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des heiligen LambcrluS stieg di« Zahl der Pilger noch mehr. Dieser Bischof selbst zog sich oster» nach Lüttich zurück, >vo er in einer kleinen cm das Beihans angcbamcn Brciierzelle sich ein samer den Andachisübungen hingebcn konnte. Hier war es, wo er von dem Verleiher Dodo und dessen Helfershelfern umge bracht wurde. Die Kunde von dieser abscheulichen Miffethal ver breitete sich bald durch die ganze Umgegend; man eilte, die von dem Märiyrerblut beneylcn Oerter za besuchen, und von dein »Augenblick an ward Mailich von Tag zu Tage bcdeuicnder und bevölkerter. Bis dahin war es nur cm ärmliches Dörfchen ge wesen, doch unter dem Nachfolger des heiligen Lambcrtu», der seinen Wohnsitz dort nehmen zu muffen glaubte, verwandelte der Flecken sich in eine ziemlich reiche Stad«; die Gränzen wurden weiter ausgedehnt; man erbame eine Kirche zu Ehre» des un glücklichen Märtyrer«, dessen Andenken sich ireu unter den Gläu bigen bewahrte; dann umgab man den Ori mit dichten Mauern und kröme diese mit hohen Thürmen, um die Zugänge zu schützen. Schon im achten Jahrhundert umfaßte die Stadt de» ganzen Raum zwischen der heiligen Kreuzkirche oder dem Sylvester- Schloß, der St. Georgen-, der Si. Katharinen-Kirche und der Sauveniöre. Wenn den Chroniken zu glauben ist, so wäre die Begründung des Schöppemhums, dieser ersten Äommunaibasis, bis in die Zeiten des heiligen Huberm» zurückzuvcrsctzen, welchem auch die erste Umwallung der Stadl zugeschricben wird Dann kam Karl der Große und bewilligte den Lüttichern kostbare Privilegien und ein Banner, auf welchem das Bild ihres Schutzheiligen gesticki war. Die Normannen fügten zwar kurz darauf der Heranwachsenden Stadt furchtbaren Schaden zu, aber sie erholte sich bald wieder von diesem Unheil und blühte nur noch mächtiger und herrlicher empor. Da ihre Mauern besseren Schutz darboicn als die Ebene, so strömten die armen Landleuie haufenweise dorthin, und so erhielt ihre Bevölkerung starken Zuwachs. Auch die Wissenschaften, eine Frucht der fried lichen Regierung und des aufgeklärten Geistes der ersten Bischöfe, verbreiteten ihren Glanz über sie, denn unter dem Episkopal des Eraklu«, um die Mine des zchmen Jahrhundert», besaßen Lüttich und seine Diöcese zahlreiche, überaus blühende und in den bc- nachbanen Gegenden in hohem Ruf stehende Schulen. Dieser Prälat, so sagen die Bcuedikiincr, wollte, daß man der Jugend und den anderen Ungebildeteren die Dinge auf hundenerlei Art umwcndc und entwickle, bis sie dieselben begriffen hätten, und er ihal dies selbst sehr häufig mit der größten Freundlichkeit; die Fortschritte seiner Schüler lagen ihm dermaßen am Herzen, daß er, da er sich in Geschäften Kaiser Otto'« II- und Bruno'», Erz bischof» von Köln, öfter von seiner Kirche entfernen mußte, wäh rend dieser Zeil den Lehrern und den Zöglingen kleine selbst ver- fenigie Gedichle zuschickie, um ihren Wetteifer anzufeuern. Unter Notger »ahm Lüttichs Wohlstand noch mehr zu. Au» einer adligen Familie in Schwaben entsprossen, trat dieser Fürst, nachdem er in dem berühmten Kloster von St. Gallen studirl Halle, als Lehrer bei der Siavelo«schen Schule ein, die damal« in großem Rufe stand. Einige Zeil darauf ward er an Otto'» Hof berufen und erhielt das Bisihum Lüttich, welches durch den Tod des von den Lüttichern lies beiraiierlen Eraklu» erledigt war: Der Nachfolger eines solchen Fürsten Hane eine sehr schwierige Aufgabe, und doch brachte Notger cs dahin, daß sein Vorgän ger über ihn vergessen wurde. Es ist unbeschreiblich, wie umer dieser Regierung die Denkmäler sich erhoben, die Stadt sich cr- weiicne, die Siudicn blühten und die Gerechtigkeit des Herrn in Ansehen stand! Zuvörderst wurde die Schaar Heinrich'» von Marlagne, diese» berüchtigten Räubers, der Lüttich umer Eraklu» mehr al» einmal verheert Halle, von Noigcr angegriffen und zer spreng!, und als die Ruhe endlich wiedcrhergcstellt war, bot der Bischof Alles auf, um seine Diöcese von Tag zu Tage bedeuten der zu machen. Er vereinigte die Grafschaft Huy mit seinem Gebiet und umgab die Släsie Thuin und Fosses mit Mauern; er ließ hier und da Andachirhäuscr für verschiedene Orden bauen, und vermöge der Gunst, deren cr am Hofe der Ottoncn geyoß, erlangte cr für jede» dieser Klöster, so wie für sich selbst, ausge zeichnete Privilegien und reiche Schenkungen. Vorzüglich aber war Lüttich der Gegenstand seiner Aufmerk samkeit, und cr dachte fortwährend an dessen Verschönerung. Zu erst ließ er die Kathedrale rcstauriren, die in Trümmer zu fallen anfing, und da» Domherrn-Kollegium wurde durch ihn sehr ver stärkt; dann baute er mehrere Kirchen und zog Kanäle durch die Siad«, um den Handel zu erleichtern, der bereit» viel Volk nach Lüttich lockte. Und als das Jahrtausend herannahte, mit welchem, wie überall verkündigt wurde, da« Ende der Welt cimrettm sollte, da, während Alles in Sorglosigkeit um den nächsten Tag lebte, versäumte Notger keine Gelegenheit, seine Schätze zu vermehren und seine Macht zu befestigen. Besonder« suchte er sich derer zu entledigen, die durch ihren steigenden Reichihum dereinst sein eigenes Ansehen zu gefährden drohten, und er wußte dies Ziel stei« geschickt zu erreichen- Hier ein Zug, der nächst der Einnahme von Chcvremvnt als Beweis dienen kann, wie cr in solchen Fällen zu Werke ging. Es lebte um diese Zeit zu Lüttich ein Ritter, Namen« Radu« Desprez. Dieser mächtige Herr besaß auf der Anhöhe zwischen der S«. Peiers- und der S«. Martins-Kirche ein Schloß, Sylve ster genannt, welches die ganze Siad« beherrschte. In den Hän den eine» ehrgeizige» und aufsässigen Vasall« konnte ein so wich- 300 tiger Punkt dem Bischose großen Schaden bringen; es mißfiel ihm daher gewaltig, jene smsteren Thürme üb.r seiner gmen Siadi schweben zu sehen, und er dachie nur darauf, wie cr sie forischaffen könnie. Als Notger nun einst genöihigt war, nach Deutschland zu ziehen, forderte er den Riner Radu», als Lehns mann von Lüiiich, auf, ihn dorthin zu begleiicn, und dieser wil ligte auch gern ein. In ihrer Abwesenheit aber, die nicht weni ger als zwei Jahre währie, ließ Roben, der Neff« des Bischof», «n dessen Auftrage die Veste de» Herrn Desprez niederrciken und legte daselbst den Grund zu einem neuen Gotteshaus«, später die heilige Äreuzkirchc benannt. Der Bischof kehrie endlich mi, sei nem Lchnsmanne Radus zurück; wie nun dieser von der Höhe de» Eornillon« Berge« mit den Augen in der Ferne nach seinem Schloß spähte und cs nicht erblickte, da ries cr: „Meiner Treu, Herr Bischof, ich weiß nicht, ob ich träume oder wach' bin, aber ich pflegte doch von hier aus mein Haus Sylvester zu sehen, und heuie sehe ich es nicht, sondern es schein« mir, als stehe da ein Kloster an seiner Stelle." — „Nun, nun, rreifer« Euch nur »ich«, mein lieber Radu»", antwortete Noiger begütigend, „ich habe allerdings aus Eurem Schloß ein Kloster machen lassen, aber Ihr sollt nichts dabei verlieren. Mein Vetter Rober«, der Propst von St. Lambenus, besitzt herrliche Güter jenseits der Maas; auch gehören ihm die großen Wiesen, die sich von den Ecolicr» bis zur Boverie erstrecken; sie sollen fortan Euer seyn, und dein Propste will ich die kleine Stadl la Sauveniöre geben-". Radus «nußie gute Miene zum bösen Spiel machen und zufrieden seyn mit dein, was der Bischof ihm anbot. Gleich nach der Abtragung des Sylvester-Schlosse» ließ Nol- ger den Umkreis der Stadt erweitern; er rückte die Wälle bis Publemom und bis jenseits der von seinem Vorgänger erbauten St- Martin» Kirche hinaus und spickte sie «ni« starken Thürmen. Nachdem cr die Stadl von dieser Seite gegen einen Handstreich geschützt haue, unternahm cr andere große Bauten in ihrem Im nein und starb nach einer langen Regierung mi« Hinterlassung eines Andenkens in den Herzen de« Volks, welches nicht so bald erlosch. Noiger kann gewissermaßen als der eigeniliche Gründer der Stadl Lüttich betrachtet werden, denn cr vergrößerte ihren Umfang bedeutend und lcgte den Grund zu ihrem späteren Glanze. lä. .1. I,.) Mannigfaltiges. — Matrosen des „Vengeur". Eine» der schönsten Französischen Bilder, die wir bisher auf den Kunst-Ausstellungen in Berlin gesehen, war der Untergang de« Französischen Linien schiffe« „le Vengeur" von Lepoilievin. Bekanntlich daiiri dieses Ereigniß aus dein Jahre I7»4, wo lii einer Seeschlacht, den Engländern gegenüber, die Mannschaft de« „Vengeur" eincn heldcnmüihigen Untergang der Ucbergabe ihres Schiffe» an die Engländer vorzog. Einige Matrosen wurden indessen von den Letzteren noch gerettet und als Gefangene nach England geführt, ivo sie jahrelang in den „Hulks" schmachteten. Gegenwärtig berichten uun die Französischen Zeitungen, daß von diesen Ma trosen noch sechs Veteranen am Lcbcn seyen. Ihre Namen sind Ecrclö, Prevaudean, David, Favicr, Torchm und Mannequin. Sie sind sämmlich nahe an 7«) Jahr alt lind leben kümmerlich von ihrer Hände Arbeit zum Theil in dem Städtchen La Trem- blade und zum Theil auf dem Lande in der Bretagne. — Weibliche Unschlüssigkeit. In dem Feuilleton eines Pariser Journals erzählt der Vicomte Delaunay: „Wir kennen eine Dame, die überaus unschlüssiger Natur ist und die, wenn sie in einem reichen Mode-Magazin sich befindet, vor lauter Un- emschloffenheii darüber, ob sie diesen oder jenen Stoff, diese oder jene Farbe, dieses oder jene« Muster wählen soll, endlich nach unzähligen Emschcidungen und Widerrufungen fünfzehn Ellen gewöhnlichen Gros-de-Naplcs von aschgrauer Farbe sich abschnei den läßt- Es scheint ihr am Ende nämlich ein geringeres Opfer, auf alles Schöne, was sie bis dahin gesehen, zu verzichten, als sich noch länger der fürchterlichen Maner ihrer unemschiedencn Wahl au«zusesen. So spaßhaft nun auch diese Unschlüssigkeit ist, wird sie doch noch durch folgenden Eharakterzug einer anderen Dame übertroffen: Eine Engländerin kain kürzlich zu dem be» kannten Juwelier Fossin in Paris, um ein Hochzeitsgeschenk für eine ihrer Nichten zu kaufen. Der Juwelenhändler legte ihr seine schönsten und kostbarsten Schmucksachen vor und suchte ihr die Vorzüge jedes einzelnen Geschmeide« rech« anschaulich z» machen. Die Engländerin war voller Bewunderung für die sel tenen großen Perlen, die glänzenden Diamanten und die ausge zeichneten Gold-Arbeiten- Ihre Blicke können sich kaum trennen von der Pracht und der geschmackvollen Anordnung der Sachen. Endlich ruft sie: „Ah, jetzt weiß ich, was ich ihr schenken werde".... „Diese Halskette vielleicht, Madamek" — „Nein!" — „Diese Ohrgehänges" — „Nein!" — „Dieses Armband?" — „Nein, ich werde ihr in London einen Wagen kaufen." Das mit dem »Osten d. M- »u Ende gehende Abonne. ment wird Denjenigen in Erinnerung gebracht, die in dem regelmäßigen Empfange dieser Blätter kem« Unterbrechung erleiden wollen. Htran«ge.;ebtn von der Ncdattien der Mg. Preuß. StaatS-Zciiung. Redigin von I. Schwann. Gedrn ki bei A W. Hayn.