Volltext Seite (XML)
WSchcnilich trschtmm drei Nummern. PränumcrationS- Pr«s 22i Sgr. lj Thir.) vierteljährlich, Z Thlr. für das ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Literatur-Blatt in Berlin in her Expedition der Mg. Pr. Staate-Zcitung (Friedrichdslr. Rr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Poll - Aemtern. Literatur des Auslandes. 36 Berlin, Montag den 23. März 1840. Nord - Amerika. Die Entwickelung sittlicher und philosophischer Tendenzen in Nord-Amerika. (Nach der koreiLll Hu.irterlx Hoviov.) Es ist nicht selten zu einem Gegenstände der Erörterung, ja zuweilen zu einem lächerliche» Vorwürfe gemacht worden, daß Amerika kein Alterthum hat. Wahr ist es, daß keine alte Ritter burgen düster in das Land pmeinschcn, daß keine mittelalterliche Sagen sich an seine grünen Auen knüpfen, daß keine schlaue Kar dinale, keine kriegerische Prälaten sich in seiner Geschichte verewig ten. Es hat keine Codices und Institutionen, die ihren Ursprung aus undenklicher Zeit herleitcn und noch einen despotischen Einfluß aus den Geist der gegenwärtigen Bevölkerung ausüben. Es mag sepn, daß dieser Zustand der Dinge sogar von den Amerikanern selbst bedauert wird. Wir können uns denken, daß cS mitten in ihrer Selbstgefälligkeit wegen ihrer Rangglcichhcit und in ihrem Stolz auf durchgängige Demokratie doch noch einiges, Sehnen nach patrizischen Ahnen, einiges Schmachten nach vcrchrungSwürdigem Staub und einigen Neid gegen diejenigen Europäischen Nationen gicbt, die das gute alte rogim>>, das ihre barbarischen Vorfahren vertreten, mit ewiger Heiligkeit bekleiden möchten. Andere dagegen sagen: „Glückliches Amerika! wo der Geist, der eine fortwährende Entwickelung als sein Gesetz verkündigt, nicht unter die Formen vergangener Jahrhunderte gebeugt wird; glück liches Land, wo Wachsthum nicht für Irrlehre und Fortschritt nicht für Gottlosigkeit gilt." Eine solche Sprache mochte vor einigen Jahren in Beziehung auf Amerika bis zu einem gewissen Punkte wahr sepn; wir wünsch ten, daß sic noch jetzt eine treue Schilderung seines allgemeinen Zu standes gäbe. Dessenungeachtet ist die Tendenz der TranSatlantancr, - in vielen Stücken die Lorurtheilc und Thorhcitcn älterer Nationen anzunehmcn, nur zu offenbar. Gleichzeitig mit den Beweisen philo sophischen Fortschrittes, denen wir nachher unsere Aufmerksamkeit zu wenden werden, sind Aeußcrungen von bigotter Feindseligkeit offenbar geworden, die unS ein düsteres Anzeichen für Vic geistige unv mo ralische Freiheit eines Landes zu sehn scheinen. Wenn es jedoch einen Ramen giebt, der sich mehr als jeder andere mit der Amerikanischen Literatur identifizirt, so ist es der des vr. Channing. Wohl ver dient er den Rang, den er sich erworben hat. Unsere Bewunderung für die Kraft, die er in scharfer Analpse, in Tiefe des Gedankens und Anmuth der Erläuterung entwickelt, vereinigt sich mit einer ehr erbietigen Liebe für seine moralische Würde und den treuen menschen freundlichen Eifer, der in immer gleicher Richtung alle seine mannig faltigen GcistcSgaben zu seine» höhen Zwecken verwandte. Unter den Wohltharen, welche I>r Channing seine» Landsleuten erwies, ist aber keine größer, als die Richtung nach Innen, die er dem öffent lichen Geiste gegeben hat. Während wir von vornherein zugeben, daß Niemand gegen den Charakter und die Tendenz derjenigen Landcsgesetzc, unter denen er steht, gleichgültig sepn darf — müssen wir doch andererseits be haupten, daß die Reform, die am meisten dazu beiträgt, das Volk IN einen glücklicheren u»d verbesserten Zustand zu versetzen, nicht das Ergebniß von politischer Einwirkung oder von National-Erklärungcn ist. ES ist wahr, daS Blut von Hampden und Russell wurde in England nicht vergebens vergossen. Werth einer unsterblichen Ehre sind dlelcmgen, durch vcren rühmliche Selbstaufopferung die National- Unabhänglgkeit erkauft wurde. Ader individuelle Freiheit und per sönliches Gluck gehöre» einer höheren Sphäre an, als die ist, welche der äußerlichen Negierung dient. Die letztere hat nur eine negative Macht. Ihr Amt ist. Verbreche» zu hindern. Die schöpferische Ge walt, wodurch Einsicht und Sittlichkeit erzeugt werden, darf nicht mit der Wirksamkeit äußerer Umstände identisizirt werden. Weder schönes Klima, noch vortbcilhastcr Handel, noch Gerechtigkeit in Handhabung der Gesetze haben einzeln oder zusammengcnommen das Vermögen, Glück zu erzeugen. Die Seele und ihre Erfahrungen bestehen nicht aus einem Amalgam endlicher Ingredienzen. Diese sind nur die untergeordneten Elemente, welche sic nach Gefallen ver bindet, nach ihrem Willen gestaltet, und indem sie dieselben beliebig gebraucht, bestimmt sie sie, ihre äußeren Repräsentanten, aber nicht ihre Gebieter abzugcben. Um aber zurückzukommen — während Andere bloß für politische Verbesserung arbeiteten, während die Reform in den Landcsgesetzen der einzige Gegenstand ihrer Bestrebungen war, hat vr. Channing sein Augenmerk auf die Nothwcndigkeit der inneren Verbesserung gerichtet, einer Verbesserung, die von dem Menschen zu jeder Zeit und unter allen Umständen bewerkstelligt werden kann. In unserem Nützlichkeits-Zeitalter ist es äußerst angenehm und erhebend, die Ent wickelung der moralischen und geistige» Fähigkeiten als das behan delt zu sehen, was vor Allem wesentlich zu des Menschen praktischer Glückseligkeit beiträgt. In seinem Buch „8elk-6ulcure" begegnen wir folgender Stelle: „Selbstbilvung ist praktisch, oder sic legt als einen ihrer Haupt zwecke Var, uns zur Thätigkeit geschickt zu machen, unsere Wirksam keit bei Allem, was wir unternehmen, zu förvern, unS feste Vorsätze unv fruchtbare Hülssqucllen im gemeinen Leben und besonders in Zufällen des Ledens, in Zeiten der Noth, der Gefahr und Versuchung zn verschaffen. Aber über diesen und andere Punkte hinwcggehcnd, sür dw wir nicht Zeit haben, beschränken wir uns aus zwei Seiten vcr Selbstbilvung, welche bei Per Volks-Erziehung fast ganz Über lehen worven sind, und welche nicht verdienten, so vernachlässigt zu werden. Indem wir unsere Natur beobachten, entdecken wir unter ihren bewundernswürdigen Anlagen den Sinn oder das Empfindungs vermögen für Schönheit. Wir sehen den Keim davon in jeder mensch lichen Seele, und es giebt keine Kraft, welche eine größere Ausbil dung zulicßc; und warum sollte sic nicht in alle gepflanzt werden? Es vervicnt bemerkt zu werden, vaß vie Nahrung sür dieses Prinzip im Weltall unendlich ist. Es ist nur ein sehr kleiner Theil der Schöpfung, de» >^jr in Nahrung und Kleidung oder sonstige Annehm lichkeiten sür den Körper verwandeln könne»; aber Vie ganze Schöp fung kann als vem Sinn für Schönheit dienstbar betrachtet werden. Schönheit ist überall gegenwärtig. Sic entfaltet sich in ven zahllosen Blumen des Frühlings. Sie weht in den Zweigen der Bäume und den grünen Blättern des Grases. Sic wohnt in den Tiefen der Erde und der «ec und erstrahlt in den Farben der Muschel und des Edelsteines. Aber nicht bloß diese kleinen Gegenstände, sonder» der Ocean, die Berge, die Wolken, der Himmel, die Sterne, die auf- und untergehcndc Sonne, Alles fließt von Schönheit über. Das Universum ist ihr Tempel, diejenigen, die dafür empfänglich sind, können ihr Auge nicht erheben, ohne sich von ihr ans allen Seiten umgebe» zu sehen. Nun ist diese Schönheit so köstlich, die Genüsse, welche sic gewährt, sind so geläutert und rein, so eng verbunden mit unserm zartesten nnd cvelstcn Gefühlen, sind der Anvacht so ver wandt, daß cS schmerzlich ist, an Vic Menge Menschen zu vcnken, Vie mitten in unv unter ihr leben und doch fast blind für sie bleiben, als wären sie, anstatt auf dieser schönen Erde und unter diesem herr lichen Himmel, Bewohner eines Kerkers. Eine unendliche Freude geht der Welt durch mangelnde Ausbildung dieser geistigen Anlage verloren. Laßt mich den Fall setzen: ich besuchte ein HauS und sehe seine Wände mit den ausgezeichnetsten Gemälden Raphaels bedeckt und jeden kleinen Winkel nnt Statuen von ausgesuchtester Arbeit ausgcsüllt, und vernähme nun, daß weder Mann noch Weib noch Kind jemals rin Auge aus diese Wunder der Kunst werfe, wie sehr würde ich ihren Verlust fühlen? Wie würde ich wünschen ihnen die Augen zu öffnen, und sic die Schönheit und Größe, die vergebens um ihre Aufmerksamkeit werben, begreifen und fühlen zu lehren. Jeder Landmann aber lebt im Angesicht vcr Werke des himmlischen Künstlers; und wie scbr würde sein Zustand gebessert sepn, könnte er die Glorie sehen, die aus ihren Formen, Farben, Verhältnissen und ihrem geistigen Ausdruck hcrvorstrahlt! Ich habe nur von der Schönheit der Natur gesprochen, aber wie viel dieses wunderbaren Reizes findet sich in den schönen Künsten und besonders in der Lite ratur? Die Hessen Bücher sind die schönsten, und sic gewinnen sich den Eingang in die Seele am sicherssen unv tiefsten, wenn sic in natürlichem unv geziemendem Kleid erscheinen. Nun hält man Nie manden für wirklich gebildet, in welchem nicht der Sin» für das Schöne entwickelt wurde; und ick kenne keinen Stand im Leben, von dem es ausgeschlossen sepn sollte. Von allen Genüssen ist dieser der wohl feilste und am meisten zur Hand, und er scheint mir äußerst richtig für diejenigen Stände, deren grobe Arbeit dem Geiste gar leicht eine gewisse Rohheit mittheilt. An der Verbreitung vcS Schönheitssinnes iin alten Griechenland und an dem Geschmacke für Musik im mo deinen Deutschland mögen wir lernen, daß das Volk gar wohl Theil Haden kann an den verfeinerten Genüssen, von denen man bisher glaubte, daß sie sich nur auf Wenige beschränkten." Es ist ein gutes Zeichen für die besten Interessen der Mensch heit, vaß ein Mann wie Channing in die Schranken tritt, und zwar