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Wöchentlich erscheinen drei Nummer». PränumerationS- Pr-i« 22^ Sgr. (- Ule.) vierteljährlich, 3 Thlr. für tn« ganze Jahr, ohne Er. Höhung, in allen Theilen der Preußischen Monarchie. Magazin für die Man pränumerirt auf diese« Beiblatt der Mg. Pr. Staat«. Zeitung in Berlin in der Expedition (FriedrichS-Strafe Nr. 72); in der Provinz so wie im Auslände bei den Wohllöbl. Pcsl-Aemtcrn. Literatur des Auslandes. , sö' ^2. Berlin, Montag den 28. Januar 1839. England. Die Englische Literatur im Jahre 1838. (Nach dem Atlas.) Die Zahl der im Jahre ikM in England erschienenen Bucher war mindestens eben so groß als in irgend einem früheren Jahre. Der Eifer der Schriftsteller hat nicht nachgelassen, wenn sich auch die Leselust des Publikums neben so vielen anderen Gegenständen, die seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahmen, etwas abkühlic. Die Empörung in Kanada, die innere politische Aufregung, welche das neue Arinen-Gescs verursachte, Sie Irländischen Angelegen heiten und die lebhafte Bewegung unter den arbeitenden Klassen, die schnellen Fortschritte der Eisenbahn-Speculationen, der Aciicn- Eompagnieen, dec mechanischen Erfindungen in allen Zweigen der Gewerbe und Künste, endlich die Ausdehnung der Dampf schifffahrt über die Gewässer des Atlantischen Oceans sammt den mannigfachen Planen zu ähnlichen Unternehmungen in der Süd- fee und auf den Indischen Meeren, welche im vorigen Jahre auf das Tapet gebracht worden und jetzt schnell zur Reife gedeihen, dies Alles mußte natürlich von der Literatur abziehen und die Muße zur gelehrten und unterhaltenden Lektüre vermindern. Doch ungeachtet dieser anscheinenden Hindernisse floß der Strom der neuen literarischen Erscheinungen so voll und rauschend wie je mals, wenn er nicht gar seine frühere Hohe noch überstieg. Die periodische Literatur Hal ohne Frage zugenommen. Mehrere neue Magazine wurden im Lauf des Jahres begründet und herausgegeben. Wie sie alle bestehen können, ist schwer zu begreifen, zumal da die Mehrzahl von sehr zweideutigem Werihe ist. Nicht minder muß es aussallcn, daß bei so zahlreichen Ge burten doch so wenig Todesfälle stangefunden haben. Das Sün denregister war stark genug, aber nur sehr wenige der Schuldigen haben für ihre Vergehen mit dem Tode gebüßt. Das unerhörte Glück, welches die Romane des Herrn Dickens (Boz) machten, war für andere Schriftsteller eine Auf munterung, sich in demselben Geleise derber Skizzirung und humoristischer Darstellung zu versuchen. So haben wir drei bis vier Dickens stau eines Einzigen erhalten, und sie arbeiten frisch darauf los, so gut es gehl. Findel sich doch immer eine Menge von Bearbenern, um die Glücken Erz hcrauszufördern, wenn irgendwo eine neue Metall-Ader entdeckt ist, und das gierige Publikum nimmt sie alle in Kauf. Freilich können die Nachzügler keine so glückliche Ausbeute mehr machen, wie die ersten Finder. Manchem Abenteurer geht es auch wie Ali Baba: er wird in der Höhle begraben, die er zu betreten wagte, denn cs fehlt ihm der Talisman, der Genius, um ihn sammi de» Schatze» wieder herauszugeleilen. Im Ganzen aber ist das Feld des Romans nichl so emsig bebaut worden, wie es vor fünf oder sechs Jahren zu geschehen prwflA als Mistreß Gore im Zenilh ihrer Produclionskraft stand und Morier, Bulwer, d'Jsraeli, Banim und andere beliebte Schriftsteller rasch ein Werk nach dem anderen lieferten. Die Begierde nach Erzählungen aus der feinen Welt und nach histo rischen Romanen schein« fast erstorben zu seyn, und selbst Sir Lytton Bulwer, der geistreichste und lalcnlvollste Novellist unse rer Zeil, Hai lange Zwischenräume zwischen seinen Roman-Dich tungen verfließen lasten und seinen Genius einem anderen Dienste gewidmet, der perwdijchen Literatur und der Bühne. Der Buch händler Bemley, der als Verleger vermöge seiner Erfahrung in die ser besonderen Klaffe von Werken ein guter Gewährsmann für die Beunheilung des Werlhcü ist, in welchem sie stehen, Hal kürzlich den Preis neuer Romane um 20 pCt. herabgesetzt, woraus inan ersehen kann, daß dieser Artikel, um einen Handelsausdruck zu gebrauchen, in seinem Eours sehr gesunken ist. Jndeß der frühere Laden preis der Romane war auch so übertrieben, daß man sich eher wun dern muß, wie er sich so lange erhallen konme. Das theuerste Buch, das je aus der Presse hervorging, war ohne Vergleich ein neuer Roman. In jedem anderen Fache der Lileraiur konnte man eben so viel Druck und Papier zu der Hälfte des Geldes haben, und wahrend die wichtigsten Werke der Forschung, der praktischen Belehrung „gd der fleißigen Sammlung täglich zu dem wohl feilsten Preise erschienen, bei dem, wenn der Verkauf sehr stark war, höchstens die Deckung der Kosten und ein ganz geringer Ueberschuß für den Amor gewonnen werden konnte, war der Ro ma» so «Heuer, daß selbst ein unbedeutender Absatz reichen Ge winn bringen mußte- Man vergleiche nur einmal die Kosten und den Ladenpreis eines Bandes der „Penny-Cyclopädia" oder von „Lardncr's EyclopäSia" mit denen eines Mode-Romans. Den einen bekömmt man, eng gedruckt und voll nützlicher Be lehrung, für wenige Schillinge; der andere, mit seinen weiten Spazicn, großen Typen und gewaltigen Rändern, kostet etwa fünfmal so viel. Air Gedichten war das Jahr so fruchtbar wie irgend eines; sie sind so allgemein wie die Luft und werden auch in jeder Be ziehung mit derselben Gleichgültigkeit genossen. Die Zahl der Gedichte, die im Laufe eines Jahres gedruckt werden, ist der klarste Beweis von dem unkaufmännischem Geiste der Dichter, denn es wäre ein enthusiastischer Irrthum, wenn man wähme, daß eines unter hundencn seine Kosten gedeckt hätte. Aber auf dergleichen achtet kein Dichter. Für Ziffern hat er keinen Sinn. Er ist ein Licht wie andere Lichter, die sich selbst verzehren, wäh rend sic die Welt erleuchten. Unter der Masse von Verskünst- lern, die uns im vorigen Jahre mit ihcen Schöpfungen beglückt habe», befinden sich nur zwei, die auf literarischen Ruhm wohl Anspruch machen könnten: Martin Farguhar Tupper und Monck- ton Milnes. Doch auch diese glänzenden Talente sind nicht ohne Makel davongekommen: der Erstere ist von „Blackwood s Ma gazine" gegeißelt worden, weil er sich unterfangen, Eoleridge's „Christabel" zu vollenden, und der Letztere wird der „Eclectic Review" für die besondere Aufmerksamkeit, die sie ihm geschenkt Hal, nicht sehr zu danken haben. Nicht zu übergehen ist bei die ser flüchtigen Ucbersich« die treffliche Ucbcrsetzung des „Makino- gion" von Charlotte Guest"), als ein wvhlgclungcncr Versuch, die alte Wälische Poesie der Vergessenheit zu entreißen. Ebe» so wenig können wir die Dichter vorüberlaffen, ohne ein Wort zum Andenken L. E. L-'s ") zu sagen. Ihr Tod hat in den lite rarischen Kreisen allgemeines Bedauern erregt, und die Umstände, unter denen er erfolgte, kann man nicht ohne Schmerz betrach- tcn. Daß sie als Dichterin überschätzt worden, und daß der falsche Geschmack und die lächerlichen Schmeicheleien ihrer Kri tiker ihr Talent irregeleitet haben, läßt sich nicht leugne», aber fie besaß viele Eigenschaften, die sie über die gewöhnliche Linie ihrer Zengenoffen erhoben: außerordentliche Leichtigkeit, eine reiche Phantasie und lebhafte Empfindung. Der größere Theil ihrer Gedichte ist nur leider durch kränkliche Lebensansichten ge trübt, noch mehr aber durch eine «hörichte, eben so ausschwei fende als unwahre Leidenschaftlichkeit. Doch hatte sie eben erst die Jahre erreicht, wo etwas Besseres von ihr zu hoffen war, und wo man erwarte» konme, daß ihr Geist, der bei gehöriger Leitung und Ausbildung das Edelste zu leisten vermochte, einen dauernden Ruhm erringen werde. Wenige Schriftsteller ihrer Zeit sind mit solcher» Beifall ausgenommen worden und haben so schöne Hoffnungen erregt. Zu den literarischen Erscheinungen des verflossenen Jahres gehören auch eine Menge neuer Ausgaben älterer Werke. Die interessanteste darunter möchte eine Sammlung auSgewähl- >cr Stücke aus den Schriften des berühmten Jeremy Collier seyn, jenes wilden, verwegenen Satirikers aus der Zeit Karl'S II. Auch von Milton und Locke sind einige ihrer unbekanntesten Schriften von neuem aufgeweckt worden, und di^ vergessenen . Gedichte Ben Johnson'», seine Masken, Unterhaltungen und an dere Stücke, habe» in eine neue Ausgabe seiner Werke wieder Aufnahme gefunden. Von allen diesen Abdrücken verdient jedoch keine so allgemeine Aufmerksamkeit und zeug« so sehr von dem Wiederaufleben des Geschmacks umer dem Englischen Publikum, wie die neuen Ausstattungen, in denen Shakespeare erschienen ') S. Nr. 1« des Magazins vom vorigen Jahre. ") unter dieser Ci,iffre schrieb LieehemaligeMtß Landon, nachherige Mistreß Maclean, die vor kurzem zu Cave-Eoast Castle an der Airikamschen Küste, wo hin lie ihren Aalten begleitet hatte, nach einer Ehe von wenigen Monaten an einer Vergiftung ihr Leben endete Noch schweb« rin geheimnißvolles Dunkel über ihren, Tode. Man spricht von gclauichlrn Hoffnungen, Eifersucht, kör perlichen Leiden, von vorsaylich genommenem, von bcigebrachtem Gist. Die Aerzte haben nachgcwiescn, baß sie ihr keine bei unvorlichtiqem Gebrauch le bensgefährliche Arznei verordnet. An trüben Ahnungen nnd Vorboten des To des hat es nicht gefehlt, wenn auch andererseits wieder Zeugnisse scheinbarer Gemuthsruhe und Unbefangcnlieit «'erliegen. Zu den ersteren gehört beson ders eine Elegie von hoher Schönheit, „der Polarstern", welche Lie unglück liche Dichterin kur, vor ihrem Ende an ihre Freunde in England richtete, und-die von Len önentiichen Blattern iegt mitgethcilt wird.