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Wöchentlich »scheinen drei Nummern. Pruttumermion»- Preis 22j Cgr. sj Lhlr.) vierieiiäörlich, Z Thtr. für laS ganze Jahr, ohne Er höhung, in allen Theilen her Preußischen Monarchie. Magazin für die Man prönnmerirt auf liefe« Beiblatt der AUg. Pr. Sta.»«- Zeitung in Berlin in der Expedition (zriedrichS-Ltrage Nr. 72); in der Provinz s» wie im AuSiande dei den Wodllödl. Post-Aemtern. Literatur des Auslandes. 7 z. Berliir, Montag den 24. Juni 183S. Frankreich. Geschichte der großen Oper zu Paris. Von Fens. Italien ist das Geburtsland der neueren Musik; von dort aus wanderte im sechzehnten Jahrhundert diese Kunst, wie alle ihre Schwestern, zu de» anderen Europäischen Nationen. Italiener ordneten an den meisten Höfen die Festlichkeiten und fanden hier gewisse Arien von Tänzen vor, die mit Gespräch und Gesang vermischt waren und die man Ballets nannte. Auf diesen Stoss verwandten sie zuerst ihre Melodieen. So komponirie Baliasarini im Jahre 1881 das große „komische Ballet der Königin", welches zur Hochzeit des Herzogs von Jöyeuse in Paris mu anßerordenn lichen Kosten aufgesühn wurde. Das Ballet war damals etwas ganz Anderes als heutzutage, nämlich eine Art von encyklo- pädischem Gedicht, in welchem die sämnulicheu abstrakten Be griffe der scholastischen Philosophie eine Rolle spielten, eben so wie in den Romanen de» Mittelalters, und worin die mytho logischen Gottheiten sich nur schüchtern blicken ließen. Italien war zu jener Zeit schon weil voraus; es haue bereits wirkliche Opern, sowohl ernste, nach dem Muster der antiken Tragödien, wie komische, den bei den Alten so beliebten Intermezzo'« nach, geahmt. In Frankreich dagegen hinderte das Ballet, ein Ueberrest der Witzspielr des Mittelalters, lange Zeit das Aufkommen der Oper, einer dein Aiicrihum nachgebildeien Form, die der Aufer weckung der Wissenschaften in Italien ihren Ursprung verdankte. Durch Mazarin'« Vermittelung wurde die Oper aus seinem Vaierlande nach Frankreich verpflanzt. Eine durch seine Be mühungen gebildete Truppe führte im Jahre 1648 auf dem Theater Pelit-Bourbon eine Operette, „die lhörichie Verstellung", auf, deren Textbuch später von Regnard zu einer Komödie unter dem Namen „die Thorhei« der Verliebten" bearbeitet wurde. Im Jahre 1047 kam eine noch bessere Gesellschaft über die Alpen herüber und gab mehrere Opern, von denen „Orpheus und Euryvice" einen unbeschreiblichen Enthusiasmus erregte- Dieser Erfolg brachte eine große Bewegung in der Französischen Literatur hervor; Corneille ließ 16LU seine „Andromeda", eine mit Gesang vermischte Tragödie, aufführcn und bahnte dadurch dem Operüdichicr Quisiault den Weg, wie er ihn durch, den „Lügner" den» Lustspicldichicr Molwre gebahnt Hane- Der Organist von St. Honorö, Cambiei, setzte bald darauf ein vom Abbö Perrin für ihn verfaßtes Textbuch in Musik, „das Schäfer- spiel" betitelt, welches die erste Französische Oper ivar. Man gab es auf dem Dorfe Jssy, und nur Eingcladene wohnten der Auf führung bei. Mazarin nahm diesen ersten durch das Beispiel der Fremden angeregten einheimischen Versuch unter seinen Schutz. Doch blieb Vorzug und Ueberlcgenheii noch lange auf Seiten der Jlaliäncr, die I66i) bei den Hochzciis-Feicrlichkeiien Ludwig'« XIV. den „verliebten Herkules" auf dem in den Tuile- rieen von dem berühmten Vigarani von Modena, dem Anordner aller Versailler Feste, erbauten Theater aufsühnen. Im Jahre IE» erhielt Perrin, der Verfasser des Schäfer spiels, durch ein Paten« die Erlaubniß, Opermheater cinzurichlen, um seine Dichtungen öffentlich singen zu lassen; 167l führte er zum erstenmal eine Französische Oper, „Pomona", öffentlich auf; die Vorstellung fand i» der Straße Mazarin im Ballspielhause statt; die Partitur dieser und der darauf folgenden Oper „die Leiden und Freuden der Liebe" war von Eambiei geschrieben) das Textbuch der letzteren aber von Gilbert. Durch die Zwistig keiten, weiche unter den Administratoren der Truppe bei der Vercheilung der Einnahmen ausbracheu, gelang er Lully, sich der Direcuon zu bemächtigen; dieser neue Besitzer des Privilegium« vertauschte den Ballspiel-Saal der Straße Mazarin mit dem der Straße Vaugirard und führte hier am 8. November >672 „die Feste des Amor und des Bacchus" auf, wozu er die Musik kom- ponin und Quinaull den Text verfaßt Hane. Der Hof und die Mode begünstigten den neuen Direktor, und als Moliöre I67Z gestorben war, bewilligte der König den Saal des Palais-Royal für Lully's Gesellschaft. Länger denn hundert Jahre blieb die Oper in diesem Saal, und man könnte eigentlich sagen, daß sie hier begründet ward und auch zu ihrer schönsten Blüihe gelangte. Lully war ein Florentiner von Geburt, Hane aber von früh an in Frankreich gelebt und seine Laufbahn als Küchenjunge in Diensten der Mademoiselle von Mvnipensier begonnen. Er kannte genau den Charakter und Ge schmack der Franzosen und besaß jene Begeisterung und schöpfe rische Kraft, die seinem Vaierlande immer so eigen waren. Au» dieser Vermischung der Jtaliänischcn Musik mit dem Französischen Geschmack, die bei ihm ganz unwillkürlich stattfand, erwuchs eine ganz eigene Gattung, deren Elememe sich, iroy aller späteren Umwälzungen, bis auf „ns sorigepflanzi haben, und die wir deshalb m>i Recht als ganz Französisch betrachten, weil sie nicht einzig und allein dem fremden Genius ihren Ursprung verdankte. Die Jtaliänische Melodie, nach dem Maßstab der Anette zuge- schninen und mit dem erhabenen Styl der lyrischen Declamanon verbunden, ist die Grundlage der Lullyschen Musik. Und ist das eigentlich nicht auch der allgemeine Charakter aller Tvnsetzcr, die wir seitdem als Französische betrachtet Habens Eine Erfindung, welche Lully zur Ehre gereich«, ist die der Ouvertüren, mit wel chen er seine Opern einleiteie- Die Jialiäner kannten diese Art von Musikstücken durchaus nicht und waren auch so wenig im Siande, dergleichen zu arbeiten, daß man Lully's Ouvertüren lange Zeil selbst in Italien als Einleitung zu den Opern der uliramonianischen Meister benutzte. Diese Neuerung wurde spä ter in Deutschland, dem sie vorzugsweise zusagie und welches darin den Keim zu seinen Symphonieen fand, immer mehr aus gebildet. Wir können dies hier nur andeuien, indem man daraus bereit» ersehen kann, daß die Französische Musik eine Art Mittel ding zwischen der Jtaliänische» und Deutschen Tonkunst ist. Lully Han: bei seinem Lebzeiten in Frankreich das Monopol der Composttion ganz allein; nur seine eigenen Werke wurden aus sei nem Theaier aufgeführi. Sein Vorgänger, Cambie«, sah sich ge- nöthigi, sein Vaterland zu verlassen, wo sein Talent keinen Anklang fand. Karl 11., der zu London in Allem dem Versailler Hofe nach« ahmte, gab ihm eine Anstellung an seinem Hofe- So überträgt eine Nation ihre Civilisauon auf die andere; Frankreich gab an Eng land, was cs selbst von Italien empfangen Hane. Während der vierzehn Jahre, wo Lully die Königliche Oper leitete, ließ er lk von ihm komponirie Opern aufführen; 4U<V Franken zahlte er für Textbücher an Quinauli, der sie ihm fast alle lieferte; außer dem schrieb er noch die Musik zu 28 Balletten, welche damal» nur noch Einschiebsel waren und zur Ausschmückung der Komö dien und anderen Schauspiele bei den Hossesten dienten. Lud wig XIV. selbst tanzte in Lully's Balletten, und der Hofstaat folgte seinem Beispiel; auch erklärte der König in dem Patent, durch welches die Königliche Oper begründet wurde, daß Nie mand deshalb seines Adels verlustig ginge, wenn er unter die Künstler eimräie, mn denen der König selbst gewetteifert habe. Diesem Dekret verdankten mancher Edelmann und manches Edel fräulein eine Berühmtheit in der Oper, welche ihnen ihre hohe Geburt niemals verschafft hätte, und die Kirche durfte die Sän ger und Tänzer nicht cxkommuniziren, weil Personen vom höchsten Range darunter seyn konnten. Wenn die für den Hof arrangir- icn Ballette in Pari« aufgcführt wurden, so traten dir Herren vom Hofe, welche die Rollen i» Versailles gegeben hatten, oft auch im Palais-Royal darin auf, und um ihnen dies Vergnügen zu erleichtern, tanzte man bis um die Mine des achtzehnten Jahr hunderts mit einer Maske vor dem Gesicht. Erst 1681 aber er schienen Frauen auf diesem privilegirien Theater; bis dahin wa ren ihre Rollen von Knaben vorgestellt worden. Lully, der diese Neuerung nur mir großer Mühe durchsetzte, starb 1687. Nach seinem Tode wurde seine Opern-Gattung von seinen Kindern Louis und Jean Louis Lully und von seinen Schülern Colasse und Marin Marais fortgesetzt, und der Florentiner Teo« bald», der in derselben Schule gebildet war, kam ihnen mit der Glmh der Empfindung zu Hülfe, die seinem Geburtsland« so eigen ist. Doch hatte schon eine erst» Umwälzung in der König lichen Oper stattgefunden. Al« Lully die Oper auf Kosten de« Ballet» hob, hatte er, dem Geiste seines Jahrhundert» folgend, da» den Alien abgöttisch huldigte, sich der Form der Griechischen Tragödien zu nähern geglaubi. Bald machte sich- jedoch eine Re« aciion geltend, und Lamoihe brachte da» Ballet wieder zu Ehren; da er sich aber gleich fern von den Spitzfindigkeiten des Mittel alters und den myihologischcn Nachahmungen halten wollte, so verfiel er in den Fehler der Seichtheit. Sein „galantes Europa", welches er 1647 aufführcn ließ, war nicht» al» ein langes Schau- gcprängc von Kostümen und Schmuck; die damaligen Kritiker