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irs diese für eine Folge des Klima'S allgesehen. Man sollte fast glauben, daß unter einem traurigen und düsteren Himmel der Geist nur schwer die Formen der Dinge unterscheidet und nur mit der größten An strengung das Ziel im Auge behält, auf das er lxsgcht.") Gewiß liegt in der ersten Bemerkung etwas Wahres, obgleich eine historische Thatsache oder vielmehr der Mangel einer historischen Thatlachc nicht einen so lange nachwirkcnden Einfluß üben kann, um daraus die Umgestaltung des National-Charakters zu erklären. Die Nichi- crobcrung würde höchstens der naturgemäßen Entwickelung ehren freien Lauf gelassen haben. Der Einfluß des Klima's vermag coe-a so wenig die.«rast des Geistes zu brechen; denn im Norden finden wir Bölkerstämme, auf welche eene strengere Temveratur nicht den selben Einfluß übt." „Aber wären Sie denn im Stande, den Grund der angeführten Thatsache anzugebcnt" fragte Stöber. — „Mir scheint der Grund eine gewisse ursprüngliche Weichheit der Seele und des Willens zu sepn. In dem Deutschen Blute liegt ein zu ruhiges und friedliches Element.") Macht man sie auf einen Mißbrauch, auf eine Unge rechtigkeit aufmerksam, so antworten sie meistembeils: „„Das ist nun einmal so."" Diesen wassersüchtigen Körpern fehlt die Kraft; cs ist das schwammige und purpurgeröthete Fleisch des Ruhens. Ihnen fehlt die Wuth der Begierde, die Ungeduld, die alle Schran ken durchbricht, die rasche Entschließung, welche andere Völker, be sonders die südlichen, unaufhaltsam zum Ziele führt. Sie möchten dieses wohl erreichen, aber sic wenden nicht die nöthige Energie an. Tritt ihnen ein unvorhergesehenes Hinderniß in den Weg, so rennen sie es nicht stürmisch über den Haufen, sondern sie gehen bedächtig nm dasselbe herum, wenn sie auch darüber das Ziel aus den Augen verlieren. Was thut'ü ihnen? Wenn sie nur ungefähr dahin kommen, wohin sie wollten. Diese unvergleichliche Ruhe zeigt sich m allen ihren Werken und Handlungen.""") » „Obgleich die Natur sie ohue allen Zweifel zu den wissenschaft liche» Arbeiten bestimmt hat und ihnen auch dafür die nöthige Kraft nicht abgesprochen werden kann, so ist doch hier mehr die Stärke als dieLcbhaftigkcit ihres Geistes, mehr ihre Ausdauer als ihre Geschick lichkeit zu rühmen. Sic gehen an keinen Gegenstand, ohue bis in sein Innerstes emzudringen, ohne ihn nach allen Seiten hin zu be trachten. Da aber selbst zwischen den Dingen, von denen man cs am wenigsten erwarten sollte, geheime Beziehungen statlfinden, so lassen sie sich von eincr Einzelhcit zur andere» fortreißcn, so gehen sie beständig über die Gränzc hinaus, und über einer Menge von Nebendingen verlieren sie endlich die Hauptsache ans den Augen. Freilich muß anerkannt werden, daß sic die Materialien mit großem Fleiße Zusammentragen, aber ihre Geschicklichkeit, sie zn ordnen, kochmt der Ausdehnung ihrer Forschungen nicht gleich. Lie Thai- sachen, die Daten, die einzelnen Bemerkungen warm» auf die orgam- sireude Kraft. Gelingt es ihnen, dieselben in Harmonie zu bringen, sie symmetrisch zu ordnens Ach nein! Sie versuchen cs, abcr bald erlahmt ihre Kraft, und da sie sich nicht im Stande fühlen, einen regelmäßigen Ban aufzuführen, so schichten sie die Steine über ein ander. Wie die cyklopischen Manern, zeichnen sich ihre wissenschaft lichen Werke weniger durch die Schönheit des Gesammtrindrucks als durch die Gediegenheit der Materialien aus. Um sich davon zu über zeugen, braucht man nur aufs Gcrathcwvhl ein berühmtes Deutsches Buch in die Hand zu nehmen und cs einer strengen Analyse zu unter werfen. Welchen Werth hat z. G. die Geschichte der komischen L-tc- ratnr von Flögel? Welche Einheit findet inan hier ? Der Ncrk. be ginnt mit einer ausführlichen Darlegung seiner Prinzipien, und man glaubt nun ein wissenschaftlich geordnetes Werk zu finden. Man liest aber die vier Bände durch, ohne eine andere Ordnung als die chronologische zu finden. Die einzelnen Abtheilungen folgen auf ein ander, ohne den geringsten inneren Zusammenhang zu haben. Nicht anders ist cs mit Fiorillo'S Geschichte der zeichnenden Künste. Die Werke der Architektur, der Plastik und der Maleret in de» cmzclnen Deutschen Staaten werden hier nach der Folge der Zeiten beschrieben, aber die allmälige Entwickelung dieser Künste findet sich nirgends angedentet. Soll ich noch von Jakob Grimm's „Deutscher Mytho logie" sprechen? Dieses ungeheure Werk enthält wohl den Stoff zu einem Buche, es selbst ist abcr noch kein Buch. Nicht minder möchte ich bezweifeln, daß Hcrdcr'S Ideen eine strenge Prüfung auS- halten können." P) '> Wir wissen nicht, ob der Vers, etwas mlt dem Wesen einer antiken Gottheil gemein hat; -US ,ratet dielen Unsinn niederschricd, scheint ein sehr dicker Wotkenschteier seine Stirn umschwebt ;u Haden. ... ,Z Wir wone» doch nicht vergessen, daß eg dies Germanische Blut ist, welches die Stockung und Faul»», l» den Ader» der südlichen Volker wieder gelost hat. Da« Deutsche Blut Ist das eigentlich geschichtliche Blut. Daß einem ßeberh-ul Aufgeregten dcr regelmäßige Puloschlag -US eine Abnormität er. scheint, dar, freilich nicht verwundern. *"s Als daß Ratsoiinement eines Mitarbeiters am <jon-iriiuiiou»ol oder an der starr Ur nrb -i-nrr liehe man ei» solches Unheil noch passiren; wer aber, wie der Vertaner, verlicheri, da» er keine andere Grundlaqcn der Kritik, als Philosophie und Geschichte, anerkennt, der sollte doch nicht so haltlos in dic Lust hinein bauen. Auo dieDeuuchc» unur Karolinger» u»d den Hohen staufe», Lie Deutschen der Reformation«,eit und des lernen Befreiungskrieges wären schwammige wassersüchtige Körver g,wesen, die ßch durch jedes Hin- derniß abschrecken ließen und darüber ihr Ziel aus dem Auge verloren? Alles, was der Peri, eigentlich sagen will, ist- „Die Deutschen lind keine Franzosen " lind um auf diese Trivialität hmau«zukommcn, wird nicht bloß von Herrn Michiel«, sondern von allen seinen Französischen Kollegen, Lie seht über Deutschland schreibe», ein Pabel von Rauvnnements zulämmengewagen, die eben nur von neuem den Beweis lteiern, daß man je»,eit» des Rheins früher und lrichter mit dem Urthcil, als Mik dem Begriffe fertig werde Am Ende laust auch dies mir am den Gemeinplatz hinaus, daß die Deutichen, trotz aller Gründlichkeit der Fvnchung, an Klarheit und Bestimmt heit der Darstellung weit hinter den Franzosen zuruckstanden, ei» Say, an dessen Entkräftung seit geraumer Zeit so eifrig auf beiten Seiten gearbeitet wird, daß es unnothig -cyn dürfte, etwas hinzuzufnqen. Was soll man aber gar erst sagen, wenn nach Flögel « und Fiorillo S Werten oder nach Herder'« „Ideen" der jetzig« Standpunkt der Wissenschaften abgemessen wir» und d«r- „Berglcicht man mit dem losen Gewebe dieser Werke ein anderes, in welchem strenger systematischer Zusammenhang herrscht, so wird man sich des Unterschiedes erst recht bewußt. Bico's sicherer Blick bilvet einen merkwürdigen Gegcnsap zu Herdcr's Unklarheit. Bei dem Ersten tritt uns eine und dieselbe Idee entgegen, welche tausend verschiedene Formen annimmt und alle Einzelheiten beherrscht. Die Verwirrung tritt hier nie an die Stelle dcr Ordnung, und ost könnte man gar die Einheit zu tyrannisch finden. Der Lehrer und dcr Schüler unterscheiden sich wie die Länder, denen sic angehörcn. Ita liens Zersplitterung hat eine ganz andere Ursache als die Deutsch lands. °) Das Ucbermaß des Combinationügeistcs hat dieselben Uebelstände wie der Mangel desselben. Mehrere kleine Organi sationen machen eine große unmöglich. Deshalb hat dieses schöne Volk, in welchem sonst dcr Geist der Ecntralisation verkörpert schien, cs, trotz dcr ursprünglichen Anlage, nicht zur Bildung eines Staates bringen können. Dem Mangel an geistiger Spannkraft schreibe ich auch die Unbestimmtheit und Unklarheit zu, welche dem Deutschen zum Borwurfe gemacht werden. Ich bin freilich weit entfernt, diesen Borwurf in seiner ganze» Ausdehnung zuzngebcn; die Dunkelheit ist ost nur iw Kopfe des Lesers vorhanden, und keine Nacht ist finsterer al» die der Dummheit. Gewöhnliche Geister erklären Alles für ab geschmackt und verworren, was über ihre schwachen Verstandeskräste hinausgeht. Dennoch aber läßt cS sich nicht leugnen, daß die Deut schen Denker es an der nöthigcn Bestimmtheit fehlen lassen und häufig ihre Gedanke« schlecht auSdrückcn. Auch dieser Fehler entspringt aus- ihrer geistigen Schlaffheit. Wenn ihnen eine Idee aufstößt, so nchmcn sie dieselbe auf; so wie sie zuerst vor sie hintritt. Und doch giebt cs wenige Ideen, tvelche sich gleich völlig klar entfalten. Es ist leicht begreiflich, daß der erste Fehler, die Planlosigkeit, auch immer Dunkel heit zur Folge haben muß. Die erstere hindert die richtige Ord nung ver Prinzipien und der aus ihnen fließenden Folgerungen, und dcr Leser kann daher nicht die wesentlichen Beziehungen fassen. Uebrigens hat einer der größten Deutschen Philosophen diese mora lische Schwäche unter den Fehlern seiner Nation hcrvorgehobcn. Kani bemerkt, daß der Deutsche mehr als jedes andere Volk seine Knice vor dcr Meinung beuge, und daß dcr Nativnal-Charaktcr dcr Energie ermangele, welche zu einer schönen Originalität führe." °°) „Ich will gern Alles zugrben", sagte Stöber, „wenn Sie uns Elsässern einen besonderen Platz cinräumen; wir bilden einen ge mischten Stamm, und es fließt viel Römisches und CcltischeS Blut in unseren Adern." "Ich gestehe ein, daß es mit Ihrer Bemerkung seine Richtigkeit hat, denn ich habe mich selbst davon überzeugt. Abcr die Willens schwäche der Deutschen ist so augenfällig, daß sic dieselben zu einer Menge Fehler fortreißt, welche alle aus derselben Quelle entspringen, wie verschiedenartig sie auch scheinen mögen. AuS ihrer Unschlüffig- keit entspringt ihre -politische Unterwürfigkeit. So lange so hervor ragende Geister, wie Hegel, Arndt, Schleiermacher, sich zu Apologeten des Servilismus auswcrfcn °°°), so lange Pbilosophcn, wic Schelling und Fichte, (?) in ihr?» alten Tagen Vie Arbeit ihrer Jugend ver leugnen, so lange Männer, wie Stollberg und Fr. Schlegel, den Glauben ihrer Jugend abschwören, darf man keine Hoffnung auf so beweg liche Geister seyen."1-) Ich wollte fortfahren, als ein leises Geräusch vom Münster her zu uns herüberdrang. Stöber faßte milb beim Arme und forderte mich auf, hiaznhörcn. Die Uhr dcr Kirche schlug die eilfte Stunde. Ich wurde gewahr, daß unsere Unterhaltung schon zu lange gedauert hatte. Ich schlug meinem Gefährten-vor, uns nach Hause zu bege ben. Umcrwegcs setztcn wir unser Gespräch noch einige Minuten lang fort, bis w-r am Scheidepunkie angelangt waren. Dort sagte ich zu ihm: „Ucbcrmorgen verlasse ich den Elsaß; vielleicht sehen wir uns nicht wieder, ich sage Ihnen Lebewohl." — „Sie reisen", riet er a»s „nnd nehmen mich nicht mit! Sic lassen mich allein in einer Slade, in welcher dcr Handelsgcist despotisch herrscht! Sie schienen wenigstens Anthcil an mir zu nchmcn. Wcnn Sie fort sind, werde ich nicht mehr wissen, in wessen Busen ich meine Pläne und meinen Kammer ausschütten soll. Wie früher, wird wieder auf alle» Lippen, wenn ich spreche, ein spöttisches Lächeln schweben. Ich bin doch lehr unglücklich!" — „Trösten sie sich", cnviederte ich, „dcr Him mel wird Ihnen Freunde zuscndcn." — „Sic sprechen vöm Himmel", versetzte Stöber; „aus Erden bleibt mir ja doch keine Hoffnung. Und welchen Beistand könnte ich auch von Ihnen erwarten, da Ihr LooS von tausend Launen deS Zufalls abhänat. ES giebt doch kein so trügerisches Spiel wie die Lotterie der Berühmtheit; dieser gewinnt, au« allgemeine Schlüsse auf die wissenschaftliche Befähigung Ler Deutschen gezogen werden? Ist L-I« ander«, al« wenn wir La Harve'» St I.Uö- rainro" zum Maßstabe nehmen und, was ViNemain und so viele Andere seitdem in Frankreich geleistet, übergehen wollten? Wird e« un« je ein- satten, den gegenwärtigen Standpunkt Ler vhilosvvhischen Geschichtsauffassung in Frankreich »ach Bossuet'S ,,l>nwouc» »»r i'H-.-avlcc -mirr--«»-" zu bcurtheilen? 'j Und Loch ist, wie schon oben a-igedeutct wnrdr, die Ursache dieselbe. Weil beide Länder Ler Sly einer allgemeinen Idee waren, konnte sich hier keine varticumire Einheit bilden- In Deutschland war diese Idee in dem Kaiser verkörpert, der in der Idee Herr Ler Ehrtstenheit, obschon in dcr Wirk lichkeit manchmal kaum Herr von Deutschland war- Italien war Ler Sitz dcr kirchliche» Allgemeinheit, welche dcr Papst repräsentirte, der nur kleine Staaten um sich berum aufkommen ließ. "I Kant hat dies anders verstanden, als unser Franzose; der Letztere hat dabei Immer nur seine eigene Ratio» und deren Gegensatz im Sinn; Kant je doch sprach eö ganz absolut aus und würde keineswege« den Franzosen »uge- sianden haben, daß sie weniger, al« dir Deutschen, Ihr Knie vor der öffcnt licken Meinung beugen, oder daß sie mehr Energie al« Durst nach Scheinruhm besitzen. '"j E>! Ei! Herr Michiel«! wer hat Ihnen da« gesagt? Wenn Sie solch: Trivialitäten aus Treu und Glauben nachsvrechen, so verfallen Sie ge rade in den Fehler, den Eie an Ihrer Nation rügen, in den der Leicht fertigkeit. Au» dem Munde eine« Franzosen macht sich di« Klage über „bewegliche Heister" atterLing« mehr al« scllfgm.