombardei, so begreifen sie dies nicht viel leichter, als eine Er klärung der Dreieinigkeit. In Afrika kennen sie nichts als Aegypten und die BarbareSken-Staaten; und von Asien gehört bei ihnen Alles, was hinter Persien liegt, ins Gebiet der Fabel. Zn Amerika sind Ihnen nur die Bewohner der Freistaaten etwas bekannt, allein von ihrer Herkunft wissen sie so wenig, wie von ihrer Verfassung. Wie bei allen Süd-Europäer», so findet man auch bei den Be wohnern des Türkischen Reichs einen Hang zur Trägheit, an dem das warme Klima, der fruchtbare Boden und die Genügsamkeit der Bewohner großen Antheil haben. In der Bulgarei, wo das Klima wegen der eisigen Winde, die von Rußland her wehen, rauher ist, sind die Bauern arbeitsamer. Die Thätigkeit dieser Völker wird mit der Zunahme ihrer Bedürfnisse gleichen Schritt halten. Bis jetzt wundert man sich noch, daß Leute, die nichts besitzen, Tage lang am Boden «kauern und schmauchen oder singen können; aber die Arbeit von ein paar Tagen ist auch in der Türkei so fruchtbringend wie wochenlange Plagen in Nord-Europa. Bei den Albanesern haben Faulheit und Arbeitsscheu den höchsten Grad erreicht; sie bauen nur so viel, als ihnen nöthig, und rauchen dann, oder hüten ihre Heerden, oder putzen den Rost von ihren Waffen. Eine Folge dieser Lässigkeit ist jene Gleichgültigkeit gegen jede Vervollkommnung, die besonders den Muselmann und in geringerem Grade den Slaven und den christlichen Albancser charakterisirt. Jeder sagt sich: Dies ist zur Zeit unserer Väter so gewesen, und so kann es während unseres kurzen Lebens auch bleiben; oder wie der Mache: So haben wir's gefunden und so lassen wir'S (ascka om promenit» ««cba om last»). Doch giebt es, wie schon bemerkt, Griechen, Bulgaren und Serben, die große Begierde zeigen, unsere Verbesse rungen und Erfindungen, besonders auf technischem Gebiete, kennen zu lernen. Gewiß werden diese Völker, wenn das Türkische Joch erst abgcschüttelt ist, große Fortschritte machen, vorausgesetzt, daß man ihren Fähigkeiten eine nützliche Richtung zu geben versteht. Herr Ami Bpue, dessen vierbändiges Werk zu dem Umfassend sten gehört, was in neuerer Zeit über die Türker im Druck erschie nen, giebt folgende Uebersicht der verschiedenen Völkerschaften in der Europäischen Türkei und ihrer approrimattven Seelenzahl: ! Wallachei I83S Wlachen ,§38 . 2,402,027 1,419,105 Zusammen Serben in Serbien Muselmänner ebendas.. . . . Bosniaken Hersegowiner Kroaten Montenegriner Bulgaren Albaneser Griechen Zinzaren (Wlachen außerhalb der Moldau und Wallachei) Türken Armenier Juden Zigeuner Fremde oder Europäer. . . . 3,821,132 oder höchstens 3,850,000 880,0«! - 889,600 10,4M - 14,000 700,000 - 300,000 800,000 200,000 - 100,0«! 4,500,000 1,600,000 400,000 900,000 - - 1,000,000 300,000 - - 700,000 100,000 250,000 600,000 150,000 - 60,000 200,000 14,577,532 oder höchstens 15,372,400 Mannigfaltiges. — Die westliche Gränzfrage. Die Deutsche Vierteljahrs- Schrift (Stuttgart, Cotta), die der Lösung ihrer Aufgabe, das Deutsche Gesammtleben, sowohl in seinen staatlichen, als in seinen socialen und literarischen Beziehungen aufzufaffen und darzustellen, immer näher kommt, enthält in ihrem letzten Hefte (April—Juni 1841) eine ganze Reihefolgc von Artikeln, deren bloße Inhalts-Angabe") einen hinreichenden Beleg für die Thätigkeit und Umsicht der Rc- daction liefert. Wir heben insbesondere den Artikel über die „west liche Gränzfrage" hervor, weil er ein Thema behandelt, dessen wir erst kürzlich in diesen Blättern gedachten (Nr. 43 des Magazins), nämlich die Geschichte der Französischen Eroberungen in Deutsch land. Der ungenannte (bloß durch ein M. bezeichnete) Verfasser, in welchem wir einen bekannten Publizisten und Literarhistoriker im südlichen Deutschland zu erkennen glauben, giebt sich zwar noch ge wissen nationalen Antipathiecn hin, die nur in einer Zeit des Druckes und der Leidenschaft, wie cS die der Napoleonischen Herrschaft war, ihre Rechtfertigung finden, aber davon abgesehen, ist der Eifer, mit welchem er eine gerechte Sache verficht, nur anzuerkennen und seine Untersuchung der historischen Konflikte Deutschlands und Frankreichs seit dem I3ten Jahrhundert bis auf unsere Zeit überaus lehrreich. Darin jedoch stimmen wir dem Verfasser nicht bei, daß solche Unter suchungen nöthig seyen, um zu zeigen, daß Frankreich nicht den ge ringsten rechtlichen Anspruch auf die Rhcingränze habe. Eben so wenig, als mein Nachbar Anspruch hat auf meine linke oder rechte Hand, wenn ich ihn auch einmal mit der einen gestützt und mit der anderen geschlagen, und als es erst des Beweises bedarf, ein solcher Anspruch könne mit einigem Rechte gar nicht erho ben werden, — eben so wenig braucht Deutschland zu beweisen, daß das linke wie daS rechte Rhein-User ihm und nicht Frankreich von Gottes und Rechts wegen zustehe. Nicht also als Rechts-De duktionen bedarf eS solcher Untersuchungen, sondern als Warnungs tafeln der Geschichte, die den Deutschen vorzuhalten sind, um daraus zu ersehen, wie eS ihnen seit einem halben Jahrtausend erging, so oft sie dem kompakten Frankreich gegenüber nicht einig und, statt eines seiner Ganzheit und Macht sich bewußten Volkes, ein Gemisch von Völkern und auf einander eifersüchtiger großen und kleinen Staaten waren- ') Der gebildete ssmane versteht zwar das von seiner Muttersprache wesentlich verschiedene Arabische: allein dieses hat er im Knaben alter schon erlernt, es ist ihm alS die Sprache des Korans schon früh theuer und ehrwürdig: und da ihm selten daraus antommt, mit Aradern zu kon- verßren, so macht er sich die Arabischen Laute mundrecht, d. h- er spricht sie aus, wie es ihm bequem ist. "1 Wir haben in der neueren Zeit sin Berlin! iunge Russische Gelehrte gekannt, die, wenn sie auch noch kein umfassendes Werk dieser Art geschrieben, doch sicher den entschiedensten Berus dazu hatten, Ausgezeichnetes auch in der Mathematik zu leisten. ') 11 Frankreichs Nord- und Sstseite, militairisch betrachtet, r) Das Südwestliche Deutschland als Kriegsschauplatz betrachtet. Z> Die westliche Granzsrage. 41 D^r Kunsthandel in Deutschland. S) Eine Deutsche Vereins- Akademie der Willenschasten (Phantasie!, m Das evangelische Missions wesen, welthistorisch und in seinem Verhältnisse zur Deutschen Nationalität- 7! Zur Orientirung in den religiösen Kämpfen des gegenwärtigen Deutsch lands. M Die «tudenten-Verdindungen auf Deutschen Universitäten« Sl Un maßgebliche Ansichten und Vorschläge über den Betrieb und GeschaUSgang der jährlichen Versammlung Deutscher Landwirthe. 1i>) Das Deutsche Post wesen und die Idee eines großen Deutschen Post-VereinS- tt! Berücksich tigung der Individualität bei unterricht und Erziehung t2> Kurze Notizen. Herausgegeden von der Expedition der Allg. Preuß. Staals-Zeitung. Redigirt von Z. Lehmann. Gedruckt bei A. W. Hayn.