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Wöchentlich ericheinen drei Nummern. Pranumeralivn«- Pr«, 22^ Sgr. (^ Tdtr.) riertchShrlich, Z Tdlr. für da« ganze Johr, ohne Er höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prZnumenn auf dieses Beiblatt r er Allg. Pr. SiaatS- Leitung in Berlin in der Erxedinon (MedrichS-Straüc Nr. 72); in der Provinz so rv'.e lm AuSlande hei den Wohllöbl. Post-Armtern. Literatur des Auslandes. 15S. Berlin, Freitag den 27. Dezember 1839. Ungarn. Die Ungarische (Magyarische) Sprache. Das Ansuchen der Ungarischen Landstände, ihre Vorstellungen dem Könige in der Magyarischen Muttersprache allem und umer Beseitigung des bisher daneben üblich gewesenen Lateinischen einreichen zu dürfen, hat in mehreren Deutschen Zeitschriften zu Bemerkungen mißbilligender und fast spöttischer Ar» Veranlassung gegeben. 'Man erklärt fenes Ansuchen ohne Umstande für eine Thorheil und bedeulci Sen Ungarn, daß es endlich an der Zeit sey, einer so rohen und kindischen Sprache, die von einem Theile ihrer eigenen Nation nicht mehr geachtet würde, zu en«< sagen. Wir wollen zur Entschuldigung solcher unberufenen Mahner vorausseyen, daß sie seiber mu der von ihnen veruriheilien Sprache ganz unbekannt sind und also entweder Uriheile von Personen, die bei ihnen einer gewissen Autorität sich erfreuen, unbedingt zu den ihrigen gemacht oder aus dem allgemeinen Äulturzuflande der Nation und dem wirklichen oder vorgeblichen ihrer Literatur auf den Werih der Sprache geschlossen haben. Hinsichtlich des Letzteren — denn das Erstere beantwortet sich von selbst — erlauben wir uns nur, zu erinnern, daß Schlüffe von der Kultur und dem literarischen Standpunkte eines Volkes auf seine Sprache sehr voreilig sind. Dies lehrt manche auf unparteiische Beobachtung gegründete Erfahrung. Ein Volk, das mit den trefflichsten Anlagen der Phantasie und des Verstandes begabt ist, kann durch eine Verkeilung ungünstiger Umstände so lief herabgedrückt werden, daß seine Sprache allein lange Perioden hindurch die einzige wahrhaft selbständige Geistcsschöpfung ist, deren cs sich rühmen darf, das Einzige, worin wir, wie in einem treuen Spiegel, erkennen, was umer anderen Bedingungen aus der Nation geworden wäre oder noch werden könme. Denn die Urbildung der Sprache verliert sich in eine vorgeschichtliche Zeii, m eine Periode jenscit der politischen Stürme und socialen Miß verhältnisse, die den sonst regen und kräftigen Geist unfähig ge macht haben, des sprachlich Geschaffenen nun auch als eines tüch tigen Werkzeugs zu neuen Schöpfungen, zu einer Original-Lite ratur sich zu bedienen. Diese spätere Lethargie kann nun freilich auch der Sprache als solcher nachiheilig seyn, weil üe ihren eigenen Mitteln nicht mehr vertraut. Um mil neuen Begriffen oder Nüancirungen sich zu bereichern, welche die überflügelnde Eivilisation und literarische Entwickelung irgend eine« Nachbar- Volkes in besten vielleichi minder begabtes Idiom gelegt,' greif! sie, stau aus eigenem Fond zu schöpfen, ängstlich nach Außen uns erhält am Ende, statt der Begriffe, bloße Wöncr. Aber nicht bloß Mangel an Selbstvertrauen, sondern auch Faulheit und falscher Geschmack, andere Wirkungen geistiger Abspannung, können zu solchen Anleihen im Auslande verleiten und die Sprache mil einer Ari Papiergeld überschwemmen, das zum Theil nie durch echte Münze verdrängt wird. Wir wissen, welcher traurige Bankerott einst unserer herrlichen Deutschen Muttersprache drohte, und wie sehr spät die mit wunderbarer Vildungskraft ausge rüsteten Slawischen Sprachen zu einem energischen Bewußiscyn ihre» Werihes gekommen sind. Das Vorurtheil gegen die letzteren, die, obgleich ihr Typus im Wesentlichen ein ganz anderer, al« der des Magyarischen, dock einige Analogie mit demselben darbieten, scheint in unserer Zeit, nachdem das vergleichende Sprachstudium, besonder» im Indisch, Germanischen Gebiete, einen so erhabenen Standpunkt eingenommen, auch einzelne geist, und phamasierciche Produkte des Europäischen Ostens dem Deutschen würdig angeeignet wor, den, immer mehr zu schwinden. Nur die verwaiste Magyarische Sprache, nicht so glücklich, umer der Acgide des Sanskrit für, sich kämpfen zu können, bleib« außer den Gränzen des Landes verachte«, und von ihrer Literatur, obschon sie wenigsten» nicht tiefer steht, al» die mehrerer Slawischen Völker, wird selbst in Ueberiragungcn kaum Notiz genommen. Doch wir haben es hier ausschließlich mit der Sprache zu lhun; wir betrachten die Literatur als gar nicht vorhanden und bestreben uns nur, zu zeigen, daß von Allem, was man der ersteren aus Unbekannt- schäft und Vorurthcil zur Last legt, weit eher das gerade Gegen- theil begründet ist. Das Ungarische Hal zwar, wie jede Originalsprache, noch Spuren einer kindlichen (nicht kindischen) Naturanschauung auszuweisen, aber im Ganzen ist es eine sehr verstandesmäßig angelegte und durchgebildeie Sprache, die nicht bloß für die meisteii abstrakten Begriffe in jedem Sinne des Wortes vollkom men selbständige Wurzeln und Derivata besitzt, sondern auch die meisten philosophischen Kunstwörter der civilisiricn Nationen in vaterländischem Gewände sich ungeeignet ha«. Sie zeig« uns keinen rohen Luxus, keinen — wenn dieser Ausdruck erlaubt ist — unbeholfenen Reichlhum, sondern weise Oekonomle in der Fülle und zarte Abschattung in der Mannigfaliigkei«; und durch ihren ganzen Bau walte« eine so lebensvolle Gefügigkeit, daß sie den Keim zu unabsehbarer Fortentwickelung in sich zu «ragen schein«. Sowohl die Wurzeln oder Äernwvrier des Magyarischen, als seine Parttkeln zum Ausdrucke grammatischer Bedeutung und Beziehung, ermangeln fast jeder härteren Konsonanlen-Häufung; und auch aus ihrer Combinaiion resulnri eine vorherrschende Weichheit, die aber nur im Munde eines Ausländers, der dir Miilauier ohne Schärfe und Vibration aussprich«, unharmonijch werden und in Schlaffheit ausanen kann. Von allen Lauten der Deuischen Sprache fehli dem Ungarn nur das ch; dagegen be sitzt er manchen zarten und lieblichen konsonantischen Lau«, den wir Deutsche sehr ungeschickt nachzubilden pflegen, namentlich: das gelinde r Ser Franzosen (auch bei ihm 7); bas z derselben Nation (-8); und die Konsonanten ä, t, I, n, bald ohne Nachlaut, wie bei uns, bald mi« einem sehr judlil nach«önenden oder viel mehr innig verbundenen, den Grundlaut verklärenden Jod (p^, l>» »)), das in den Romanischen Sprachen nur I und n, in den Slawischen aber bekanntlich die meisten Konsonanten beglei ten kann. Die Vokale sind dieselben, wie bei uns; nur werden sie reiner gesprochen, und jeder Vokal kann seiner Naiur nach lang oder kurz seyn. Grammatische Anfügung verkürzt bisweilen lange Selbstlaute, in der Regel aber verlängert sie den kurzen Schlußookal; und wenn der Tonstelle noch Längen vorangeben cdci folgen, so darf man diese dessenungeachtet nicht abkürzen. Das prosodische Zeitmaß ist sehr wichtig, weil es (wie z. B- in den Lateinischen Wörtern i» und ü-i) vor vielen Mißverständnissen bewahr«. Außerdem wallet durch sämmtlichc Wortbildungen das Gesetz des Einklangs der Vokale, vermöge dessen nur Gleich artiger zu einander komm«; so z. B- wird aus urta» (Wange) mu dein Suffix der dritten Person: vrw.äja (seine Wange); aber obno (Verstand), olnieso (sein Verstand) — so enistch« tür.-Wßoäni (Umgang pflegen) aus tär8, Gefährte; aber nrüll-mlni (sich anstrcn- gen) au» «rö (Kraft).') Die Wortbildung des Magyarischen, sey sic nun Ableitung oder Zusammensetzung, hat zwar von wirklicher Linkörperung und Verschmelzung der Bestandchcile verhälmißmäßig nur wenige Beispiele aufzuweisen; aber diese Bestandlheile sind schon ab ->vv so gebildet, daß sie sich in den meisten Fällen ohne vorgängige Lauwerwandlung harmonisch zusammenfügen; und in allen Grup- picungen derselben herrscht eine bewundernswürdige Klarheit und Folgerechihci,. Der lebendigste Redcthcil, das Verbum, ent wickelt auch hier die größte schöpferische Kraft: Handlung und Zustand erhalten durch Silben, die dem Kern des Wortes un mittelbar angefüg« oder vorgesetzt werden, eine Menge Bestim mungen, von denen jede andere Sprache die meisten durch Um schreibung ausdrücken muß. Mit den Slawischen Sprachen theilt das Ungarische die Bezeichnung der öfteren Wiederholung, oder des dauernden Eharaklers einer Handlung am Verbum, obwohl sie dabei, ihrem Prinzips treu bleibend, nicht, wie jene Sprachen- Klaffe, die Wurzel selbst umbildet. Beispiele: monäam, sagen; uiomlngauu, oft oder wiederholt sagen; !r.ü, schreiben; srkalm, beständig schreiben; ije.-i7.reni, erschrecken (einen Anderen momen tan); i)e-i2tgetni, zu schrecken pflegen u. s. «V. Den Indo-Ger manischen Siammjprachen überhaupt näher« sie sich geistig durch Zusammensetzung der Verba mit Präpositionen, die alle in ge wissen Redewendungen, wo es Nachdruck oder Euphonie erheischt, auch gcirennl werden und dem Verbum folgen oder nur mittel bar vorangehcn, z. B- ronni, setzen, legen; aber lemnni, nieder« setzen; koltenni, aufseyen; eltcnni, wegseyen. Einige derselben drücken sehr zarie Nüancen au», die man erst durch langen Ge« *) Wir bemerken noch, daß das einfache » der Ungarn unserem k<b; itzt «» eine:» scharfen «Z c-, unterem x, und » dem'Deutfchc« n> elltwricht.